Einleitung

Während einige Bereiche der Medizin schon länger mit den sozialen Medien arbeiten, ist die Herzchirurgie damit – zumindest in Deutschland – noch sehr zurückhaltend. In den USA ist es ein beliebtes Tool, um einerseits Patienten zu informieren und andererseits wissenschaftliche Inhalte mit Kollegen zu teilen. Zweifelsohne geht das über die digitalen Netzwerke um ein Vielfaches schneller und effektiver [https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31404547/]. Verstärkt wurde der Effekt durch die Coronapandemie, die uns alle zum virtuellen Austausch zwang. Aus der Not wurde eine Tugend. Doch mit jeder Neuerung kommen Tücken auf, die es zu umschiffen gilt. Wie präsent dürfen also Ärzte in den sozialen Medien sein, ohne dass zum Beispiel unlauterer Wettbewerb stattfindet oder sie gegen die Berufsverordnung verstoßen?

Über welche Kanäle sprechen wir eigentlich, wenn wir „Social Media“ sagen? In dem Potpourri aus immer mehr Apps und Online-Anwendungen tun sich die am häufigsten genutzten Plattformen hervor. Dazu zählen: Facebook, Twitter, YouTube und Co. Wo kommen sie her, und was wird auf Ihnen geteilt?

Facebook: digitaler Blog

Facebook, dass damals noch „FaceMash“ hieß, wurde 2004 von dem Harvard-Absolventen Marc Zuckerberg und Studienkollegen gegründet [1]. Seit diesem Zeitpunkt wuchs das Unternehmen stetig und war ab 2012 in deutscher Sprache verfügbar. Inzwischen sind mehr als die Hälfte aller Deutschen (47 Mio. Stand: 2022) auf Facebook angemeldet [2]. Die Plattform arbeitet mit Bildern und Texten (Abb. 1). Jedes Profil hat eine „Timeline“, in der Beiträge von Freunden angezeigt werden. Facebook arbeitet intensiv mit personalisierter Werbung. Seit 2009 hält eine hitzige Diskussion über die Datensicherheit auf Facebook an. Inzwischen können im Bereich „Privatsphäre“ einige Datenschutzeinstellungen vorgenommen werden. Was tatsächlich mit den Daten passiert, bleibt dennoch kritisch zu hinterfragen.

Abb. 1
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Facebook; Profil des Jungen Forum der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). ([15]; mit freundlicher Genehmigung des Jungen Forums der DGTHG)

Twitter: der Kurznachrichtendienst

Zwei Jahre nach der Gründung von Facebook entstand im März 2006 durch Jack Dorsey und Kollegen Twitter [3]. User können auf dieser Plattform Kurznachrichten von maximal 280 Zeichen – auch Tweet genannt – mit ihren Followern teilen. In sehr kurzer Zeit werden die wichtigsten Inhalte verbreitet. EACTS, DGTHG, das Junge Forum der DGTHG und viele weitere medizinische Institutionen nutzen die Plattform (Abb. 2). Viele Mediziner teilen über Twitter aktuelle Studienergebnisse und Lerninhalte mit ihren Followern und Kollegen und ermöglichen so den wissenschaftlichen Austausch (Abb. 3).

Abb. 2
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Twitter-Account Junges Forum der DGTHG. ([16], mit freundlicher Genehmigung des Jungen Forums der DGTHG)

Abb. 3
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Twitter-Account von Dr. Nicolas Merke. ([17], mit freundlicher Genehmigung von Dr. N. Merke)

YouTube: der Videokanal

Jawed Karim, Chad Hurley und Steve Chen gründeten 2005 die Videoplattform YouTube [4]. Zum damaligen Zeitpunkt gab es laut den Gründern keinen digitalen Ort, um Videos von und mit der ganzen Welt zu teilen, weshalb sie sich dazu entschieden, selbst diesen Raum anzubieten. Der erste Clip auf YouTube war 19 s lang, mit dem Titel „Me at the Zoo“ von Jawed Karim vor einem Elefantengehe im Zoo und hat inzwischen mehr als 150 Mio. Clicks [5]. Auf YouTube haben User die Möglichkeit, Videos mit einer maximalen Länge von 12 h hochzuladen. Im medizinischen Bereich wird die Plattform gern genutzt, um komplexe Inhalte mit Patienten zu teilen, Einblicke in die Arbeit im Krankenhaus zu geben oder Medizinstudierenden Lerninhalte zu vermitteln (Abb. 4).

