Inhaltsverzeichnis

1.:

Präambel

2.:

Einleitung und Hintergrund

3.:

Aufbau und Funktionsweise des tragbaren Kardioverter-Defibrillators

4.:

Bisherige klinische Erfahrungen mit dem WCD

5.:

Indikationen zum Einsatz des WCDs im Rahmen kardiochirurgischer Therapien

5.1.:

Primärprophylaktische Indikationen

5.1.1.:

Koronare Herzerkrankung, ischämische Kardiomyopathie, Myokardinfarkt und Myokardrevaskularisation

5.1.2.:

Dilatative Kardiomyopathien, nichtischämische Kardiomyopathien und Myokarditiden

5.1.3.:

Valvuläre Kardiomyopathien

5.2.:

Sekundärprophylaktische Indikation nach hämodynamisch relevanten Rhythmusstörungen

5.3.:

Kontraindikation zur ICD-Implantation bei bestehender ICD-Indikation

5.4.:

WCD-Indikation im Rahmen von ICD-Explantationen

5.5.:

Sonderfälle

6.:

Kosteneffektivität der temporären WCD-Therapie

7.:

Implementierung eines WCD-Programms in den klinischen Alltag

8.:

Schlussfolgerung

1. Präambel

Dies ist ein Positionspapier der Arbeitsgruppe Herzrhythmusstörungen der Deutschen Gesellschaft für Thorax‑, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). Es spiegelt den aktuellen Stand des medizinischen Wissens zur temporären Versorgung von Hochrisikopatienten des plötzlichen Herztods (PHT) mit dem tragbaren Kardioverter-Defibrillator („wearable cardioverter defibrillator“, WCD) wider und soll Ärzten eine praxisgerechte Hilfestellung für dessen Indikationsstellung und den klinischen Einsatz geben. Diese Empfehlungen ersetzen allerdings nicht die individuelle und der klinischen Situation angepasste ärztliche Evaluation des einzelnen Patienten.

2. Einleitung und Hintergrund

Der implantierbare Kardioverter-Defibrillator (ICD) ist seit über 30 Jahren integraler Bestandteil zur Behandlung des plötzlichen Herztodes (PHT) bei Patienten mit entsprechendem Risikoprofil. Während im Rahmen einer Sekundärprophylaxe die ICD-Versorgung nach Ausschluss passagerer Ursachen bzw. bestehender Kontraindikationen zeitnah erfolgen sollte, empfehlen die aktuellen Guidelines der European Society of Cardiology (ESC) [2] sowie auch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK) im deutschen Kommentar dieser Leitlinien [1] ein zunächst zurückhaltendes und abwartendes Handeln im Falle einer Primärprävention des PHT. Diese Empfehlungen basieren auf den Erkenntnissen, dass es bei einem substanziellen Patientenanteil unter einer adäquaten medikamentösen Therapie zur Verbesserung der kardialen Pumpfunktion kommt [3]. Daher sollte gerade Patienten nach einem akuten Myokardinfarkt, einer Koronarintervention (PCI) bzw. operativen Myokardrevaskularisation (CABG) und/oder einem Herzklappeneingriff eine angemessene myokardiale Erholungszeit eingeräumt werden. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass während dieser Krankheitsphase ein erhöhtes Risiko [4] zum Auftreten lebensbedrohlicher Arrhythmien besteht, welches sich weder durch eine angemessene Herzinsuffizienzmedikation noch durch die additive Gabe von Antiarrhythmika entscheidend beeinflussen lässt. So kann es bis zu drei Monate andauern, ehe es zu einer relevanten kardialen Erholung mit Reduktion des PHT-Risikos kommt und eine abschließende, sichere und stete ICD-Indikation gestellt werden kann. So untersuchte die DINAMIT-Studie (The Defibrillator in Acute Myocardial Infarction Trial, [5]) an 674 Patienten mit einer Follow-up-Periode von 30 Monaten, ob sich die Mortalität durch die primärprophylaktische ICD-Implantation in der Akut- bzw. Frühphase nach Myokardinfarkt bzw. Koronarrevaskularisation im Vergleich zur konservativen Therapie ohne Defibrillatorimplantation beeinflussen lässt. Hierbei fand sich jedoch mit 62 zu 58 Todesfällen kein signifikanter Mortalitätsunterschied. Allerdings ergab die detailliertere Datenanalyse, dass sich die Anzahl der arrhythmiebedingten Todesfälle in der ICD-Gruppe mit 12 Fällen im Vergleich zu 29 sehr wohl unterschied, ebenso wie umgekehrt die Anzahl der nichtarrhythmieassoziierten Todesfälle mit 50 in der ICD-Gruppe zu nur 29 in der Kontrollgruppe. Kongruente Aussagen ergaben sich im IRIS-Trial (Immediate Risk Stratification Improves Survival trial, [6]). In einem analogen Studiensetting wurden 898 Patienten mit einem Follow-up von 37 Monaten untersucht. Hierbei zeigten sich ebenfalls deutlich weniger Fälle des PHT mit 27 zu 60 in der ICD-Gruppe im Vergleich zur ICD-freien Kontrollgruppe bei einer vergleichbaren „Overall“-Mortalität von 116 zu 117. Folglich scheint die umfängliche Rhythmusdetektion mit der Möglichkeit zur automatisierten Defibrillation durchaus die arrhythmiebedingte Mortalität während der hier diskutierten Frührisikophase zu beeinflussen. Erklärungen für die ähnliche Letalität mit und ohne ICD könnten sich, neben individuellen lebensbedrohenden Komorbiditäten, in der zusätzlichen Belastung des Eingriffs sowie in eingetretenen Komplikationen durch das Implantat selbst wiederfinden. Auch könnte das implantierte Aggregat nach ventrikulärer Rekonvaleszenz mit Wiederanstieg der Pumpfunktion und der darin begründeten Reduktion des Arrhythmierisikos gar nicht mehr indiziert sein. Diese Tatsache hätte in Bezug auf das implantierte ICD-System die Konsequenz, dass ein Patient bei fehlendem Benefit ausschließlich das Risiko von ICD-assoziierten Komplikationen zu tragen hätte, wie beispielweise inadäquate Defibrillatortherapien (18–22 %), Systeminfektionen (6 %) oder Sondenkomplikationen (17 %) [7].

