Lernziele

Nach Lektüre dieses Beitrags …

  • kennen Sie die Grundlagen der Untersuchungstechnik einer Kapillarmikroskopie,

  • wissen Sie, wann die Untersuchung indiziert ist,

  • können Sie die erhobenen Befunde klinisch einordnen,

  • sind Ihnen die wichtigsten kapillarmikroskopischen Muster und Scores bekannt.

Einleitung

Die Kapillarmikroskopie ist eine nichtinvasive und einfach durchzuführende Untersuchung mit hoher Aussagekraft, die für die Rheumatologie von Bedeutung ist. Mit dieser Untersuchung kann das Kapillarsystem in den Nagelfalzpapillen der Hände betrachtet und diagnostisch bewertet werden.

Erste mikroskopische Untersuchungen der Kapillaren wurden bereits 1693 durch Kolhaus durchgeführt. Maricq und LeRoy beschrieben 1973 erstmals typische Kapillarveränderungen bei der systemischen Sklerose (SSc). Deren Arbeit war die Grundlage für die Einteilung in verschiedene „scleroderma patterns“ durch Cutolo et al. 2000, die bis heute überwiegend genutzt wird und durch viele Studien validiert wurde. Seit dem Jahr 2013 geht der Nachweis auffälliger Befunde in der Kapillarmikroskopie auch in die EULAR(European League Against Rheumatism)-Klassifikationskriterien für eine SSc ein [1].

Indikation

Die Hauptindikation für die Durchführung der Untersuchung ist die Abklärung eines Raynaud-Phänomens (RP). Die Kapillarmikroskopie stellt eine zuverlässige Methode dar, um zwischen einer primären und sekundären Form zu unterscheiden.

Merke

Grundsätzlich sollten alle Patienten mit einem RP kapillarmikroskopisch untersucht werden [2, 3].

Eine weitere Indikation für die Untersuchung ist dann gegeben, wenn bereits eine SSc oder eine andere Kollagenose mit akraler Hautbeteiligung (z. B. Dermatomyositis oder Mischkollagenose) besteht. Mit der Untersuchung kann eine weitere differenzialdiagnostische Abklärung erfolgen und gleichzeitig die Krankheitsaktivität beurteilt werden.

Auch beim Vorliegen einer interstitiellen Lungenerkrankung lassen sich immer wieder pathologische kapillarmikroskopische Befunde erheben, die auf eine zugrunde liegende Kollagenose hinweisen können.

Durchführung der Untersuchung

Am Nagelfalz verlaufen die Kapillaren parallel zur Hautoberfläche, sodass sie in ihrer gesamten Länge beurteilbar sind [4].

Eine 200fache Vergrößerung ist wünschenswert. Damit lässt sich jeweils ca. ein Viertel des Nagelfalzes detailliert betrachten. Details, wie z. B. eine Neoangiogenese, können bei einem geringeren Vergrößerungsmaßstab übersehen werden.

Um sich einen Überblick zu verschaffen, ist es sinnvoll, die Untersuchung zusätzlich mit einer geringeren Vergrößerung (ab ca. 20fach) durchzuführen („wide-field capillaroscopy“). Untersucht werden sollten jeweils die 2. bis 5. Finger beider Hände.

Die Daumen werden bei der Untersuchung ausgespart. Die Stärke des Nagelhäutchens nimmt zum kleinen Finger hin ab. Die beste Beurteilbarkeit kann daher am 4. und 5. Finger der nicht dominanten Hand erwartet werden [5].

Bei einer 200fachen Vergrößerung sollten an jedem Finger 4 Aufnahmen, die jeweils 1 mm abdecken, dokumentiert werden, um einen relevanten Anteil der Nagelfalze abzubilden. Kann eine zusätzliche Übersicht der Nagelfalze dokumentiert werden, reicht im Alltag eine exemplarische Aufnahme in 200facher Vergrößerung.

