Die Herzinsuffizienz infolge eines Myokardinfarkts stellt eine zunehmende Belastung für das Gesundheitssystem dar. Chronische Manifestationen der Erkrankung beeinträchtigen die Herzpumpfunktion und treiben den Herzmuskel in einen Teufelskreis aus Überlastung und Umbau. Die limitierte Regenerationskapazität adulter Kardiomyozyten unterstreicht die Notwendigkeit der Forschung für Myokardregeneration. „Engineered heart tissue“ (EHT) aus humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (human induced pluripotent stem cell, hiPSC) zeigt das Potenzial für den Ersatz geschädigten Gewebes und bietet einen innovativen Ansatz gegen Herzinsuffizienz.

Künstlich hergestellte Herzmuskelgewebe (engineered heart tissue, EHT) aus menschlichen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPSC) bieten eine vielversprechende Plattform für die Erforschung von Herzmuskelphysiologie und -krankheiten. Die Herausforderung besteht jedoch in ihrer strukturellen und funktionellen Unreife [23, 32]. Daher würde jeder Fortschritt bei der Ausreifung der hiPSC-Kardiomyozyten (hiPSC-derived cardiomyocyte, hiPSC-CM) zu einem adulten Phänotyp den Forschern helfen, hiPSC-CM für das Tissueengineering und für die Entwicklung geeigneter Gewebetransplantate zu verwenden. Je nach gewünschter In-vitro-(Krankheitsmodellierung oder Medikamentenscreening) und In-vivo-Anwendung („Herzregeneration“) müssen Maßstab und Geometrie des gezüchteten Herzmuskels angepasst werden [12, 33]. Unter allen bekannten Einflussfaktoren gilt ein geeignetes biomechanisches Umfeld als ein entscheidender Faktor für die Ausreifung der Kardiomyozyten [1, 8]. Das embryonale Herz entwickelt sich unter dem Einfluss einer biomechanischen Belastung [15]. Es funktioniert optimal innerhalb eines bestimmten hämodynamischen Bereichs und versagt in Situationen von akuter oder chronischer Überbelastung [14, 15]. Eine physiologische, biomechanische Stimulation ist für die Aufrechterhaltung der Funktion und Lebensfähigkeit des Herzmuskelgewebes über lange Zeiträume sowie für die Entwicklung und Reifung des Herzmuskels während der Wachstumsphase unerlässlich [13, 24, 29]. Die Entwicklung eines multifaktoriellen Bioreaktorsystems, das die In-vivo-Umgebung nachahmt, könnte für die Reifung künstlichen Herzmuskels und dessen klinische Anwendung entscheidend sein [2, 22, 30].

In dieser Arbeit wurden die Bedeutung und die praktische Umsetzung der biomechanischen Bedingungen für die 3D-Gewebekultur von aus Stammzellen gewonnenem Myokard untersucht [16]. Eine für die langfristige Kultur von adultem Myokard angefertigte biomimetische Kultivierungskammer (biomimetic culture chamber, BMCC) wurde so modifiziert, dass sie die Optimierung der Reifung von hiPSC-CM durch progressive mechanische Belastung ermöglicht [5, 16].

hiPSC-CM-Differenzierung und Aufbau von Primärgewebe

Pluripotente Stammzellen (iPSC) wurden durch Reprogrammierung von Hautfibroblasten (ID MRIi004-A) eines gesunden menschlichen Spenders nach etablierten Methoden erzeugt [21]. Der Gewebespender erteilte seine informierte Zustimmung, und die Studie entsprach den Grundsätzen der Deklaration von Helsinki. Wenn die als Monolayer kultivierten hiPSC eine entsprechende Konfluenz erreicht hatten, wurden sie durch die Verwendung von 2 chemisch definierten Medien nach etablierten Methoden in Kardiomyozyten (hiPSC-CM) differenziert [3]. Die hiPSC-CM wurden dann weiterkultiviert, bis sie Spontanaktivität entwickelten. Für die Bildung einer primären Gewebescheibe wurden die schlagenden Monolayer der hiPSC-CM zu einer Einzelzellsuspension dissoziiert. Die hochdichte Zellsuspension wurde mit Rinderkollagen und anderen Zusätzen gemischt, um schließlich eine Zell-Matrix-Mischung mit einer Zellkonzentration von 1,1 • 105 Zellen/μl zu bilden. Diese Mischung wurde sofort auf einen Biofilter pipettiert, auf dem sie sich zu einer kompakten Gewebescheibe verdichtete (Abb. 1a, b).

