Immer wieder einmal im Lauf der Zeit ist das Phänomen zu beobachten, dass es in bestimmten Regionen durch das beiläufige Aufeinandertreffen bestimmter Umstände oder bestimmter Menschen spontan zu Entwicklungen kommt, die sich meist erst im Nachhinein in ihrer nachhaltigen Bedeutung erkennen lassen. Ein solcher Fall ereignete sich z. B. in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts in Südafrika. Zu dieser Zeit hatte die dominierende Mehrheit der Bevölkerung genealogisch einen europäischen Hintergrund, meist britischer oder niederländischer Herkunft. Nur eine Minderheit war schwarz-afrikanischen Ursprungs. Einfluss und Reichtum der weißen Bewohner waren rasch gestiegen und hatten so die eigentlichen, schwarzen Ureinwohner in ihrer Bedeutung nahezu vollständig zurückgedrängt. Viele Schulen und alle Universitäten des Landes durften nur von Bürgern weißer Hautfarbe und europäischer Herkunft besucht werden. Der Wettbewerb um Wohlstand und Bildung spielte sich zu jener Zeit aber weniger zwischen weiß und schwarz ab, wie in späteren Zeiten, sondern zwischen den angloafrikanischen und den niederländisch-afrikanischen Bildungsstätten, denen der sog. Buren. Die Universitäten waren unterschiedlich zugeordnet: An der Universität von Kapstadt wurde in englischer Sprache und nach dem britischen System unterrichtet, in Stellenbosch, kaum 50 km entfernt, jedoch in der Sprache Afrikaans, und im Curriculum nach dem kontinentaleuropäischen System der Buren. Andererseits wiederum die Witwatersrand-Universität in Johannesburg mit britischer Ausrichtung und englischen Professoren, in der Landeshauptstadt Pretoria dagegen in Afrikaans und nach kontinentaleuropäischem System. Unabhängig davon waren die meisten weißen Einwohner des Landes in der Regel beider Sprachen mächtig und mit beiden Kulturen vertraut. Da jedoch weder das individuelle, das soziale noch das politische Umfeld den Nachkommen der Einwanderer vor Ort eine zufriedenstellende wirtschaftliche oder kulturelle Zukunft zu bieten schien, wanderten diese konsequenterweise sehr oft, entweder zeitweise oder auch für immer, wieder in die inzwischen wirtschaftlich und politisch weitgehend stabilisierten ehemaligen Herkunftsländer ihrer Vorfahren zurück. Beispiele aus dem kardiologischen Bereich sind hierfür etwa Christiaan Barnard, Herzchirurg, Velva Schirer, Kardiologe, Abraham Rudolph, klinischer Physiologe, sowie auch Donald Ross, der Herzchirurg.

Donald Nixon Ross (Abb. 1) wurde am 04.10.1922 in Kimberley, der Hauptstadt der südafrikanischen Provinz Nordkap, geboren. Seine Eltern waren 1921 aus dem wirtschaftlich verarmten und dem klimatisch kalten Schottland in das aufstrebende warme Südafrika ausgewandert. Der Vater war einfacher Hafenarbeiter in Glasgow gewesen; die Mutter stammte aus den schottischen Highlands. Beide legten ihre schottischen Wurzeln ihr ganzes Leben lang nicht ab. So musste Donald nicht selten den harten schottischen Dialekt seiner Mutter, z. B. beim Einkaufen oder am Telefon, übersetzen, selbst wenn diese Gespräche mit den englischen Nachbarn stattfanden. Später wurde dies dann jeweils von einer seiner jüngeren Schwestern übernommen. – Um Donald seine schottischen Wurzeln zu vermitteln, schickten ihn seine Eltern 1929, im Alter von 7 Jahren, aus dem warmen Südafrika für 2 Jahre zu den Großeltern nach Schottland zur Grundschulausbildung. Nach seinen eigenen Worten war dies „… very good for me …“. Die High-School-Zeit verbrachte er dann wieder in Kimberley, jedoch bemerkenswerterweise an der von den Buren geführten Kimberley Boys’ High School, wo er sein fließendes Afrikaans erlernte, auf das er bis ins Alter stolz war.