Abb. 4
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YouTube; Auszug YouTube-Kanal von Dr. Djawid Hashemi. ([13], mit freundlicher Genehmigung von Dr. D. Hashemi)

LinkedIn: Business-Plattform, wandelnde Bewerbungsmappe

LinkedIn wurde am 28.12.2002 gegründet und am 05.05.2003 gelauncht. Die Gründer waren Reid Hoffman, Allen Blue Jean-Luc Vaillan, Eric Ly und Konstantin Guericke [6]. 2006 verzeichnete das Unternehmen erstmals Gewinne und wurde 2016 an Microsoft Inc. verkauft. LinkedIn ist zu einer digitalen Bewerbungsplattform geworden, auf der sich professionell über Berufsinhalte und Interessen ausgetauscht wird. Nicht selten schauen Headhunter auf den Profilen der User vorbei. In der Medizin wird LinkedIn immer relevanter, um nach potenziellen qualifiziertes Personal Ausschau zu halten.

Instagram: Foto- und Videoplattform

Instagram wurde im Oktober 2010 von Kevin Systrom und Mike Krieger veröffentlicht. Die App bot damals Usern die Möglichkeit, Fotos aus ihrem Leben – damals meistens von gekochtem Essen – zu teilen und vorab noch Farbfilter darüber zu legen [7]. Mittlerweile bietet die Plattform mehr Raum als nur visuelle Beauty- und Lifestyle-Inhalte. Etwa ein Siebtel der Weltbevölkerung ist aktiv auf Instagram unterwegs. Im Zuge der Coronapandemie hat die wissenschaftliche Aufklärung mithilfe von Fotobeiträgen oder Kurzvideos, zu denen kurze Texte verfasst werden, Aufschwung bekommen (Abb. 5). Viele benutzen das Netzwerk, um sich auf schnellem und kurzem Weg über Themen zu informieren, darunter auch über Medizin (Abb. 5 und 6).

Abb. 5
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Instagram; Beitragsbeispiel @fleurbardot. ([18], mit freundlicher Genehmigung von @fleurbardot (Florentine Kleemann))

Abb. 6
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Instagram Profil von European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). ([19], mit freundlicher Genehmigung von EACTS)

TikTok: Kurzvideos 15 s–3 min – von Spaß bis Ernst

Nach der Gründung von TikTok im Jahr 2020, wurde die Plattform innerhalb von sechs Jahren zu der am häufigsten herunter geladenen App [8]. TikTok ist, anders als YouTube, ausgelegt auf Kurzvideos mit einer Länge von 15 s und inzwischen sogar 3 min. Zu Beginn lag der Fokus auf Tanzvideos, die sich schnell als Trend verbreiteten und zum Nachahmen animieren sollten. Auch dieser Dienst hat sich weiterentwickelt. Besonders junge Menschen im Alter von 12 bis 25 Jahren lassen sich nahbar erreichen.

Häufige Fragen und richtiger Umgang mit Social Media

  1. 1.

    Welcher Kanal hat den größten Nutzen für Mediziner?

Die von Medizinern am häufigsten genutzten Anwendungen sind YouTube, Twitter und LinkedIn.

  1. 2.

    Worauf müssen Ärzte achten? Was sagt die Ärztekammer?

Als Ärzte unterliegen wir, bei professioneller Benutzung von Social Media-Kanälen, der Berufsverordnung. Im Jahr 2014 hat die Bundesärztekammer zum ersten Mal eine Handreichung zum Thema Ärzte in den sozialen Medien erstellt, in der man sich umfassend informieren kann [9]. Im Januar 2023 ist die aktualisierte Version online gegangen, in der besonders auf Medical-Influencer und Microblogging-Plattformen wie Twitter eingegangen wurde [https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Themen/Digitalisierung/2023-01-19_Handreichung_Aerzte_in_sozialen_Medien.pdf].

  1. 3.

    Social Media, nur etwas für die Youngsters?

Die sozialen Kanäle sind schon lange nicht ausschließlich für die jüngere Generation ein beliebtes Mittel, um sich auszutauschen. Besonders Plattformen wie Twitter eignen sich gut, um international mit Kollegen im Kontakt zu bleiben, sich über wissenschaftliche Themen auszutauschen und beispielsweise Mentorships zu fördern bzw. überhaupt zu realisieren.