Diese Erkenntnisse mündeten in der aktuellen Leitlinienempfehlung, eine primärprophylaktische ICD-Implantation nicht innerhalb der ersten 40 Tage nach einem Myokardinfarkt durchzuführen und die Entscheidung für oder gegen eine permanente ICD-Versorgung erst nach Reevaluation der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LV-EF) 6 bis 12 Wochen nach dem akuten Ischämieereignis zu treffen [1, 2]. Analoge Empfehlungen gelten auch für die koronare Bypassoperation (CABG) und die perkutane Koronarintervention (PCI). Weiterhin werden nach Erstdiagnose einer nichtischämischen Kardiomyopathie eine leitliniengerechte Herzinsuffizienztherapie für mindestens 3 Monate und eine anschließende Reevaluation von LV-EF und New York Heart Association(NYHA)-Klasse empfohlen, bevor eine implantatbasierte Therapieeskalation erfolgen sollte [1, 2].

Einen Ausweg aus dem Dilemma eines einerseits fehlenden Defibrillatorschutzes in der Frühphase des ventrikulären Remodeling und der andererseits zu frühzeitigen Implantation eines möglicherweise nicht dauerhaft indizierten ICD-Systems stellt der Einsatz eines tragbaren („wearable“) Kardioverter-Defibrillators (WCD) dar. Dieser bietet während dieser rhythmussensiblen „Bridging“- und Evaluationsphase eine sichere Therapieoption in der Behandlung des PHT. Während sich jedoch der WCD-Einsatz in kardiologischen Fachabteilungen bereits zunehmend etabliert hat, findet diese Therapieoption in herzchirurgischen Fachabteilungen bisher eine eher zurückhaltende Anwendung. Daher ist es Ziel dieses Positionspapiers, die Indikationen für den Einsatz des WCD vor- und nach kardiochirurgischen Eingriffen aufzuzeigen und Herzrhythmus- bzw. Herzinsuffizienzteams eine praxisnahe Entscheidungshilfe zu geben.

3. Aufbau und Funktionsweise des tragbaren Kardioverter-Defibrillators

Das einzige, aktuell auf dem Markt verfügbare Modell eines WCDs (LifeVest®, Zoll CMS GmbH, Köln, Deutschland) besteht aus einem tragbaren Westenteil, das vier Detektions- und drei Defibrillationselektroden beinhaltet und einer batterietragenden Steuereinheit (Abb. 1). Durch diese Anordnung werden die kontinuierliche Rhythmusanalyse durch zwei EKG-Ableitungen und eine etwaige Defibrillation ermöglicht. Weiterhin erhält der Patient eine entsprechende Akkuladestation, die zusätzlich eine Funkverbindung zur Steuereinheit der Weste aufbauen kann und auf diese Weise das Bindeglied zur Datenübertragung an eine internetbasierte Datenbank (LifeVest-Network®) darstellt. Diese Verknüpfung ist sinnvoll, da die LifeVest® zusätzlich auffällige EKG-Sequenzen aufzeichnen kann, vergleichbar eines Event-Rekorders. Die so gewonnenen Informationen über Arrhythmie‑, Bradykardie- oder Asystoliephasen werden anschließend übertragen und können umgehend durch den behandelnden Arzt über einen passwortgeschützten Zugang eingesehen und analysiert werden. Vor der Systemübergabe erhält jeder Patient zwingend eine ausführliche Schulung, um den richtigen Umgang mit dem WCD sicherzustellen.

Abb. 1
figure 1

Wearable cardioverter-defibrillator (LifeVest®, Zoll CMS GmbH, Köln, Deutschland). (Mit freundl. Genehmigung durch Zoll CMS, Deutschland)

Das aktive LifeVest-System überwacht und therapiert den Patienten während der gesamten Tragezeit. Daher sollte dieses möglichst 24 h getragen und nur unter Überwachung einer weiteren Person, beispielsweise zur Körperhygiene, abgelegt werden. Erkennt das WCD-System eine potenziell lebensbedrohliche ventrikuläre Herzrhythmusstörung, warnt es den Patienten durch die Abgabe eines lauten Signaltons, eines hellen Lichtkegels sowie durch einen kräftigen Vibrationsalarm. Zu diesem Zeitpunkt hat der Patient die Gelegenheit, eine möglicherweise ungerechtfertigte Schockabgabe durch Drücken zweier Reaktionstasten zu unterbinden. Unterbleibt eine solche Reaktion, geht das Gerät von einem bewusstlosen, behandlungsbedürftigen Patienten aus und stößt binnen eines Bruchteils einer Sekunde eine blaue Gelflüssigkeit aus den Defibrillationselektroden aus. Diese senkt den elektrischen Widerstand und schützt die Haut vor Verbrennungen während des unmittelbar folgenden 150-J-Schocks. Parallel hierzu werden umstehende Personen mittels Sprachinformationen auf die Notfallsituation hingewiesen und aufgefordert, den Patienten während der Defibrillation nicht zu berühren sowie einen Notruf abzugeben. Insgesamt kann das Gerät bis zu fünf Schockabgaben pro Sequenz nach jeweiliger Redetektion abgeben. Die Rhythmusdetektion erfordert 10–15 s, und bis zur Schockabgabe vergehen 30–40 s.