Voraussetzung für die Untersuchung ist ein gut akklimatisierter Patient bei einer Raumtemperatur um 20–23 °C. Der Patient sollte ruhig sitzen, die zu untersuchende Hand entspannt abgelegt werden. Manipulationen der Nagelfalze wie der Nagelhaut sollten vor der Untersuchung vermieden werden, ggf. ist die Untersuchung um 4 Wochen zu verschieben. Nagellack stört bei der Untersuchung nicht, sollte aber nicht kurz vor der Untersuchung aufgetragen worden sein. Für die Untersuchung wird eine externe oder eingebaute Lichtquelle benötigt. Zur Sichtbarkeit wird ein (Immersions‑)Öl benötigt, dazu bieten sich Walnuss‑, Oliven- oder Zedernöl an.

Technik

Goldstandard der Untersuchungstechnik ist das Videokapillarmikroskop. Diese Geräte zeigen in der Regel eine gute Bildqualität, ermöglichen meist eine problemlose Bildanalyse sowie eine einfache Speicherung und Zuordnung der Befunde zu den Patienten. Nachteil der Videokapillarmikroskopie sind die im Vergleich zu den anderen Geräten höheren Kosten.

Genauso gut geeignet für klinische Untersuchungen sind Stereomikroskope, die neben einer guten Bildqualität auch meist den Vorteil haben, dass man direkt in das Untersuchungsgebiet hineinzoomen kann.

Ebenfalls für ein Screening geeignet sind preisgünstige USB-Mikroskope, da sie die wesentlichen Pathologien wie Megakapillaren, Blutungen und avaskuläre Areale erkennen. Formal ist aber zu beachten, dass diese in der Regel kein Medizinprodukt sind und damit zur Dokumentation, nicht aber zur Therapieentscheidung genutzt werden dürfen.

Ophthalmoskope und Dermatoskope sind einfache Instrumente, mit denen orientierende Untersuchungen durchgeführt werden können. Tatsächlich lassen sich die wichtigsten Pathologika auch mit dieser Untersuchungstechnik feststellen (Vergrößerungsfaktor bis ca. 10- bis 15fach). Allerdings ist eine Befunddokumentation damit nicht möglich. Beide sind zum Screening grundsätzlich geeignet. Sinnvoll ist dann eine weitere Untersuchung mit einem höher auflösenden Mikroskop [6].

Nomenklatur

Beurteilt werden können:

  • Kapillardichte (Anzahl der Kapillaren),

  • Kapillarmorphologie (Form der einzelnen Kapillaren),

  • Kapillardurchmesser (gemessen am apikalen Bereich der Kapillaren),

  • extrakapilläre Veränderungen (Auftreten/Fehlen von Mikrohämorrhagien und Ödem).

Morphologisch gehören zu den Normalbefunden [7]:

  • Haarnadelform der Kapillaren („hairpin shape“),

  • gewundene Kapillaren („tortuous“, die Kapillarschenkel überkreuzen sich nicht),

  • gekreuzte Kapillaren („crossing“, die Kapillarschenkel überkreuzen sich 1‑ oder 2‑mal).

Voraussetzung für eine Einordnung als Normalbefund ist, dass die Kapillarspitze konvex geformt ist. Gewundene oder gekreuzte Kapillaren werden als unspezifische Variation betrachtet (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Kapillarmikroskopische Selbstbildnisse der Autoren. a KT – Normalbefund mit ausschließlich Haarnadelform (Stereomikroskop, 1 mm Bildbreite). b WH – Normalbefund mit Haarnadelform und Torquierung (USB-Mikroskop, 1,5 mm Bildbreite). c OS – unspezifische Veränderungen nach Verletzung der Nagelhaut, Haarnadelform, Torquierung, Sludge und elongierte ektatische Kapillare neben der Verletzung, normale Dichte (Videomikroskop, 1 mm Bildbreite). d RH – Normalbefund mit ausschließlich Haarnadelform (Videomikroskop, 1 mm Bildbreite)

Alle anderen morphologischen Veränderungen sind als pathologisch einzustufen. Es gibt somit nur noch 2 Einordnungen für die Kapillarmorphologie: normal und nicht normal. Durch diese im Vergleich zu der vorherigen Nomenklatur deutliche Vereinfachung erhöht sich die Reliabilität der Untersuchung auch für Anfänger erheblich. Nichtnormale Kapillaren müssen nicht unbedingt auf eine zugrunde liegende Erkrankung hinweisen. Bei bis zu 34 % der in verschiedenen Studien untersuchten gesunden Probanden fanden sich morphologische Auffälligkeiten, wobei deren Anteil meist gering war.

