Hintergrund

Überblick COVID-19-Pandemie

In der ersten Welle der COVID-19-Pandemie wurden 152.984 Fälle in Deutschland erfasst, davon waren 18 % (n = 27.466) schwere Verläufe [24]. Allein der Anteil schwerer Verläufe, der zwischen dem 20 und 59. Lebensjahr stattfand, betrug 33 %. Intensivpflichtig waren von den schweren Verläufen insgesamt 14 % und auch davon 19,6 % (n = 6806) zwischen dem 19. und 59. Lebensjahr [24].

Insgesamt erfolgten 2020 rund 176.000 Hospitalisierungen mit oder wegen einer COVID-19-Infektion [12]. Im Durchschnitt war diese Patientengruppe 67 Jahre alt [12]. So waren zwar Menschen ab 60 Jahren häufiger mit oder wegen einer COVID-19-Infektion im Krankenhaus als Menschen unter 60 Jahren, jedoch betrug der Anteil von hospitalisierten COVID-19-infizierten Patienten allein im Jahr 2020 unter 60 Jahren insgesamt 30,9 % [12].

Im wöchentlichen Lagebericht des Robert Koch-Instituts (RKI) zur COVID-19-Erkrankung waren in den Meldewochen (MW) bis Anfang 2021 die über 80-Jährigen die Altersgruppe mit den meisten Hospitalisierungen, gefolgt von der Altersgruppe der 60- bis 79-Jährigen, und seit der MW 10/2021 sind v. a. die 35- bis 59-Jährigen betroffen [15].

Nach wie vor werden in den Altersgruppen ab 60 Jahren die meisten Hospitalisierungen verzeichnet, jedoch ist der Altersmedian der hospitalisierten Fälle Ende des Jahres 2021 (MW 51) mit 68 Jahren immer noch jung [16].

Stand 02.01.2022 befanden sich auch weiterhin 3804 COVID-19-Fälle in Deutschland in intensivmedizinischer Behandlung, und der Anteil der COVID-19-Belegung durch Erwachsene an allen betreibbaren Intensivbetten für Erwachsene lag bei 17,4 % [14].

Frühes Management nach schwerer COVID-19-Infektion

Die jungen Patienten überleben oft einen schweren oder kritischen COVID-19-Verlauf, jedoch häufig nicht ohne weitere schwere Folgen [10, 27].

Einhergehend mit einem schweren Verlauf sind u. a. Adipositas, chronische Herz- und Lungenkrankheiten und Erkrankungen des Immunsystems beispielsweise bei Immunsuppression [28]. Die ggf. vorhandenen Grunderkrankungen verschlechtern sich häufig, und eine Entlassung aus dem Krankenhaus in eine Anschlussrehabilitation oder nach Hause ist oft zunächst nicht möglich.

Aufgrund der komplexen Verläufe ist ein multiprofessionelles und interdisziplinäres Rehabilitationsteam notwendig [2]. Auch nach Entlassung von der Intensivtherapiestation (ITS) bestehen meist weiterhin zahlreiche Störungen der Funktionsfähigkeit [3, 23, 25]. Aufgrund der sehr langen Behandlungsdauer auf der Intensivstation mit zum Teil multiplen Komplikationen einer intensivmedizinischen Therapie mit Multiorganversagen (mit beispielsweise Bedarf an Dialyseverfahren), Superinfektionen, Folgen der Immobilität kann sich häufig bei überlebenden Patienten einer COVID-19-Erkrankung ein Post-Intensive-Care-Syndrom (PICS) entwickeln [24, 26]. Zusätzlich können die Folgen der Bauchlagerung neben den anhaltenden Symptomen der COVID-19-Infektion (Long-COVID und Post-COVID) Symptome verursachen, die eine intensive Rehabilitation noch während der akutstationären Behandlung indizieren [10, 11]. Entscheidend für die Versorgung schwerkranker Patienten nach intensivmedizinischem Verlauf ist die Notwendigkeit und Durchführung eines frühzeitigen Beginns der rehabilitativen Maßnahmen im Sinne einer Frührehabilitation [1, 10]. Diverse Studien konnten durch den Einsatz frühzeitiger, bereits auf der Intensivstation einsetzender rehabilitativer Maßnahmen ein Profitieren der Patienten belegen wie beispielsweise eine verkürzte Liegedauer, verbesserte funktionelle Outcomes sowie die Prophylaxe von Komplikationen [11, 26].

