Glukokortikoide (GC) gehören zu den Medikamenten, mit deren Umgang viele ärztliche Fachdisziplinen vertraut sind. Sie sind nicht selten die ersten Medikamente, die bei einer entzündlichen Gelenkerkrankung verschrieben werden – häufig schon vom Hausarzt. Die enorme Vielfältigkeit und Potenz ihrer biologischen Effekte kann sowohl segensreich als auch hochgefährlich für die behandelten Patienten sein. Daher schwankte die Haltung von Ärzten und Patienten zu den GC lange zwischen Ablehnung und positiver Akzeptanz. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sehr niedrige Dosierungen unter 5 mg Prednisolon vertretbar sicher und effektiv sind [15], sodass dieser Dosisbereich sowohl für Skeptiker als auch Befürworter einer GC-Therapie akzeptabel ist [14].

Die Wirkungen von GC sind genetisch fixiert. Zahlreiche Gene weisen Promotorsequenzen auf, die für eine Hemmung oder Steigerung der Genexpression durch Steroide verantwortlich sind (sog. „steroid response elements“) [31]. Daher lassen sich in der konventionellen GC-Therapie erwünschter Effekt und Nebenwirkung schwer voneinander trennen, da sie oft 2 Seiten eines identischen Wirkmechanismus darstellen (Tab. 1).

Tab. 1 Wirkungen und Nebenwirkungen von Glukokortikoiden

Glukokortikoid-induzierte Toxizität: unterschiedliche Perspektive von Ärzten und Patienten

In einer Konsensuskonferenz der EULAR (European League Against Rheumatism) wurden von ärztlicher Seite Osteoporose, Diabetes/Hyperglykämie, kardiovaskuläre Ereignisse und Infektion zu den 4 relevantesten Problemen der GC-Therapie gezählt [15]. Interessant ist, dass der Blick des Patienten andere Schwerpunkte setzt: Die als besorgniserregend empfundenen Nebenwirkungen von GC werden zwischen Rheumatologen und Patienten z. T. unterschiedlich gewichtet. Zwar stimmten beide Gruppen in der kritischen Bewertung von Osteoporose, Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen überein. Rheumatologen bewerteten jedoch Hypertonie, Infektionen und Arteriosklerose stärker als besorgniserregend, während der Blick von Patienten intensiver auf subjektive Faktoren gerichtet war: Fatigue, cushingoide Fazies, Schlaflosigkeit, Palpitationen [73]. Dies deckt sich mit Ergebnissen einer postalischen Umfrage, an der über 2400 Patienten teilnahmen, die unter einer GC-Medikation standen: Gewichtszunahme, Schlafstörungen und emotionale Instabilität wurden als wesentlich stärker beeinträchtigend empfunden als erhöhte Blutzucker- und Blutdruckwerte [22], dabei war eine klare Dosisabhängigkeit erkennbar. Dessen ungeachtet war in der Vorbiologikaära die Compliance der Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) zu GC deutlich höher als zu NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) und Basistherapeutika [77].

Einflussfaktoren auf die steroidinduzierten Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen einer Steroidtherapie hängen von mehreren Faktoren ab. Dazu gehören:

  1. 1.

    Das eingesetzte Präparat: GC können durch Substitutionen (z. B. durch Halogenierung, Methylierung) eine längere Halbwertszeit, eine verminderte Mineralokortikoidwirkung und bessere Lipid- oder Wasserlöslichkeit entwickeln. In der Praxis werden einzelne Präparate anhand von Äquivalenzdosen miteinander verglichen, die die Potenz eines GC in Relation zu Kortisol setzen [5]. Allerdings sind diese Äquivalenzdosen in vitro ermittelt worden. Unterschiede in der Stärke der Rezeptorbindung und der biologischen Halbwertszeit können in der Praxis dazu führen, dass einzelne GC-Präparate eine höhere Nebenwirkungsrate – z. B. in Bezug auf die Hautatrophie – aufweisen, als nach der Äquivalenzdosis zu vermuten wäre [69]. Für rheumatologische Patienten sollte in der mittel- und langfristigen systemischen Therapie ausschließlich Prednis(ol)on verwendet werden.