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Donald Nixon Ross, 1969. (Mit freundl. Genehmigung von © Keystone Press/Alamy Stock Foto, Bild-ID: E0Y942. Alle Rechte vorbehalten.)

Die Medical School und das Studium absolvierte Donald dann wiederum nach dem britischen Modell an der begehrten Cape Town University in Kapstadt, über die ganze Zeit von 6 Jahren zusammen mit Christiaan Barnard. 1946 wurde Donald Ross als Jahrgangsbester mit dem BSc, MB und ChB graduiert, was dem üblichen Abschluss eines MD in England entsprach. Dieses Abschlussergebnis war mit dem Ehrenpreis einer 2‑jährigen Overseas Scholarship verbunden, die er nach einem Jahr mit einer noch zum Studium gehörenden praktischen Zeit am Groote Schuur Hospital, wieder zusammen mit Barnard, im Frühjahr 1947 antreten konnte. Während es diesen anschließend für seine weitere chirurgische Ausbildung in die Vereinigten Staaten nach Minneapolis zog, entschied sich Donald Ross für Großbritannien. Bereits nach 2 Jahren erfolgreicher Basisausbildung in Allgemeinchirurgie in London, „… by using hands and brain …“ wurde er 1949 als Fellow in das Royal College of Surgeons aufgenommen (FRCS), was damals gewöhnlich erst nach 3 Jahren üblich war. Einer unter traditionsbewussten britischen Chirurgen verbreiteten historischen Gepflogenheit folgend, konnte er sich als FRCS von nun an nicht mehr als „Dr. Donald Ross“ ansprechen lassen, sondern auf der Anrede „Mr.“ Donald Ross bestehen, was in den „honorablen“ Kreisen der englischen Chirurgie auch heute noch gepflegt wird.

Nach einem kurzen Aufenthalt in der orthopädischen Chirurgie in Bath wurde er, seinem Wunsch entsprechend, von dem weithin bekannten Thoraxchirurgen „Mr.“ Ronald Belsey in das Frenchay Hospital nach Bristol übernommen. Hier konnte er umfangreiche Erfahrungen in der Tracheal‑, Ösophagus- und überwiegend Lungenchirurgie bei Tuberkulosekranken sammeln. Obwohl die beiden Männer trotz des Altersunterschieds wohl ausgesprochen eng waren, gelang es Belsey nicht, aus Ross einen englischen Landedelmann zu machen. Dafür steckte er ihn an, mit einer lebenslangen Leidenschaft für legendäre, schnelle englische Sportwagen.

Zwischenzeitlich hatte Donald Ross seine ursprüngliche Absicht, nach Südafrika zurückzukehren, endgültig aufgegeben. Er hatte seinen Platz gefunden!