Abb. 1
figure 1

Experimenteller Aufbau und EHT-Bildung. a Ablauf des Versuchsplans; b schematische Darstellung der EHT-Produktion und detaillierte Darstellung eines scheibenförmigen primären EHT. Maßstabsbalken: 0,5 mm; c Durchflusszytogramm von Stammzellen (undifferenzierte hiPSC, MRli004-A) und differenzierten Zellen (Zellen nach dem Differenzierungsverfahren, das für die EHT-Herstellung verwendet wurde). Kardiales Troponin T (cTnT) und α‑Aktinin wurden zur Markierung beider Zellsuspensionen verwendet. Zellen, die doppelt-positiv für cTnT und Alpha-Aktinin markiert wurden, wurden als Kardiomyozyten identifiziert. (Modifiziert nach [34])

Biomimetische Kultur und Dehnungskonditionierung

Das neuartige biomimetische Kultursystem, das von der Arbeitsgruppe entwickelt wurde (biomimetische Kulturkammern, BMCC [5]), fand bereits Anwendung in früheren Arbeit zur langfristigen Erhaltung von erwachsenen menschlichen ventrikulären Myokard-Slices aus explantierten Herzen in vitro (Abb. 2a–c). Die etablierten Kriterien wurden als standardisierte Bedingungen für die EHT-Reifung verwendet, da nachgewiesen wurde, dass alle biomimetischen Eigenschaften der BMCC, einschließlich definierter Vorlast, systolischer Spannung, kontinuierlicher elektrischer Feldstimulation und Sauerstoffversorgung, für die konstante Funktion des kultivierten adulten menschlichen Myokards entscheidend sind [5]. Die BMCC verfügen über eine elastische Gewebeaufhängung, variable Längeneinstellung, bipolare elektrische Feldstimulation sowie eine kontinuierliche Kontraktionsregistrierung durch magnetische Positionsmessung. Die an die EHT-Kultur angepassten BMCC wurden aus spritzgegossenem Polystyrol hergestellt. Ein Federdraht aus Stahl wurde verwendet, um eine elastische Aufhängung zu erzeugen. Die von den EHT erzeugte Kontraktionskraft wurde in die Bewegung eines kleinen Magneten, dessen Magnetfeld mit einem integrierten 3D-Magnetsensor erfasst wurde, am freien Ende des Federdrahtes umgesetzt. Anhand der Federdrahtkonstante wurde die Kontraktionskraft berechnet. Die EHT in den BMCC wurden mit bipolaren Elektroimpulsen stimuliert. Diese Pulse wurden von 2 Grafitelektroden, die an beiden Längsseiten der EHT platziert waren, abgegeben. Für die automatische Stimulation und Krafterfassung wurden 8 BMCC-Kammern auf einer Kippplatte, die von einem getriebelosen, „microcontroller“-gesteuerten Schrittmotor betrieben wird, montiert (Abb. 2b). Durch ständiges Mischen des Mediums konnte die integrierte Wippplatte den Sauerstoffgehalt des Kulturmediums auf das normale Niveau des menschlichen arteriellen Blutes anheben. Das BMCC-Kultursystem wurde in einem konventionellen Inkubator betrieben und war mit einem externen Computer, auf dem eine eigens entwickelte Software die Rohdatenerfassung und das Stimulationsmanagement übernahm, verbunden. Die von den EHT erzeugten Kräfte wurden registriert und zur weiteren Untersuchung gespeichert (Abb. 2c). Für die Dehnungskonditionierung und die biomechanische Analyse wurden die primären Gewebescheiben in die BMCC-Kammern eingelegt und dann direkt mit einer elektrischen Feldstimulation behandelt. Die EHT wurden entsprechend der täglichen Dehnungsstärke in 4 Gruppen (S0–S3) eingeteilt: Eine Kontrollgruppe mit statischer Dehnung (S0: 0 mm/Tag) und 3 verschiedene Versuchsgruppen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten (S1: 0,08 mm/Tag, S2: 0,16 mm/Tag und S3: 0,32 mm/Tag). Die EHT der 3 Versuchsgruppen wurden einmal täglich manuell gedehnt, indem die verstellbare Gewebeaufhängung in verschiedenen Schritten verschoben wurde (Abb. 3a, b). Während eines Zeitraums von 21 Tagen wurde die Kontraktilität der EHT, mit Unterscheidung von systolischen und diastolischen Kräften, unter verschiedenen Bedingungen der elektrischen Stimulation kontinuierlich aufgezeichnet (Abb. 1a).