Zishiri et al. [13] konnten bei 4958 Patienten nach einer aortokoronaren Bypass-Operation mit hochgradig reduzierter LV-EF aufzeigen, dass es bei 809 Patienten des WCD-versorgten Kollektivs in 1,3 % der Fälle zu gerechtfertigten Schockabgaben (18 Schocks bei 11 Patienten) kam. Weiterhin ergaben Analysen einen Überlebensvorteil für WCD-Träger (Mortalität 2 %) im Vergleich zu Patienten ohne WCD (7 % Mortalität) innerhalb der ersten 90 Therapietage. Dieser Trend [6] bestätigte sich zudem in der anschließenden 3‑jährigen Beobachtungsphase. Allerdings wurden auch 13 unangemessene Schockabgaben dokumentiert. In einem weniger selektionierten Patientenklientel erfassten Wäßnig et al. [8] hingegen deutlich weniger inadäquate Schockabgaben mit 26 von 6043 (entsprechend 0,4 %) und 163 gerechtfertigten Schockabgaben (1,6 %) bei 120 Patienten mit einer effektiven Rhythmuskonversion in 94 % der Fälle.

Im Vergleich zu einem permanent implantierten Defibrillator kann der WCD allerdings keine antibradykarde oder antitachykarde Stimulation (ATP) durchführen, auch nicht als „post-shock pacing“ bei Asystolie nach erfolgter Kardioversion bzw. Defibrillation. Diese Einschränkungen spielen jedoch laut Wäßnig et al. im Rahmen der hier betrachteten Krankheitsbilder eine eher untergeordnete Rolle [8]. Insgesamt zeichnet sich der WCD durch eine hohe Funktionalität und Wirksamkeit aus, und es ergeben sich Erfolgsraten von bis zu 98 % [9].

4. Bisherige klinische Erfahrungen mit dem WCD

Seit der Zulassung des WCDs durch die FDA, der CE-Zertifizierung und der klinischen Einführung im Jahre 2001 konnten zahlreiche pro- und retrospektive Register sowie mehrere Studien die Sicherheit und Effektivität des WCD in der Prävention des PHT mit mehr als 10.000 eingeschlossen Patienten belegen [8,9,10,11,12,13,14]. Weiterhin wurden unlängst die Ergebnisse eines retrospektiven WCD-Registers [8] von über 6000 behandelten Patienten aus über 400 deutschen Kliniken publiziert. Wäßnig et al. [8] zeigten hier in einem heterogenen Patientenkollektiv, dass nicht nur die Compliance mit einer täglichen Tragezeit von durchschnittlich 23,1 h sehr hoch war, sondern auch, dass 1,6 % der Patienten aufgrund maligner ventrikulärer Arrhythmien (VT/VF) durch eine Defibrillation adäquat behandelt werden konnten. Dies entspricht etwa 8,4 Ereignissen/100 Patientenjahre mit einer Überlebensrate von über 93 % binnen der ersten 24 h nach Therapieabgabe. Zudem wurde eine hohe Anzahl an selbstlimitierenden VT-Ereignissen erfasst, bei denen eine Schockabgabe vom Patienten durch das zeitgemäße Betätigen der Reaktionstasten unterbunden wurde. Kutyifa et al. konnten in einem prospektiven Register (Wearable Defibrillator in Terminating Tachyarrhythmias Trial, WEARIT-II; [10]) zeigen, dass sich 41 % der Patienten in der LV-EF wieder besserten und so nach Abschluss der WCD-Versorgung nur noch 42 % einen permanenten ICD benötigten. Weiterhin zeigten Duncker et al. (Prolongation of Reverse remOdelling period to avoid untimely ICD impLantation in newly diagnOsed heart failure usiNG the wearable cardioverter/defibrillator-PROLONG-Study) [15], dass es bei nichtischämischen Patienten auch 4 bis 6 Monate nach Erstdiagnose noch zur Verbesserung der LV-EF kommen kann. Zudem beobachteten sie, dass es in rund 7 % der Fälle während dieser Evaluationsphase zur adäquaten WCD-Therapieabgabe kam [16]. Daher forderten die Autoren, dass auch diese Patienten zunächst mit einem WCD versorgt werden sollten. Die aktuellsten Studienergebnisse stellte im März dieses Jahres der Kostudienleiter Jeffrey Olgin über die noch nicht publizierte prospektive randomisierte, kontrollierte VEST-Studie (Vest Prevention of Early Sudden Death Trial) auf der 67. Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) in Orlando, USA, vor. Dieses multizentrische Register schloss 2302 Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung nach einem akuten Myokardinfarkt mit einer LV-EF ≤35 % sowie erfolgter oder nichtdurchgeführter Koronarrevaskularisation (PCI bzw. CABG) ein und beinhaltete eine 90-tägige Follow-up-Periode. Untersucht wurde, ob sich zwischen einer alleinigen leitliniengerechten medikamentösen Therapie (778 Patienten) und einer additiven WCD-Versorgung (1524 Patienten) Unterschiede in der Häufigkeit des PHT und der Gesamtmortalität ergeben. Erste Ergebnisse zeigen nun, dass sich durch die additive WCD-Therapie zwar ein Trend, aber keine statistisch signifikante Reduktion der arrhythmieassoziierten Mortalität mit 1,6 % zu 2,4 % (p = 0,18), der nichtrhythmogenbedingten Todesfälle mit 1,4 % zu 2,2 % (p = 0,15) sowie der schlaganfallbedingten Letalität 0 % zu 0,5 % (p = 0,01) nachweisen ließen. Insbesondere reduzierte sich die Gesamtmortalität in der WCD-Gruppe deutlicher auf 3,1 % im Vergleich zur medikamentösen Gruppe mit 4,9 % (p = 0,04), was einer relativen Reduktion von 36 % entspricht. Betrachtet man die bisherigen WCD-Analysedaten, so ergeben sich 1,4 % adäquate und 0,6 % inadäquate Schockabgaben und eine WCD-Tragezeit von 14,1 h/Tag [53].

Letztlich führten die vorliegenden Daten bereits im Jahre 2015 zur Aufnahme des WCDs in die europäischen Leitlinien [2] und 2017 in den nationalen Kommentar der europäischen Leitlinien zur Behandlung ventrikulärer Arrhythmien [1].

