Seit Menschengedenken haben Frauen in der Heilkunde ihren anerkannten Platz. Historisch betrachtet standen dabei Krankenpflege, Wundheilung und Geburtshilfe lange Zeit im Vordergrund. Erst in moderneren Zeiten, nach der Gründung medizinischer Fakultäten an einigen Universitäten, erscheinen vereinzelt Frauen auch im Bereich der akademischen Medizin und noch seltener im Umfeld der Disziplin Chirurgie. So wird z. B. Dorothea Christiane Erxleben 1754 als die erste promovierte deutsche Ärztin an der Universität Halle an der Saale aufgeführt. Als erste anerkannte deutsche Chirurgin gilt Elisabeth Winterthaler, allerdings mit Studium und Promotion (1890) in der Schweiz, wo sie auch zunächst in Zürich praktizierte. Später, 1903/1904, musste sie das gesamte Studium mit Examen in Deutschland wiederholen, nachdem sie bereits seit 1895 mit der Schweizer Promotion als Gynäkologin in Frankfurt am Main tätig gewesen war. Hier hatte sie auch 1895 als erste Frau in Deutschland eigenverantwortlich eine Laparotomie durchgeführt.

In der Neuen Welt erfolgte die legitime Aufnahme von Frauen in die akademische Medizin etwas später, erst nachdem vereinzelte, zuvor freie Medizinschulen als formale Medical Schools anerkannt worden waren. Eine der ersten Absolventinnen des mit zwei weiteren Frauen gegründeten Women’s College of the New York Infirmary war Elizabeth Blackwell (1829–1902). Diesen drei aktiven Damen gelang später auch die Öffnung der Allgemeinchirurgie für Frauen. Die Ära für den Bereich Thoraxchirurgie in den USA begann mit der Einrichtung des Board of Thoracic Surgery (BTS) 1948. Aber erst 1961, 12 Jahre nach den ersten Prüfungen, wurde als erste Frau Nina Starr Braunwald als Thoraxchirurgin zertifiziert, obwohl sie bereits seit gut 10 Jahren Herzoperationen durchgeführt hatte. Aber das ist eine längere Geschichte:

Nina Starr (Braunwald) wurde am 2. März 1928 in Brooklyn, New York, geboren (Abb. 1). Sie war das einzige Kind von May und Morris Starr, Eltern aus angesehenen jüdischen Familien. Die Mutter war Innenarchitektin, der Vater praktizierender Internist mit kardiologischem Interesse. Aufgrund ihrer ausgeprägten kreativen Anlagen und ihrer manuellen Geschicklichkeit interessierte sich Nina zunächst in Richtung ihrer Mutter für Kunst in Form von Kursen in Malerei und Plastik. Andererseits lenkten sie später die nicht seltenen Begleitungen ihres Vaters bei dessen Hausbesuchen, noch vor ihrem Abschluss der Erasmus Hall High School 1945, hinsichtlich ihrer weiteren Ausbildung auf den Weg zur Medizin. So begann sie im Februar 1946 am New York University College mit den vorklinischen, naturwissenschaftlich orientierten Fächern. Bei ihren Problemen, z. B. mit der organischen Chemie, wurde sie von dem um ein Jahr jüngeren Mitstudenten Eugene Braunwald freundschaftlich unterstützt. Der war in Wien geboren und aufgewachsen und mit dem größten Teil seiner ehemals wohlhabenden, ebenfalls jüdischen Familie nach dem „Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich“ in die USA nach New York ausgewandert. Seinen Weg in die Medizin hatte ihm seine Mutter Claire gewiesen. Sein Vater war zu Hause Textilkaufmann und ehemals Besitzer eines Modehauses gewesen. Eugenes Musikbegeisterung aus der Wiener Zeit führte ihn in New York bald in die Metropolitan Opera, wo es ihm gelang, über gelegentliche Auftritte als Komparse die Ära Toscanini aus allernächster Nähe zu erleben und manchmal sogar an begehrte Freikarten zu kommen. „I was paid a dollar a night for being a spear carrier in a production of Aida“. So konnte er die ebenfalls musikbegeisterte Nina, mit der er zuweilen beim Lunch war, z. B. zu einer Aufführung der von ihr so geliebten 7. Symphonie von Beethoven einladen. Aus den sporadischen Lunches entwickelte sich rasch ein regelmäßiges Dating der beiden Musikliebhaber.

Abb. 1
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Nina Braunwald (1928–1992). (Mit freundl. Genehmigung von © stock imagery/Alamy Stock Foto. Bild-ID: 2CDN3T6. Alle Reche vorbehalten.)

