„Bildung kommt von Bildschirm und nicht von Buch, sonst hieße es ja Buchung.“ Dieter Hildebrandt
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Aktuelle Versorgung und sonographische Ausbildung in der Rheumatologie
Eine kürzlich veröffentlichte Arbeit der Arbeitsgemeinschaft Junge Rheumatologie – rheumadocs der deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) zeigte, dass die Anzahl der neuen rheumatologischen Fachärzte trotz des bereits bestehenden Mangels [8] rückläufig ist [6]. Für die Verstärkung des Versorgungsdefizits sind sicherlich multiple Faktoren verantwortlich. Als ein Faktor kann der geringe studentische Kontakt mit dem Fach Rheumatologie während des Studiums, der durch zu wenige eigenständige rheumatologische Lehrstühle und zu geringe Lehrzeiten mit praktischen Übungen bedingt ist, angeführt werden.
Die ärztliche rheumatologische Weiterbildung sollte optimalerweise auch das erfolgreiche Erlernen praktischer und theoretischer Anwendungsfähigkeiten der muskuloskeletalen (MSK) Sonographie umfassen. Aktuell führen jedoch fast 50 % der Ärzte/Ärztinnen an, kaum oder nur geringe praktische und theoretische Fähigkeiten in der MSK-Sonographie zu besitzen [6]. Als Ursache für die geringen Kenntnisse kann auch die untergeordnete sonographische Rolle während des Studiums angegeben werden. Um die MSK-Sonographie frühzeitig in die rheumatologische Ausbildung zu integrieren und gleichzeitig Studenten/innen für das Fach Rheumatologie und diese Bildgebungsmodalität zu begeistern, können neue Lern- und Lehrformate, die auf Digitalisierung setzen, hilfreich sein. Im optimalen Fall kann durch ein attraktives sonographisches Ausbildungskonzept ein Beitrag zu steigenden rheumatologischen Facharztzahlen und vermehrter MSK-Sonographie-Durchführung unter Rheumatologen geleistet werden.
Digitalisierung zur Unterstützung der Präsenzlehre
Die Gründung der DGRh-Kommission für Digitale Rheumatologie unterstreicht dabei den großen Stellenwert der Digitalisierung für die rheumatologische Versorgungs- und Lehrlandschaft. Auch heute schon ist die Digitalisierung im medizinischen Alltag von Ärzten/Ärztinnen nicht mehr wegzudenken, so benutzen in der klinischen Routine 49 % der Rheumatologen medizinische Apps [5]. Auch in der Lehre sind digitale Lernformate, wie beispielsweise die Plattform Amboss, der heutige Standard. Neben der intuitiven Bedienung dieser Programme führt die aktive Nutzung der digitalen Lernplattform zu signifikant besseren Examensergebnissen [1]. Auch die Qualität der Präsenzlehre kann durch die Verwendung digitaler Plattformen, im Sinne eines „blended learning“ oder integrierten Lernens profitieren [2]. Diese Begriffe bezeichnen eine Lernform, bei der die Vorteile von Präsenzveranstaltungen und E‑Learning sinnvoll kombiniert werden. Gerade in der Rheumatologie können integrierte Lernangebote, die stark auf digitale Anwendungen setzen, eine attraktive Ergänzung zur Aus- und Weiterbildung von Studenten/innen und Ärzte/Ärztinnen darstellen.
Ultraschalllernmodule in der curricularen Lehre
Aktuelle Zahlen belegen, dass nur wenige Studenten/innen praktische (beispielsweise sonographische) Fähigkeiten während des Studiums erlernen [7]. Die Lehrerfahrungen zeigen jedoch, dass Studenten/innen großes Interesse an dem Erlernen dieser Fähigkeiten haben und dass sie heute oftmals das Gefühl haben, nur unzureichend auf praktische Anforderungen des späteren Arbeitsalltags vorbereitet zu sein. Gerade das Lernen der Anatomie und insbesondere der Topografie bereitet vielen Medizinstudenten/innen Kopfzerbrechen. Hier könnte den Studierenden durch das Erlernen sonographischer Fähigkeiten während des Studiums geholfen werden. Hinzu kommt, dass aufgrund der weiten Verbreitung, Kosteneffizienz, Sicherheit und rasanten technischen Entwicklung fast jeder/jede Student/in später mit der Bildgebungsmodalität der Sonographie konfrontiert sein wird und dementsprechend wenigstens rudimentäre Fähigkeiten während des Studiums erwerben sollte.
