Einleitung

Therapierefraktäre Arthritiden stellen eine Herausforderung im rheumatologischen Alltag dar, welche Anlass zu vielfältigen differentialdiagnostischen Überlegungen gibt. In diesen Fällen sollte eine kritische Reevaluation der initialen Diagnose einer entzündlich-rheumatischen Grunderkrankung (z. B. seronegative rheumatoide Arthritis) erfolgen. Insbesondere Infektionen mit „atypischen“ Erregern können häufig rheumatologische Krankheitsbilder imitieren („mimics“). In diesem Zusammenhang ist die chronische Infektion mit Tropheryma whipplei (T. whipplei) eine wichtige Differentialdiagnose, da diese häufig erst spät im Krankheitsverlauf erkannt wird. Die Gelenkmanifestationen beim Morbus Whipple gehen der gastrointestinalen Symptomatik in fast drei Viertel der Fälle um 6 bis 7 Jahre voraus [1] und erschweren daher die Unterscheidung von Arthritiden autoimmuner Genese.

Anhand von 5 klinischen Fällen werden in dieser fallbasierten Übersichtsarbeit die diagnostischen und therapeutischen Prinzipien im Management der chronischen T.-whipplei-Infektion erläutert sowie „red flags“ als Hinweis auf eine chronische T.-whipplei-Infektion beschrieben.

Fallberichte

Fall 1

Ein 50-jähriger Patient mit vordiagnostizierter „Psoriasisarthritis (PsA) sine Psoriasis“ wurde mit rezidivierenden Polyarthritiden und immobilisierenden Schmerzen der Lendenwirbelsäule stationär aufgenommen. In der Vorgeschichte fanden sich erfolglose Therapieversuche mit verschiedenen Basistherapeutika (disease-modifying anti-rheumatic drugs, DMARDs).

In der klinischen Untersuchung zeigte sich eine Tenosynovialitis im Handgelenk links sowie ein Erguss im Sprunggelenk links und Ellenbogengelenk rechts. Das C‑reaktive Protein (CRP) war leichtgradig erhöht (2,1 mg/dl; < 0,5 mg/dl). Die Autoimmunserologie war unauffällig. Eine Gelenkpunktion des rechten Ellenbogengelenkes ergab den Befund einer Arthritis mit Nachweis von T. whipplei (400.000 Genomäquivalente/ml) mittels Polymerasekettenreaktion (PCR). Eine Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) mit Duodenalbiopsien ergab sowohl histologisch als auch molekularbiologisch (PCR) keine weiteren Hinweise für einen Morbus Whipple.

20 Monate nach Einleitung einer antibiotischen Therapie mit Ceftriaxon 2 g i.v. täglich über 14 Tage und anschließender Therapie mit Cotrimoxazol 960 mg p.o. 2 × täglich für weitere 12 Monate ist der Patient bei normwertigen Entzündungsparametern anhaltend beschwerdefrei.

Fall 2

Ein 54-jähriger Patient mit vordiagnostizierter „Spondyloarthritis (SpA) mit peripherer Gelenkbeteiligung DD seronegative rheumatoide Arthritis (RA)“ wurde zur Abklärung einer therapierefraktären Polyarthritis stationär aufgenommen. Der Patient profitierte nicht von einer systemischen Glukokortikoidtherapie. Neben den Gelenkbeschwerden berichtete der Patient unter rezidivierenden Bauchschmerzen und Obstipation zu leiden.

Laborchemisch fanden sich erhöhte Entzündungsparameter (CRP 4,0 mg/dl). Rheumafaktor (RF) oder Antikörper gegen zyklische citrullinierte Peptide (Anti-CCP-Ak) ließen sich nicht nachweisen. Klinisch und sonographisch zeigte sich das Bild einer Arthritis der Sprunggelenke beidseits. Zusätzlich konnte sonographisch eine Arthritis der Calcaneocuboidalgelenke beidseits mit ausgeprägter Synovialishypertrophie und Gelenkergüssen nachgewiesen werden. Die PCR aus dem Gelenkpunktat des rechten Sprunggelenkes war positiv für T. whipplei (20.000 Genomäquivalente/ml). Eine ÖGD und Liquorpunktion ergaben histologisch bzw. molekularbiologisch keine weiteren Hinweise für einen Morbus Whipple.

