„Epidemie“ Herzinsuffizienz

Im Jahr 2015 waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 39 % die häufigste Todesursache in Deutschland [1]. Zudem steigt die Zahl der Erkrankten stetig [2]. Jährlich behandeln Kliniken über 1,7 Mio. vollstationäre Patienten aufgrund von Herzerkrankungen wie beispielsweise der koronaren Herzkrankheit, Herzklappenerkrankungen oder auch Herzinsuffizienz [3]. Die Herzinsuffizienz belegte mit 47.414 Todesfällen 2015 Platz 3 der Liste der 10 häufigsten Todesursachen [1]. Weiterhin leiden ca. 0,5–1 % der deutschen Gesamtbevölkerung an einer Herzinsuffizienz, was in etwa 80.000 Neuerkrankungen/Jahr entspricht [1,2,3]. Die Prävalenz der Herzinsuffizienz beträgt weltweit 1–2 %, steigt jedoch mit höherem Alter auf bis zu 22 % an [4,5,6]. Die „All-cause“-Einjahresmortalität beträgt 23 % bei akuter Herzinsuffizienz und 7 % bei chronischer „ambulanter“ Herzinsuffizienz. Die Rehospitalisationsraten sind sehr hoch (bis zu 43 %). Damit handelt sich bei der Herzinsuffizienz durchaus um ein sozioökonomisch relevantes Krankheitsbild [7, 8].

Die Herzinsuffizienz belegte 2015 Platz 3 der Liste der 10 häufigsten Todesursachen

Herzinsuffizienz ist ein multifaktorielles Krankheitsbild und ist definiert als klinisches Syndrom mit charakteristischen Symptomen und klinischer Manifestation. Herzinsuffizienz wird primär über die linksventrikuläre Auswurffraktion (LVEF) definiert. Differenzierungen können anhand folgender Faktoren vorgenommen werden [9]:

  • erhaltene, mäßig eingeschränkte oder reduzierte LVEF:

    • „heart failure with preserved ejection fraction“ (HFpEF) EF ≥50 %,

    • „heart failure with mid-range ejection fraction“ (HFmEF). EF: 40–49 %,

    • „heart failure with reduced ejection fraction“ (HFrEF): EF <40 %,

  • zeitlicher Verlauf:

    • akut vs. chronisch,

    • stabil vs. dekompensiert und

  • Schweregrad der Symptome.

Guidelines der European Association of Cardiology (ESC) geben für diese Patienten einen Therapieplan, bestehend aus Angiotensinkonversionsenzym(ACE)-Hemmern und β‑Rezeptoren-Blockern, als First-line-Therapie vor, die im zweiten Schritt um einen Mineralokortikoidrezeptorantagonisten und den Ersatz des ACE-Hemmers durch einen Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Hemmer erweitert werden können. Im dritten Schritt wird die Evaluierung für eine kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) vorgesehen. Stauungssymptome können durch Diuretikagabe gemildert werden [9].

Patienten, die trotz optimaler medikamentöser Therapie (OMT) symptomatisch bleiben, erreichen das Stadium der chronischen terminalen Herzinsuffizienz und sind für weiterführende interventionelle oder chirurgische Therapiekonzepte zu evaluieren.

Chirurgische Therapieoptionen

Abhängig von Ursache und Schweregrad der Herzinsuffizienz stehen neben medikamentösen auch verschiedene chirurgische Therapieoptionen zur Verfügung. Zugrunde liegende pathologische Veränderungen sollten also stets sorgfältig evaluiert werden, da sich unterschiedliche Therapiemöglichkeiten und Präventionsmöglichkeiten eines Voranschreitens der Erkrankung bzw. der Verhinderung des Versterbens des Patienten ergeben können.

Antiarrhythmische Devices

„Implantable cardioverter-defibrillators“

Studien zeigen, dass Implantable cardioverter-defibrillators (ICD) Bradykardien effektiv vorbeugen und potenziell tödliche ventrikuläre Arrhythmien unterbinden können [10, 11]. Die Implantation eines ICD ist laut Guidelines der European Society of Cardiology (ESC) eine Klasse-IA-Indikation zur Sekundärprävention des plötzlichen Herztods bei ventrikulären Arrhythmien mit hämodynamischer Instabilität und zur Primärprävention bei symptomatischen HI-Patienten trotz einer seit mindestens 3 Monaten bestehenden OMT und bei eine LVEF ≤ 35 % geeignet [9].