Jenseits vom persönlichen Interesse bieten digitale Plattformen den optimalen Rahmen, um Patienten über beispielsweise Zugangsbestimmungen im Krankenhausbereich, Therapieverfahren oder Qualitätssicherung zu informieren. Letztlich sind die sozialen Kanäle in dem Fall nichts anderes als der Flyer im Wartezimmer, der schon lange abgedankt hat.

  1. 4.

    Wie mit Social Media starten? Dos and Donʼts: Twitter-Account erstellen

Allem voraus gilt: Learning by doing. Im Zweifel sich von den eignen Kindern eine kleine Einführung geben lassen oder auf professionelle Agenturen zugehen. Ansonsten gehen wir als Einstiegsbeispiel die Anmeldung und Benutzung eines Twitter-Accounts durch. Die Inhalte stammen aus einem Paper von Liu et al. von 2019 [10].

Entscheidend für die Erstellung eines Social-Media-Profils im beruflichen Kontext ist die Erhaltung der Professionalität (Tab. 1). Um das sicher zu stellen, benutzen Sie immer ihren Klarnamen und stellen Sie ihm am besten – sofern vorhanden – Ihre Titel voran. Zum Beispiel: „DrMariaTingel“ oder „Dr_Maria_Tingel“. Dies ermöglicht es sowohl Kollegen als auch Patienten, Sie zu finden.

Tab. 1 Zehn Dos and Donʼts für die Nutzung von Social Media

Für das Profilbild verwenden Sie am besten ein Porträt in Berufskleidung, um sicherzustellen, dass Sie als die richtige Person erkannt werden. Denken Sie immer daran: Was einmal im Internet steht, bleibt dort auch. Deshalb gilt für die Erstellung von Tweets – den Kurznachrichten auf Twitter –, sich an die Vorgaben der Handreichung der Bundesärztekammer zu halten (Tab. 1; [9]).

Wenn Sie einen Beitrag schreiben, benutzen Sie Hashtags #, die ihr Posting beschreiben und wie ein Stichwort für alle Nutzern der Plattform suchbar ist, um die Reichweite zu erhöhen, z. B.: #SocialMedia #Herzchirurgie #modernemedizin. Sinnvoll ist es, die Internetseite des Arbeitgebers in der Profilbeschreibung zu hinterlegen, um die Echtheit Ihres Profils zu unterstreichen.

Viele kennen es, dass man auf Jahrestagungen wie der der DGTHG im Februar kaum alle spannenden Vorträge anhören kann. Deshalb bieten sich solche Veranstaltungen besonders gut an, um über das Erlebte auf Twitter zu berichten und sich mit Kollegen darüber auszutauschen.

  1. 5.

    Kosten und Nutzen? Und wie groß ist die Reichweite von Social Media wirklich?

Aus aktuellen Umfrageergebnissen des „DIGITAL 2022 REPORT“ geht hervor, dass etwa 86,5 % der Deutschen Social Media aktiv benutzen und 5 verschiedene Plattformen besitzen [11]. Der Durchschnitt hält sich täglich um die 1,5 h/Tag auf den sozialen Kanälen auf. Am längsten wird die App TikTok aufgerufen, gefolgt von Facebook und WhatsApp. „Internet-User deutschlandweit nutzen das Internet am häufigsten, um schnell an Informationen zu kommen (73,7 %)“ [11].

Social Media in der Herzmedizin

Schon Anfang 2020 geht aus einer randomisierten Studie von Luc et al. hervor, dass die sozialen Kanäle die Sichtbarkeit kardiochirurgischer Wissenschaft verbessern [12]. Durch die Coronapandemie wurde der professionelle Austausch über Plattformen wie Twitter und YouTube weiterverstärkt. Dr. Djawid Hashemi, Arzt für Kardiologie an der Charité, betreibt beispielsweise seit fast drei Jahren Online-Fortbildungen auf YouTube für seine kardiologischen Kollegen. Begonnen hatte es mit dem Hintergrund, Fortbildungen weiterhin anzubieten, auch wenn Präsenzveranstaltungen in der Coronapandemie nicht möglich waren (Abb. 4; [13]). Inzwischen sind die Videos unter dem Nachwuchs heiß begehrt und erreichen, sogar interessierte Medizinstudierende (Abb. 4; [13]). Ohne direkt Werbung für den Fachbereich zu machen, gewinnen diese Abteilungen motivierte Bewerber. Verständlich visualisierte Studienergebnisse lassen sich besonders gut über die sozialen Kanäle teilen und erhöhen die Reichweite (Tab. 2). Mit einem Klick bekommt die wissenschaftliche Arbeit die Aufmerksamkeit, die sie verdient hat, und erreicht die richtige Zielgruppe. Social Media in der Herzmedizin kann sowohl für den interprofessionellen Austausch als auch für Fort- und Weiterbildung sinnvoll sein (Abb. 12345 und 6).

