Einleitung

Seit Ende des Jahres 2019 hat das neuartige Coronavirus Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2), eine globale Pandemie ausgelöst [9]. Das Virus SARS-CoV‑2 bindet an den Rezeptor des Angiotensin-konvertierenden Enzym 2 (ACE2) und verursacht die Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) [4]. COVID-19 ist mit einer Vielzahl an klinischen Symptomen vergesellschaftet, wobei Fieber, Husten, Dyspnoe, Myalgien, Fatigue und gastrointestinale Symptome am häufigsten auftreten [9]. Es wird angenommen, dass ungefähr 5 % der Erkrankten einen schwerwiegenden Krankheitsverlauf mit Notwendigkeit zur intensivmedizinischen Behandlung entwickeln [13]. Daher wurden global immense Anstrengungen unternommen, um die Pathomechanismen des Virus zu entschlüsseln und somit mögliche Therapieansätze zu identifizieren [1, 14]. Trotz all dieser Anstrengungen stellt die Therapie der schweren COVID-19-Pneumonie mit akutem Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS) weiterhin eine große medizinische Herausforderung dar [7]. Im Falle eines therapierefraktären ARDS stellt die temporäre venovenöse extrakorporale Membranoxygenierung (v.v.-ECMO) ein etabliertes und effektives Therapieverfahren dar [2, 12]. Leider kann die v.v.-ECMO-Therapie eine Reihe an schwerwiegenden Komplikationen, wie beispielsweise Blutungen, neurologische Komplikationen und akutes Nierenversagen, verursachen, welche das Langzeitergebnis der Therapie beinträchtigen [8]. Darüber hinaus adressiert die ECMO-Therapie nicht die Ursache der Erkrankung und kann daher nur als supportive Therapie zur Überbrückung eines akuten Lungenversagens dienen [12]. Auch wenn internationale Registerdaten vergleichbare Ergebnisse der v.v.-ECMO-Therapie für COVD-19-ARDS wie für Nicht-COVID-19-ARDS andeuten, zeigen aktuelle Daten aus Deutschland eine steigende Mortalität von COVID-19-Patienten an der v.v.-ECMO [2, 6]. Daher ist es nötig, mögliche Ansätze zur Optimierung der ECMO-Therapie bei COVID-19-ARDS zu identifizieren.

Methodik

Patienten und Studiendesign

Alle Patienten, die zwischen März 2020 und November 2021 im Universitätsklinikum Düsseldorf mit einer ECMO-Therapie bei ARDS durch COVID-19 behandelt wurden (n = 91), wurden prospektiv in eine Datenbank aufgenommen. Während des Krankenhausaufenthaltes wurden alle relevanten Behandlungsparameter erhoben. Darüber hinaus wurden die Patienten für insgesamt 6 Monate nach Krankenhausentlassung nachbeobachtet. Anschließend erfolgte die retrospektive Untersuchung der Patienten. Alle Patienten, die primär anstelle einer reinen venovenösen ECMO auch eine arterielle Kanüle implantiert bekamen (v.a.-ECMO, v.a.v.-ECMO, v.v.a-EMCO), wurden von der Analyse ausgeschlossen (n = 16). Alle übrigen Patienten (n = 75) wurden entsprechend dem Gefäßzugang für den Anschluss der v.v.-ECMO in 2 Gruppen eingeteilt (Abb. 1). Die Kanülierung erfolgte entweder über beide Femoralvenen (Entnahmekanüle in V. femoralis und Rückgabekanüle in kontralateraler V. femoralis: femorofemoral (n = 20)) oder über eine Femoralvene und eine Jugularvene (Entnahmekanüle in V. femoralis und Rückgabekanüle in V. jugularis interna rechts: femorojugulär (n = 55)). Anschließend erfolgte die Auswertung der periinterventionellen Morbidität und Mortalität unter der Hypothese eines verbesserten Therapieergebnisses bei femorojugulärer Kanülierung.