Abb. 2
figure 2

Ein neuartiger Bioreaktor ermöglicht die Dehnungskonditionierung unter verbesserten biomimetischen Bedingungen. a Schematische Darstellung der mechanischen Fixierung des primären EHT in einer biomimetischen Kulturkammer (BMCC). Rote Pfeile zeigen die Dehnungsrichtung an. b Aufbau des BMCC-Systems. Ein „microcontroller“ (linker gestrichelter Kasten) sammelt Kontraktionsdaten, erzeugt Stimulationsimpulse und steuert das Schütteln der BMCC-Plattform durch einen Schrittmotor (rechter gestrichelter Kasten). c Computer-Interface des BMCC-Systems. Datenspeicherung und Stimulationsparameter werden über ein Kontrollfeld (links) eingestellt. Die Gewebekräfte werden auf beliebigen Zeitskalen in frei zuweisbaren Oszilloskop-Fenstern angezeigt (mittlere und rechte Tafel). Jeder Peak steht für eine Kontraktion. (Modifiziert nach [34])

Abb. 3
figure 3

Dehnungskonditionierung. a Die Illustration des Dehnungsprozesses zeigt eine tägliche Verlängerung der EHT durch kontinuierliche Erweiterung des Abstands zwischen den 2 EHT-Haltepfosten. Die Kraftrichtung ist durch rote Pfeile dargestellt. b Detaillierte Darstellung der EHT-Fixierung in den biomimetischen Kulturkammern (BMCC). Maßstabsbalken links: 10 mm; Maßstabsbalken rechts: 0,5 mm. (Modifiziert nach [34])

Strukturelle , funktionelle sowie Genexpressionsanalyse

Nach der Konditionierungsphase wurden die EHT den BMCC entnommen und auf ihre β‑adrenerge Reaktion, das Ca2+-Handling (nach Beladung mit Fluo-4), die Elektrophysiologie (mittels intrazellulärer Potenzialmessung), die Genexpression sowie die Gewebe- und Zellstruktur untersucht. Die Expression von Genen, die für die Erregung-Kontraktion-Kopplung und die Sarkomerstruktur relevant sind oder auf einen adulten Phänotyp der Kardiomyozyten hinweisen, wurde mithilfe von Standard-PCR-Assays und RNA-Sequenzierung analysiert [28]. Zur Beurteilung der quantitativen Morphologie und der Ausrichtung der iPSC-CM wurden die EHT unter anhaltender Dehnung fixiert und gefärbt. Die Bildgebung wurde mit einem konfokalen Mikroskop durchgeführt. Die Länge der Sarkomere wurde entlang der Längsachse der Zellen gemessen [25]. Die Ausrichtung der Myofibrillen wurde mit der Technik der „second harmonic generation“ (SHG) nach bereits veröffentlichten Methoden abgebildet und analysiert [4, 25].