Tab. 2 Wörterbuch Social Media

Wie bin ich zu Social Media gekommen, und was mache ich da?

Bis 2020 hatte ich kaum Berührungspunkte mit den Sozialen Medien, und mein privat geschalteter Account auf Instagram war mit einer Followerzahl von etwa 100 nicht wirklich relevant. Durch die Coronapandemie und der damit wachsenden Unsicherheit in der Bevölkerung sah ich es als Chance, meine Fertigkeiten aus dem Medizinstudium zu nutzen, um über SARS-CoV‑2 und die Pandemie aufzuklären. Über nun fast 3 Jahre habe ich regelmäßig Studien gelesen und die Inhalte in eine verständliche Sprache übersetzt und visualisiert. Medizin sollte keine Wissenschaft der „auserwählten Gelehrten“ sein, die von einem Elfenbeinturm der Arroganz aus betrieben wird. Sie ist vielmehr modern, nahbar und am Puls der Zeit. Was auch bedeutet, dass die Bedürfnisse von informierten Patienten berücksichtigt werden. Dazu gehört ein Verständnis über die Art und Weise, wie sie sich informieren und mit welchen Mitteln sie erreicht werden.

Ich selbst hätte vermutlich am wenigsten gedacht, dass diese Form der Kommunikation auf den sozialen Kanälen, die eigentlich von einem Bild einer heilen Beauty-Welt getrieben sind, auf derart viel Anklang stößt. Von den anfänglich 100 Followern sind wir inzwischen auf knapp 20.000 Menschen gewachsen, die Interesse an Aufklärung haben und die Inhalte in ihre Haushalte tragen. Der Effekt ist wesentlich nahbarer als jeder Informations-Flyer. Organspendeaufklärung findet z. B. in Form eines kurzen Erklärvideos statt oder dadurch, dass ich meinen Follower am Tag der Organspende digital mitnehme.

Innerhalb der letzten 3 Jahre habe ich die Arbeit immer weiter professionalisiert, 2021 den „Digital Female Leader Award“ gewonnen und wurde von Focus zu den „Top 100 Frauen des Jahres“ ausgewählt. Seit Oktober 2022 bin ich unter Vertrag bei einem Influencer-Management „MedServation“, die sich auf Mediziner spezialisiert haben und die besonderen Bedürfnisse unserer Berufsgruppe abdecken können. Neben der klassischen Influencer-Tätigkeit habe ich in Zusammenarbeit mit dem Georg Thieme Verlag seit einem Jahr einen Podcast über den klinischen Abschnitt im Medizinstudium „Ruhepuls – für ein entspannteres Medizinstudium“ und mit OMR (Online Marketing Rockstars) × GSK (Glaxo Smith Kline) in diesem Jahr einen Podcast für Pneumologen produziert „Aeronauten – Die Atemwege Podcast Show“.

Meine Arbeit im Online-Bereich ist jedoch nicht Ausdruck dessen, dass ich der klassischen Medizin den Rücken kehren möchte. Ich sehe es eher als eine Bereicherung, um Patienten besser zu verstehen und Gesundheitsthemen präsenter zu machen.

Fazit

  1. 1.

    Social Media ist ein moderner und notwendiger Weg zur schnellen Verbreitung von wissenschaftlichen Inhalten.

  2. 2.

    In der Gesundheitsmedizin spielt Social Media eine bedeutende Rolle, um medizinische Inhalte und Lehrmaterial an ein großes Publikum zu vermitteln.

  3. 3.

    Die aktuell verfügbaren Social-Media-Kanäle ermöglichen, Medien als Bildmaterial, Videos, Tweets oder Artikel online zu stellen.