12 Monate nach Einleitung einer antibiotischen Therapie mit Ceftriaxon 2 g i.v. täglich über 14 Tage und anschließender Therapie mit Cotrimoxazol 960 mg p.o. 2 × täglich ist der Patient anhaltend beschwerdefrei. Parallel hierzu kam es zu einer Regredienz des CRP (1 mg/dl). Die Cotrimoxazoltherapie konnte daher nach einem Jahr beendet werden.

Fall 3

Eine 72-jährige Patientin mit vordiagnostizierter „PsA DD seropositive RA“ wurde aufgrund einer therapierefraktären Polyarthritis stationär aufgenommen. Zu Beginn der Erkrankung bestand ein Ansprechen auf Prednisolon, Methotrexat und Etanercept. Andere Basistherapeutika hatten im Verlauf keinen anhaltenden Therapieerfolg erzielt.

Klinisch und sonographisch ergab sich der Befund einer aktiven Polyarthritis mit synovialer Proliferation im Bereich der Finger‑, Hand‑, Knie‑, Ellenbogen- und Schultergelenke beidseits. Laborchemisch bestand eine Entzündungskonstellation (CRP 4,11 mg/dl) sowie eine hypochrome, normozytäre Anämie (Hämoglobin [Hb] 9,6 g/dl) mit Eisen- und Vitamin-B6-Mangel. Die Autoimmunserologie war schwach positiv für RF (6,7 U/l; Referenz: < 5,0 U/l).

Nativradiologisch war im Bereich der Hände ein Mischbild aus erosiver Polyarthritis (Stadium IV nach Larsen) sowie Heberden- und Bouchard-Arthrosen beidseits sichtbar (Abb. 1). Zusätzlich fanden sich mutilierende Veränderungen der Handgelenke beidseits. Eine Magnetresonanztomographie der Halswirbelsäule zeigte eine aktive Arthritis im Kiefergelenk rechts und im Atlantodentalgelenk.

Abb. 1
figure 1

Mischbild aus erosiver Polyarthritis (Stadium IV nach Larsen) sowie Heberden- und Bouchard-Arthrosen beidseits (Fall 3)

Die Untersuchung des Gelenkpunktates aus dem linken Kniegelenk zeigte einen entzündlichen Erguss mit positiver PCR für T. whipplei (400.000 Genomäquivalente/ml). Die histopathologische und molekularbiologische Untersuchung von makroskopisch milchig-weißlichen Schleimhautveränderungen im Duodenum ergab hingegen keinen Hinweis für einen Morbus Whipple. Eine Lumbalpunktion wurde von der Patientin abgelehnt. Unter einer antibiotischen Therapie mit Ceftriaxon 2 g i.v. täglich über 14 Tage und anschließender Therapie mit Cotrimoxazol 960 mg p.o. 2 × täglich waren die Entzündungsparameter und Anämie rückläufig. Nachdem die Therapie mit Cotrimoxazol vorzeitig nach 3 Monaten durch die Patientin beendet wurde, entwickelte sich im Verlauf ein Rezidiv der Polyarthritis. In einer erneuten Gelenkpunktion ließ sich T. whipplei jedoch nicht nachweisen, sodass wir von einer komorbiden immunologischen Arthritis ausgingen. Da nach erneuter Einleitung von Cotrimoxazol in Kombination mit Hydroxychloroquin nur eine partielle Besserung der arthritischen Beschwerden zu erzielen war, erfolgte ergänzend ein Prednisolonstoß. Bei gutem Glukokortikoidansprechen der Gelenke, jedoch persistierender Psoriasis entschied man sich aufgrund des günstigen Sicherheitsprofils für die additive Gabe von Guselkumab.