5. Indikationen zum Einsatz des WCD im Rahmen kardiochirurgischer Eingriffe

Anhand internationaler Leitlinien und nationaler Kommentare zur Behandlung ventrikulärer Arrhythmien ergeben sich aktuell für die WCD-Anwendung Indikationen mit einem Evidenzlevel von I/C–IIb/C [1, 2, 17,18,19]. Die darin benannten Krankheitsbilder schließen auch kardiochirurgische Patienten ein, die ein temporär erhöhtes PHT-Risiko oder eine vorübergehende Kontraindikation zur ICD-Implantation bei bestehender ICD-Indikation aufweisen. Insbesondere postoperative Patienten mit einer hochgradig reduzierten LV-EF zeigen über einen längeren Zeitraum ein erhöhtes Risiko für ventrikuläre Arrhythmien [20], weshalb sich eigentlich eine ICD-Implantation begründen ließe. Allerdings belegen mehrere Untersuchungen, dass es nach einer angemessenen Zeit in zahlreichen Fällen zur Restitution der Ventrikelfunktion kommen kann und daher eine zu frühzeitige ICD-Versorgung keine dauerhafte ICD-Indikation beinhalten würde [7, 21, 22]. Daher wird im Folgenden detaillierter dargestellt, welche Patienten nach herzchirurgischen Eingriffen für eine vorübergehende WCD-Therapie geeignet erscheinen.

5.1. Primärprophylaktische Indikationen

5.1.1. Koronare Herzerkrankung, ischämische Kardiomyopathie, Myokardinfarkt und Myokardrevaskularisation

Die Auswirkungen einer koronaren Herzerkrankung werden Patienten oftmals erst zum Zeitpunkt des Auftretens von hochgradigen Koronarstenosen oder akuten Gefäßverschlüssen durch die Symptome eines Angina-pectoris-Anfalls oder Myokardinfarkts offensichtlich. So gelangen etwa 10–20 % der kardiochirurgischen Patienten aufgrund eines akuten Myokardinfarkts zur dringenden operativen Myokardrevaskularisation. Auch wenn sich unter diesen Patienten nur ein geringer Anteil mit einer hochgradig eingeschränkten LV-EF (≤35 %) befindet, besteht doch insbesondere für diese ein erhöhtes Risiko zum Auftreten maligner peri- und postoperativer Arrhythmien. Denn einerseits kann es in den ersten Stunden nach erfolgter Reperfusion der Infarktareale zum Effekt des „reperfusion injury“ durch pH-Wert- und Elektrolytverschiebungen kommen [24, 25], und andererseits können sich lebensbedrohliche Arrhythmien während der anschließenden ventrikulären Remodeling-Phase durch das absterbende Myokard der irreversibel geschädigten Infarktareale entwickeln [24,25,26,27,28,29]. Aber auch inkomplette Revaskularisationen bedingen im weiteren Krankheitsverlauf eine grundsätzlich erhöhte Mortalität im Vergleich zu kompletter Revaskularisation, so eine aktuelle Studienübersicht von Zimarino et al. [51]. Speziell bei Patienten mit einer hochgradig eingeschränkten LV-EF und ICD-Indikation weisen Untersuchungen von Nombela-Franco et al. [52] die inkomplette Revaskularisation als unabhängigen Prädiktor zum Auftreten ventrikulärer Arrhythmien nach. Weiterhin belegten Zishiri et al. [13], dass Patienten mit einer LV-EF ≤35 % innerhalb der ersten 90 Tage nach erfolgter koronarer Bypass-Operation bzw. PCI einem erhöhten PHT-Risiko unterliegen: Die Kaplan-Meier-Überlebenskurven dieser Untersuchung zeigten einen Überlebensvorteil innerhalb dieser Periode für Träger eines WCDs. Hier ergaben sich nach erfolgter Bypass-Operation Mortalitäten von 3 % mit WCD gegenüber 7 % ohne diesen zusätzlichen Schutz und nach PCI von 2 % zu 10 %. Allerdings gelang es den Autoren nicht, einen statistisch signifikanten rhythmogenen Zusammenhang zu dieser Mortalitätsdifferenz nachzuweisen. Weiterhin zeigte die STICH-Studie [25], dass das postoperative Risiko zum Auftreten maligner Arrhythmien nach CABG in der Phase zwischen dem 1. und 3. Monat mit 1,2 % am höchsten ist. Andere Studien, die den weiteren Krankheitsverlauf nach Koronarrevaskularisation fokussierten, deuten auf ein hohes Potenzial zur myokardialen Erholung mit teils erheblichen Verbesserungen der LV-EF hin [28,29,30]. Gestützt werden diese Beobachtungen durch die Ergebnisse der WEARIT-II-Studie [10], wo es bei einer großen Patientenzahl gelang, eine relevante Verbesserung der LV-EF nach akutem Myokardinfarkt innerhalb einer 90-tägigen Beobachtungsperiode aufzuzeigen. So erhielten nach dieser Phase nur noch 40 % der eingeschlossenen Patienten, die zuvor mit einer hochgradig eingeschränkten linksventrikulären Pumpfunktion zur Operation gelangten, auch tatsächlich im weiteren Verlauf einen dauerhaften ICD. Eine WCD-Verordnung scheint so insbesondere während der postoperativen Periode – vergleichbar der Postinfarktphase – für Patienten mit einer LV-EF ≤35 % für bis zu 3 Monaten empfehlenswert, wenn eine adäquate, stationäre Rhythmusüberwachung, wie beispielweise aufgrund einer Patientenverlegung zur Anschlussheilbehandlung, nicht mehr gewährleistet werden kann.