Nach dem erfolgreichen Abschluss des College mit dem Bachelor of Arts and Science (B.A.) begannen die beiden dann am 1. Mai 1948 gemeinsam ihr Medizinstudium an der New York Medical School. Auch ohne organische Chemie folgte nun intensive Arbeit. Eugene wollte aus eigenem Antrieb der Erste in der Klasse sein. Dagegen war es Nina auferlegt, in dem wenig frauenfreundlichen Medizinbetrieb dieser Jahre sich zumindest mit Leistung durchzusetzen. Im Sommer 1949 kam es nahezu zwangsläufig zur Verlobung der beiden. „It was the longest engagement in history“, kommentierte Eugene später einmal entnervt in einem Interview, da die Hochzeit erst im Juni 1952, am ersten Wochenende nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums mit dem Erreichen des M.D., stattfand. Die Hochzeitsreise führte die beiden dann aber für vier Wochen auf die Bermudas – der längste gemeinsame Urlaub ihres Lebens.

Bereits während des Studiums hatte sich das besondere Interesse beider an der Wissenschaft vom Herzen mehr und mehr vertieft, wenngleich auch von verschiedenen Seiten. Während Eugenes Interesse mehr der Arbeitsweise und der Messung der Funktion des Herzens galt, richtete sich bei NinaStarr Braunwald“, wohl aufgrund ihrer Lust am manuellen Arbeiten, das Augenmerk auf die damals noch für Frauen wenig geeignet erscheinende Thorax- oder gar Herzchirurgie. Trotzdem begann Nina im August 1952 als eine der ersten Frauen eine Residency in Surgery am New York Bellevue Hospital, weit entfernt von der Vorstellung, dass sie in späteren Jahren einmal die erste Frau sein sollte, die Chief of the Division of Thoracic Surgery einer derartigen Einrichtung werden würde. Eugene startete seine Residency im Mount Sinai Hospital New York, allerdings mit dem Schwerpunkt Internal Medicine. Die erste gemeinsame Wohnung der beiden lag in 235 East 70th Street, und somit geschickterweise genau in der räumlichen Mitte zwischen den beiden Kliniken. Nach zwei Jahren im Mount Sinai Hospital gelang es Eugene, ebenfalls eine Stelle im Bellevue Hospital zu bekommen, wo er unter anderem mit André Cournand, dem späteren Nobelpreisträger, die noch in ihren Anfängen steckende Herzkatheteruntersuchung am Menschen weiterentwickeln konnte. 1955, während des Korea-Krieges, nahm Eugene als Ersatz für einen Militärdienst eine Stelle im National Institute of Health (NIH) in Bethesda, Maryland, an. In der dort technisch neu eingerichteten „cardiology branch“ konnte er seine frisch erworbenen Kenntnisse der Herzkatheterisierung anwenden und war daher bald mit dem leitenden Herzchirurgen Andrew Glenn Morrow eng verbunden, da er diesem zuverlässige Diagnosen seiner Patienten anbieten konnte. Nina nahm sich während dieser Zeit ein Jahr frei, um ein Postdoktoranden-Stipendium bei Charles Hufnagel, dem bekannten Herzchirurgen an der Georgetown University in Washington D.C., zu absolvieren. Ein glücklicher Umstand war, dass die Georgetown University nur etwa zehn Kilometer vom NIH entfernt lag. An dieser Klinik konnte sie als Frau sogar den Master of Science in Surgery (M.S.) erwerben, was bisher nur für männliche Chirurgen möglich gewesen war. 1957 wurde sie dann als Chief Surgical Resident eingesetzt. Außerdem vermittelte ihr Mentor Charles Hufnagel Nina 1958 an seinen alten Freund Andrew Glenn Morrow, den Leiter des herzchirurgischen Bereichs am NIH, wo ihr Mann Eugene inzwischen zum Leiter des Herzkatheterlabors aufgestiegen war. Allerdings fehlte Eugene noch ein Jahr zur Board Qualification in Internal Medicine, das er nun im Johns Hopkins Hospital in Baltimore, Maryland, absolvierte – was sich wiederum nur in einer Entfernung von etwa einer Stunde von Bethesda befand. Im Juli 1958 waren beide wieder am NIH in Bethesda zusammen, Eugene nun als Chief of Cardiology, Nina als Staff Surgeon at the National Institute of Health unter Andrew Glenn Morrow.