  2. 2.

    Die Applikationsart: Lokal angewendete Steroide können eigene unerwünschte Effekte verursachen. Dermatologisch verwendete topische Präparate können zu örtlicher Hautatrophie, inhalativ verabreichte zu Schleimhautmykosen führen. Für Rheumatologen relevant sind intraartikuläre Steroidapplikationen, die eine wichtige Ergänzung zur systemischen GC-und zur DMARD(„disease-modifying anti-rheumatic drug“)-Therapie darstellen [29]. Hier sind lokale Infektionen ein gefürchtetes Problem. Auch wenn die Häufigkeit dieser Ereignisse bei etwa 1:46.000 liegt (Übersicht in [33]), beschäftigen Klagen über Infektionen bei lokalen Steroidinjektionen immer wieder Gutachter und Gerichte [38], oft begünstigt durch mangelnde Asepsis, zu häufig aufeinanderfolgende Injektionen oder übersehene Infektzeichen [38]. Deutlich seltener, aber dennoch relevant sind nichtinfektiöse Komplikationen wie Haut- und Weichteilatrophie und Depigmentierung [38]. Darüber hinaus können topisch applizierte Steroide in Abhängigkeit von der eingesetzten Dosis durchaus systemische Effekte haben [32, 80].

  3. 3.

    Die applizierte Dosis: Der Begriff der „Cushing-Schwelle“, die früher für Prednisolon bei zunächst 10 mg, später 7,5 mg täglicher Einnahme angesetzt wurde, sollte nach Auffassung des Autors nicht mehr verwendet werden. Der Begriff suggeriert, dass Dosierungen unterhalb dieser „Schwelle“ sicher seien. Dabei wird außer Acht gelassen, dass sich Charakteristika eines Cushing-Syndroms wie Osteoporose, Hypertonie und Diabetes durchaus bei Dosierungen unter 10 oder 7,5 mg pro Tag entwickeln können, auch wenn es nicht zu äußerlich sichtbaren Zeichen dieser Erkrankung kommt. Zudem bestehen offenbar individuelle Unterschiede in der GC-Toleranz, sodass einige Patienten auch bei höheren Dosen kaum Zeichen eines Hyperkortisolismus entwickeln. Es gibt Hinweise darauf, dass die Häufigkeit einiger GC-induzierter Nebenwirkungen (NW) mit der Dosis linear steigt (z. B. cushingoide Fazies, Schlafstörungen, Hautatrophie), während andere unerwünschte Wirkungen (wie Glaukom oder Depression) an spezifische Schwellendosen gekoppelt sind [41]. Letzteres trifft wahrscheinlich auch für die Steroidpsychose zu, die häufiger bei einer GC-Dosis oberhalb von 40 mg Prednisolon-Äquivalent auftritt (2 % vs. 18 % verglichen zwischen Dosierungen unterhalb und oberhalb 40 mg/Tag) (Übersicht in [83]).

    Im Gegensatz zur oben genannten „Cushing-Schwelle“ hat sich die Verwendung des Begriffs „Low dose-Prednisolon-Therapie“ bewährt, die sich auf Dosierungen von maximal 5 mg – meist darunter – bezieht. Ältere, retrospektive Studien hatten Probleme damit, den eigenständigen Beitrag der GC vom Einfluss der Grunderkrankung abzutrennen („confounding by indication“): War die höhere Rate an unerwünschten Ereignissen GC-bedingt oder erforderten kränkere Patienten einfach höhere GC-Dosen? Mittlerweile existieren jedoch mehrere größere Kohortenanalysen, die den Einfluss der Grunderkrankung durch stratifizierende Modelle ausschalten konnten [59, 66]. Diese Studien haben gezeigt, dass Prednisolon-Dosen unter 5 mg pro Tag ein akzeptables Risikoprofil aufweisen (s. unten). Auch eine prospektiv randomisierte Studie stützt diese Annahme: In der SEMIRA-Studie wurden 2 RA-Kollektive miteinander verglichen, die maximal 5 mg Prednisolon erhielten. Das stufenweise Ausschleichen dieser Steroide führte nicht zu einer geringeren Rate an unerwünschten Wirkungen – ein indirekter, aber relevanter Hinweis auf die gute Tolerabilität derartiger Dosierungen [11].