Zellkultur und Konstruktion von dreidimensionalem Gewebe

Um eine progressive Dehnung zu ermöglichen und ein einfaches Protokoll für den Aufbau von EHT zu schaffen, wurde eine komplett neue Methode zur Herstellung von EHT entwickelt. Unter Verwendung von niedermolekularen Differenzierungsmedien wurden etwa 70 % der iPSC erfolgreich in schlagende Kardiomyozyten (iPSC-CM) induziert (Abb. 1c). Die gewonnenen iPSC-CM wurden weder durch zusätzliche Techniken gereinigt, noch wurden weitere Zelltypen hinzugefügt, was den Prozess der Zellgewinnung erheblich vereinfachte. Die differenzierten Populationen wurden dann in Einzelzellsuspensionen dissoziiert und mit einer Vielzahl von extrazellulären Matrix (ECM) und Wachstumsfaktoren vermischt. Die Zellmischungen wurden für die primäre Verdichtung auf den Biofilter getropft. Dieser 2‑stufige Aufbau soll die Verfestigung des Gewebes beschleunigen, was den Effekt der natürlichen Gewebeschrumpfung minimiert und den EHT genügend Stabilität verleiht, um einer anschließenden externen Dehnung standzuhalten (Abb. 1b). Außerdem wurde bei dieser Methode auf das vorgefertigte „scaffold“ verzichtet, sodass die mechanische Unterstützung ausschließlich von dem zuvor gemischten Hydrogel und der endogenen extrazellulären Matrix der Zellpopulationen (insbesondere der 30 % Nichtmyozytenpopulation) abhängt. Auf diese Weise konnte eine hohe Zelldichte (5 • 106 hiPSC-CM/EHT) verwendet werden, um eine kompaktere Struktur zu erzeugen, die eine schnellere Entwicklung der intrazellulären Verbindungen und die Weiterleitung elektrischer und mechanischer Signale ermöglichte und damit eine solide Grundlage für die anschließende progressive Dehnung bietet.

Kontraktilität

Als einer der wichtigsten funktionellen Indikatoren der Kardiomyozyten zeigt die Kontraktilität direkt die Zellreifung an. Der bedeutendste Erfolg der Konditionierung bestand in dem enormen Anstieg der Kontraktionskraft, der mithilfe der Echtzeit-Kraftüberwachung nachgewiesen wurde (Abb. 4a). Die systolische Wandspannung der optimal durch Dehnung konditionierten EHT (11,3 mN/mm2) übertraf die fast aller zuletzt berichteten Gewebe (< 5 mN/mm2) [21, 23, 24, 28, 32], mit einer Ausnahme [26], und erreichte damit fast die aktive Kraftentwicklung des adulten menschlichen Herzens (15 mN/mm2) (Abb. 4b; [7]).

Abb. 4
figure 4

EHT erreichen nach der Dehnungskonditionierung eine bessere Kontraktilität. a Repräsentative Aufzeichnung der Kontraktionskraft von statischen (S0) und progressiven Dehnungsbedingungen (S3) über einen Zeitraum von 3 Wochen. Die periodischen Spitzen der Kontraktionskraft entsprechen Artefakten durch Mediumwechsel (36–48 h). b Entwicklung der Kontraktionskraft in Gruppen, die unterschiedlichen Dehnungsintensitäten ausgesetzt waren; c repräsentative Kraftkurven zeigen die Antwort eines kontrahierenden EHT auf eine zunehmende Dehnung unter isometrischen Bedingungen und zeigen eine physiologische Frank-Starling-Relation. d Die Antwort der systolischen Kraft und diastolischen Kraft (Vorspannung) auf die akute Dehnung in dehnungskonditionierten EHT (n = 7). e Maximale Kontraktionskraft, Verhältnis von systolischer und diastolischer Kraft und Elastizitätsmodul nach 3 Wochen biomimetischer Kultur mit statischer (S0), geringer (S1), mäßiger (S2) oder starker (S3) Dehnungskonditionierung (n = 7). cd S. L. (schlaffe Länge). n = 10 EHT pro Gruppe (b), n = 7 EHT pro Gruppe (de). „Two-way“-ANOVA, Tukeys multipler Vergleichstest vs. statische Dehnung, **p < 0,01, ***p < 0,001, ****p < 0,0001. (Modifiziert nach [34])