Die nächsten zehn Jahre am NIH sollten sich, trotz des weiterhin intensiven beruflichen Engagements der beiden, in ihrem privaten Leben dennoch etwas ausgeglichener erweisen als die Jahre zuvor. Vor allem Nina wollte versuchen, ihre damals für eine Frau ungewöhnliche Berufung als Chirurgin mit einer eigenen Familie zu verwirklichen. So wurde 1959 Karen, die erste von drei Töchtern der Familie, in Bethesda geboren, wo später auch Allison (1961) und Jill (1965) zur Welt kamen. Nina war mit einer Größe von nur wenig mehr als 150 cm eher von kleiner Gestalt, aber standhaft, gut strukturiert und wusste genau, was sie wollte. Im Verlauf ihrer Schwangerschaften stand sie bis etwa zwei Wochen vor der Geburt am OP-Tisch, bis sie an diesen infolge ihres Bauchumfangs nicht mehr heranreichte. Nach den Geburten gestand sie sich jeweils nur zehn Tage zu, bevor sie wieder in der Klinik arbeitete. Ihr Tag zu Hause begann sehr früh, wo sie wichtige Hausarbeiten erledigte und sich Zeit für die Kinder nahm. Falls es in der Klinik keinen Notfall zu versorgen gab, verbrachte die Familie den Abend regelmäßig zusammen beim Dinner, wobei das Kochen ein Leben lang nie Ninas Sache war. Nachdem sie die Kinder zu Bett gebracht hatte, ging Nina nicht selten noch einmal in die Klinik, um nach ihren Patienten zu sehen. Die Familie unterstützte sich gegenseitig, wo immer es ging. Erst nach der Geburt der letzten Tochter kam eine damals 17-jährige Schottin, Rena Stark, als Nanny und für den Haushalt zur Familie Braunwald, die sie dann über 20 Jahre begleitete. Nina und Eugene wollten ihre Töchter aufwachsen und heiraten sehen. Nachdem alle drei zur Ausbildung in verschiedene Regionen des Landes gegangen waren, kamen sie der Reihe nach wieder zurück. Heute leben die Familien mit Kindern und Enkelkindern nahe zusammen in der Umgebung von Boston.

Wissenschaftlich befasste sich Nina Starr Braunwald unter Anleitung ihres Mentors sowie baldigen engen Freundes der Familie Braunwald, Glenn Morrow, seit ihrem Beginn am NIH 1958 intensiv mit einer der damals aktuellen herzchirurgischen Herausforderungen, der Entwicklung einer künstlichen Herzklappenprothese. Zunächst entwarf Nina eine Mitralklappe mit flexiblen Segeln aus Polyurethan und Teflonbändern als Ersatz für die Sehnenfäden. Nach 24 Tierversuchen im Labor implantierte die 32 Jahre junge Chirurgin diese Klappe, die Braunwald-Morrow-Klappe, am 11. März 1960, assistiert von Glenn Morrow, als erstem Menschen einer 44-jährigen Lehrerin mit einer schweren Mitralklappeninsuffizienz. Dies war fünf Monate vor der ersten Implantation einer Kugelklappe in Mitralposition durch Albert Starr in Portland, Oregon, zu dem Nina aber keinerlei verwandtschaftliche oder berufliche Verbindungen hatte. Ninas Patientin aus Bethesda konnte zwar nach vier Wochen aus der Klinik entlassen werden, verstarb jedoch vier Monate später akut im Zusammenhang mit einer Attacke von Vorhofflimmern. Daraufhin wurde dieses Projekt vom NIH zunächst nicht weiter fortgesetzt. Erst einige Jahre später in Kalifornien entwickelte Nina dann in Zusammenarbeit mit den Cutter Laboratories in Berkeley eine modifizierte Kugel-Käfig-Klappe, die bis in die 1970er-Jahre als Braunwald-Cutter-Klappe eine gewisse Verwendung fand.

Mit der zunehmenden Bedeutung der Herz- und Thoraxchirurgie ab den 1950er-Jahren wurde dieses Gebiet in den USA auch organisatorisch gefestigt. So wurde 1948 das Board of Thoracic Surgery (BTS) eingerichtet, aus dem dann 1971 das American Board of Thoracic Surgery (ABTS) hervorging. Nach einem schriftlichen und mündlichen Examen im Oktober 1949 erfolgte die erste Zertifikation eines Thoraxchirurgen durch das BTS. Aber erst 12 Jahre später, im Frühjahr 1961, wurden die ersten Frauen, Nina Starr Braunwald und zwei weitere Chirurginnen, von der BTS zu einer offiziellen Zertifizierung für das Fach Thoracic Surgery zugelassen, obwohl alle bereits seit Jahren selbstständig am offenen Herzen operiert hatten. Nina arbeitete weiterhin als Staff Surgeon am NIH, bis sie 1965 im Alter von 37 Jahren zum Deputy Chief of the Clinic of Surgery an dieser Einrichtung ernannt wurde. 1967 war sie die erste Frau, die in die American Association of Thoracic Surgery (AATS) aufgenommen wurde. Die nächsten 22 Jahre blieb sie dann deren einziges weibliches Mitglied. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Nina bekannt, nachdem sie in Artikeln des Life- und des Time-Magazine noch in den 1960er-Jahren als „… one of America’s young movers and shakers …“ dargestellt worden war.