Fall 4

Ein 75-jähriger Patient mit vordiagnostizierter „seronegativer RA“ wurde aufgrund therapierefraktärer rezidivierender Polyarthritiden, Gewichtsverlust und Inflammation unklarer Ursache stationär aufgenommen. Eine externe Computertomographie (CT) des Abdomens hatte eine mesenteriale Lymphadenopathie gezeigt. Eine kurz vor Aufnahme durchgeführte ÖGD mit Duodenalbiopsien hatte histologisch keinen Hinweis für einen Morbus Whipple ergeben.

Klinisch bestand eine ausgeprägte Kachexie (10 kg Gewichtsverlust in 9 Monaten). Laborchemisch ergab sich eine entzündliche Laborkonstellation (CRP 6,22 mg/dl) mit Leukozytose und normochromer, normozytärer Anämie (Hb 10,8 g/dl). RF oder Anti-CCP-Ak ließen sich nicht nachweisen. Sonographisch zeigten sich Gelenkergüsse der Kniegelenke beidseits und des linken Sprunggelenkes mit geringer Synovialitis sowie eine Splenomegalie (146 × 110 × 51 mm). Die PCR aus den Gelenkpunktaten des Kniegelenkes rechts (450.000 Genomäquivalente/ml) und Sprunggelenkes links (400.000 Genomäquivalente/ml) war positiv für T. whipplei. Eine PCR-Untersuchung der initial entnommenen Duodenalbiopsien war ebenfalls positiv für T. whipplei. Die Untersuchung des Liquors war unauffällig.

Etwa 4 Stunden nach Beginn einer antibiotischen Therapie mit Ceftriaxon 2 g i.v. entwickelte der Patient Fieber und hypertensive Blutdruckwerte, was wir als Jarisch-Herxheimer-Reaktion werteten. Die Reaktion bildete sich innerhalb von Stunden spontan zurück. Innerhalb von wenigen Tagen kam es zu einer Normalisierung der zuvor chronisch erhöhten Entzündungsparameter. Nach 6 Monaten antibiotischer Therapie mit Cotrimoxazol 960 mg p.o. 2 × täglich bildeten sich auch die Blutbildveränderungen und Splenomegalie zurück. Eine Fortführung der antibiotischen Therapie für weitere 6 Monate ist angestrebt.

Fall 5

Eine 71-jährige Patientin mit vordiagnostizierter „seronegativer RA DD PsA“ wurde aufgrund einer akuten Arthritis des linken Kniegelenkes und rechten Sprunggelenkes stationär aufgenommen. Rezidivierende Arthritiden bestanden seit Jahren mit wechselnder Lokalisation. In der Vorgeschichte war ein paramedianer Ponsinfarkt rechts mit spastischer Hemiparese links bekannt, die sich in den Tagen vor der stationären Übernahme verschlechtert hatte.

Laborchemisch zeigte sich eine deutliche Entzündungskonstellation (CRP 13,76 mg/dl). Die PCR aus den Gelenkpunktaten des Kniegelenkes links (900.000 Genomäquivalente/ml) und Sprunggelenkes rechts (500.000 Genomäquivalente/ml) sowie eine anschließend durchgeführte Liquoruntersuchung (1000 Genomäquivalente/ml) waren positiv für T. whipplei. Die histopathologische Untersuchung von Duodenalbiopsaten ergab hingegen keinen Hinweis für einen Morbus Whipple. Allerdings konnte die PCR genetisches Material von T. whipplei nachweisen.

Nach Einleitung einer antibiotischen Therapie mit Ceftriaxon 2 g i.v. täglich über 14 Tage und anschließender Therapie mit Cotrimoxazol 960 mg p.o. 2 × täglich zeigte sich innerhalb von 2 bis 3 Wochen eine Besserung der Hemispastik und Gelenkmanifestationen sowie eine Normalisierung der Entzündungsparameter. 6 Monate nach Therapiebeginn sind die Entzündungsparameter weiterhin normwertig und die Patientin ist bezüglich der arthritischen Symptomatik beschwerdefrei. Die Fortführung der Therapie ist für weitere 6 Monate geplant.