Nach der progressiven Dehnung stellten wir eine Erhöhung des Elastizitätsmoduls der EHT fest. In der Gruppe mit der hohen Dehnungsgeschwindigkeit konnte der Elastizitätsmodul (4,5 kPa) an das Niveau des gesunden menschlichen Myokards (5–7 kPa [6]) oder des Schweinemyokards (5,8 kPa [20]) heranreichen (Abb. 4d, e). Momtahan et al. wiesen nach, dass weniger als 25 % der Elastizität des Herzmuskelgewebes unter physiologischen Bedingungen von der extrazellulären Matrix stammen, während der Großteil von den Kardiomyozyten selbst gebildet wird. Allerdings zeigen EHT mit vorgefertigten Scaffolds in der Regel eine relativ hohe Steifigkeit, sodass der übermäßige mechanische Beitrag eigentlich auf die Adhäsion von Kardiomyozyten an der extrazellulären Matrix zurückzuführen ist. Bei dieser Anordnung wirken externe Kräfte nicht wesentlich auf die Kardiomyozyten ein, sondern vorwiegend auf die extrazelluläre Matrix [19]. Ein solcher Zustand beeinträchtigt tendenziell die mechanische Kraftübertragung zwischen den Zellen und führt so zu einem unphysiologischen Reiz [18].

Ein wesentliches Merkmal unseres Modells ist es, den Einfluss des extrazellulären Scaffold oder der Matrix auf die mechanische Kraftübertragung gering zu halten. Durch die Verringerung des Anteils der extrazellulären Matrix und die Erhöhung der Zelldichte in der Suspension konnten wir es den Kardiomyozyten ermöglichen, den größten Teil der Elastizität des EHT selbst zu erzeugen. Daher ermöglichte unsere Methode die Ausprägung von aktiven (systolischen) und passiven (diastolischen) Kräften der EHT in einem physiologischen Verhältnis von 9/1 in der elastischen Situation in den BMCC und von 9,5/1 bei optimaler Vorlast und isometrischer Kontraktion in einem Organbad (Abb. 4c–e). Diese Daten von EHT entsprechen sehr gut dem Verhältnis zwischen maximaler systolischer und enddiastolischer Wandspannung des menschlichen Herzens (10,2 ± 1,7) [11] und bestätigen damit, dass konditionierte EHT sehr gut fähig sind, Veränderungen der externen Dehnung in solche der Sarkomerlänge umzusetzen.

Erregungs-/Kontraktionskopplung

Darüber hinaus ist die durch Dehnung erreichte Steigerung der Kontraktilität untrennbar mit der Reifung einer Reihe von strukturellen und funktionellen Parametern verbunden, wie z. B. der Zellgröße, der linearen Ausrichtung der Muskelfasern, den elektrischen Eigenschaften, der Kalziumsignalübertragung usw. Die Frequenzabhängigkeit der Kontraktionskraft („force-frequency relation“, FFR) stellt einen integralen Aspekt der elektromechanischen Verknüpfung in Kardiomyozyten dar, weil sie intakte Verhältnisse des Aktionspotenzials, des Ca2+-Zyklus und der myozytären Ultrastruktur erfordert. Bei der Kultivierung von EHT unter statischen Dehnungsbedingungen wurde eine reduzierte Kontraktionskraft bei steigender Stimulationsfrequenz beobachtet, was auf eine negative FFR hinweist. Im Gegensatz dazu zeigten EHT, die durch Dehnung trainiert wurden – insbesondere die Gruppen S2 und S3 – eine um das 1,25fache erhöhte Kontraktionskraft bei schnellerer elektrischer Stimulation, mit einer Spitzenleistung bei Frequenzen von 3 bzw. 4 Hz, was eine positive FFR verdeutlicht (Abb. 5a). Zur genauen Untersuchung des Einflusses der Dehnung auf diese funktionellen Eigenschaften wurden die Ca2+-Transienten in EHT, die mit Fluo‑4 beladen waren, am Ende der Kultivierungsphase analysiert. Die Ergebnisse zeigten, dass eine intensive Dehnung die Amplitude des systolischen Ca2+ steigert und den Ca2+-Zyklus beschleunigt, erkennbar an kürzeren Dauern der Ca2+-Transienten und einer verkürzten Zeitkonstanten (τ) des Ca2+-Abfalls (Abb. 5b). In weiteren Experimenten wurde die Wirkung der Dehnungskonditionierung auf das Aktionspotenzial (AP) getestet. EHT, die starker Dehnung (S3) ausgesetzt waren, wiesen ein negativeres Ruhemembranpotenzial, höhere Amplituden und gesteigerte Anstiegsgeschwindigkeiten der Aktionspotenziale auf, verglichen mit EHT unter statischer Dehnung (S0) (Abb. 5c). Diese Beobachtungen korrelierten mit Verbesserungen in der Kontraktilität als Reaktion auf β‑adrenerge Stimulation, was ein Merkmal der phänotypischen Entwicklung darstellt (Abb. 7b).