Im Juni 1968 verließ Nina mit ihrem Mann Eugene das NIH, als dieser den Ruf als erster Chairman of Medicine an der erweiterten Medical School of the University of California at San Diego (UCSD) annahm. Dort wurde Nina zum ersten Mal als Associate Professor of Surgery die Leitung einer Division of Thoracic Surgery anvertraut, sehr zum Missfallen des lokalen Chief of the Department of Surgery, der es nicht gewohnt war, mit einer Frau als eigenständig verantwortlicher Mitarbeiterin zu arbeiten. Damit verbunden war auch die Aufgabe, ein aktuelles, von ihr selbst zu entwickelndes „Cardiac/Cardiothoracic Training Program“ zu etablieren. Neben der Weiterentwicklung einer künstlichen Mitralklappe, dieses Mal als Modifikation der Kugel-Käfig-Klappe ihres Namensvetters als Braunwald-Cutter-Klappe, war Nina nun im Alltag mit dem gesamten damaligen Spektrum der Thorax- und Herzchirurgie konfrontiert, das von Operationen der Lungen bis zur Korrektur angeborener Herzfehler reichte. Zusammen mit dem Pneumologen Kenneth Moser, den ihr Mann von der Georgetown-University nach San Diego berufen hatte, entwickelte sie eine neue, wegweisende Operation in Form der Thrombendarteriektomie zur chirurgischen Behandlung der chronischen thromboembolischen pulmonalen Hypertension (CTEPH) als Folge chronischer Lungenembolien. Mit diesem Verfahren war die UCSD für lange Zeit das Mekka für Patienten aus der ganzen Welt mit dieser schwerwiegenden, aber allgemein nur wenig bekannten Erkrankung und der zugehörigen Operationsmöglichkeit. In diese Zeit fällt auch generell der Auftakt zu der in Entwicklung begriffenen Koronarchirurgie, die bald den größten Teil der Herzchirurgie einnahm. Nina führte dabei in ihrem Einzugsgebiet die erste erfolgreiche arterielle koronare Bypass-Operation durch und etablierte dieses Verfahren bald in ihrem chirurgischen Ausbildungsprogramm.

Diese Zeit in San Diego war, wie beide später berichten, nicht einfach, da es sich in beiden Bereichen um einen Neuaufbau von Abteilungen nach akademischen Kriterien handeln sollte, der sich jedoch einem ablehnenden, bisher klinisch orientierten Umfeld gegenübersah. Die Interessen für wissenschaftliche Aktivitäten in San Diego standen, aus konzeptionellen Gründen der University of California an deren anderen Standorten, eher hinter den wirtschaftlichen Interessen zurück. Anerkennung und eine gewisse Förderung kamen erst mit den klinischen Erfolgen dieses zumindest anfangs schnell wachsenden neuen kardiologischen Schwerpunkts. Eugene: „I was going to become the best possible chairman of medicine. I was not going to do much research, but I wanted to do some research.“

Privat kam die Westküste der USA der Familie Braunwald dagegen sehr entgegen: das Haus in La Jolla, hoch über dem Ufer des Pazifischen Ozeans, eigene Pferde für die begeisterte Reiterin Nina sowie für jede ihrer drei Töchter, die sie mit dieser Leidenschaft angesteckt hatte, und das langsame Hineinwachsen in die südkalifornische Community, wenngleich wohl mehr über die schulpflichtigen Töchter als über die Eltern selbst. Nach eigenen Worten hatte zu diesem Zeitpunkt der Drang der Familie Braunwald, Kalifornien wieder zu verlassen, bereits nachgelassen. Allerdings traf 1972, nach vier Jahren in San Diego, ein nahezu nicht abzulehnendes Angebot ein. Ninas Ehemann Eugene erhielt, „… completely out of the blue …“, wie er sagte, einen Ruf als Chairman of the Department of Medicine at the Harvard University, Boston, Massachusetts. Klinisch war diese Position verbunden mit der Hersey Professorship as Physician of Chief of the Brigham and Women’s Hospital. –Als Senator Jack Kennedy einmal gefragt wurde, warum er Präsident werden wolle, antwortete dieser in Analogie: „If you are going to be in politics, then there is only one job!“