Ergebnisse

Das Leitsymptom der beschriebenen Fälle ist die rezidivierende Polyarthritis ohne Ansprechen auf immunsuppressive Therapien. Letztendlich konnte in allen Fällen die Diagnose einer chronischen Infektion durch T. whipplei gestellt werden. Diagnostisch wegweisend war die PCR-Untersuchung des Gelenkpunktates auf T. whipplei. Interessanterweise zeigte nur ein Patient typische gastrointestinale Symptome eines Morbus Whipple (Fall 4: Gewichtsverlust, Kachexie) mit gleichzeitigem molekularbiologischem Nachweis von T. whipplei in den Duodenalbiopsaten. Die klassischen histologischen Befunde eines Morbus Whipple (PASFootnote 1-positive Einschlüsse in Makrophagen der duodenalen Lamina propria) wurden bei keinem Fall in den Duodenalbiopsaten nachgewiesen. Bei einer Patientin (Fall 5) ließ sich eine zentralnervöse Infektion durch die PCR-Untersuchung des Liquors bestätigen.

Eine Übersicht der geschilderten Fälle gibt Tab. 1.

Tab. 1 Übersicht der beschriebenen Fälle einer chronische T.-whipplei-Infektion

Diskussion

Chronische T.-whipplei-Infektion: Morbus Whipple und lokalisierte Infektionen

Klinisch können verschiedene Manifestationen einer T.-whipplei-Infektion unterschieden werden [2, 3]: (1) Morbus Whipple („classic Whipple’s disease“), (2) lokalisierte Infektionen (z. B. Endokarditis, isolierte Arthritis), (3) akute Infektionen und (4) asymptomatische Träger.

Der Morbus Whipple ist eine infektiöse Multisystemerkrankung, die durch das Bakterium T. whipplei verursacht wird [4]. Histologisch ist der Morbus Whipple klassischerweise durch PAS-positive Einschlüsse in Makrophagen der duodenalen Lamina propriaFootnote 2 gekennzeichnet [2]. Erstmals beschrieben wurde die Erkrankung im Jahr 1907 von dem US-amerikanischen Pathologen und NobelpreisträgerFootnote 3 George Hoyt Whipple [5]. Interessanterweise gelang die Identifikation des Erregers erst 1992 [4], ca. 85 Jahre nach der Erstbeschreibung, die Kultivierung erfolgte wiederum erst im Jahr 2000 [6].

Leitbefunde des Morbus Whipple sind Arthritiden, Diarrhoen und Gewichtsverlust [2, 3]. Zu Krankheitsbeginn stehen vor allem Gelenkmanifestationen (Prodromalstadium) im Vordergrund, bevor gastrointestinale Symptome typischerweise erst Jahre (6–7 Jahre) später auftreten [1, 7]. Im weiteren Verlauf kann eine chronische Malabsorption zur Kachexie führen. Die Gelenke zeigen eine Oligo- oder Polyarthritis mit migratorischem Befall und episodenhaftem Charakter (akuter Beginn, etwa 1 Woche anhaltend) [7, 8]. Vorwiegend sind große Gelenke (v. a. Knie- und Handgelenke) betroffen, während ein Befall kleiner Gelenke (insbesondere ZehengelenkeFootnote 4) eher für eine primär rheumatologische Grunderkrankung spricht [7, 8]. In der Regel verlaufen die Arthritiden nicht erosiv, obwohl auch derartige Fälle beschrieben sind [7, 9]. Darüber hinaus sind auch axiale Befallsmuster im Sinne einer SpA, Sakroiliitis oder Spondylodiszitis berichtet worden [2, 7, 10, 11]. Zusätzlich können weitere unspezifische Symptome wie Bauchschmerzen, Fieber, Lymphadenopathie und Anämie (chronische Entzündung, Malabsorption) bestehen [3]. Auch die Entwicklung einer Splenomegalie ist beschrieben [3]. Interessanterweise betrifft die Erkrankung meistens Männer im mittleren und höheren Lebensalter [2, 3]. Angesichts der Seltenheit des Morbus Whipple beträgt die mittlere Dauer bis zur Diagnosestellung etwa 7 Jahre [7]. Das gleichzeitige Auftreten von Diarrhoen oder Gewichtsverlust verkürzt das diagnostische Intervall in der Regel (siehe Fall 4) [3].