Ronald Belsey, den Ross später als eines seiner wichtigsten Vorbilder im Leben bezeichnete, hatte ihm durch die gemeinsame Arbeit auch das Tor zur aktuellen internationalen Szene in der Thoraxchirurgie geöffnet. Die Einführung von Streptomycin zur erfolgreichen Behandlung der Lungentuberkulose in den frühen 1950er-Jahren hatte allerdings zur Folge, dass ein zunehmender Anteil an thoraxchirurgischen Eingriffen mit dieser Indikation nun nicht mehr notwendig war. Da sich Ross aber bereits zuvor für die sich gerade entwickelnden neueren Möglichkeiten der Herzchirurgie interessiert hatte, reichte ihn Belsey mit Empfehlung an den von ihm geschätzten „Mr.“ Russell Brock, später Lord Brock, an das Guy’s Hospital nach London weiter. Wegen der noch geringen Zahl an Operationen angeborener Herzfehler, alle noch am geschlossenen Herzen, beschäftigte sich Brock überwiegend mit der geschlossenen Valvulotomie von Pulmonal- und Aortenklappenstenosen. Dabei überließ Brock, nach eigenem Interesse, Donald Ross bald die Aortenklappe, setzte ihn von 1952 bis 1954 aber auch zunehmend im Bereich der herzchirurgischen Forschung ein. Schwerpunkt dabei waren Versuche der Präservation von Gewebe, gedacht als Ersatz von Herzklappen und von großen Gefäßen. 1956 wurde Donald Ross zum Senior Registrar ernannt und war seitdem Brocks engster klinischer Mitarbeiter. Eine der großen Rivalitäten zwischen den verschiedenen großen Kliniken in London bestand zu jener Zeit darin, mithilfe einer geeigneten Herz-Lungen-Maschine Operationen am offenen Herzen durchführen zu können. Da die Versuche einer eigenen Entwicklung in Europa nicht zufriedenstellend waren, wurde Ross von Brock zu einer mehrmonatigen Studienreise in die USA geschickt. Diese führte ihn u. a. zu Walton Lillehei in Minneapolis, zu John Kirklin in die Mayo-Klinik nach Rochester und zu Denton Cooley an das Texas Heart Center in Houston. Was er dabei „nebenbei“ mitnahm, waren für Donald Ross und das Guy’s Hospital entscheidende Erfahrungen über das, was mit dieser Art von Herzchirurgie prinzipiell möglich war. Durch seine fachlichen Kenntnisse und seine eindrucksvolle eigene Persönlichkeit gelang es ihm, trotz der Kürze der Zeit, mit den damals unbestrittenen Experten für die Chirurgie am offenen Herzen nachhaltige fachliche Verbindungen, aber auch persönliche Freundschaften zu knüpfen.

Für die ersten Operationen angeborener Herzfehler mit extrakorporaler Zirkulation am Guy’s Hospital wurde zunächst der Lillehei’sche „bubble oxygenator“ eingesetzt. Brocks üblicherweise lange Operationszeiten verursachten einen so erheblichen Verbrauch an Blutkonserven, dass der „kongenitale Bereich“ bald ganz zu den Aufgaben von Donald Ross zählte. Da einige der anerkannten Londoner Herzkliniken zu dieser Zeit noch nicht über diese spezielle Möglichkeit der Herzchirurgie verfügten, nahm die Zahl der Ross zugewiesenen Patienten rasch zu. Diese Entwicklung verschaffte ihm im Establishment der Londoner Herzchirurgie nicht nur Freunde. Sein persönlicher Freundeskreis bestand daher weniger aus Herzchirurgen als aus den Kardiologen der ersten Reihe, wie u. a. Paul Wood, Walter und Jane Somerville und anderen. So war z. B. Walter Somerville der Pate von Donalds Tochter Janet von seiner ersten Frau, seiner ehemaligen OP-Schwester Dorothy aus Bristol, und umgekehrt die Ross-Familie bei den Somerville-Kindern, was Donald sein Leben lang sehr ernst nahm.

Das wissenschaftliche Interesse von Donald Ross blieb jedoch trotz aller aktuellen und späteren Erfolge im kongenitalen Bereich weiterhin die defekte Aortenklappe. Die bei Erwachsenen meist hochgradig verkalkten und stenosierten Klappen wurden dabei nach der Brock’schen Schule, unter Anwendung der inzwischen verfügbaren Herz-Lungen-Maschine, in einer offenen Technik mit aller Vorsicht scharf dekalzifiziert. Während die akuten Ergebnisse in der Mehrzahl der Fälle verblüffend gut waren, hielt dieser Effekt aber durch die zwangsläufig konsekutiv entstehende Insuffizienz der Aortenklappe in der Regel nur einige wenige Jahre vor.