Patienten profitieren von bereits auf der Intensivstation einsetzenden rehabilitativen Maßnahmen

Nach stattgehabter COVID-19-Infektion wird zur Wiederherstellung des Gesundheitszustandes von der World Health Organization (WHO) in ihrem Clinical Management gefordert, bei allen hospitalisierten COVID-19-Patienten zu prüfen, ob ein anhaltender Rehabilitationsbedarf besteht [17]. Hierbei sollte stets auf die Implementierung der Internationalen Klassifikation von Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) in das rehabilitationsbezogene Denken und Handeln geachtet werden [29]. In der AWMF(Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.)-Leitlinie SARS-CoV‑2, COVID-19 und (Früh‑)Rehabilitation wird klar formuliert, dass rehabilitative Behandlungsansätze bereits auf der Intensivstation und ggf. fortführend auf einer fachübergreifenden Frührehabilitation im Akutkrankenhaus zum Einsatz kommen sollten [11]. Insbesondere bei Patienten nach schweren und kritischen Verläufen persistieren auch nach überstandener Akutphase Symptome, zu deren Behandlung rehabilitative Angebote zunächst als stationäre Rehabilitation initiiert werden müssen [8, 10, 11]. Auch bei COVID-19-Überlebenden nach mildem und mittelschwerem Verlauf zeigen sich Langzeitsymptome, die zu Einschränkungen von Aktivität und Teilhabe führen [22]. Lemhöfer et al. berichten in einer Querschnittstudie mit 1027 Patienten (365 vollständig beantwortete Fragebögen), dass auch 3 Monate nach Infektion 61,9 % der Teilnehmer und Teilnehmerinnen über anhaltende Symptome wie Müdigkeit, Schlafstörungen, Atemprobleme, Schmerzen, Ängste sowie Bewegungseinschränkungen berichteten [22]. Es erfolgte in dieser Querschnitterhebung auch die Erfassung von Rehabilitationsbedürfnissen und der Zufriedenheit von COVID-19-Erkrankten [20]; 28,5 % der Befragten gaben an, sich weitere Therapien gewünscht, diese aber v. a. durch Ablehnung oder fehlende Ansprechpartner nicht erhalten zu haben [20]. In einer deskriptiven Analyse von Lemhöfer et al. zur Arbeitsfähigkeit von Patienten nach COVID-19-Infektion waren 41,3 % der befragten Patienten aufgrund der Post-COVID-19-Erkrankung weiterhin arbeitsunfähig [21]. Notwendige therapeutische Maßnahmen stehen entweder in nicht genügender Anzahl zur Verfügung oder werden trotz entsprechender Indikation nicht ausreichend verordnet [21].

Rolle der Frührehabilitation nach schwerer COVID-19-Infektion

Frührehabilitation ist die frühestmögliche Rehabilitation noch während des Aufenthaltes im Akutkrankenhaus (nach § 39 SGB [Sozialgesetzbuch] V), bei der ein integrierter Schwerpunkt der Behandlung die multiprofessionelle Therapie ist [2].

In der Behandlungsphase, die direkt an die intensivmedizinische Behandlung anschließt, gilt es, eine intensive multiprofessionelle Frührehabilitation umzusetzen mit dem Ziel der Wiederherstellung oder Verbesserung der körperlichen und mentalen Funktionen, um eine Rehabilitationsfähigkeit im Sinne der weiterführenden Rehabilitation überhaupt erst zu erreichen [5]. Im Rahmen der Versorgung der COVID-19-Patienten hat sich u. a. als weiteres Ziel die Herstellung einer ausreichenden Mobilität für die Vorbereitungsuntersuchungen zur Lebertransplantation bei COVID-19-assoziierter sklerosierender Cholangitis gezeigt [5].