Bei der Kapillardichte ist eine Anzahl von über 7/mm als normal einzustufen. Eine Reduktion der Anzahl der Kapillaren kann bei sonstigen unauffälligen Befunden als unspezifisch eingeordnet werden.

Ein Kapillarlumen (gemessen am Apex der Kapillaren) von unter 20 µm ist normal, ist es auf 20–50 µm erweitert, kann es als unspezifische Veränderung betrachtet werden. Ab einem Lumen von 50 µm ist der Befund als pathologisch einzuordnen („Megakapillaren“).

Auch das Vorhandensein von Hämorrhagien kann abhängig vom klinischen Kontext als unspezifischer Befund gedeutet werden.

Befundung und Scoring

Scoring dient in der Standardisierung der Befunde, um diese vergleichbar zu machen, auch in der Kapillarmikroskopie. Für den deutschsprachigen Raum wurde als Grundlage der Befundung von der Arbeitsgruppe Kapillarmikroskopie (DAGKAP) eine einheitliche Nomenklatur morphologischer Veränderungen und Dokumentation der Häufigkeit vorgeschlagen und umgesetzt [6]. Quantitative Befunde können in Bezug auf eine Messgröße (z. B. 8 Kapillaren pro Millimeter, 4 Megakapillaren pro Finger) oder semiquantitativ in Prozent der Kapillaren (z. B. 80 % Haarnadelform) angegeben werden.

Der Microangiopathie Evolution Score [8] graduiert die Veränderungen mit 0 (keine Veränderung), 1 (< 33 %), 2 (33–66 %) und 3 (> 66 %), bezieht sich auf die Morphologie und Dichte und berechnet jeden Finger einzeln (in 4 Abschnitten à 1 mm), um dann einen Gesamtscorewert zu benennen. Der Rechenaufwand ist groß und bietet wenig Vorteile im Alltag. Deutlich globaler ist die von Cutolo vorgeschlagene, weit verbreitete Einteilung in „early/früh“, „active/aktiv“ und „late/spät“ mit Fokus auf SSc, sie ist aber auch auf andere Erkrankungen anwendbar ([9]; Abb. 3). Nachteil ist die rein deskriptive Gestaltung, die eine Automatisierung erschwert. Daher wurde zuletzt eine Modifikation mit konkreterer Definition der Grenzen und Ergänzung um „normal“ und „unspezifische Veränderung“ eingeführt (Abb. 2; [3]).

Abb. 2
figure 2

Standardisierung des Kapillarmikroskopiebefundes zur Dokumentation von Patienten mit Raynaud-Phänomen und systemischer Sklerose (SSc) nach Smith [3]. Früh hat immer eine normale Dichte ≥ 7/mm. Aktiv hat immer verminderte Dichte < 7/mm und Megakapillaren (Apex > 50 μm). Spät hat immer eine deutlich verminderte Dichte und abnormaleb Kapillaren, Megakapillaren finden sich nicht. aKapillaren mit einer „Haarnadel“-Form, (2- oder 3‑mal) kreuzender Form oder gewundener Form (die afferenten und efferenten Schenkel sind gebogen, aber nicht gekreuzt) werden als „normal“ definiert, sofern die Spitze der Kapillare konvex ist. bAlle anderen Formen werden als „abnormal“ definiert

Abb. 3
figure 3

Kapillarmikroskopie bei Systemsklerose: a „frühes“ Muster (Stereomikroskop, 1 mm Bildbreite), b „aktives“ Muster (Stereomikroskop, 1,4 mm Bildbreite), c „spätes“ Muster (jeweils Stereomikroskop, 1,4 mm Bildbreite)

Für die SSc wurde der „capillaroscopic skin ulcer risk index“ als prognostischer Verlaufsscore entwickelt und validiert, konnte sich aber in multizentrischen Studien nicht bestätigen lassen [10, 11, 12]. Die Kapillardichte (in Kapillaren/mm Nagelfalz) bleibt wichtigster prognostischer Marker [13, 14, 15]. Automatisierte Messverfahren sind in Entwicklung.