  4. 4.

    Der Einfluss von Kofaktoren: Bei der Einschätzung einer möglichen GC-Toxizität müssen Kofaktoren berücksichtigt werden, die eine GC-Toxizität begünstigen [66]. Dazu gehören Alter, Geschlecht, vorbestehende arterielle Hypertonie, aber auch metabolisches Syndrom, Fettstoffwechselstörungen und die übrige Medikation [72]. Diese Kofaktoren können v. a. im Dosisbereich zwischen 5 und 10 mg Prednisolon maßgeblich zu unerwünschten GC-Effekten beitragen [72]. Auch die Inzidenz und die Schwere der GC-induzierten Osteoporose werden stark von Faktoren außerhalb der GC-Behandlung beeinflusst (s. unten).

Glukokortikoide und Diabetes

Der Terminus „steroidinduzierter Diabetes“ suggeriert eine enge Assoziation zwischen GC-Applikation und Diabetesrisiko. In der Tat erhöhen GC den Blutzuckerspiegel im Tagesverlauf [12] und können in hoher Dosierung zu einer diabetischen Stoffwechsellage führen [50]. Allerdings ist dafür der bereits erwähnte Einfluss von Kofaktoren maßgeblich: Adipositas und höheres Lebensalter begünstigen eine diabetische Stoffwechsellage, eine gesunde, ballaststoffreiche Diät und die Komedikation mit Hydroxychlorochin senken die Wahrscheinlichkeit eines GC-assoziierten Diabetes [7, 19, 20, 72].

Der antiphlogistische Effekt der GC wirkt ihrer diabetogenen Potenz entgegen, denn auch eine chronische Entzündung verschlechtert die Glukosetoleranz. Kurzfristig höhere Dosierungen von 30 oder 60 mg Prednisolon pro Tag führen daher bei aktiver RA im Mittel nicht zu einer Beeinträchtigung der Glukosetoleranz oder zu einer Insulinresistenz [24]. Störungen der Glukosetoleranz bildeten sich nach Absetzen der GC häufig zurück [24]. Auch die Low-dose-GC-Therapie war bei einem Vergleich zwischen RA-Kollektiven mit und ohne GC sowie einer Kontrollgruppe nicht eindeutig mit der Diabetesentstehung assoziiert: RA-Patienten mit Typ-II-Diabetes hatten zwar höhere kumulative GC-Dosen erhalten als Patienten ohne Diabetes, der Unterschied verschwand jedoch, wenn nach der Krankheitsaktivität stratifiziert wurde [37]. Bei RA-Patienten mit manifestem oder latentem Diabetes mellitus ist daher die Gabe von Low-dose-GC gerechtfertigt, wenn sie zur Kontrolle der Entzündungsaktivität notwendig ist.