In Abgrenzung zur Anschlussrehabilitation (AR/AHB) sind Patienten in der Behandlungsphase der Frührehabilitation klinisch nicht stabil, bedürfen der Krankenhausbehandlung, in den hier vorzustellenden Fällen dabei der Maximalversorgung, und sind bei den Aktivitäten des täglichen Lebens – in Abstufungen – noch auf fremde Hilfe angewiesen [2]. Es besteht zudem auch ein höheres Risiko für Komplikationen im Verlauf, bzw. es bestehen bereits bei Übernahme Komplikationen, die häufig auch wiederholter, interventioneller Eingriffe bedürfen. So sind nicht nur die Anforderungen an die medizinische Betreuung höher, es muss auch die Möglichkeit der akutmedizinischen Versorgung (beispielsweise endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie [ERCP], Dialyse) dieser Komplikationen vorhanden sein. Zum anderen ist der Personalaufwand in der Pflege und Therapie deutlich größer [2, 5].

Die wichtigsten und übergeordneten Ziele der Frührehabilitation im Akutkrankenhaus nach COVID-19-Erkrankung sind:

  • Wiederherstellung der basalen körperlichen und mentalen Funktionen der Patienten einschließlich der funktionellen Fähigkeiten zur Ausübung von Aktivitäten des täglichen Lebens [2],

  • die Vermeidung oder Reduzierung von Pflegebedürftigkeit und bleibender Beeinträchtigungen von Aktivität und Teilhabe bzw. drohender Behinderung [2],

  • Verbesserung der Funktionsfähigkeit mit dem Ziel einer ggf. indizierten weiterführenden Therapie (Organtransplantation, Chemotherapie),

  • Erreichen der Rehabilitationsfähigkeit für weiterführende Rehabilitationsformen (z. B. Anschlussheilbehandlung, Anschlussrehabilitation) [2],

  • eine nahtlose Behandlungskette zu ermöglichen zur Planung einer weiterführenden Rehabilitation, Anbindung an fachärztliche Sprechstunden (bei entsprechenden Komplikationen) sowie Einleitung von Nachuntersuchungen bezüglich Langzeitfolgen [11],

  • Aufklärung der Patienten über ggf. anhaltende Symptome (Long-COVID, Post-COVID-Syndrom, PICS),

  • Detektion von Komplikationen (beispielsweise „exertional desaturation“, Proningfolgen) und insbesondere die Fortführung der begonnenen Diagnostik und Behandlungsmaßnahmen einschließlich erforderlicher akutmedizinischer Leistungen [6],

  • Verkürzung der Krankenhausverweildauer zur Vergrößerung der Krankenhauskapazitäten sowie Sicherung des Abstroms von den Intensivstationen zur Verbesserung lokaler ITS-Kapazitäten.

Der Begriff der fachübergreifenden Frührehabilitation hat sich inzwischen durchgesetzt. Betrachtet man, insbesondere unter dem Eindruck der COVID-19-Situation, die rehabilitativen Aufgaben im Krankenhaus der Maximalversorgung, liegt der Begriff der Akutrehabilitation nahe.

Die Akutrehabilitation bzw. fachübergreifende Frührehabilitation kann durch ihre multiprofessionelle Aufstellung, durch die Bündelung der Kompetenzen individuell auf die multiplen Schädigungen nach schwerer COVID-19-Infektion und Intensivbehandlung eingehen.

Besonderheiten während der frührehabilitativen Behandlungsphase

Abfall der Sauerstoffsättigung unter Belastung („exertional desaturation“)

Die „stille Hypoxie“ beschreibt den paradoxen Zustand einer Hypoxie ohne subjektiv empfundene Dyspnoe [4]. Klinisch auffällig ist hierbei die Diskrepanz zwischen dem gemessenen Bedarf an Sauerstoffsubstitution und subjektiv fehlender Dyspnoe. Der Grund für die verminderte Wahrnehmung des Sauerstoffmangels und die ausbleibenden physiologischen Reaktionen wie die Zunahme von Herzfrequenz und Atemfrequenz ist weiterhin nicht vollständig geklärt [4]. Eine stille Hypoxie tritt nicht ausschließlich, aber gehäuft bei COVID-19-Patienten auf [19].

In der frühen Nachbehandlung von Patienten nach COVID-19-Pneumonie sowohl nach invasiver als auch nach nichtinvasiver Beatmung wird oft ein Abfall der Sauerstoffsättigung bei Belastung („exertional desaturation“) beobachtet [6].