Eines Tages, am 24.07.1962, ging bei einem Patienten die Entfernung der Kalkauflagerungen jedoch so weit, dass von einer brauchbaren Aortenklappe nichts mehr zu sehen war. Die erst kurz zuvor von dem jungen Herzchirurgen Albert Starr aus Portland, Oregon, entwickelte und 1961 erstmals einem Patienten in Aortenposition eingesetzte künstliche Kugel-Käfig-Klappe stand zu diesem Zeitpunkt in England noch nicht zur Verfügung. Da der aktuelle Eingriff mit dem Tod des Patienten zu enden drohte, entschloss sich Donald Ross zu einem mutigen Schritt. Er ließ aus seinem Labor eine für Tierversuche vorgesehene, gefriergetrocknete menschliche Aortenklappe holen und implantierte diese nach der entsprechenden Aufbereitung als ersten sog. Aorten-Homograft in seinen Patienten. Dieser erholte sich rasch und zeigte einen komplikationslosen weiteren Verlauf. Das Vorhandensein der menschlichen Klappe für diesen akuten Einsatz verdankte Donald Ross einer aufgeweckten Mitarbeiterin aus dem Irak, Frau Dr. Jalabi, die sich in seinem Labor ausschließlich mit dem Problem der Konservierung von geborgenen menschlichen Klappen und Gefäßmaterial befasste. „Jelly Baby could do anything with tissue. She could grow it and cultivate it, do freezing studies and cryopreservation.“ Das Homograft-Verfahren wurde anfänglich v. a. von europäischen Herzchirurgen angenommen, während in Amerika zunächst noch künstliche Herzklappen entwickelt und bevorzugt wurden. Ross hatte daher einen großen Vorsprung in der weiteren Erforschung der Konservierung und der Bevorratung des zuvor gewonnenen biologischen Materials in einer Gewebebank und dem Versuch der Verzögerung von Alterungsvorgängen in den bereits implantierten Homografts.

Neben seiner Tätigkeit im Guy’s Hospital wurde Donald Ross ab 1964 zusätzlich häufig im National Health Hospital (NHH) des renommierten London University College tätig, das nach dem Consultant-Prinzip aufgestellt war und daher selbst über keinen eigenen, festen Herzchirurgen verfügte. 1967 wurde er dort zu einem Senior Surgeon bestellt und verfügte nun über alle wünschenswerten klinischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten. Nach mehreren Umstrukturierungen und Umzügen des NHH wurde Donald Ross schließlich 1970 zum Director of the Department of Surgery im London’s Institute of Cardiology ernannt. Diese Position hatte er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1997 inne.

Durch seine bereits seit 1964 vermehrte Tätigkeit am National Health Hospital kam er durch den damit verbundenen engen Kontakt mit Jane Somerville, die sich dort gerade von ihren chirurgischen Träumen zu trennen begann und zunehmend der kardiologischen Betreuung angeborener Herzfehler widmete, wieder in engeren Kontakt zu dieser Patientengruppe. Eher primär unerwartet fand sich hier eine neue große Zielgruppe für Homografts. Vor allem bei den Herzfehlern mit primärer Zyanose bestand nicht selten eine hochgradige Verengung des gesamten rechtsventrikulären Ausflusstraktes, oft mit einer Hypoplasie der nachgeschalteten Pulmonalarterien. Ebenso unerwartet war am NHH eine zuverlässige präoperative Diagnostik dieser Anomalien durch eine Herzkatheterisierung mit Angiokardiographie möglich, die am Guy’s Hospital zu dieser Zeit noch nicht zur Verfügung stand. 1966 stellte ihm Jane einen jungen Patienten vor, der sich mit dem damals als nicht korrigierbar angesehenen Herzfehler einer Pulmonalklappenatresie mit Ventrikelseptumdefekt präsentierte. Donald meinte lächelnd, er habe für den Jungen „eine ganz gute operative Möglichkeit im Kopf“, wollte sich aber nicht genauer dazu äußern, was in jenen Tagen zwischen Herzchirurgen und Kardiologen bei derartigen komplexen Fällen durchaus nicht unüblich war. Ross erweiterte und öffnete den verengten und verschlossenen rechtsventrikulären Ausflusstrakt und setzte zum ersten Mal ein klappentragendes pulmonales Homograft ein, welches bis zu der hypoplastischen Pulmonalarterie reichte. Die Operation verlief schnell und erfolgreich, der postoperative Verlauf war jedoch durch die Notwendigkeit einer dreimonatigen Intensivpflege kompliziert. Jane Somerville berichtete, dass der Patient 2015, d. h. fast 50 Jahre nach dieser Operation, noch am Leben sei. Erst Jahre später hatte Donald Jane, die inzwischen zu seiner unentbehrlichen Kollegin und persönlichen Freundin geworden war, gestanden, dass er diese epochemachende Erstoperation eigentlich nur als den Versuch für eine andere Operation betrachtet hatte. Diese war der Ersatz einer unterentwickelten, stenosierten Aortenklappe mit einem pulmonalen Autograft, der dann wieder durch einen Homograft ersetzt werden sollte – seiner berühmten und später nach ihm benannten Ross-Operation. Dazu musste er wissen, ob der rechtsventrikuläre Ausflusstrakt der Entfernung seiner eigenen Pulmonalklappe und deren Ersatz mit einem Homograft nachhaltig standhalten würde.