Abb. 1
figure 1

Vergleich der Kanülierungsstrategie bei venovenöser extrakorporaler Membranoxygenierung. Patienten mit schwerem COVID-19 Verlauf wurden entweder durch einen femorofemoralen Zugang (a) mit Entnahme über die V. femoralis und Rückgabe über die kontralaterale V. femoralis (n = 20) oder durch einen femorojugulären Zugang (b) mit Entnahme über die V. femoralis und Rückgabe über die V. jugularis interna (n = 55) an eine venovenöse extrakorporale Membranoxygenierung angeschlossen und das Therapieergebnis verglichen. Die Abbildung wurde mit BioRender.com erstellt. (Mit freundl. Genehmigung von © BioRender.com. Alle Rechte vorbehalten.)

Therapeutische Maßnahmen

Neben der ECMO-Therapie erhielten die Patienten in beiden Gruppen eine vergleichbare COVID-19-Therapie (Tab. 1). Medikamentös wurden die Patienten aus einer Kombination von Glukokortikoiden (Dexamethason in der Frühphase und Prednisolon in der Spätphase), Remdesivir, Tocilizumab, Rekonvaleszenzplasmen und monoklonalen Antikörpern behandelt. Darüber hinaus erfolgte eine strenge Bauchlagerung der Patienten sowie begleitende Physiotherapie. Patienten wurden bevorzugt nichtinvasiv beatmet und nach Möglichkeit während der ECMO-Therapie extubiert. Die Antikoagulation während der ECMO-Therapie wurde mittels Heparin und mit einer Ziel-PTT von 45 s durchgeführt. Im Falle von heparininduzierter Thrombozytopenie wurde alternativ Argatroban eingesetzt.

Tab. 1 Medikamentöse und adjuvante Therapie

Statistik

Die statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS Statistics 26 (Fa. IBM Corporation, Armonk, NY, USA). Alle Ergebnisse kontinuierlicher Variablen sind als Mittelwerte mit Standardabweichung dargestellt. Kategoriale Variablen als absolute Zahl und Prozent der Gesamtheit. Aufgrund der kleinen und ungleich großen Gruppen wurde keine Gauß-Normalverteilung angenommen. Daher wurden die Ergebnisse der beiden Gruppen mittels nichtparametrischen 2‑seitigen Mann-Whitney-U-Tests resp. Exakten Tests nach Fisher verglichen. Statistische Signifikanz wurde für p < 0,05 angenommen.

Ergebnisse

Demografie und Vorerkrankungen

Tab. 2 zeigt die Ausgangswerte der Patienten beider Gruppen vor Initiierung der v.v.-ECMO-Therapie. Im Mittel waren die Patienten in beiden Gruppen zwischen 45 und 65 Jahre alt. Es ergab sich kein Unterschied hinsichtlich der Geschlechterverteilung sowie des Gewichtes der Patienten. Während Patienten beider Gruppen in der präinterventionellen Blutgasanalyse ähnliche Sauerstoffpartialdrücke aufwiesen, zeigte sich in der femorofemoralen Gruppe eine ausgeprägtere Hyperkapnie. Der niedrigste gemessene pO2 betrug 26 mm Hg (femorojuguläre Gruppe), der höchste gemessene pCO2 vor Beginn der ECMO-Therapie 156 mm Hg (ebenfalls femorojuguläre Gruppe). Patienten aus der femorofemoralen Gruppe zeigten einen Trend zu vermehrter Prävalenz von COPD (p = 0,06) und chronischer Niereninsuffizienz (p = 0,07) im Vergleich zur femorojugulären Gruppe. Alle weiteren relevanten Vorerkrankungen ergaben keine Gruppenunterschiede.