Auswirkungen der Glukokortikoidtherapie auf das Muskel- und Skelettsystem

Eine GC-Therapie kann die Gefahr osteoporotischer Frakturen deutlich steigern. Das Risiko einer Osteoporose wächst bei hoher Tages- und kumulativer GC-Dosis (Übersicht in [10]). Auch Steroidpulstherapien oder eine inhalative Langzeittherapie mit Fluticason tragen zum Osteoporoserisiko bei, wenn auch in geringerem Maße als eine systemische Dauertherapie (Übersicht in [10]). Bei höheren GC-Dosen kann es zu einem raschen, z. T. dramatischen Verlust an Knochensubstanz kommen, der in den ersten 6 bis 12 Monaten der Therapie bis zu 20 % der Ausgangsmasse erreichen kann [6]. Diskutiert wird, ob auch niedrige Prednisolon-Gaben in der Dauertherapie das Frakturrisiko erhöhen. Ältere Studien berichteten, dass schon 2,5 mg pro Tag zu einer messbar erhöhen Rate an Wirbelfrakturen führen, im Dosisbereich zwischen 5 und 7,5 mg nahm auch die Gefahr von Schenkelhalsfrakturen deutlich zu [76]. Allerdings konnte eine Metaanalyse von 7 Studien gerade in der Frühphase einer RA keine Unterschiede in der Knochendichte zwischen Patienten mit und ohne GC-Therapie feststellen [8]. Bei einer Metaanalyse von 13 Studien an chinesischen Patienten mit SLE (systemischer Lupus Erathematodes) war das Vorhandensein einer Osteoporose v. a. mit der kumulativen GC-Dosis und der Dauer der Behandlung verknüpft und nicht mit der Tagesdosis [35]. Interessanterweise scheinen sowohl TNF(Tumornekrosefaktor)-Inhibitoren als auch eine GC-Therapie die gelenknahe Osteoporose bei entzündlichen Gelenkerkrankungen abzuschwächen, wie eine Metaanalyse von 11 Studien zur RA und 2 Studien zur ankylosierenden Spondylitis (AS) zeigt [70]. Allerdings verminderten GC die Knochendichte an der Lendenwirbelsäule (LWS), nicht jedoch die des proximalen Femurs [70]. Die Bezeichnung „GC-induzierte Osteoporose“ kann im konkreten Fall irreführend sein, da v. a. bei älteren Patienten die Osteoporose auch mit anderen Medikamenten assoziiert sein kann wie Serotoninwiederaufnahmehemmern und Opiaten [60]. Selbst Methotrexat kann offenbar in Einzelfällen die Knochendichte vermindern [56].

Das Risiko einer Osteoporose wächst bei hoher Tages- und kumulativer GC-Dosis

Eine schlecht kontrollierte Entzündungsaktivität bei RA stellt bekanntermaßen einen eigenständigen Risikofaktor für eine Osteoporose dar, sodass GC durch Entzündungshemmung und Mobilisation auch osteoprotektive Effekte haben können [64]. Daher haben Studien, die den Zusammenhang zwischen GC-Einnahme und Osteoporose untersuchten, bei Stratifizierung nach der Krankheitsaktivität keine eindeutige Korrelation zwischen Low-dose-Prednisolon-Therapie und Osteoporoseentwicklung nachgewiesen (Übersicht in [27]).

Zu den osteoporotischen Frakturen tragen neben der verminderten Knochendichte weitere GC-vermittelte Mechanismen bei. Dazu gehört das erhöhte Sturzrisiko, das Folge einer GC-induzierten Myopathie sein kann. Die Steroidmyopathie ist bei Dosierungen über 10 mg Prednisolon und bei Verwendung fluorierter GC-Präparate besonders ausgeprägt [62]. Darüber hinaus fördern GC eine Sarkopenie durch Eiweißkatabolie und Hypogonadismus [10].

Dass osteoporotische Frakturen erheblich zur Komorbidität beitragen, liegt auf der Hand. Darüber hinaus erhöhen einige Begleiterkrankungen wie die Niereninsuffizienz und chronisch entzündliche Darmerkrankungen das Risiko für GC-induzierte Knochennekrosen, die wiederum dosisabhängig sind und v. a. bei Hochdosisbolustherapie gehäuft auftreten können [79].

Infektionen unter Glukokortikoiden

Die infektbegünstigenden Effekte der GC sind von ihren erwünschten immunsuppressiven Eigenschaften nicht zu trennen. Ihre Hemmung von Lymphozytenproliferation und- aktivierung, die antieosinophile Wirkung und die starke Unterdrückung der Produktion inflammatorischer Zytokine führen zwangsläufig zu einer vermehrten Infektneigung. Diese übertrifft bei Dosierungen über 10 mg/Tag die Auswirkungen der üblichen Basistherapeutika und Biologika auf das Infektionsrisiko [82]. Allerdings erhöhen auch niedrige GC-Dosen dieses Risiko, sogar, wenn sie deutlich vor dem eigentlichen Infektereignis gegeben worden sind [26]. Wichtig ist hier die kumulative Dosis: Eine Prednisolon-Therapie von 5 mg pro Tag erhöhte das Risiko schwerer Infektionen um 30, 46 oder 100 %, wenn das GC kontinuierlich über 3, 6 oder 36 Monate gegeben worden war [26]. Allerdings prädisponiert auch eine aktive RA per se für mikrobielle Erkrankungen [3]. In der Diskussion um das Tuberkuloserisiko unter TNF-Inhibitoren muss berücksichtigt werden, dass auch GC die Inzidenz dieser Erkrankung erhöhen [42]. Es ist zudem bekannt, dass Kortikosteroide das Risiko einer Herpes-zoster-Reaktivierung durch Januskinaseinhibitoren steigern [47, 49].