Im Juni 1967 führte Donald Ross dann am National Health Hospital in London erstmals diesen Eingriff durch. Nach Ross sei diese Operation bei diesem Patienten auf diese Art präoperativ eigentlich gar nicht geplant gewesen, habe sich intraoperativ aber als zweckmäßig erwiesen. Deshalb habe er spontan die beiden Bestandteile der Operation, mit denen er jeweils einzeln bereits gut vertraut gewesen sei, einfach kombiniert. Daher hätte es vor dem Eingriff auch keine spezielle Aufklärung des Patienten und keine Absprache mit den an der Operation beteiligten Chirurgen geben können. Dem Patienten ging es postoperativ rasch gut, und innerhalb der nächsten 6 Monate hatte Ross 10 weitere Patienten auf diese Art erfolgreich operiert. Trotz der erheblichen technischen Anforderungen an den Operateur gelang die inzwischen als „Ross-Prozedur“ bezeichnete Operation auch an einigen anderen erfahrenen Zentren recht gut. Dennoch gab es vor Ort eine ernsthafte, „ethisch“ begründete Diskussion darüber, v. a. wegen der angeblich fraglichen Dauerhaftigkeit der Funktion der Implantate. Das Verfahren ging jedoch in kürzester Zeit um die Welt und gilt bei gegebener Indikation auch heute noch in ausgewählten Fällen als die beste Option.

In den folgenden Jahren operierte Donald Ross sowohl am Guy’s als auch am National Heart Hospital, das er durch die zunehmende Zahl von externen Visiting Surgeons, die bei und mit ihm operieren wollten, vorübergehend zu einem Mekka der aktuellen Chirurgie spezieller angeborener Herzfehler machte. Immer häufiger wurden dadurch aber auch die Fälle von Rechts- und Linksherzobstruktionen, die ihm nun aus aller Welt zur Anlage immer komplexerer Homograft-Implantationen zugewiesen wurden. Um auf die unterschiedlichen anatomischen Fälle vorbereitet zu sein, war die Einrichtung von sog. Homograft-Banken nötig, die bald an einzelnen großen Zentren und zuletzt sogar in einem europäischen Rahmen auf wirtschaftlicher Basis entstanden.

Auch Donald Ross selbst begab sich ein- bis 2‑mal im Jahr auf eine Informationstour zu seinen alten Freunden in die USA, um aktuelle Entwicklungen zu sehen und diese in sein eigenes Operationsspektrum aufzunehmen. Im Sommer 1967 wurde er selbst von seinem früheren Studienkollegen Christiaan Barnard besucht. Dieser war auf dem Heimweg aus Stanford in Kalifornien, wo er sich bei Norman Shumway für den aktuellen Stand dessen seit Jahren durchgeführter Tierversuche mit der Herztransplantation interessiert hatte. Auf Barnards Frage an Donald, wann nach dessen Meinung wohl die erste Transplantation bei einem Menschen durchgeführt werden würde, antwortete dieser: „… well, in some years, I suppose“. Christiaan Barnard fuhr nach Hause und führte bereits 3 Monate später, in draufgängerischer Weise, am 03.12.1967 diese erste Herztransplantation bei einem Menschen durch.