In einer Studie von Fuglejberg et al. wurde vor Entlassung an 26 Patienten ein 6‑min-Gehtest (6-MWT) durchgeführt, hier entwickelte fast die Hälfte dieser Patienten zum Zeitpunkt der Entlassung eine belastungsinduzierte Hypoxie ohne begleitende subjektive Dyspnoe [7]. In einer Fallserie von Elmer et al. werden typische Verläufe einer „stillen Hypoxie“ bei 6 Patienten in der frühen Rekonvaleszenzphase nach COVID-19-Infektion beschrieben [6]. In den Handlungsanweisungen für die therapeutische Praxis ist formuliert, dass ein Abfall der Sauerstoffsättigung in Ruhe sowie bei Belastung („exertional desaturation“) auftreten kann. Es gilt das strukturierte Einsetzen von geeigneten Assessments zur Detektion einer Entsättigung bei Belastung „exertional desaturation“ (z. B. 1-min-Sit-to-Stand-Test oder 6‑MWT mit SpO2[periphere kapillare Sauerstoffsättigung]-Messung) und die Anpassung der therapeutischen Maßnahmen nach Bedarf [6].

Proningfolgen

Patienten mit schwerem Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion erleiden häufig ein akutes Lungenversagen (ARDS), das die Notwendigkeit einer Intubation und mechanischen Beatmung bedingt [11]. Die Bauchlage ist ein etabliertes Therapieprinzip zur Verbesserung der Oxygenierung. Die positiven Effekte der Bauchlage bei invasiver Beatmung erklären sich in erster Linie durch eine verbesserte Belüftung dorsobasaler Lungenanteile [5]. Auch die Durchblutung der Lungen und die Zwerchfellarbeit sollen in Bauchlage effektiver sein sowie das Abfließen der Atemwegssekrete [5, 13]. Einmal in der Bauchlage, bleibt diese bis zu 10–12 h. Währenddessen werden regelmäßig sog. Mikrolagerungen an Rumpf, Extremitäten und Kopf durchgeführt. Die Position des Gesichts stellt eine Herausforderung dar, einerseits anatomisch, andererseits ist eine Druckprophylaxe erschwert. Trotz regelmäßiger Lagerung und Handlungsanweisungen fällt in der klinischen Praxis gehäuft Dekubitus am vorderen Körper mit Prädilektion von Knochenvorsprüngen auf, die auf die Bauchlagerung zurückzuführen sind und in der ersten Behandlungsphase eines geeigneten Wundmanagements und der Ödemreduktion bedürfen [13]. Auch Nervenlähmungen, die entsprechender Hilfsmittelversorgung für eine Verbesserung der Mobilität bedürfen, sind Herausforderungen in der frührehabilitativen Phase.

Methodik

Dieser Beitrag stellt eine Fallserie typischer Verläufe bei 4 Patienten in der frühen Rekonvaleszenz nach schweren COVID-19-Verläufen dar. Alle Patienten zeigen eine Konstellation mit Vorerkrankung durch Immunsuppression plus kritischem COVID-19-Verlauf sowie Indikation für eine Akutrehabilitation. Alle dargestellten Patienten erlitten ein COVID-ARDS mit der Notwendigkeit maschineller Beatmung. Nach intensivstationärer Behandlung erfolgten die Verlegung auf die Akutrehabilitation/fachübergreifende Frührehabilitation (universitäre Abteilung für physikalische Medizin) und die Indikation zur weiteren Behandlung im akutstationären Setting. Zudem zeigt die Fallserie typische Charakteristika der COVID-19-Akutrehabilitation, beispielsweise „exertional desaturation“ und Folgen der Bauchlagerung, aber auch die notwendigen engen Absprachen mit spezialisierten Fachrichtungen zur Beurteilung ggf. einer weiterführenden Therapie.

Ergebnisse

Bei Übernahme auf die fachübergreifende Frührehabilitation betrug die mittels Charité Mobilitäts-Index (CHARMI) quantifizierte Mobilität der dargestellten Patienten durchschnittlich 3,75 Punkte und bei Entlassung im Durchschnitt 8,5 (CHARMI: ein ordinalskaliertes Assessment der selbstständigen Mobilität von 0 = vollständig immobil bis 10 = vollständig mobil [18]).