Kardiale Resynchronisationstherapie

Die CRT mithilfe eines Device kommt für Patienten mit verlängertem QRS-Komplex und Linksschenkelblock infrage (Klasse-IA-Indikation). Laut aktueller Studienlage kann bei gut selektierten Patienten die kardiale Leistung verbessert sowie eine Reduktion von Morbidität und Mortalität erreicht werden [12, 13].

Interventionelle Herzinsuffizienztherapie

Ähnlich der „transcatheter aortic valve implantation“ (TAVI) im Bereich der Aortenklappenvitien besteht auch im Bereich der Herzinsuffizienz die Möglichkeit der interventionellen Therapie, v. a. bei funktioneller Mitralklappeninsuffizienz mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion. In den rezenten ESC Guidelines zur Behandlung von Herzklappenerkrankungen finden sich diese Therapiemöglichkeiten derzeit nur mit einer IIb-Empfehlung, sollte ein chirurgischer Eingriff als zu risikoreich eingestuft werden [14]. Dies ist insbesondere durch die noch als sehr kontrovers einzustufende Studienlage (COAPT vs. MITRA-FR) bedingt. Dennoch ist diese Therapieform als weiteres Tool im Armamentarium des Herzinsuffizienzchirurgen für sorgfältig im Heart-Team ausgewählte Patienten anzusehen.

Derzeit werden folgende 4 Techniken in der interventionellen Therapie der Mitralklappeninsuffizienz angewendet:

  • „edge-to-edge repair“ (MitraClip™, Abbott, Chicago, IL, USA; PASCAL, Edwards Lifescience, Irvine, CA, USA),

  • perkutane Mitralklappenanuloplastie (Carillon, Cardioband, Millipede, Mitralign, ARTO systems),

  • Sehnenfadenersatz (NeoChord, Harpoon Cords) und

  • Transkathetermitralklappenersatz (Sapien-XT, Melody etc.).

Hierbei stellt der MitraClip derzeit die meist verwendete Option dar.

Konventionelle Herzchirurgie

Vor allem zur Behandlung der ischämischen Herzinsuffizienz existieren je nach Stadium noch „konservative“ oder „konventionelle“ herzchirurgische Optionen. Insbesondere die Revaskularisierung mithilfe der aortokoronaren Bypass-Operation und Mitralklappeneingriffe sind erwähnenswert. Der Benefit einer Mitralklappenoperation bei ischämischer funktioneller Mitralklappeninsuffizienz ist jedoch fragwürdig, zumindest in Bezug auf den Endpunkt des „left ventricular remodeling“ [15, 16]. Primär sollte der Erhalt der Herzfunktion im Vordergrund der jeweiligen Therapie stehen. Setzt jedoch das Endorganversagen ein, ist die Implantation von Herzunterstützungssystemen oder die Herztransplantation die geeignete Therapieform für die terminale Herzinsuffizienz.

Herzunterstützung und Herztransplantation

Kurzzeitoptionen

Aufgrund der technischen und medizinischen Innovationen konnte sich das Gebiet der kurzeitigen Herzunterstützung in den letzten Jahren deutlich weiterentwickeln. Patienten profitieren zunehmend von den verminderten Komplikationsraten und der gesteigerten medizinischen Erfahrung.

Derzeit existieren verschiedene Optionen auf dem Markt der temporären Herzunterstützung. Die älteste, aber nach wie vor sehr bewährte Methode ist die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO), die rein zur respiratorischen Unterstützung (venovenös), aber auch zur kardiorespiratorischen Unterstützung (venoarteriell) herangezogen werden kann. Bei der ECMO handelt es sich um eine effektive Therapie des kardiogenen Schocks („acute“ oder „acute-on-chronic heart failure“); die ECMO-Implantation kann sehr schnell erfolgen und bedarf nicht einmal eines OP oder einer Narkose. Die Nachteile liegen v. a. in der relativ hohen Komplikationsrate (Thromboembolien, Blutungen, Infektionen und Gefäßverletzungen), die mit Dauer der Unterstützung stark ansteigt. Weiterhin können die Patienten unter ECMO-Therapie nur schwer mobilisiert werden (Leistenkanülierung). Sogenannte Wach-ECMO und alternative Kanülierungsstrategien über die obere Körperhälfte sind vierversprechende Verfahren, die in erfahrenen Zentren bereits regelmäßig angewendet werden [17].