Tab. 2 Demografie und Vorerkrankungen

Therapieergebnis nach v.v.-EMCO-Therapie

Tab. 3 zeigt die periinterventionelle Morbidität und Mortalität der beiden Gruppen. Es ergaben sich keinerlei Unterschiede hinsichtlich der Aufenthaltsdauer im Krankenhaus sowie auf der Intensivstation. Auch war die Dauer der ECMO-Therapie bis zu einer erfolgreichen Entwöhnung vom System in beiden Gruppen vergleichbar. Die längste erfolgreiche ECMO-Therapie betrug 68 Tage (femorojugulär). Es wurden 5 Patienten für mehr als 30 Tage bis zu einer erfolgreichen Entwöhnung mittels v.v.-ECMO unterstützt (femorofemoral: n = 1, femorojugulär: n = 4). Die längste Therapiedauer an der v.v.-ECMO betrug insgesamt 160 Tage, gefolgt von einem weiteren Patienten mit 151 Tagen ECMO-Therapie (beide femorojugulär). In mehr als 70 % der Patienten traten während der ECMO-Therapie Komplikationen auf. Am häufigsten wurde eine Sepsis beobachtet (jeweils mehr als 50 % der Patienten). Blutungen, sowohl intra- als auch extrakraniell, traten vermehrt in der femorojugulären Gruppe auf, allerdings handelte es sich hierbei lediglich um eine numerische Differenz.

Tab. 3 Therapieergebnis

Hinsichtlich der entscheidenden Parameter des Therapieergebnisses (ECMO-Entwöhnung, Tod im Krankenhausaufenthalt und 6‑Monate-Überleben) ergaben sich keine Unterschiede in Bezug auf die Kanülierungsstrategie der v.v.-ECMO. Insgesamt beobachteten wir eine Krankenhausmortalität von rund 70 %. Erfreulicherweise beobachteten wir nach der Entlassung aus dem Krankenhaus bis zum Zeitpunkt der Nachsorgeuntersuchung kaum weitere Todesfälle, jeder zweite Patient klagte allerdings auch nach 6 Monaten über eine weiterhin bestehende Dyspnoe. Trotzdem benötigten nur 3 von insgesamt 15 Patienten zu diesem Zeitpunkt weiterhin eine Sauerstofftherapie.

Diskussion

Trotz insgesamt ermutigenden Fortschritten in der Erforschung und Therapie von SARS-CoV‑2 stellt die Behandlung eines therapierefraktären ARDS mit einer v.v.-ECMO weiterhin die Ultima Ratio dar. Entgegen unserer ursprünglichen Hypothese hat der gewählte Gefäßzugang der ECMO-Kanülen keinen Einfluss auf das Therapieergebnis bei COVID-19. So konnten wir weder Unterschiede hinsichtlich der Rate erfolgreicher Systementwöhnungen noch hinsichtlich der Mortalität oder des Auftretens von Komplikation der ECMO-Therapie nachweisen.

Bereits seit der Frühphase der Pandemie wird die ECMO-Therapie weltweit zur Behandlung des therapierefraktären ARDS eingesetzt [2, 12]. Auffallend ist hierbei die insgesamt verlängerte Therapiedauer der ECMO, verglichen mit ARDS-Patienten ohne COVID-19 [2]. So wird eine durchschnittliche Dauer der ECMO-Therapie mit bis zu 20 Tagen beschrieben [2, 11]. Auch wurden wiederholt erfolgreiche ECMO-Explantation nach mehreren Wochen Therapiedauer in der Literatur beschrieben [2, 5, 11]. Diese Ergebnisse decken sich mit unseren Daten. So betrug in der femorojugulären Gruppe die durchschnittliche Therapiedauer ebenfalls rund 20 Tage, und auch nach einer Laufzeit des Systems von mehr als 2 Monaten konnten wir Patienten noch erfolgreich entwöhnen. Entscheidende Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es nicht nur zu einer ausreichenden Erholung der Lungenfunktion während der ECMO-Therapie kommt, sondern insbesondere auch dass diese Erholung eintritt, bevor lebenslimitierende Komplikationen der ECMO-Therapie auftreten [2, 5, 10, 11]. Im Allgemeinen führt die Behandlung von Patienten mit extrakorporalen Verfahren auf Dauer mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit zum Auftreten von schwerwiegenden Komplikationen wie beispielswiese Schlaganfällen, Blutungen, Sepsis und Organversagen [3, 8, 10, 11]. Dementsprechend traten auch bei unseren Patienten in bis zu 80 % der Fälle schwerwiegende Komplikationen auf. Der Gefäßzugang des ECMO-Systems hatte auf das Auftreten der Komplikationen jedoch keinen Einfluss. Leider existieren diesbezüglich bisher auch nur sehr wenige Daten in der Literatur, da in Studien oftmals nicht aufgeschlüsselt wird, welche Gefäße für die ECMO kanüliert wurden, oder die Gruppen nicht vergleichbar waren [5, 11]. Aufgrund des tendenziell längeren Unterstützungszeitraums, insbesondere der längeren erfolgreichen Therapiedauer, könnte der femorojuguläre Zugang jedoch Vorteile durch ein späteres Auftreten von lebenslimitierenden Komplikationen bieten.