Merke

Wichtigster prognostischer Score ist die Kapillardichte (Kapillaren/mm Nagelfalz)

Raynaud-Phänomen

Unter dem Begriff des Raynaud-Phänomens (RP) versteht man das anfallsartige Auftreten einer scharf begrenzten Entfärbung eines oder mehrerer Finger bzw. Zehen (seltener sind ganze Hände, Füße, Nase oder Knie betroffen) auf dem Boden eines arteriellen Vasospasmus. Liegen außer den genannten reversiblen Spasmen keine weiteren Symptome vor, insbesondere keine Zeichen einer zugrunde liegenden oder assoziierten Krankheit, so spricht man von einem primären RP, im anderen Fall von einem sekundären RP. Eine wichtige ärztliche Aufgabe ist die Differenzierung zwischen primärem und sekundärem RP wegen der prognostischen und therapeutischen Bedeutung.

Beim primären RP sind im Anfall, also im Vasospasmus, bei makroskopisch weißem Finger die Kapillaren nicht gefüllt, eine kapillarmikroskopische Untersuchung ist daher zu diesem Zeitpunkt nicht sinnvoll. Zwischen den Anfällen kann häufig ein gestörter Blutfluss (Sludge, variable Kapillarfüllung) nachgewiesen werden. Wesentliche Abweichungen von der „normalen“ Kapillarmorphologie mit Haarnadelform oder Torquierung sind aber selten (< 20 % der Kapillaren), und die Kapillardichte ist normal (7–14 Kapillaren/mm).

Merke

Es existieren bisher keine evidenzbasierten Empfehlungen zu kapillarmikroskopischen Verlaufskontrollen bei unauffälligem Erstbefund.

Aufgrund begrenzter Verfügbarkeit bei stabiler Symptomatik und hoher Wahrscheinlichkeit für ein primäres RP, unauffälligem Autoantikörper und unauffälliger erster Kapillarmikroskopie ist keine Kontrolle notwendig, bei Nachweis von spezifischen Autoantikörpern und/oder eines pathologischen kapillarmikroskopischen Befundes erscheinen 2‑ bis 3‑jährige Abstände ausreichend, aber bei klinischer Verschlechterung sollte die erneute Diagnostik kurzfristig ermöglicht werden [16].

Systemische Sklerose

Die Mikroangiopathie im Rahmen einer SSc spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung von RP, Finger‑/Zehenkuppenulzerationen, Teleangiektasien, pulmonalarterieller Hypertonie (PAH) und hypertensiver renaler Krise [17]. SSc ist das meist mittels Kapillarmikroskopie untersuchte Erkrankungsbild. SSc-typische kapillarmikroskopische Auffälligkeiten, wie z. B. Megakapillaren, besitzen einen hohen diagnostischen Wert, der ähnlich zu dem der antinukleären Antikörper (ANA) beschrieben wird. Indikativ für die hohe diagnostische Wertigkeit der Kapillarveränderungen ist die Tatsache, dass sie in den aktuellen SSc-Klassifikationskriterien berücksichtigt werden [18]. Megakapillaren korrelieren darüber hinaus sowohl mit dem Vorhandensein als auch mit der Schwere einer PAH [19], und deren Einschluss in der SSc-Diagnostik erhöht den prädiktiven Wert bezüglich des Outcomes der Erkrankung [20].

Cutolo et al. beschrieben, dass im Rahmen einer SSc spezifische kapillarmikroskopische Veränderungen beobachtet werden können, die in „frühes“, „aktives“ und „spätesSSc-Muster eingeteilt werden können [9]. Diese Mustereinteilung wird bis heute verwendet und gehört auch zu aktuellen Studienprotokollen. Bei frühem Muster können einige ektatische Kapillaren sowie einige Hämorrhagien bei noch erhaltener Kapillardichte beobachtet werden. In manchen Fällen gibt es hier auch wenige Megakapillaren (Durchmesser des Kapillarschenkels > 50 µm). Bei aktivem Muster überwiegen Megakapillaren und Mikroblutungen. Darüber hinaus können ein moderater Kapillarverlust sowie in manchen Fällen leicht verzweigte Kapillaren beobachtet werden. Das späte Muster ist durch einen ausgeprägten Kapillarverlust mit sehr großen avaskulären Arealen gekennzeichnet, wobei nur wenige oder keine Megakapillaren vorhanden sind. Darüber hinaus können eine Desorganisation des Kapillarbettes und Neoangiogenese vorkommen (Abb. 3; [4, 5, 9]).