Die älteste, aber nach wie vor sehr bewährte Methode ist die extrakorporale Membranoxygenierung

Ein weiteres Problem liegt in der Tatsache, dass der oftmals schwer geschädigte linke Ventrikel unter der ECMO-Therapie im kardiogenen Schock nicht ausreichend entlastet werden kann und somit die Gefahr einer weiteranhaltenden pulmonalvenösen Stauung besteht bzw. das Risiko für eine Stase und Thrombosebildung innerhalb des linken Ventrikels ansteigt. Dieser Problematik kann mithilfe temporärer Herzunterstützungspumpen entgegengewirkt werden, die speziell für den linken Ventrikel konzipiert wurden, wie z. B. die Impella-Pumpe (Fa. Abiomed, Danvers, MA, USA). Diese Pumpen sind in verschiedenen Größen erhältlich, wobei solche mit höheren Flussraten (ca. 5 l/min) ausschließlich chirurgisch implantiert werden können. Ebenfalls möglich ist der kombinierte Einsatz von ECMO und Impella.

Ziel der Implantation aller temporären Herzunterstützungssysteme ist es, Patienten in einer akut lebensbedrohlichen Herzinsuffizienz zu stabilisieren und daraus resultierende Endorganschäden zu minimieren bzw. zu reversieren. Dies verschafft den behandelnden Ärzten zusätzlich Zeit, um über nachfolgende Therapiestrategien zu entscheiden (Weaning, „bridge to recovery“, „bridge to bridge“, „bridge to transplantation“, „bridge to decision“).

Langzeittherapie

Mechanische Pumpen als Herzunterstützungssysteme („ventricular assist device“ [VAD], „total artifical heart“, TAH) haben in den letzten Jahren zur Therapie der terminalen Herzinsuffizienz deutlich an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile werden mit steigender Tendenz ca. 1200 Implantationen/Jahr in Deutschland durchgeführt. Der größte Vorteil dieser Systeme gegenüber einer Herztransplantation ist ihre permanente Verfügbarkeit, die die sofortige Implantation auch in dringenden Fällen ermöglicht und ebenfalls Patientengruppen zur Verfügung steht, die nicht die Transplantationskriterien erfüllen.

Die Transplantation bleibt der Goldstandard der Langzeittherapie der terminalen Herzinsuffizienz

Die technologische, medizinische und chirurgische Entwicklung der Herzunterstützungssysteme hat in den letzten Jahren zu einer erhöhten Therapiesicherheit geführt. Herzunterstützungssysteme sind mittlerweile weniger invasiv implantierbar und über 10-jährige Laufzeiten sind möglich (Abb. 1). Die Raten der Komplikationen, wie Pumpenthrombosen, gastrointestinale Blutungen und Infektionen, konnten in den letzten Jahren gesenkt werden. Daher entscheiden sich Kardiologen und Chirurgen immer häufiger zum früheren Beginn der VAD-Therapie, was durch die verbesserte Patientenselektion ebenfalls zu verbesserten Therapieergebnissen führt. Dennoch ist der Einsatz von Herzunterstützungssystemen weiterhin stark von der Patientenselektion und der Compliance der Patienten abhängig. Gleichfalls können Infektionen und thrombembolische Komplikationen den Therapieverlauf negativ beeinflussen.

Abb. 1
figure 1

Minimalinvasive Implantation eines „left ventricular assist device“ über eine obere Hemisternotomie und eine linksseitige Minithorakotomie

Transplantatversagen, biventrikuläres Versagen oder restriktive Kardiomyopathie sind die häufigsten Indikationen zur TAH-Implantation. Das heutzutage einzige aktuell zugelassene TAH ist das pneumatisch betriebene SynCardia TAH® (Fa. Syncardia Systems, U.S.A.). Alternativen hierzu sind die „Off-label“-Anwendung von 2 VAD als „biventricular assist device“ (BiVAD; [18, 19]) oder 2 VAD nach Kardiektomie in TAH-Konfiguration [20]. Diese Operationsmethoden sind jedoch aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen, der maximalen Invasivität der Operation und der hohen Komplikationsrate wenig verbreitet.