Nichtdestotrotz fällt die Gesamtmortalität von rund 70 % in unserer Kohorte ins Auge. Während Registerdaten von vergleichbaren Ergebnissen der ECMO-Behandlung von ARDS-Patienten mit COVID-19 und ARDS-Patienten ohne COVID-19 berichten, beobachteten wir eine nahezu doppelt so hohe Mortalität in unserer Kohorte [2, 3, 10]. Gleichzeitig entsprach unsere Mortalität jedoch genau den aktuellen Daten einer Analyse von insgesamt fast 3400 deutschen ECMO-Patienten [6]. Hierbei könnte eine strengere Patientenselektion im Ausland eine Rolle spielen [6]. So sind auch in unserer Kohorte, insbesondere in der Frühphase der Pandemie, überdurchschnittlich viele Patienten mit schwerwiegenden Begleiterkrankungen mit einer ECMO behandelt worden. Darüber hinaus könnte auch die steigende Zahl neuer ECMO-Zentren mit aktuell dementsprechend noch geringen Fallzahlen einen Einfluss haben [6].

Einschränkungen und Ausblick

Auch wenn die Patienten prospektiv eingeschlossen wurden, handelt es sich hierbei um eine retrospektive Studie. Darüber hinaus sind beide Gruppen zu klein für ein Propensity Score Matching. Die insgesamt leider sehr hohe Morbidität und Mortalität der Patienten erschwert es zudem, Vorteile zu identifizieren. Darüber hinaus befand sich ein Teil der analysierten Kohorte noch im Krankenhaus, und häufig wurde der Nachsorgezeitpunkt noch nicht erreicht, sodass sich hier hinsichtlich des Therapieergebnisses in Zukunft noch Unterschiede ergeben könnten. Außerdem hat sich die medikamentöse Therapie im Laufe des Studienzeitraums deutlich weiterentwickelt, sodass die eingeschlossenen Patienten unterschiedliche kausale COVID-19-Therapien an der ECMO erhalten haben. Dieser Bias betrifft jedoch beide Gruppen.

Zusammenfassend lässt sich resümieren, dass ARDS bei COVID-19 weiterhin ein schwer zu beherrschendes Krankheitsbild darstellt. Auch wenn die venovenöse ECMO-Therapie die Möglichkeit eines effektiven temporären maschinellen Lungenersatzes bietet, so behandelt sie nicht die Ursache der Lungenschädigung und ist mit einer hohen Rate an Komplikationen vergesellschaftet. Obwohl wir keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der harten Parameter des Therapieerfolges feststellen konnten, erschien es, als würde die femorojuguläre Kanülierung insgesamt eine verlängerte Therapiedauer an der ECMO ermöglichen. Gleichzeitig erscheint hierbei auch die Mobilisierung, insbesondere wacher Patienten, erleichtert. In dieser Zeit muss es jedoch zu einer Erholung der nativen Lungenfunktion kommen, um einen Therapieerfolg erzielen zu können. Darüber hinaus stellt die Patientenselektion vermutlich einen wichtigen Ansatzpunkt für eine Verbesserung der Erfolgsrate der ECMO-Behandlung von COVID-19 Patienten dar.

Fazit für die Praxis

  • Die Therapie von schwerem ARDS bei COVID-19 bleibt herausfordernd.

  • Venovenöse ECMO-Therapie ist mit einer Vielzahl von Komplikationen vergesellschaftet.

  • Die Kanülierungsstrategie (femorofemoral oder femorojugulär) hat keinen Einfluss auf periinterventionelle Morbidität und Mortalität.

  • Femorojuguläre Kanülierung könnte die komplikationsfreie Therapiedauer an der ECMO verlängern und die Mobilisation erleichtern.

  • Patientenselektion und Erfahrung des ECMO-Zentrums haben vermutlich einen größeren Einfluss auf das Therapieergebnis.