Situationen mit besonderer Infektionsgefahr stellen operative Eingriffe dar. GC tragen in erheblichem Maße zur Rate perioperativer Infektionen und zur perioperativen Mortalität bei [54, 57]. Daher sollten RA-Patienten vor einer elektiven Operation die niedrigstmögliche Prednisolon-Dosis erhalten.

GC tragen erheblich zur Rate perioperativer Infektionen und zur perioperativen Mortalität bei

Allerdings können GC bei einigen Infektionskrankheiten positive Wirkungen ausüben, da sie überschießende inflammatorische Reaktionen auf Erreger oder deren Bestandteile dämpfen. Dexamethason findet Anwendung bei schwerer pulmonaler Beteiligung einer COVID-19-Erkrankung [34]. Ein weiteres Beispiel ist die Jarisch-Herxheimer-Reaktion. Dieses durch Blutdruckabfall, hohes Fieber und Exantheme gekennzeichnete Phänomen wird z. B. bei Spirochäteninfektion wie der Lyme-Borreliose durch massiven Erregerzerfall bei Antibiotikatherapie ausgelöst [13]. Auch wenn die Evidenz dafür sehr schwach ist, werden GC zur Beherrschung dieser Situation eingesetzt [13], ebenso bei hyperinflammatorischen Komplikationen des Immunrekonstitutionssyndroms von HIV(„human immunodeficiency virus“)-Patienten [46].

Auswirkungen der Glukokortikoidtherapie auf das kardiovaskuläre Risiko

GC können in Bezug auf das Gefäßsystem schädigende und protektive Effekte ausüben [39]. Auf der Haben-Seite stehen die Entzündungshemmung, die Hemmung der Gefäßkalzifizierung und der mobilisierende Effekt auf den Patienten [53]. Dafür schlagen eine mögliche Begünstigung einer Hyperglykämie und einer arteriellen Hypertonie [61] negativ zu Buche.

Niedrig dosierte GC erhöhen zwar das Gesamtcholesterin, verbessern jedoch in einigen Studien an RA-Patienten das Lipidprofil [9, 30]. Kohortenanalysen haben eine Assoziation zwischen der Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse mit der Einnahme mittlerer (maximal 7,5 mg/Tag) und hoher (über 7,5 mg/Tag) GC-Dosen nachgewiesen. Bei hoher Dosis lag das Risiko bei 2,56 im Vergleich zu Personen ohne Prednisolon-Medikation [78]. Im Einzelnen betrug das relative Risiko für eine Herzinsuffizienz 3,7, für einen Herzinfarkt 3,3 und für einen Schlaganfall 1,7. Allerdings konnte auch diese Analyse nicht überzeugend den Einfluss der Grunderkrankung auf das kardiovaskuläre Risiko herausfiltern. In der randomisierten BARFOT-Studie erhielten Patienten mit RA Methotrexat entweder gemeinsam mit Placebo oder mit einer Prednisolon-Therapie von 7,5 mg/Tag über 2 Jahre. Die Langzeitergebnisse offenbarten, dass im 10-Jahres-Zeitraum in der GC-Gruppe Schlaganfälle signifikant häufiger auftraten [1], dagegen war die Inzidenz von Herzinfarkten vergleichbar. Langzeitdaten der CAMERA-Studie [4, 68] zeigten ebenfalls numerisch höhere Fallzahlen für kardiovaskuläre Ereignisse bei RA-Patienten, die initial 10 mg Prednisolon erhielten, verglichen mit Placebo-behandelten Studienteilnehmern.