Ebenso wie in anderen großen Herzzentren in den USA und in Europa war auch Donald Ross am National Heart Institute in London durch vorbereitende Tierversuche mit der an sich eher einfachen chirurgischen Technik der Herztransplantation vertraut: „… quite a simple plumber’s job …“. Allerdings wurden bis dato v. a. immunologische, aber auch ethische Fragen noch weithin als nicht gelöst betrachtet.

Die erste Herztransplantation in England, die 10. auf der Welt, wurde von Donald Ross am 03.05.1968 im National Health Hospital durchgeführt. Der Empfänger war Fred West, ein 45-jähriger Mann mit einer terminalen Herzinsuffizienz. Der Spender, ein 26-jähriger Bauarbeiter, hatte kurz zuvor bei einem Arbeitsunfall ein nicht mehr behandelbares Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Die Frage, einen möglichen Eingriff durchzuführen, bedurfte somit eine sehr akut zu treffenden Alles-oder-nichts-Entscheidung. Die ganze Operation dauerte sieben Stunden und wurde von Donald Ross mit einem spontan zusammengestellten Team aus 18 Schwestern und Ärzten durchgeführt. Der Empfänger überlebte den chirurgischen Eingriff gut. Noch während der Operation hatte sich das Ereignis bei der Londoner Lokalpresse herumgesprochen, und das Hospital war bereits vor dem Ende des Eingriffs von einer großen Schar von Reportern umlagert. Da Donald Ross die Meute nicht ins Haus lassen wollte, drängte ein anwesender, stolzer House Governor des National Health Institut das gesamte OP-Team in das Blitzlichtgewitter nach draußen vor die Klinik. Die Sensation des Tages war da!

Anders als die Boulevardpresse reagierte jedoch die englische medizinische Fachpresse. Bereits wenige Tage später, am 10.05.1968, reichte die Kommentare im British Medical Journal von einer ungebührlichen Selbstdarstellung der Truppe über die mit Sicherheit zu erwartenden immunologischen Komplikationen bis zum zuvor nicht gelösten ethischen Problem der Spenderschaft. 46 Tage nach der Transplantation verstarb der Empfänger an den Folgen einer nichtbeherrschbaren Infektion. Nach 2 weiteren, aus Gründen einer Abstoßung nichterfolgreichen Herztransplantationen beendete Donald Ross im Mai 1969 von sich aus das HTX-Programm. Generell wurde ein Moratorium erlassen, und in England wurde erst wieder 10 Jahre später, im August 1979, mit Herztransplantationen begonnen. Zwischenzeitlich war das Ciclosporin zur Immunsuppression entwickelt worden.

Klinisch und wissenschaftlich konnte sich Donald Ross nun wieder vermehrt seinem Lebensthema widmen: der Entwicklung besserer biologischer Herzklappen, klappentragender Conduits und Bioprothesen für die größeren Arterien, insbesondere für die Aorta. Da die Operationen mit Biomaterialien nicht selten größere Ansprüche an die Erfahrung der Chirurgen stellen, wurde Donald Ross zur Einführung derartiger Eingriffe in zahlreiche größere Herzzentren dieser Welt eingeladen, so z. B. nach Indien, Ägypten, Syrien oder Russland. Neben seinem handwerklichen Geschick zeigten sich auch seine didaktischen Fähigkeiten. Sein bekanntestes Lehrbuch A Surgeon’s Guide to Cardiac Diagnosis, das v. a. in jüngeren Chirurgen- und Kardiologenkreisen großes Interesse und große Verbreitung fand, wurde von 1962, und in seiner erweiterten Form bis 2012, also über einen Zeitraum von 50 Jahren, immer wieder neu aufgelegt.