Korrelationen mit klinischen Manifestationen der systemischen Sklerose

Mikroblutungen sind charakteristisch für das frühe – und v. a. – das aktive SSc-Muster und können mit frühen vaskulären Schäden im Rahmen der Grunderkrankung assoziieren. Aktives und spätes SSc-Muster wurden in Zusammenhang mit mäßiger bis hoher Erkrankungsschwere gebracht [21]. Das späte SSc-Muster assoziiert außerdem mit fortgeschrittenen vaskulären Schäden, die zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Perfusion im Vergleich zu Patienten mit frühem und aktivem Muster führen könnten [22]. Darüber hinaus scheint das späte Muster stärker mit der Entwicklung von Fingerkuppenulzera im Vergleich zu frühem und aktivem Muster zu korrelieren [23, 24]. SSc-spezifische Auffälligkeiten assoziierten mit dem Vorhandensein einer interstitiellen Lungenerkrankung (ILD), Reduktion der CO(Kohlenmonoxid)-Diffusionskapazität und mit systolischem pulmonalarteriellem Druck in der großen SSc-Kohorte [25]. Darüber hinaus wurden in verschiedenen Studien Beziehungen zwischen SSc-assoziierten kapillarmikroskopischen Auffälligkeiten und laborchemischen Biomarkern der Mikroangiopathie nachgewiesen.

Sonstige Kollagenosen

Die Kollagenosen („connective tissue diseases“ [CTD]) setzen sich neben der SSc zusammen aus der MCTD („mixed connective tissue disease“), systemischem Lupus erythematodes (SLE), Sjögren-Syndrom (SjS) und Myositiden (Dermatomyositis/Polymyositis). Patienten mit einer Kollagenose haben häufig ein RP als erstes Symptom. So können bei einer Mischkollagenose oder einer Dermatomyositis vergrößerte, dilatierte und deformierte Kapillarschlingen nachgewiesen werden, und die Dichte der Kapillaren kann vermindert sein. Blutungen treten häufiger auf (Abb. 4 und 5). Insbesondere Megakapillaren haben eine hohe Prädiktion für die Diagnosestellung einer CTD [26]. Kombiniert man den Nachweis von ANA mit den Befunden der Kapillarmikroskopie, kann die Identifikation von Hochrisikopatienten gegenüber der Einzeluntersuchung erheblich verbessert werden [27]. Die Leitlinie empfiehlt daher die Kombination beider Untersuchungen [20, 28]. Bernadino et al. hatten kapillarmikroskopische Bilder von CTD-Patienten retrospektiv evaluiert, um die Häufigkeit von Änderungen der Kapillarmorphologie bei den unterschiedlichen Erkrankungen zu erfassen [29]. Sie konnten beispielsweise keine avaskulären Zonen bei den untersuchten SLE- und SjS-Patienten feststellen. Auch Megakapillaren waren deutlich geringer bei SLE- und SjS-Patienten zu detektieren. Andererseits wiesen Myositispatienten in über 80 % der untersuchten Patienten Zeichen einer Neoangiogenese auf (Tab. 1). Dabei korrelierte das Auftreten von morphologischen Kapillarveränderungen mit der Anamnese eines RP.

Abb. 4
figure 4

Kapillarmikroskopie bei systemischem Lupus erythematodes mit Antiphospholipidantikörpersyndrom: a klinischer Aspekt, b Nagelfalz mit Blutungen, Ektasie, Verzweigungen bei normaler Dichte (Videomikroskop, 1 mm Bildbreite)

Abb. 5
figure 5

Kapillarmikroskopie bei anti-melanoma differentiation-associated gene 5 (MDA5)-assoziierter Dermatomyositis: a klinischer Aspekt, b Nagelfalz mit gehäuften Torquierungen, Verzweigungen, Ektasie bei normaler Dichte (Videomikroskop, 1 mm Bildbreite)

Tab. 1 Häufigkeit kapillarmikroskopischer Veränderungen bei verschiedenen Kollagenosen nach Bernadino [29]

Merke

Überlappungen der einzelnen CTDs erschweren die Einteilung in krankheitsspezifische, morphologische Kapillarveränderungen.