Zusätzlich zum Arterioskleroserisiko muss bei GC die Begünstigung thromboembolischer Ereignisse beachtet werden. Dosisabhängig steigt dieses Risiko an und ist sowohl bei kurzfristiger, hoch dosierter, aber auch längerfristiger Gabe im Niedrigdosisbereich nachweisbar [40]. Daher sollte bei Steroidbolustherapie eine Thromboseprophylaxe erfolgen.

Glukokortikoide und die Prognose quoad vitam

Die RA ist mit einer Frühsterblichkeit verbunden, deren Ausmaß eine Funktion der Krankheitsaktivität ist. Daher können Patienten in Remission ein normales Lebensalter erreichen [45]. Es war lange Zeit strittig, ob ein eigenständiger negativer Einfluss niedrig dosierter GC auf das Überleben existiert oder ob dieser an die Krankheitsaktivität gekoppelt ist. Im deutschen RABBITT-Register erfolgte eine Stratifizierung der Patienten nach der Krankheitsaktivität. Dabei fand sich, dass die Einnahme von Prednisolon in Dosierungen über 5 mg unabhängig von der Aktivität der RA mit einer erhöhten Sterbewahrscheinlichkeit assoziiert war [48]. Die Hazard Ratio (HR) für das Versterben in der Gruppe, die in den letzten 12 Monaten 1–5 mg Prednisolon eingenommen hatte, unterschied sich mit 1,05 (Konfidenzintervall 0,8–1,4) nicht signifikant von Patienten ohne GC-Behandlung [48]. Bei einer Prednisolon-Dosis von 5–10 mg/Tag stieg die HR jedoch auf 1,5 (1,1–2,0), bei über 15 mg auf 3,6 (2,1–6,1).

Übereinstimmend damit zeigte sich in einer Kohorte von 16.762 RA-Patienten, dass eine Dosis unter 5 mg nicht mit vermehrter Mortalität assoziiert war, höhere Dosen steigerten die Sterblichkeit jedoch dosisabhängig [59]. Eine prospektive Kohortenstudie von 602 Patienten mit früher RA, von denen 386 im Mittel 3,1 mg Prednisolon pro Tag erhielten, ergab ebenfalls keine Unterschiede in der Inzidenz von Todesfällen, kardiovaskulären Ereignissen, Infektionen oder osteoporotischen Frakturen zwischen Patienten mit oder ohne GC [66]. Allerdings ist eine strikte Sparsamkeit für GC auch im Niedrigdosisbereich angebracht, da auch die kumulative Dosis von GC Einfluss auf die Sterblichkeit hat. Ein erhöhtes Mortalitätsrisiko besteht ab einer kumulativen Dosis von mindestens 40 g (HR 1,78, Konfidenzintervall 1,2–2,6) [23]. Derartige Dosen können mit einer Low-dose-Therapie nach Jahrzehnten erreicht werden.

Erfassung von Glukokortikoid-assoziierten unerwünschten Arzneimittelwirkungen mit dem Glukokortikoid-Toxizitäts-Index