Aber auch eine schleichende chronische Minderdurchblutung der Herzmuskulatur kann im Vergleich zu den oben beschriebenen, akuten Krankheitsverläufen ernste Konsequenzen bedingen und in eine vorübergehende oder dauerhafte Herzinsuffizienz auf Basis einer ischämischen Kardiomyopathie münden. Hierbei ist die weitere Krankheitsprognose besonders von den bisher eingetretenen ischämischen Myokardschäden wie der Größe reversibler ventrikulärer „Stunning“-Areale oder bereits bestehender irreversibler Infarktnarben abhängig. Kommt es in deren Folge zum myokardialen Pumpkraftverlust mit einer LV-EF-Reduktion ≤35 %, einer Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium ≥II) und einer konsekutiven Ventrikeldilatation als Ausdruck der eingetretenen ischämischen Kardiomyopathie, so ergibt sich anhand der aktuellen nationalen und internationalen Leitlinien [1, 2] und den Erkenntnissen der MADIT-II-Studie [23] die Indikation zur dauerhaften primärprophylaktischen ICD-Implantation. Jedoch ist dieser Zustand nicht immer irreversibel und dank spezieller Untersuchungsmethoden wie einer Myokardszintigraphie, Stressechokardiographie oder eines Kardio-MRTs ist es heutzutage häufig möglich, in diesen geschädigten Arealen passives jedoch noch vitales Myokardgewebe von irreversibel vernarbtem Gewebe zu unterscheiden. Gelingt es auf diese Weise, ausreichende Areale von „hibernating myocardium“ zu detektieren, so ergibt sich ein sinnvoller Ansatz für eine koronare Revaskularisation mit einer günstigen Prognose zur Restitution der kardialen Pumpfunktion. Daher kann für diese Patienten für bis zu 40 Tage vor dem geplanten Eingriff ein vorübergehender WCD zur Prophylaxe des PHT verordnet werden [1, 2, 10].

Zusammenfassend ist nach aktuellem Wissensstand der Einsatz eines WCDs für Patienten mit einer fortgeschrittenen koronaren Herzerkrankung und einer LV-EF ≤35 % zu empfehlen,

  1. 1.

    während diese auf eine Herzoperation warten und

  2. 2.

    während der Rekompensationsperiode nach einem akuten Myokardinfarkt für bis zu 3 Monate bzw. 3 bis 4 Monate nach erfolgter koronarer Revaskularisation (Klasse-IIb/C-Empfehlung) [1, 2, 18, 31, 32].

  3. 3.

    und die Therapie sollte nach angemessener postoperativer Restitution und echokardiographischen Kontrollen zur Reevaluation der Pumpfunktion mit der Entscheidung über die dauerhafte ICD-Indikation unter Berücksichtigung der klinischen Herzinsuffizienzsymptomatik (NYHA) enden (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Übersicht der primärpräventiven WCD-Indikationen. PTCA perkutane transluminale Koronarangioplastie, CABG „coronary artery bypass grafting“, WCD „wearable cardioverter-defibrillator“, ICD „implantable cardioverter-defibrillator“, DGK Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, ESC European Society of Cardiology, EHRA European Heart Rhythm Association, Mo. Monate, LV-EF linksventrikuläre Ejektionsfraktion, PHT plötzlicher Herztod, VT ventrikuläre Tachykardie, VF ventricular fibrillation

5.1.2. Dilatative Kardiomyopathien, nichtischämische Kardiomyopathien und Myokarditiden

Die dilatative Kardiomyopathie (DCM) findet ihre Ursache in multiplen Noxen wie metabolischen oder toxischen Einflüssen, (auto-)immunologischen inflammatorischen Reaktionen, infektiösen Bakteri- oder Virämien oder aufgrund individueller genetischer Dispositionen. Gemeinsam ist diesen Erkrankungen, dass es zu einer deutlichen Dilatation des linken Ventrikels kommt, sich konsekutiv die LV-EF mitunter dramatisch reduziert und sich auf diese Weise eine schwere, progredient verlaufende und dauerhafte Herzinsuffizienz entwickeln kann. Während der Akutphase besteht eine zu diesem Zeitpunkt nicht sicher einzuschätzende Prognose, weshalb sich auch das Risiko zum Auftreten lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen nicht sicher beziffern lässt. Daher finden sich auch unterschiedliche Aussagen zur Inzidenz dieser Rhythmusstörungen in der gegenwärtigen Literatur [9, 33, 34]. So empfehlen die aktuellen Leitlinien nach Erstdiagnose einer DCM mit hochgradig reduzierter LV-EF (≤35 %) das umgehende Einleiten einer optimierten Herzinsuffizienzmedikation, die Verordnung eines WCD (Klasse-IIb/C-Empfehlung) und die anschließende Befundreevaluation mit der Entscheidung über eine dauerhafte ICD-Indikation nach 3 Monaten [1, 2, 35]. Dieses abwartende Vorgehen ist nach Kao et al. [36] insbesondere deswegen gerechtfertigt, da es bei bis zu 41,5 % dieser Patienten unter einer adäquaten Medikation zum Wiederanstieg der LV-EF auf über 40 % kommen kann und sich somit keine ICD-Indikation mehr ergibt. Zudem ermöglicht der WCD während dieser Akutphase die Dokumentation von unklaren Rhythmusereignissen, wodurch sich zusätzliche diagnostische Hinweise zur weiteren Risikostratifikation ergeben können.

Weiterhin kann der WCD überbrückend bis zur abschließenden individuellen Indikationsstellung bei Verdacht auf andere, nichtischämisch bedingte Kardiomyopathien mit hochgradig reduzierter LV-EF verordnet werden, wie beispielsweise der peri- oder postpartalen Kardiomyopathie, dem Brugada-Syndrom oder einer Tako-Tsubo-Kardiomyopathie (Klasse-IIb/C-Indikation [1, 2], Abb. 4). Insbesondere für den Fall einer peripartalen Kardiomyopathie empfehlen Duncker et al. [37] eine 3‑ bis 6‑monatige WCD-Periode zur Protektion vor dem PHT, da sie hierbei bis zu 12 % an behandlungsbedürftigen ventrikulären Arrhythmien in einem Beobachtungszeitraum von 4 Monaten nachweisen konnten.