Abb. 5
figure 5

Die Parameter der Erregung-Kontraktion-Kopplung sind in dehnungskonditionierten EHT verbessert. a Links: repräsentatives Kraft-Frequenz-Abhängigkeit von EHT, die einer statischen (S0) oder hohen Dehnung (S3) ausgesetzt waren. Rechts: Kraft-Frequenz-Abhängigkeit-Analyse von EHT, die mit statischer (S0), niedriger (S1), mittlerer (S2) oder hoher (S3) Dehnung konditioniert wurden (S0–S3, n = 6). b Links: repräsentative Aufnahmen der Fluo-4-Fluoreszenz mit „region of interest“ (ROI). Rechts: Quantifizierung der Dauer, Amplitude und des exponentiellen Abfalls („decay“, τ) von Kalziumtransienten in EHT (S0–S3, n = 6–8). c Links: repräsentative Aktionspotenziale von EHT, die einer statischen (S0) oder starken Dehnung (s3) ausgesetzt waren. Rechts: Quantifizierung des Ruhemembranpotenzials, der Aufstiegsgeschwindigkeit, der Dauer des Aktionspotenzials bei 90 %iger Repolarisation und der Amplitude (S0–S3, n = 6); bc One-way ANOVA, „Tukey’s multiple comparison test“, *p < 0,05, **p < 0,01, ***p < 0,001. (Modifiziert nach [34])

Zellwachstum und lineare Ausrichtung der Myofibrillen

Die progressive Dehnung der EHT resultierte in einer entsprechenden Steigerung der Gewebelänge, welche eng mit der Länge der einzelnen Kardiomyozyten zusammenhing (Abb. 6d). Eine durch Durchflusszytometrie (Fluorescence Activated Cell Sorting, FACS) belegte Volumenzunahme der Kardiomyozyten nach Gewebedissoziation wurde ebenfalls beobachtet (Abb. 6e). Da die myozytäre Querschnittfläche der EHT (identifiziert durch positive Aktininfärbung) und ihr Anteil an der Gesamtquerschnittsfläche des Gewebes durch das Dehnungsverfahren nicht wesentlich verändert wurden (38–48 % in allen getesteten Gruppen, n = 2–6, nicht signifikant), wurde eine annähernde Verdopplung des kardiomyozytären Volumens in den progressiv gedehnten Geweben errechnet (von 3050 µm3 auf 6270 µm3), was mit einer ähnlichen Zunahme des gesamten Muskelvolumens der EHT übereinstimmte (von 1,3 mm3 auf 2,7 mm3). Zudem förderte die Dehnungskonditionierung die hiPSC-CM-Ausrichtung entlang der Kraftlinien, was in einer reduzierten Streuung der Zellachsen resultierte. Die Dehnung führte auch zu einer Verlängerung der Sarkomere von 1,87 ± 0,1 µm auf Werte nahe dem physiologischen Niveau (2,19 ± 0,1 µm). Diese Veränderungen könnten zur physiologischen Kraft-Längen-Abhängigkeit (Frank-Starling-Mechanismus) der dehnungskonditionierten EHT beigetragen haben. Durch bildgebende Verfahren wie konfokale Mikroskopie und Mikroskopie der Second harmonic generation (SHG) wurde in den α‑Aktinin-positiven Bereichen der gedehnten Gewebe eine erhöhte Anzahl von Kardiomyozyten mit dicht gepackten, quergestreiften und linear ausgerichteten Myofibrillen festgestellt, im Gegensatz zur geringen Dichte und unregelmäßiger Verteilung in ungedehnten Geweben (Abb. 6a–c). Die Entwicklung der Myofibrillendichte und -struktur sowie eine verbesserte mechanische Kopplung zwischen den Zellen können als strukturelle Basis für die durch progressive Dehnungskonditionierung erzielte Steigerung der Kontraktilität betrachtet werden.