Eine wichtige Krankheitsmanifestation ist die Infektion des zentralen Nervensystems (ZNS) durch T. whipplei, die ein breites klinisches Spektrum aufweisen (z. B. kognitive Störungen, Kopfschmerzen, Depression) und in bis zu 50 % der Fälle nachgewiesen werden kann [3, 12]. Es bestehen häufig okkulte ZNS-Infektionen, weshalb bei Diagnosestellung eine Lumbalpunktion mit PCR-Untersuchung des Liquors empfohlen wird [2, 13]. Als pathognomonisch für eine ZNS-Infektion gelten okulomastikatorische Myorhythmien (okuläre Vergenzbewegungen mit gleichzeitiger Kontraktion der Kaumuskulatur) [12, 14].

Zusätzlich kann T. whipplei auch kardiale Strukturen befallen und gilt als häufigster Erreger einer isolierten Blutkultur-negativen (!) Endokarditis [3, 5]. Die Sicherung der Diagnose gelingt dann durch eine PCR und histopathologische Untersuchung der operierten Klappen mittels PAS-Reaktion und Immunhistochemie [15,16,17].

In Abgrenzung zur systemischen Verlaufsform des Morbus Whipple sind auch diverse lokalisierte Infektionen durch T. whipplei beschrieben (z. B. Enzephalitis, Uveitis) [2]. Anamnestische und klinische Hinweise einer gastrointestinalen Beteiligung fehlen in diesen Fällen und die histologische Untersuchung von Duodenalbiopsaten ist unauffällig. Die Diagnose basiert dann auf der Untersuchung anderer Gewebe oder steriler Flüssigkeiten, z. B. durch den molekularbiologischen Nachweis von T. whipplei mittels PCR (z. B. Gelenkpunktat) bzw. Histologie mit PAS-Reaktion (z. B. Lymphknoten) [3]. Aus rheumatologischer Sicht sind hauptsächlich isolierte Gelenkinfektionen (Arthritis) und Spondylodiszitiden bedeutsam [2]. Übergänge von lokalisierten Infektionen zur systemischen Verlaufsform (Morbus Whipple) mit gastrointestinaler Beteiligung sind beschrieben worden [15].

Chronische Infektionen durch T. whipplei mit Gelenkbefall werden häufig als primär entzündlich-rheumatische Systemerkrankung (z. B. RA oder PsA) fehlgedeutet und zunächst immunsuppressiv therapiert. Gerade der refraktäre und progrediente Verlauf „trotz“ Einsatz verschiedener Basismedikamente bei Patient:innen (insbesondere bei männlichem Geschlecht) mit „seronegativer RA“ ist jedoch verdächtig! Hier sollte die Differentialdiagnose einer Infektion mit T. whipplei auch bei fehlender gastrointestinaler Symptomatik nicht frühzeitig verworfen werden. Stattdessen sollte in diesen Fällen gezielt nach weiteren Krankheitsmanifestationen eines Morbus Whipple (z. B. ZNS-Beteiligung) gefahndet werden. Häufig führt das fehlende Therapieansprechen unter Annahme einer unzureichenden Immunsuppression jedoch zu einer Therapieintensivierung. Eine Verbesserung des klinischen Zustandes bleibt dennoch aus. Diesen Kreislauf gilt es zu durchbrechen, indem „red flags“ als Hinweis auf eine T.-whipplei-Infektion bei der klinischen Evaluation berücksichtigt werden (Tab. 2).