Letztlich profitieren auch Patienten mit akuten Myokarditiden und reduzierter LV-EF von einer WCD-Versorgung (Klasse-IIa/C-Empfehlung [1, 2]). Im Rahmen dieses Krankheitsbildes ist von etwa 11 % an relevanten ventrikulären Arrhythmien binnen der ersten 11 Monate auszugehen, wie es Konrad et al. [38] berichten. Bemerkenswerterweise beziehen sich diese Daten auf ein Patientenkollektiv, welches eine nur leicht bis mittelgradig reduzierte LV-EF (43–50 %) aufwies, und so ist sogar eine noch höhere Inzidenz bei Patienten mit höhergradig reduzierter LV-EF (≤35 %) zu befürchten. Kindermann et al. [39] schilderten zudem, dass sich das höchste Risiko für den PHT innerhalb der ersten 18 Monate nach akuter Myokarditis ergibt. Somit sollte in jedem Fall die Diagnose einer Myokarditis auf Echokardiographie‑, MRT- und Biopsiebefunden beruhen, eine 3‑ bis 6‑monatige WCD-Versorgung beinhalten und nach einer erneuten Prognoseeinschätzung mit einer individualisierten Entscheidung zur dauerhaften ICD-Versorgung schließen (Abb. 2; [10]).

5.1.3. Valvuläre Kardiomyopathien

In Deutschland repräsentieren die Aortenklappenstenose und die Mitralklappeninsuffizienz die am häufigsten behandelten Herzklappenvitien beim Erwachsenen. Beide Krankheitsbilder gehen mit chronischen Volumen- und Druckbelastungen des Herzens einher und münden oftmals in einer valvulären Kardiomyopathie mit linksventrikulärer Hypertrophie und Dilatation sowie einer deutlich reduzierten LV-EF. Zumeist gelangen diese Patienten im Rahmen einer erstmaligen kardialen Dekompensation zur stationären Aufnahme, aber auch maligne Herzrhythmusstörungen, deren Risiko gerade bei hochgradigen Aortenklappenstenosen erhöht ist, führen diese zur Behandlung in die Klinik. Nach kardialer Rekompensation oder bei unmittelbarer Operationsindikation können entweder ein operativer Aortenklappenersatz (AKE), eine katheterbasierte Aortenklappenimplantation (TAVI), eine operative Mitralkappenrekonstruktion (MKR) bzw. ein Mitralklappenersatz (MKE) oder eine kathetergestützte Mitralklappenintervention (z. B. MitraClip®, Abbott Vascular, Illinois, USA) erfolgen. Obwohl es im Anschluss mitunter bereits innerhalb kurzer Zeit zu einer deutlichen Verbesserung der kardialen Funktionsparameter kommt [40], sind zur weiteren Risikostratifikation des PHT bei Patienten mit einer LV-EF ≤35 % wiederholte postoperative echokardiographische Kontrollen anzuraten. Diese sollten bereits während des stationären Aufenthalts mit einem ausreichenden zeitlichen Abstand zur peri- oder postoperativen Katecholamingabe beginnen, einen Zwischenbefund noch vor der stationären Entlassung beinhalten und anschließend bis zur finalen Evaluation einer ICD-Indikation wiederholt werden.

Auch wenn aktuell keine ausreichenden Daten zur WCD-Verordnung nach Herzklappeneingriffen und zur weiteren Prognose der valvulären Kardiomyopathie, der LV-EF und dem Risiko eines PHT verfügbar sind, scheint es vernünftig, Herzklappenpatienten mit einer LV-EF ≤35 % vorübergehend mit einem WCD zu versorgen, bis diese wieder auf über 35 % angestiegen ist oder eine ICD-Implantation erfolgte.

5.2. Sekundärprophylaktische Indikation nach hämodynamisch relevanten Rhythmusstörungen

Nachdem ein Patient eine hämodynamisch relevante, ventrikuläre Arrhythmie erlitten hat, eine reversible Ursache ausgeschlossen ist und keine Kontraindikation zur Implantation eines permanenten Defibrillators besteht, ist die sekundärprophylaktische ICD-Indikation auf Basis der geltenden Leitlinien zu stellen und eine zeitnahe ICD-Implantation durchzuführen.

Ergeben sich hingegen zeitliche Verzögerungen in der Durchführung der notwendigen Diagnostik, bestehen möglicherweise reversible Arrhythmiekausalitäten oder liegen Infektionen vor, die eine umgehende Operation verbieten, so sollte der Patient bis zum Zeitpunkt einer definitiven ICD-Implantation adäquat rhythmusüberwacht werden (EKG-Monitor oder -Telemetrie) und ein Defibrillator zur unmittelbaren Rhythmuskonversion verfügbar sein. Nicht immer ist allerdings eine längerfristige Hospitalisierung des Patienten sinnvoll und möglich. So erfordern beispielsweise ambulant sanierbare Wund- oder Zahninfektionen zwar eine gewisse Behandlungszeit, zwingen aber nicht per se zur stationären Behandlung. Besteht in diesen Fällen dennoch ein potenziell hohes Risiko zum Auftreten maligner Arrhythmien, so kann eine überbrückende WCD-Versorgung für bis zu 3 Monate erfolgen (Klasse-IIb/C-Empfehlung, Abb. 3; [1, 2, 18]), bis die zugrunde liegende Kontraindikation beseitigt wurde und eine dauerhafte ICD-Implantation erfolgen kann.

Abb. 3
figure 3

Übersicht der sekundärpräventiven WCD-Indikationen. VF ventricular fibrillation, VT ventrikuläre Tachykardie, WCD „wearable cardioverter-defibrillator“, ICD „implantable cardioverter-defibrillator“, DGK Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, ESC European Society of Cardiology, EHRA European Heart Rhythm Association, ✓ Empfehlung ohne genaue Zeitangaben, Mo Monate

5.3. Kontraindikation zur ICD-Implantation bei bestehender ICD-Indikation

Besteht trotz leitliniengerechter Indikation zur ICD-Implantation eine absolute, relative oder reversible Kontraindikation, so ist der Einsatz eines WCDs eine gute Option zur Überbrückung dieser Phase (Klasse-IIa/C-Empfehlung [1, 2]), sofern keine ventrikuläre Stimulation erforderlich ist. Während dieser Zeitspanne sind Kontrolluntersuchungen im 4‑wöchentlichen Abstand zu empfehlen, und nach Beseitigung der Kontraindikation sollte die ICD-Implantation umgehend erfolgen.