Abb. 6
figure 6

Progressive Dehnung fördert das Wachstum und die lineare Ausrichtung von hiPSC-CM. a Immunfluoreszenzaufnahmen von EHT, die 3 Wochen lang einer statischen (S0), geringen (S1), mäßigen (S2) oder starken (S3) Dehnung ausgesetzt waren. Längsschnitt gefärbt für α‑Aktinin (rot), Connexin43 (grün) und DNA (blau). Maßstabsbalken: 10 µm. b Aufnahme der „second harmonic generation“ (SHG) von dehnungskonditionierten EHT (S0–S3), die die Ausrichtung und Dichte der Myofibrillen und Sarkomere zeigt. Maßstabsbalken: 10 µm. c Hochvergrößerter Längsschnitt des S3-konditionierten EHT, Längsschnitt gefärbt für α‑Aktinin (rot), WGA (grün) und DNA (lila) Maßstabsbalken: 10 µm; d morphologische Parameter der Kardiomyozyten und der Kardiomyozytenausrichtung in EHT nach Konditionierung mit geringer Dehnung (S0, S1) oder hoher Dehnung (S2, S3) (Mittelwerte von n = 4 Geweben). e Repräsentatives Histogramm der Vorwärtsstreuung (FSC) und Analyse des Myozytenvolumens in Bezug auf die durchschnittliche FSC. Der zyanblaue Peak zeigt die FSC von S0 (statische Dehnung, cTnT-positiv) an; der rote Peak zeigt die FSC von S3 (hohe Dehnung, cTnT-positiv) an. Die Zellsuspensionen wurden mit kardialem Troponin T (cTnT) angefärbt.Die Zellzahlen wurden auf Modus (relativ Zahlen) normalisiert. f Schematische Darstellung der Schätzung des Zellvolumenwachstums, die aus verschiedenen Analysen berechnet wurde. d Mann-Whitney-Test; e n = 6 für S0 und S3. Ungepaarter t-Test. *p < 0,05, **p < 0,01, ***p < 0,001, ****p < 0,0001. (Modifiziert nach [34])

Genexpression

Während der Entwicklung des menschlichen Herzmuskelgewebes nimmt die Expression der schweren β‑Myosinkette (β-MHC) zu, während die Produktion der schweren α‑Myosinkette (α-MHC) abnimmt [28, 31]. Dies geschieht während des Übergangs vom fetalen Herzen zum erwachsenen Herzen, wobei die β‑MHC vorwiegend in der Herzkammer exprimiert wird [27]. Nach den Ergebnissen der qPCR-Experimente exprimieren stärker gedehnte EHT ein geringeres Niveau von MYH6 und ein höheres Niveau von MYH7. Bezeichnenderweise war das Verhältnis von MYH7 zu MYH6 in intensiv gedehnten EHT etwa 4,6-mal größer als in statisch gedehnten oder weniger intensiv gedehnten Gruppen (Abb. 7a). Unerwarteterweise stellten wir bei allen Dehnungsgraden eine deutliche Unterdrückung der Aktivität des natriuretischen Peptids BNP fest (p < 0,01, ungepaarter t-Test von S0- und S2-, S3-Gruppen), was der mechanosensitiven Hochregulierung von BNP, die bei Herzinsuffizienz und in EHT mit geringer Compliance oder unter isometrischen Bedingungen beobachtet wurde, zu widersprechen scheint [10, 13]. Dies ist eine weitere Bestätigung dafür, dass die EHT, die in der BMCC einer progressiven Dehnung unterzogen werden, nicht überdehnt werden, was im Gegensatz steht zur mechanischen Überlastung des Herzmuskelgewebes, die bei dilatativen Herzerkrankungen auftritt. Die Bewertungen der diastolischen Vorbelastung stimmten ebenfalls mit dieser Interpretation überein, da sie keine (S1, S2) oder nur eine geringe (S3) Erhöhung der diastolischen Spannungen nachwiesen (Abb. 4). Insgesamt zeigen diese Daten bei EHT, dass der systolische und nicht der diastolische Stress der primäre Auslöser für die BNP-Produktion sein könnte, was experimentell beim Menschen bestätigt wurde [9, 17]. Dementsprechend können EHT, die einer spezifischen biomechanischen Belastung ausgesetzt sind, ein hilfreiches Modell für die Untersuchung der noch nicht identifizierten mechanischen Transduktion verschiedener natriuretischer Peptide sein. Bei der Expression weiterer, aufgrund ihrer Bedeutung für Struktur, Ionenkanäle und extrazelluläre Matrix des Myokards ausgewählter Gene war die Rolle der Dehnung jedoch nicht offensichtlich (Daten nicht gezeigt).