Tab. 2 „Red flags“ als Hinweis auf eine chronische T.-whipplei-Infektion [7, 8, 12, 13]

Diagnostik des Morbus Whipple und lokalisierter Infektionen

Die aktuell in Überarbeitung befindliche deutsche S2k-LeitlinieFootnote 5 „Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple“ aus 2015 empfiehlt als erste diagnostische Maßnahme bei Verdacht auf Morbus Whipple eine ÖGD mit histologischer Untersuchung von ≥ 5 Duodenalbiopsaten mittels PAS-Reaktion [13]. Zur Bestätigung kann eine PCR-Untersuchung der Duodenalbiopsate (auch aus differentialdiagnostischen GründenFootnote 6) ergänzt werden [13]. Es ist zu betonen, dass eine positive PCR-Untersuchung von Duodenalbiopsaten in Abwesenheit von typischen histologischen Veränderungen die Diagnose eines Morbus Whipple nicht beweist, sondern auch eine reine Kolonisation mit dem Erreger anzeigen kann [3, 13]. Auf der anderen Seite schließt eine normale Duodenalhistologie eine chronische T.-whipplei-Infektion nicht aus (wie die beschriebenen Fälle demonstrieren) [2, 11]. Bei anhaltendem Verdacht sollte bei „chronischer seronegativer Polyarthritis“ eine wiederholte diagnostische Gelenkpunktion betroffener Gelenke mit PCR-Untersuchung auf T. whipplei angestrebt werden [11, 13]. Bei Diagnosestellung wird zusätzlich eine Liquoruntersuchung mittels PCR zum Ausschluss einer okkulten ZNS-Infektion in allen Fällen empfohlen [3, 13]. Untersuchungen von Speichel und Stuhl mittels PCR werden in der Leitlinie aufgrund der möglichen apathogenen Kolonisation nicht empfohlen.

Tison et al. [11] verzichten im Gegensatz zur deutschen Leitlinie auf die ÖGD und schlagen bei entsprechendem Verdacht und Nachweis von Gelenkergüssen bereits eine initiale Gelenkpunktion mit PCR-Untersuchung („localized Whipple’s arthritis“) vor. Ergänzend empfehlen die Autor:innen als Screeningmethode auch die PCR aus Stuhl und Speichel und befürworten die ÖGD nur bei Hinweisen für systemische bzw. gastrointestinale Manifestationen (Abklärung „classic Whipple’s disease“).

Lagier und Raoult [2] fügen als weiteren diagnostischen Standard die PCR aus dem Urin hinzu. Als mögliche bildgebende Diagnostik wird die Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomographie(18F‑FDG-PET)-CT-Untersuchung zur Darstellung von duodenaler Beteiligung, mesenterialer Lymphadenopathie, Endokarditis und Hypometabolismus bei ZNS-Beteiligung vorgeschlagen.

Anhand der präsentierten Fälle wird ersichtlich, dass eine T.-whipplei-Infektion nicht nur einen oligoarthritischen Befall großer Gelenke, sondern eben auch eine symmetrische Polyarthritis kleiner Gelenke mit teils erosivem Verlauf verursachen kann. Unter Umständen erfüllen diese Patient:innen dann formal die ACR-/EULAR-Klassifikationskriterien für die RA.

Vor diesem Hintergrund kann aus Sicht der Autor:innen eine diagnostische Gelenkpunktion inklusive Whipple-PCR bei Oligoarthritis und Anti-CCP-negativer Polyarthritis mit fehlendem Ansprechen auf drei Basismedikamente (davon mindestens ein bDMARD oder tsDMARD) erwogen werden.