Mögliche Kontraindikationen für eine ICD-Implantation können eine generalisierte Sepsis, lokale und systemische Infektionen (z. B. Endokarditis, Aggregattascheninfektion, Parodontitis, Abszesse oder Ulzera bei pAVK), die aktuelle Notwendigkeit zur Strahlen- oder Chemotherapie, intrakardiale Thromben sowie Gerinnungs- oder Blutbildungsstörungen darstellen (Abb. 3).

5.4. WCD-Indikation im Rahmen von ICD-Explantationen

Auch wenn sich nur ein verschwindend geringer Anteil von 0,01 % an perioperativen Infektionen im Rahmen des stationären Aufenthalts zur ICD-Neuimplantation in den Ergebnissen der externen stationären Qualitätssicherung in Deutschland findet, beträgt ihr Anteil doch 7,6 % der jährlichen Revisionseingriffe [41]. Somit stellt die Behandlung von „Device“-Infektionen ein relevantes Indikationsspektrum dar. Neben vorausgegangenen Aggregatwechseln oder Sondenrevisionen findet sich ihre Ursache häufig in den Implantatlangzeitfolgen, wie einer perkutanen Perforation von Systemkomponenten, bakteriellen Sondenendokarditiden unterschiedlicher Genese sowie anderen Komorbiditäten des zunehmend multimorbideren Patientenklientels. Oftmals ist dann die teilweise oder vollständige Entfernung des infizierten ICD-Systems mit Verlust des Defibrillatorschutzes unumgänglich [42,43,44], und erst nach der Infektionsausheilung kann, mit einigem zeitlichen Versatz, in einem zweiten operativen Schritt die erneute ICD-Implantation bzw. Ergänzung oder Reaktivierung relevanter Systemkomponenten erfolgen. Während dieser Periode ist es ratsam, eine erneute kritische Reevaluation der ICD-Indikation durchzuführen. Entsprechend den aktuellen Leitlinien [42,43,44] wird die erneute ICD-Implantation frühestens 72 h nach Bestätigung negativer Blutkulturen in Abhängigkeit von den aktuellen Infektionsparametern und dem lokalen Wundbefund empfohlen. Auf diese Weise ergibt sich zumeist eine Karenzzeit von mindestens 10 bis 14 Tagen, wobei Ellenbogen et al. klare Vorteile in einem noch längeren infektfreien Intervall sehen und im Zweifel ein protrahierteres Vorgehen empfehlen [8, 45]. Das resultierende Zeitintervall zwischen ICD-Explantation und Reimplantation kann somit durchaus 2 bis 3 Monate betragen und sollte daher durch den Einsatz eines WCD überbrückt werden (Klasse-IIa/C-Empfehlung) [1, 2, 18]. Sieht man hingegen eine Alternative in der Anlage eines subkutanen ICDs, so ist zu bedenken, dass dieses Vorgehen im Rahmen einer Infektionsbehandlung ebenfalls mit Infektionsgefahren, einer höheren Wahrscheinlichkeit für inadäquate Schockabgaben und höheren Kosten verbunden ist [46, 47].

Weiterhin kann es sich ergeben, dass für schrittmacherabhängige ICD-Patienten eine alternative Stimulationsoption geschaffen werden muss. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, entweder transvenöse „Überbrückungselektroden (‚semi-permanent pacing leads‘)“ perkutan über eine zentrale Vene einzubringen oder epikardiale Stimulationselektroden durch eine minimalinvasive Thorakotomie zu implantieren [43]. Die entsprechenden Elektroden werden dann entweder mit einem externen oder einem subkutan implantierten Schrittmacheraggregat konnektiert, welches vorübergehend die Stimulationsfunktion übernimmt. Um dennoch eine Defibrillationsmöglichkeit zu erhalten, kann dies in Kombination mit einem WCD geschehen. Allerdings sollten aufgrund der Gefahr einer Interaktion zwischen beiden Systemen eine bipolare Schrittmacherstimulation gewählt und – durch eine differenzierte Geräteprogrammierung – mögliche Geräteinteraktionen, das sogenannte „crosstalk“, ausgeschlossen werden (Abb. 3; [48]).

5.5. Sonderfälle

Patienten mit einer terminalen Herzinsuffizienz auf der Warteliste zur Herztransplantation können, sofern dies die klinische Situation zulässt, mit einem WCD versorgt („bridge to transplant“) und bis zur Transplantation in das häusliche Umfeld entlassen werden (Klasse-I/C-Empfehlung nach ISHLT [17] bzw. Klasse-IIa/C-Empfehlung nach ESC [2], EHRA [18] bzw. DGK-Stellungnahme [19]). Analog besteht diese Möglichkeit für Patienten mit implantiertem „assist device“ (z. B. LVAD), die ebenfalls ein hohes Risiko zum Auftreten von lebensbedrohlichen ventrikulären Arrhythmien aufweisen (Klasse-IIa/C-Empfehlung [31]). Zwar ist in beiden Fällen auch eine dauerhafte ICD-Implantation möglich, doch ist zu bedenken, dass diese mit einer höheren Komplikationsrate verbunden sein kann [49]. Insbesondere dann, wenn im Rahmen der Transplantation nicht alle Systemkomponenten vollständig entfernt werden konnten, können sich im Langzeitverlauf ernste Probleme wie Sondenendokarditiden unter der notwendigen Immunsuppression ergeben. Zusammengefasst sollte die Systemwahl unter Abwägung der Vor- und Nachteile sowie des Tragekomforts und der voraussichtlichen Therapiedauer unter Berücksichtigung der heutzutage langen Transplantationswartezeiten gemeinsam mit dem Patienten gegeneinander abgewogen werden (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Übersicht der Sonderfälle der WCD-Indikation. HTx Herztransplantation, WCD „wearable cardioverter-defibrillator“, ICD „implantable cardioverter-defibrillator“, DGK Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, ESC European Society of Cardiology, EHRA European Heart Rhythm Association, ✓ Empfehlung ohne genaue Zeitangaben