Zwar erzielen Herzunterstützungssysteme aufgrund der zahlreichen technischen, medizinischen und chirurgischen Entwicklungen in den vergangenen Jahren Zweijahresüberlebensraten, die denen der Herztransplantation (HTX) vergleichbar sind [21], jedoch bleibt die Transplantation aktuell der Goldstandard der Langzeittherapie der terminalen Herzinsuffizienz. Obwohl es bis dato keine randomisierten Studien zum Thema gibt, ist klar, dass – bei richtiger Patientenselektion – ein signifikanter Benefit bezüglich Langezeitüberleben, funktioneller Kapazität und Lebensqualität durch eine HTX zu erwarten ist [9]. Der größte Nachteil der HTX bleibt jedoch ihre limitierte Verfügbarkeit aufgrund des Spenderorganmangels, verglichen mit der Zahl der wartenden Patienten. Laut dem letzten Jahresbericht von Eurotransplant (ET) war die Zahl der aktiv gelisteten Patienten innerhalb des gesamten ET-Raums fast doppelt so hoch wie die Zahl der durchgeführten Transplantationen. Es gibt innerhalb der ET-Gemeinschaft jedoch signifikante regionale Unterschiede, z. T. durch die unterschiedliche Gesetzeslage der jeweiligen Mitgliedsstaaten bedingt (Widerspruchsregelung vs. Zustimmungserklärung). Auch ist nicht jeder Patient für eine HTX geeignet. Kontraindikationen wie ein hohes Alter (relative Kontraindikation), pulmonalarterielle Hypertension, Tumorerkrankungen (<5 Jahre), Übergewicht oder Tabakkonsum verbieten eine HTX. Dem weltweit weiter herrschenden Organspendermangel steht allerdings die permanente Verfügbarkeit der Herzunterstützungssysteme gegenüber. Die oben genannte Patientengruppen sowie Patienten, für die die Wartezeit auf eine HTX aufgrund eines akuten Geschehens zu lang ist, können daher für eine VAD-/Kunstherz-Implantation evaluiert werden. Langzeitkomplikationen der HTX, wie z. B. Hypertonie, Malignome, Nierenschädigungen oder Graft-Vaskulopathie, sind v. a. aufgrund der lebenslangen Einnahme der Immunsuppression zu erwarten.

Sowohl für den Therapieerfolg bei mechanischer Herzunterstützung als auch bei der HTX ist die kontinuierliche Langzeitbetreuung der Herzinsuffizienzpatienten von größter Bedeutung. Diese findet in der an die Klinik angebundenen Herzinsuffizienzambulanz statt. Für die Patienten sind die Ambulanzärzte und Herzchirurgen die Hauptansprechpartner bezüglich der postoperativen Therapie bis hin zu ihrem Versterben. In der Ambulanz erfolgen regelmäßige echokardiographische Untersuchungen, Leistungstests, Biopsien und Anpassungen der Medikation, die der Kardiologe als auch durch der Herzinsuffizienzchirurg durchführt. In den Ambulanzen werden Immunsuppressivaspiegel eingestellt und Kunstherzparameter angepasst. Der Herzinsuffizienzchirurg ist primärer Ansprechpartner bei jeglichen Komplikationen der jeweiligen Therapieform und organisiert deren weiterführende Behandlung. Es erfolgen die regelmäßige Besprechung des Therapieziels und ggf. die Anpassung der Therapie. So wird z. B. mit Kunstherzpatienten und deren Familien die evtl. Listung für eine Herztransplantation besprochen, ebenso wie die evtl. Begrenzung der Therapie bei Komplikationen.

Berufsbild und erforderliche Skills

Betätigungsgebiet

Grundsätzlich umfasst die Bezeichnung Herzinsuffizienzchirurgie ein sehr umfangreiches und breit gefächertes Betätigungsgebiet und schließt sowohl die chirurgischen Therapie als auch die ambulante Vor- und Nachbehandlung der Patienten gleichwertig ein.

Immer relevanter wird die Therapie der terminalen Herzinsuffizienz, ebenso wie die Behandlung jener Patienten, die trotz OMT und stetiger Weiterentwicklung der medikamentösen Optionen symptomatisch bleiben. Hier kommen die oben bereits erwähnten Therapiekonzepte der mechanischen Herzunterstützung und des Herzersatzes (mechanisch oder Transplantation) in Betracht. Um die Indikationen für diese Therapieoptionen sinnvoll zu stellen und die Therapien sicher zum Einsatz bringen zu können, sind chirurgische Fähigkeiten und insbesondere fundiertes theoretisches Hintergrundwissen nötig.