Antisynthetasesyndrom

In der NASCAR-Studie wurde die größte Kohorte von Patienten mit Antisynthetasesyndrom (ASyS) (190 Patienten; 2550 kapillarmikroskopische Bilder) von Sebastiani und Triantafyllias et al. untersucht [30]. Kapillarmikroskopische Auffälligkeiten (Verzweigungen, Ektasien, reduzierte Dichte) waren häufiger bei Patienten als bei Kontrollprobanden. Interessanterweise zeigten 35,3 % der Patienten mit ASyS kapillarmikroskopische Muster, die von den SSc-Mustern nicht zu unterscheiden waren. Das SSc-ähnliche kapillarmikroskopische Muster war assoziiert mit Jo1-Antikörper-Positivität, längerer Erkrankungsdauer und einer erst im späteren Stadium der Erkrankung auftretenden ILD.

Vaskulitiden – inflammatorische Arthropathien

Die diagnostische Wertigkeit der Nagelfalzkapillarmikroskopie ist bei Patienten mit Vaskulitiden deutlich weniger untersucht im Vergleich zu Patienten mit Kollagenosen, wie z. B. SSc und Dermatomyositis. Die Kapillarmikroskopie könnte allerdings die Möglichkeit einer direkten Darstellung der möglicherweise mit-entzündeten Gefäße bieten. Es ist allerdings Tatsache, dass bis dato keine sicheren erkrankungsspezifischen Muster bei Vaskulitiden beschrieben sind. Die relativ wenigen Studien, die bei diesen Erkrankungen durchgeführt wurden, haben in den meisten Fällen kleine Patientenkohorten eingeschlossen, waren häufig unkontrolliert und beschrieben einige unspezifische kapillarmikroskopische Auffälligkeiten, die lediglich als ein weiteres Mosaiksteinchen in der rheumatologischen Diagnostik angesehen werden können. Ähnlich sind bei den Arthritiden bis dato keine spezifischen kapillarmikroskopischen Veränderungen beschrieben worden.

Stellenwert in der Diagnostik bei Mikroangiopathien

Nicht nur bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen spielen Mikroangiopathien eine Rolle. Auch Patienten mit beispielsweise idiopathischer pulmonalarterieller Hypertonie (IPAH) [31], Diabetes mellitus [32] oder nichtinflammatorischen neuromuskulären Erkrankungen [33] können Zeichen einer Mikroangiopathie in der Kapillarmikroskopie aufweisen. Auch hier sind keine krankheitsspezifischen Veränderungen zu beobachten gewesen. Beispielsweise wiesen IPAH-Patienten verglichen mit gesunden Probanden häufiger eine Reduktion der Kapillardichte sowie Zeichen einer Mikrohämorrhagie auf [31]. Bei Diabetes-mellitus-Patienten konnten viele verschiedene Kapillarveränderungen nachgewiesen werden. Dabei wiesen Patienten mit Hyperglykämie häufiger Zeichen einer Mikroangiopathie in der Untersuchung auf. Vor allem Kapillarerweiterungen, avaskuläre Zonen und Torquierungen waren beim untersuchten Kollektiv nachweisbar [32].

Fazit für die Praxis

  • Bei allen Patienten mit einem Raynaud-Phänomen sollte an die Durchführung einer Kapillarmikroskopie gedacht werden.

  • Bereits frühzeitig im Krankheitsverlauf einer Systemsklerose können typische Kapillarmuster erkannt werden.

  • Das kapillarmikroskopische Bild gibt Hinweise auf die Krankheitsaktivität und möglicherweise die Prognose einer systemischen Sklerose (SSc).

  • Unspezifische Veränderungen bei der Untersuchung sollten kontrolliert werden.

  • Bei Patienten mit Raynaud-Phänomen ist bei normaler Kapillarmorphologie und Kapillardichte eine Systemsklerose unwahrscheinlich, bei gleichzeitig negativen antinukleären Antikörpern ist eine Kollagenose nahezu ausgeschlossen