Trotz des für den Vater herausfordernden Angebots war die Aussicht der Töchter, den inzwischen geliebten Westen Amerikas mit der strengen Ostküste tauschen zu sollen, nicht sehr erfreulich. Erst nach dem später verwirklichten Versprechen, dass auch die vier Pferde der Familie diesen Weg mitgehen durften, und in Boston ein gemeinsamer Stall mit einem zugehörigen Reitgelände angeschafft werden würde, war dieses potenzielle Hindernis überwunden. Die Zustimmung von Nina Starr Braunwald war leichter zu erhalten, da ihre inzwischen erreichte Bekanntheit und ihr Ruf als qualifizierte akademische Chirurgin auch an der Ostküste ausreichten, ihr die Position eines Associate Professor of Surgery at the Harvard Medical School anzubieten. Damit verbunden war die Stellung eines Staff Surgeon in the Division of Cardiac Surgery at the Brigham and Women’s Hospital, sowie eines Consultant in the Division of Cardiac Surgery at the West Roxbury Veteran Administration Medical Center. In dieser Position konnte sie wissenschaftlich arbeiten, am liebsten mit eher kleinen Gruppen von „research fellows. Insgesamt publizierte sie mehr als 110 chirurgische Artikel, häufig in hochrangigen medizinischen Zeitschriften, wie z. B. in Circulation, dem New England Journal of Medicine oder dem Journal of Thoracic and Cardiovascular Surgery. Trotz ihrer unbestrittenen fachlichen Kompetenz und ihren zweifelsfreien Leistungen musste sie sich in der chirurgischen Welt Neuenglands immer wieder beweisen. Nina Starr Braunwald hatte es stets abgelehnt, sich als Feministin zu bezeichnen. Sie erlangte ihre innere Genugtuung durch das eigene Wissen, aus eigener Kraft die erste zertifizierte weibliche Herzchirurgin geworden zu sein, und von dem Respekt ihrer Patienten beiderlei Geschlechts, die es nie abgelehnt hatten, von einer Frau operiert zu werden. Dennoch ist es bemerkenswert, dass sie, trotz ihrer nichtanzuzweifelnden Leistungen in Forschung, Lehre und anspruchsvoller klinischer Arbeit, von keiner der anerkannten Institutionen, an denen sie tätig war, wie z. B. dem NIH, der UCSD oder der Harvard Universität, jemals mit der Funktion oder dem Titel einer Full Professorship bedacht wurde. Dessen ungeachtet genoss sie das Leben mit ihrer Familie und den vielen Reisen mit ihrem Mann, der inzwischen zum unbestrittenen, weltweit anerkannten Nestor der internistischen Kardiologie geworden war.

Am 5. August 1992 verstarb Nina Starr Braunwald im Alter von 64 Jahren nach dem längere Zeit ertragenen, schwierigen Verlauf eines metastasierenden Mammakarzinoms in ihrem Heim in Weston, Massachusetts, einem angesehenen Vorort der Metropole Boston. Ihr Mann schreibt in einem Gedenkartikel über sie: „It has been an enormous experience and privilege to have watched the first person enter a field. She was a pioneer who took an emerging field, and demonstrated that women could play an important role. It is amazing to see that she has helped to open the field for so many women.“

Nach ihrem Tod gründete die „American Thoracic Surgery Foundation for Research and Education“ unter der Präsidentschaft von John Kirklin den „Nina Starr Braunwald Research Grant“ als Verpflichtung der Herzchirurgie für die akademische Förderung und Entwicklung von Frauen in diesem Fach. Der Preis besteht aus einer zweijährigen finanziellen Förderung einer jungen Frau zur Durchführung einer chirurgischen Forschungsarbeit. Ein weiterer Preis der Stiftung ist die „Nina Starr Braunwald Fellowship“, die das Studium von Frauen als „Cardiac Surgical Trainees“ mit wissenschaftlichem Interesse finanziert. In ähnlicher Weise verleiht die „Association of Women Surgeons“ jährlich den „Nina Starr Braunwald Award“ an Frauen, die sich besonders für die Förderung von Frauen in der Herzchirurgie eingesetzt haben. Diese Preise werden bis heute regelmäßig vergeben und genießen ein hohes Renommee.