Wie auch in anderen Therapiegebieten der terminalen Herzinsuffizienz ist v. a. der „team approach“ von großer Bedeutung. Interdisziplinarität und die enge Zusammenarbeit mit angrenzenden Fachgebieten spielen eine wichtige Rolle im Alltag der Herzinsuffizienzspezialisten. Im besten Fall entscheidet der Herzinsuffizienzchirurg im Team gemeinsam mit Kardiologen, Intensivmedizinern und „heart failure nurses“ über die Weiterbehandlung der Patienten. Anhand klar definierter Leitlinien werden die möglichen Therapieformen diskutiert. Insbesondere ein guter Arzt-Patient-Kontakt prägt die Therapie maßgeblich, da diese an den individuellen Patienten angepasst werden muss.

Wegen des komplexen und anspruchsvollen Patientenkollektivs ist Teamarbeit der Schlüssel zum Erfolg

Auch nach der Operation ist Teamarbeit der Schlüssel zum Erfolg, da wohl kaum ein komplexeres und anspruchsvolleres Patientenkollektiv existiert. Damit der Erfolg der Operation möglichst lange erhalten bleibt, bedarf es der engen Zusammenarbeit zwischen Herzchirurgen, Anästhesisten und Intensivmedizinern sowie Kardiologen, aber auch VAD-Koordinatoren/Kardiotechnikern und Heart failure nurses bzw. dem Pflegepersonal der Stationen und der Ambulanzen. Um dem komplexen Patientengut gerecht zu werden und eine umfassende Betreuung zu gewährleisten, werden immer häufiger „heart failure units“ gebildet, in denen alle zuvor genannten Spezialisten gebündelt aufeinandertreffen und nicht nur theoretisch, sondern auch räumlich eine Einheit bilden.

Skills-Set

Literaturkenntnis

Ein umfassender Überblick über die aktuellen Literatur- und Forschungsergebnisse ist für den Herzinsuffizienzchirurgen unumgänglich, um eine geeignete Patientenselektion und Indikationsstellungen bezüglich der Device-Auswahl sicherzustellen und ggf. die richtige Entscheidung zwischen mechanischer Herzunterstützung und Herztransplantation zu treffen. Derzeit relevant sind diverse Studien zu aktuellen LVAD (ROADMAP, MOMENTUM, ELEVATE, ReVOLVE, ENDURANCE Supplemental; [22,23,24,25,26]) und zur MitraClip-Therapie (COAPT, MITRA-FR; [27, 28]). Aber auch ältere Landmarkpublikationen sollten bekannt sein [29, 30].

Neue Studienergebnisse werden oft auf einschlägigen Fachkonferenzen und Symposien diverser Fachgesellschaften präsentiert. Im Folgenden soll eine kleine Auswahl relevanter europäischer und amerikanischer Gesellschaften bzw. Treffen genannt werden, die zumeist in eigenen themenspezifischen Journale publizieren: Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Thorax‑, Herz- und Gefäßchirurgie, Jahrestagung der International Society of Heart and Lung Transplantation (ISHLT), Jahrestagung der European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) und European Mechanical Circulatory Support Summit (EUMS).

Theoretisches und fachübergreifendes Wissen

Ein Blick über den Tellerrand empfiehlt sich immer, allein schon, um in allfälligen Diskussionen sachlich fundiert über das beste Vorgehen bei einem Patienten argumentieren zu können. Im Bereich der Herzinsuffizienz sind v. a. Kenntnisse in der kardiovaskulären Pathophysiologie relevant, und ein tiefes Verständnis darüber, wo kardiologische Therapiekonzepte jeweils einzugreifen versuchen. Von immenser Wichtigkeit ist außerdem fundiertes Wissen über intensivmedizinische Maßnahmen und deren Auswirkungen, wie z. B. die korrekte Anwendung vasoaktiver und inotroper Medikamente, invasiver und nichtinvasiver Beatmungskonzepte oder der Einsatz von Organersatztherapien. Da die Ausbildungsordnung der Herzchirurgie z. B. in Österreich im Gegensatz zu Deutschland derzeit keine Ausbildungszeit auf der Anästhesie oder Intensivstation vorsieht, ist ein gewisses Eigenengagement gefordert.