Am 02.05.1973 wurde der aus englischer Sicht nach Georg Friedrich Händel berühmteste englische Opernkomponist Benjamin Britten unter dem Bild einer schweren Herzinsuffizienz in das National Heart Institute eingeliefert. Ein Herzgeräusch war bei dem Künstler schon seit seiner frühen Kindheit bekannt gewesen. 1960 war im Alter von 47 Jahren eine langsam progrediente Aortenklappeninsuffizienz diagnostiziert worden, und 1968 hatte er eine inadäquat behandelte Endokarditis durchgemacht. Da die Aorta erheblich dilatiert war, hatte der konsiliarisch zugezogene Donald Ross für den inzwischen 63-jährigen einen bioprothetischen Aortenklappenersatz, verbunden mit einem aortalen Homograft, vorgeschlagen. Die Operation wurde am 07.05.1973 durchgeführt und wird, einschließlich der Beschreibung verschiedener Details, in mehreren Biografien Benjamin Brittens ausführlich diskutiert. Ross selbst sah den Fall jedoch, im Gegensatz zu der allgemein vermuteten luetischen Genese, eher als die Forme fruste eines Marfan-Syndroms an. Britten erholte sich rasch und konnte so in aller Ruhe seine Oper „Tod in Venedig“ zu Ende bringen. Die jahrelange Überlastung des linken Ventrikels und wohl neu aufgetretenes Vorhofflimmern führten dann aber doch, 3 Jahre später, am 03.12.1976, zum Herzversagen bei dem von Ross verehrten Komponisten.

Zusätzlich zu seinem umfangreichen Programm am National Health und am Guy’s Hospital operierte Donald Ross die ihm persönlich oft aus dem Ausland zugewiesenen Patienten in der privaten Harley Street Clinic. Üblicherweise operierte er hier an den Samstagen jeweils 5 Patienten. Zum Lunch pflegte er am Mittag das gesamte OP-Team, einschließlich evtl. Besucher, in ein um die Ecke gelegenes, hervorragendes italienisches Restaurant einzuladen. Jane Somerville berichtet, dass es Donald Ross mit dem ihm eigenen Charisma ein Leichtes war, als respektierter und beliebter Teamleader eine chirurgische Truppe anzuführen. Hierfür wurde er von seinen chirurgischen Kollegen bewundert, aber auch beneidet. Er hatte ein außergewöhnliches Interesse am Leben, an Literatur und Musik, an seinen arabischen Pferden, gutem Wein und gutem Essen, wurde aber nie Teil des britischen Establishments. Dies mag auch einer der unerklärten Gründe dafür sein, dass er trotz zahlreicher Auszeichnungen und Ehrungen renommierter internationaler Universitäten und Fachgesellschaften sein ganzes Leben über keine einzige britische Ehrung erhielt und nicht, wie etliche seiner britischen Kollegen bzw. einige seiner Schüler, einen Adelstitel bekam. Allerdings erlebte er noch, dass die von ihm ausgebildeten oder von ihm entscheidend beeinflussten Herzchirurgen aus vielen Teilen der Welt ihm zu Ehren in London die „Donald Ross Surgical Society“ gründeten. – Diese hält noch immer eine jährliche Versammlung ab.

Am 10.07.2014 verstarb Donald Ross nach längerer Krankheit im Alter von 92 Jahren in seiner großen Wohnung mitten im Herzen von London. Er hinterließ seine Tochter Janet aus erster Ehe, eine gefragte Dermatochirurgin am Guy’s & St. Thomas Hospital, sowie seine zweite Frau Barbara, die frühere OP-Managerin aus der Harley Street Clinic, die ihn in den letzten 14 Jahren seines langen und abwechslungsreichen Lebens aufmunternd und hingebungsvoll begleitete.