Bei Übernahme betrug der Barthel-Index (BI) im Durchschnitt 46,25, bei Entlassung 90 Punkte.

Der therapeutische Umfang wurde anhand der Therapieeinheiten in der Physio‑, Sport- und Ergotherapie ermittelt. Dabei beinhaltete eine indikationsspezifische Therapieeinheit 30 min. Durchschnittlich betrug der Therapieumfang 20,5 Therapieeinheiten pro Woche pro Patient. Das Gesamttherapievolumen (GTV) ist in der fachübergreifenden Frührehabilitation wegen der strukturellen Mindestmerkmale von der Verweildauer abhängig. Individueller steuerbar sind die Zusammensetzung und die Intensität/Dosierung der Therapien.

Die überwiegend angewendeten Therapieformen waren bei den immobilen Patienten Atemtherapie inklusive reflektorischer Atemtherapie, Inhalationstherapie und Atemtraining mit Anleitung zur täglichen Selbstübung. Zudem wurden isometrisches Training, bettseitiges Muskeltraining, Funktionstraining zur Anbahnung von Transfers und ein basales ADL(Activities of Daily Living)-Training durchgeführt. In der Mobilisierungsphase fanden v. a. neben der Atemtherapie die Therapieformen Transfertraining, Gangschule (mit Hilfsmittel) und Gerätetraining (auch bettseitig) unter ständigem SpO2-Monitoring statt. Patientenindividuell und verlaufsindividuell erfolgte eine Intensivierung der Ergotherapie und Physiotherapie (beispielsweise Kontrakturprophylaxe und Elektrotherapie bei Fußheberschwäche). Logopädie erfolgte bei Bedarf, zudem eine patientenindividuell indizierte psychosomatische Mitbetreuung. Die aktivierend therapeutische Pflege erfolgte im Einklang mit dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS 8–559 fachübergreifende Frührehabilitation) durch besonders geschultes Pflegepersonal (s. Tab. 1).

Tab. 1 Stationäre Verläufe von 4 Patienten nach schwerer COVID-19-Infektion

Beispielhaft wird im Folgenden der Verlauf bei Patient 2 ausführlich beschrieben.

Ein 58-jähriger Patient wurde bei COVID-19-ARDS für 41 Tage intensivstationär behandelt. Relevante Nebendiagnosen waren: Zustand nach allogener Nierentransplantation, hochgradige Aortenklappenstenose, arterielle Hypertonie. Übernahme auf die Frührehabilitation an Tag 42 nach insgesamt 536 h invasiver Beatmung. Bei Übernahme bestand in Ruhe kein Sauerstoffbedarf mehr, und während der therapeutischen Maßnahmen fiel im Monitoring keine belastungsinduzierte Entsättigung auf. Bei Übernahme wies der Patient Gesichtsulzera auf sowie eine Wundheilungsstörung an der Leiste nach ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) mit Indikation zum täglichen differenzierten Wundmanagement.

Bei Übernahme war der Patient mit einem Barthel-Index von 40 in sämtlichen Bereichen des täglichen Lebens auf Unterstützung angewiesen, war kontinent und in der Lage, vorbereitete und mundgerechte Nahrung zu essen sowie das Ankleiden innerhalb der aktivierenden Pflege partiell zu übernehmen. Ein Charité-Mobilitäts-Index (CHARMI) von 3 Punkten bei Übernahme differenziert hinsichtlich der Mobilität, dass lediglich Positionierungen im Bett und der Transfer an die Bettkante selbstständig möglich waren. Der Patient war im Zustand nach Nierentransplantation immunsupprimiert, und während des intensivstationären Verlaufes erfolgte bei Komplikationen eine Umstellung der Medikation. Bei Übernahme auf die Akutrehabilitation war eine enge Absprache mit der Transplantationsmedizin für die Eindosierung/Einstellung der Immunsuppression notwendig.

Bei hochgradig symptomatischer Aortenstenose war hier die Zielsetzung die Wiederherstellung der Funktions- und Operationsfähigkeit zur umgehenden Intervention.