Abb. 7
figure 7

Progressive Dehnung fördert die Maturierung der Genexpression. a Reifung der Expression von Myosinisoformen: quantitative PCR-Analyse von MYH6-mRNA und MYH7/MYH6-Verhältnis. b Effekte der β‑adrenergen Stimulation. Von links nach rechts: Reaktionen auf Isoprenalin (1 μmol/l) der Kontraktilität, der relativen Relaxationsgeschwindigkeit und der Kontraktionsdauer, normalisiert auf die Werte vor der Isoprenalingabe (S0–S3, n = 5). ab One-way ANOVA, Tukeys multipler Vergleichstest, *p < 0,05, **p < 0,01; c Immunfluoreszenzaufnahmen von EHT, die unter S0- oder S3-Bedingungen kultiviert wurden. Linke Bilder: Längsschnitte gefärbt für α‑Aktinin (rot), Untereinheit der Zytochrom-c-Oxidase in Mitochondrien – MTCO2 (grün) und DNA (blau). Rechte Bilder: MTCO2-Komponente der linken Bilder. Maßstabsbalken: 25 µm. (Modifiziert nach [34])

Eine explorativ durchgeführte RNA-Sequenzierung zeigte aber eine signifikante Hochregulierung einer Gruppe von Genen, die als Marker für die Reifung validiert worden war (n = 2, Daten nicht gezeigt). Die dafür relevanten Gene sind an verschiedenen Signalwegen der Erregung-Kontraktion-Kopplung, des Stoffwechsels, der oxidativen Phosphorylierung und der Differenzierung von nichtmyozytären Zelltypen (z. B. Fibroblasten und Endothelzellen) beteiligt. In unabhängigen Experimenten wurden u. a. eine verstärkte Ausprägung der oxidativen Phosphorylierung und die erhöhte Expression von adrenergen Rezeptoren bestätigt (Abb. 7b, c). Daraus können wir schließen, dass dehnungskonditionierte hiPSC-CM ein reiferes Transkriptionsprogramm aufweisen.

Fazit für die Praxis

  • In dieser Arbeit wird ein innovativer Ansatz zur Reifung und zur Wachstumsförderung von künstlichem Herzmuskel vorgestellt.

  • Durch die Anwendung progressiver Dehnung wird die biologische Bedeutung der Gewebekräfte, die auch die postnatale Herzentwicklung steuern, demonstriert. Daher bietet diese Arbeit eine vielversprechende Strategie für die Untersuchung des Herzmuskelwachstums und des pathologischen Remodeling.

  • Langfristig könnten EHT therapeutisch genutzt werden, um geschädigtes Myokardgewebe zu ersetzen. Durch progressives Dehnen in biomimetischen Kultivierungskammern (BMCC) wird eine attraktive Methode geboten, um die Größe und Kontraktionsfähigkeit von EHT zu steigern und somit eine solide Grundlage für die Entwicklung patientenspezifischer Implantate zu schaffen. Dies könnte neue Perspektiven für die kardiale Regenerationsmedizin und die chirurgische Therapie der Herzinsuffizienz eröffnen.