In zahlreichen klinischen Studien zu synthetischen und biologischen DMARD wurden die Auswirkungen einer Komedikation mit GC auf Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung unzureichend dokumentiert und ausgewertet [2], sodass erst spätere Sichtungen der Datensätze positive oder negative Effekte von GC zutage fördern [67]. Bereits 2010 wurde vonseiten der EULAR auf den Mangel an wissenschaftlicher Evidenz verwiesen, der in diesem Punkt herrscht [74]. Zugleich wurden Anstrengungen unternommen, um die GC-Toxizität in der Praxis und in klinischen Studien systematisch zu erfassen und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. Für die Low-dose-Therapie in der klinischen Praxis empfahl die EULAR-Initiative die Ausweiterung des Monitorings auf die Osteoporoseüberwachung, die Dokumentation von Risikofaktoren für ein Glaukom sowie ein Screening auf erhöhte Blutdruck- und Blutzuckerwerte sowie das Vorhandensein von Knöchelödemen [74]. Für klinische Studien wurde vorgeschlagen, mit einem Monitoringprogramm gezielt nach GC-bedingten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) zu fahnden. Nachfolgend wurde daher der GC-Toxizitäts-Index (GTI) entwickelt. Dieser zusammengesetzte Index enthält 9 Parameter, die unter anderem Veränderungen in BMI (Body-Mass-Index), Blutdruck, Lipiden und Knochendichte, aber auch Infektionen erfassen [55]. Diese Parameter werden durch eine Liste ergänzt, die spezifische Toxizitätsaspekte der GC berücksichtigt wie Glaukomentwicklung, avaskuläre Knochennekrosen oder Sehnenrisse. Der GTI quantifiziert spezifische Einflüsse einer Steroidtherapie, erlaubt aber auch die Einschätzung des Wertes einer GC-sparenden Therapie [55]. Dieser Index ist bereits Bestandteil von aktuell laufenden klinischen Studien zur RA [75], zur ANCA(antineutrophile zytoplasmatische Antikörper)-assoziierten Vaskulitis [52] und zum Asthma [51].

Schlussfolgerung und Ausblick

RA-Patienten profitieren von einer GC-Therapie, wenn deren Gefahrenpotenzial ausreichend Berücksichtigung findet, die Dosis engmaschig an die aktuelle Krankheitsaktivität angepasst und die Anwendung möglichst befristet wird. Dabei dient die aktuelle S2e-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie als Richtschnur [29]. Diese Leitlinie empfiehlt, bei Erreichen einer stabilen Remission GC als erste Präparate zu reduzieren und die Therapiedauer auf 3 bis 6 Monate zu begrenzen. Die relevantesten UAW von GC – Osteoporose, Diabetes/Hyperglykämie, kardiovaskuläre Ereignisse und Infektion – sind im Low-dose-Bereich unter 5 mg Prednisolon beherrschbar. Ein negativer Einfluss sehr niedriger Tagesdosen auf das Gesamtüberleben wurde bei hoher kumulativer Dosis in einer Kohortenstudie beschrieben. Die Datenlage ist aber hier als nicht eindeutig zu bezeichnen, da mehrere Analysen großer Patientenkollektive keinen Zusammenhang zwischen niedrig dosierter Prednisolon-Behandlung und Überleben feststellen konnten (s. oben). Das Monitoring einer GC-vermittelten Toxizität mithilfe eines validierten Index sollte in Zukunft dazu beitragen, die Vorteile einer steroidsparenden Behandlung besser zu beschreiben.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit neuere pharmakologische Entwicklungen eine bessere Trennung von erwünschten und unerwünschten GC-Wirkungen ermöglichen können. Dazu gehören innovative Substanzen, die selektiver auf die transrepressiven Effekte der GC (Unterdrückung der Aktivierung proinflammatorischer Zytokingene) einwirken als auf die transaktivierenden GC-Wirkungen (Förderung der Genexpression). Letztere werden für unerwünschte metabolische GC-Effekte, insbesondere in Bezug auf den Glukosemetabolismus verantwortlich gemacht [17]. Diese sog. selektiven GC-Rezeptor-Agonisten (SEGRA) bzw. dissoziierten Agonisten des GC-Rezeptors (DAGRs) werden aktuell in klinischen Studien getestet [18].

Fazit für die Praxis

  • Glukokortikoide (GC) werden für die initiale Therapie der RA nach wie vor empfohlen – zeitlich befristet und in geringstmöglicher Dosierung.

  • Die relevantesten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) von GC – Osteoporose, Diabetes/Hyperglykämie, kardiovaskuläre Ereignisse und Infektion – sind im Low-dose-Bereich unter 5 mg Prednisolon beherrschbar

  • Das Monitoring einer GC-vermittelten Toxizität mithilfe eines validierten Index sollte in Zukunft dazu beitragen, die Vorteile einer steroidsparenden Behandlungsstrategie besser zu beschreiben.