Therapie des Morbus Whipple und lokalisierter Infektionen

In der deutschen Leitlinie zur Therapie des Morbus Whipple wird initial eine intravenöse Therapie mit Ceftriaxon 2 g täglich über 14 Tage und anschließender oraler Therapie mit Cotrimoxazol 960 mg 2 × täglich für 1 Jahr empfohlen [13]. Eine gesonderte Empfehlung für die Therapie der isolierten Arthritis durch T. whipplei wird nicht beschrieben [13].

Lagier und RaoultFootnote 7 [2] empfehlen in ihrem Review aus 2018 hingegen eine orale Kombinationstherapie mit Doxycyclin 200 mg täglich und Hydroxychloroquin 600 mg täglich für 1 Jahr. Anschließend wird von den Autoren eine lebenslange Erhaltungstherapie mit Doxycyclin vorgeschlagen. Die lokalisierte Endokarditis und ZNS-Infektion (Enzephalitis) sollen aufgrund des Rezidivrisikos analog zum Morbus Whipple ebenfalls lebenslang therapiert werden. Für den Einsatz von Cotrimoxazol wird keine Indikation gesehen, da dem Trimethoprim das entsprechende molekulare Target bei T. whipplei fehle und eine Resistenzentwicklung in mehreren Fällen beschrieben wurde [2]. Im Falle einer lokalisierten Arthritis wird eine orale Kombinationstherapie mit Doxycyclin 200 mg täglich und Hydroxychloroquin 600 mg täglich für 12 bis 18 Monate empfohlen [2].

Klinisch ist unter der antiinfektiven Therapie kurzfristig (Stunden) auf Jarisch-Herxheimer-Reaktionen zu achten, wie wir es bei einem Patienten (Fall 4) beobachtet haben. Mittelfristig (Wochen) kann ein entzündliches Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS) mit lokalisierter (z. B. Arthritis) und systemischer Entzündungsreaktion (z. B. Fieber) auftreten [13]. Im Falle solcher Symptomatik sollte die Behandlung aufgrund des potenziell tödlichen Verlaufs in einem spezialisierten Zentrum erfolgen.

Die deutsche Leitlinie empfiehlt bei intestinalem Befall eine endoskopisch-bioptische Verlaufskontrolle nach 6 und 12 Monaten antibiotischer Therapie [13]. Die T.-whipplei-Arthritis soll klinisch und laborchemisch kontrolliert werden [13]. Bei initial positivem Liquorbefund sollte nach 12 Monaten eine Verlaufskontrolle durch eine erneute PCR-Untersuchung des Liquors erfolgen [13].

Beim Morbus Whipple empfehlen Lagier und Raoult hingegen zur Kontrolle (bei fehlenden klinischen Zeichen) die Untersuchung von Stuhl, Speichel und Urin zweimal pro Jahr [2, 18]. Für die isolierte Arthritis werden lediglich klinische „Verlaufskontrollen“ empfohlen, um einen möglichen Übergang in einen Morbus Whipple mit Indikation zur lebenslangen antibiotischen Therapie zu detektieren [2]. Möglicherweise kann eine immunsuppressive Therapie für den Übergang eine Rolle spielen [11]. Bei der Verlaufskontrolle von ZNS-Infektionen könnte auch die 18F‑FDG-PET-CT von Bedeutung sein [15].

Fazit für die Praxis

  • Therapierefraktäre Polyarthritiden können auf eine chronische Infektion mit T. whipplei hindeuten. Nach weiteren anamnestischen (z. B. Gewichtsverlust) und klinischen (z. B. Kachexie) Hinweisen auf einen Morbus Whipple sollte gesucht werden.

  • Insbesondere das fehlende Ansprechen auf verschiedene Immunsuppressiva bei Patient:innen mit „seronegativer rheumatoider Arthritis“ ist verdächtig.

  • Wir empfehlen eine diagnostische Gelenkpunktion mit PCR-Untersuchung des Gelenkpunktates auf T. whipplei bei therapierefraktärer Oligoarthritis oder Anti-CCP-negativer Polyarthritis (mindestens drei DMARDs, darunter ein bDMARD oder tsDMARD).