Klinische Skills

Analog zur benötigten fachlichen Vielfalt auf dem Gebiet der Herzinsuffizient sollten auch die klinischen Skills eines Herzinsuffizienzchirurgen breit aufgestellt sein. Diese reichen von Echokardiographiekenntnissen über „wire skills“ (z. B. bei ECMO- oder Impella-Implantation oder das Durchführen einer Myokardbiopsie) bis hin zur Anwendung minimalinvasiver Operationstechniken bei der Implantation von herzunterstützenden Pumpen. Eine fundierte allgemein herzchirurgische Ausbildung ist selbstverständliche Voraussetzung.

Neben den operativen Fähigkeiten sind die Kenntnis und korrekte Anwendung medikamentöser Therapien bei der Betreuung von LVAD- oder Transplantationspatienten förderlich und wichtig für den Therapieerfolg. So kann z. B. die Qualität der Blutdrucktherapie und der eingestellten Antikoagulation zwischen einem guten Langzeitverlauf oder einer schweren neurologischen Komplikation bei Schlaganfall oder Hirnblutung entscheiden, oder falsch-dosierte Immunsuppressiva können eine schwere Abstoßung oder massive Infektion auslösen.

Die Arbeit des Herzinsuffizienzchirurgen schließt das mehrjährige postoperative Patientenmanagement ein

Einen Großteil der Nachbetreuung – stationär oder ambulant – macht die Prävention oder auch die Behandlung schwerwiegender Therapiekomplikationen aus. Die Arbeit des Herzinsuffizienzchirurgen endet also nicht bei Nahtende im OP, sondern beinhaltet im Gegensatz zur traditionellen Herzchirurgie auch und insbesondere das mehrjährige postoperative Management der Patienten bis hin zu Therapiebegrenzung und Sterbebegleitung.

Industrie und Forschung

Die Produkthersteller sind wichtige Partner des Herzinsuffizienzchirurgen. Die Vielzahl von technischen Geräten erfordert die gute Zusammenarbeit zwischen „clinical specialists“, Ingenieuren und Handelspartnern und Chirurgen. Der große Umfang an neuen Technologien macht zahlreiche Schulungen und Einarbeitungen in die neuen Geräte notwendig.

Eine wichtige Rolle kommt Industriepartnern im Bereich „troubleshooting“ zu. Die Kenntnis der Logfiles der jeweiligen Geräte und die Rücksprache mit der jeweiligen Firma bzw. Technikern liefern oft hilfreiche Informationen für die Lösung klinisch relevanter Probleme. Auch in Bezug auf Fortbildungsmöglichkeiten bieten die jeweiligen Firmen mehrfach jährlich verschiedene Implantationskurse und „user meetings“ an. Diese richten sich meist nicht nur an Chirurgen, sondern sind interdisziplinär, was wiederum den Alltag der Herzinsuffizienztherapie gut widerspiegelt.

Die kontinuierliche Weiterentwicklung im Bereich der Herzinsuffizienztherapie hat das Spektrum der Forschungsmöglichkeiten deutlich erweitert. Grundlagenforschung im Bereich der Immunsuppression und Medikation ist ebenso möglich wie die Entwicklung von Software, neuen chirurgischen Techniken und neuen Technologien. Neben klinischen Studien im kardiologischen und im kardiochirurgischen Bereich hat die zunehmende Zahl von Herzinsuffizienzpatienten dazu geführt, dass viele andere medizinische Fachbereiche nun Forschung in diesem Bereich betreiben. So bietet die chirurgische Therapie der Herzinsuffizienz ein breites Spektrum an Möglichkeiten, um sich wissenschaftlich mit einem hochinnovativen Themengebiet zu beschäftigen.

Fazit und Perspektive

  • Die Herzinsuffizienz stellt einen Wachstumsmarkt dar. Aufgrund des Fortschritts von medizinischer Forschung, chirurgischen Techniken und technologischer Innovation hat sich in den letzten Jahren das Behandlungsspektrum der Herzinsuffizienz deutlich erweitert.

  • Die Herzinsuffizienzchirurgie bildet einen zukunftsträchtigen und innovativen Bereich der Herzchirurgie. Die allumfängliche Betreuung der Patienten von Diagnose über Therapie bis zur Führsorge bis hin zum Lebensende des Patienten unterscheidet die Herzinsuffizienzchirurgie von der klassischen Herzchirurgie.

  • Die enge Zusammenarbeit im Heart-Team mit Kardiologen, „heart failure nurses“, Intensivmediziner und Industriepartnern ermöglicht den Aufbau von Teamstrukturen zur Behandlung der Herzinsuffizienz und macht den Beruf des Herzinsuffizienzchirurgen vielseitig und attraktiv.