6. Kosteneffektivität der temporären WCD-Therapie

Die Kosteneffektivität einer WCD-Therapie wurde bisher in drei amerikanischen Untersuchungen [46, 47, 50] eingehender analysiert. Vor dem Hintergrund, dass diese temporäre Therapie die stationären Behandlungskosten und die Anzahl der permanent implantierten ICD relevant reduzieren könnte, konnten Healy und Carillo eine positive Kosten-Nutzen-Beziehung von $ 15,392/QUALY im Rahmen von operativen Explantationen infizierter ICD-Systeme aufzeigen [46]. Gemeinsam ist den Studien die Einschätzung, dass die zu erwartenden Einsparungen durch die passagere WCD-Therapie die monatlichen Kosten von ca. 3000 € übersteigen. Somit stellt die WCD-Therapie neben einer medizinisch begründeten auch eine kosteneffektive Behandlung in der Prävention des PHT dar.

7. Implementierung eines WCD-Programms in den klinischen Alltag

Entscheidend für die prophylaktische Behandlung von Patienten mit einem hohen Risiko zum Auftreten lebensbedrohlicher ventrikulärer Rhythmusstörungen ist die frühzeitige Identifikation der Hochrisikopatienten. Hierzu zählen insbesondere Patienten, die an einer Kardiomyopathie mit hochgradig eingeschränkter LV-EF (<35 %) leiden und eine kardiochirurgische oder interventionelle Therapie erfahren, erstmalig eine Herzinsuffizienztherapie erhalten oder an einer Myokarditis erkrankt sind (Abb. 5). Zu diesem Zwecke können Patienten entsprechend ihrer Herzfunktion selektioniert und differenzierten Herzrhythmus‑/Herzinsuffizienzbehandlungspfaden zugeteilt werden. Auf diese Weise ist es bereits präoperativ bzw. präinterventionell möglich, spezifische Behandlungskonzepte zur Anwendung zu bringen wie beispielsweise die prophylaktische Intraaortale-Ballonpumpe (IABP) zur kardialen Unterstützung bei Patienten mit einer ischämischen Kardiomyopathie, die präoperative Levosimendanapplikation bei valvulären Kardiomyopathien oder die prophylaktische WCD-Versorgung zum Schutz vor dem PHT während der präoperativen Wartezeit. Entsprechend differenziert kann dann auch die postoperative Nachsorge in Abhängigkeit von der LV-EF, der Schwere der Herzinsuffizienz und der Prognose geplant werden (Abb. 6). Neben einer angemessenen medikamentösen Herzinsuffizienztherapie sollten diese Hochrisikopatienten das Akutkrankenhaus dann auch durch einen WCD geschützt verlassen und in eine ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahme überwiesen werden. Etwa 90 Tage nach dem Eingriff sind dann die aktuelle LV-EF und der klinische Schweregrad der Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse) in einer fachübergreifenden Ambulanz im Herzrhythmus‑/Herzinsuffizienzteam erneut zu bestimmen und zu bewerten. Zeigt sich hierbei ein klinisch deutlich verbesserter Patient mit einer LV-EF von mehr als 35 %, ist die Implantation eines ICD nur noch in Einzelfällen indiziert. Hingegen rechtfertigen eine unverändert hochgradig eingeschränkte oder gar verschlechterte LV-EF (≤35 %) und eine NYHA-Klasse ≥II die umgehende ICD-Implantation zu diesem Zeitpunkt.

Abb. 5
figure 5

Schaubild – klinische Behandlungspfade für herzinsuffiziente Patienten. EF/LV-EF linksventrikuläre Ejektionsfraktion, ICD Implantable Cardioverter-Defibrillator, WCD Wearable Cardioverter-Defibrillator, ischäm. ischämische, nichtischäm. nichtischämische, opt. medik. optimierte medikamentöse, @ für, ACE/ARB  angiotensin converting enzyme/angiotensin-receptor blocker. (In Anlehnung an www.HRSonline.org)

Abb. 6
figure 6

Schaubild – klinisches Entlassungsmanagement. EF/LVEF linksventrikuläre Ejektionsfraktion, ICD Implantable Cardioverter-Defibrillator, ICM ischämische Kardiomyopathie, NICM nicht ischämische Kardiomyopathie, OMT ohne optimierte medikamentöse Therapie, VT ventrikuläre Tachykardie, VF ventricular fibrillation, NYHA New York Heart Assiciation Classification

8. Schlussfolgerung

Der WCD stellt eine effektive und sichere zusätzliche Option, einerseits in der Behandlung von Patienten mit einem vorübergehend erhöhten Risiko für den PHT sowie andererseits in der passageren Behandlung von Patienten mit einem dauerhaft erhöhten Risiko für maligne Arrhythmien dar, falls sich vorübergehend ein permanentes ICD-System verbietet. Auf diese Weise steht ein erweitertes Zeitfenster zur Evaluation einer dauerhaften ICD-Indikation zur Verfügung, indem Patienten mit einer hochgradig eingeschränkten LV-EF, einer erstmalig diagnostizierten Herzinsuffizienz oder nach Revaskularisations- oder Herzklappeneingriffen eine angemessene ventrikuläre Erholungsphase eingeräumt wird. Somit kann sich die Anzahl der primärprophylaktischen ICD-Implantationen um die Anzahl reduzieren, die sich bisher nach einer ventrikulären Restitution als nicht mehr indiziert erweisen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt existieren, trotz fehlender randomisierter prospektiver Studien ausreichend große Registerdaten, die die Funktionalität und Wirksamkeit des WCDs belegen. Diese Tatsache war Grundlage zur Therapieempfehlung in internationalen Leitlinien, und so stellt der WCD auch insbesondere für herzchirurgische Patienten eine medizinisch sinnvolle und patientenorientierte Behandlungsoption dar.