Diskussion

Fälle mit schweren Vorerkrankungen (s. Tab. 1), bei denen zusätzlich eine kritische COVID-19-Erkrankung aufgetreten ist, sind komplex und auch nach Intensivstation häufig nur auf einer Akutrehabilitation in einem Haus der Maximalversorgung anzubinden [9, 10]. Hier sind differenzierte Abwägungen bezüglich der Erkrankung auf der einen Seite und der COVID-19-Behandlung auf der anderen Seite zu treffen. Es gilt eine enge Zusammenarbeit mit den Kollegen unterschiedlicher Fachrichtungen zur Wideraufnahme bzw. Weiterführung einer Therapie und klinischen sowie laborchemischen Kontrolle bis zur Stabilisierung [19]. Es gilt v. a. die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit, um ggf. weiterführende Therapien überhaupt einleiten zu können.

Die Patienten nach schwerer COVID-19-Infektion können in der frühen rehabilitativen Phase einen relevanten Abfall der Sauerstoffsättigung (ähnlich einer „stillen Hypoxie“) entwickeln, sodass während der gesamten therapeutischen Maßnahmen regelmäßig Sauerstoffsättigung, Atemfrequenz und Herzfrequenz gemessen werden müssen (ggf. in O2-Supplementationsbereitschaft während der Physiotherapie) [6]. Wie anhand der dargestellten Beispiele ersichtlich (s. Tab. 1), kann bei Patienten in der frühen Rekonvaleszenzphase ein Abfall der Sauerstoffsättigung ohne subjektiven Symptomdruck und ohne typische physiologische Reaktion auftreten. Es gilt, hierfür nicht allein die Patienten, sondern auch die Mitarbeiter aller beteiligten Professionen zu sensibilisieren [6].

Patienten nach schwerem COVID-19-Verlauf mit Langzeitintensivbehandlung zeigen Symptomkomplexe aus direkten Organschäden, Funktionseinschränkungen durch Dekonditionierung und intensivmedizinische Therapiemaßnahmen (PICS), Proningfolgen und anhaltende COVID-19-Folgen (Post-COVID-Syndrom), die einer multiprofessionellen Therapie bedürfen [10]. Anhaltende Symptome oder Organschäden bedürfen häufig spezifischer medizinischer Maßnahmen (wie Dialyse, ERCP, Herzkatheter), die nur im Krankenhaus gewährleistet werden können, selten in rehabilitativen Fachkliniken [11]. Die Akutrehabilitation ist daher zumindest in maximalversorgenden Krankenhäusern notwendig.

Das multidisziplinäre Team ist innerhalb der Frührehabilitation eine Selbstverständlichkeit

Die dargestellten Patienten zeigen auch die häufigen Proningfolgen mit Bedarf an Wundmanagement, fachärztlicher Mitbetreuung (Beispiel: ophthalmologische Mitbehandlung bei Ulcus corneae) sowie spezieller Hilfsmittelversorgung bei peripheren Nervenläsionen und Kontrakturen. Diese relevanten Folgen beeinträchtigen die Mobilität sowie die Alltagsaktivitäten, sodass sie einen großen Stellenwert im frühen Management physikalischer Therapien und der Rehabilitation einnehmen. Das multidisziplinäre Team ist innerhalb der Frührehabilitation eine Selbstverständlichkeit.

Hier jedoch – wie unter dem oft zitiertem Brennglas – wird die Bedeutung dieser Teamnotwendigkeit aufgezeigt. Das hohe Maß an notwendiger Sozialarbeit, insbesondere im Zusammenhang mit dem Entlassmanagement ist dabei nur ein Aspekt.

Fazit für die Praxis

  • Patienten nach schwerem COVID-19-Verlauf zeigen Symptomkomplexe aus Post-Intensive-Care-Syndrom (PICS), Proningfolgen und anhaltenden COVID-19-Folgen, die einer multiprofessionellen Rehabilitation bedürfen.

  • Rehabilitation sollte so früh wie möglich, am besten bereits im Akutkrankenhaus beginnen.

  • Die neuen Herausforderungen nach schwerer COVID-19-Infektion machen rehabilitative Behandlungsansätze im Akutkrankenhaus dringend erforderlich.