Auch aus diesen Gründen und um die beschriebenen Möglichkeiten der Digitalisierung vollständig nutzen zu können, haben die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und das Universitätsklinikum Erlangen die Etablierung eines innovativen integrierten Lernkonzeptes für die MSK-Sonographie ins Leben gerufen. Konkret wurde durch eine Förderung des Innovationsfonds Lehre der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg erstmals an dieser medizinischen Fakultät ein vorklinischer muskuloskeletaler Ultraschallkurs etabliert, um die große Nachfrage nach praktischen Übungen zu befriedigen, gelerntes Wissen anzuwenden, zu festigen und frühzeitig Interesse für das Fach Rheumatologie zu wecken. Um eine didaktisch wertvolle Unterstützung zu dieser Präsenzveranstaltung herzustellen, wurden Online-Ultraschalllernmodule erstellt. Diese ermöglichen die Vor- und Nachbereitung von Untersuchungsübungen und bieten während der Übungen konkrete Orientierungshilfen. Außerdem können die Online-Lernmodule den Studenten/innen das anschauliche Nachvollziehen der Untersuchungsabläufe verschiedener Gelenke ermöglichen. Die Erstellung der Online-Lernmodule wurde durch das Projekt QuiS II, TP08 gefördert. QuiS II, TP08 wird unter dem Förderkennzeichen 01PL17017 im Bund-Länder-Programm Qualitätspakt Lehre (QPL) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Für die Etablierung der Online-Lernmodule wurden die sonographischen Untersuchungsabläufe mithilfe von zahlreichen Beispielbildern abgebildet und Standardschnitte mit ergänzenden Anatomieskizzen zur Orientierung erstellt. Diese Abläufe können dann wie in einem Leitfaden nacheinander durchgeklickt werden. Für Schulter‑, Ellenbogen‑, Hand‑, Finger‑, Hüft‑, Knie‑, Sprung- und Zehengelenk wurden Normalbefunde erstellt und jeweils mit einer beschrifteten Anatomieskizze sowie der richtigen Schallkopfposition versehen (Abb. 1). Ergänzend wurden pathologische Befunde gesammelt, die für jedes Gelenk einen exemplarischen Überblick über die häufigsten Pathologien geben sollen (Abb. 2). Hierbei wurde darauf geachtet, dass zu jeder Pathologie eine kurze Erklärung sowie ein entsprechender Normalbefund als Vergleich zur Verfügung stehen. Dadurch kann den Studenten/innen deutlich gemacht werden, welche Gelenkveränderungen vorliegen und auf welchen Strukturen das Augenmerk liegt. Aktuell kommen in dem Lernmodul insgesamt 113 Bilder und 42 Anatomieskizzen zum Einsatz. Ferner wurden in die Lernmodule Videos zur korrekten Durchführung der Ultraschalluntersuchung von Gelenken implementiert (Abb. 1). Die europäische Gesellschaft für Rheumatologie (EULAR) hat dabei freundlicherweise die Nutzung dieser Videos ermöglicht. Für die standardisierte Darstellung der Untersuchungsabläufe der jeweiligen Gelenke wurde ein einheitliches Konzept erarbeitet und eine entsprechende Gliederung etabliert (Abb. 2). Neben einem einführenden Kapitel über die Grundlagen der Sonographie, einem Überblick über spezifische Pathologien sowie einem Abschnitt über die Farb-Doppler-Sonographie der Gelenke können die Studenten/innen für jedes Gelenk ein spezifisches Kapitel abrufen. Ebenfalls wurden eine Wissensabfrage am Anfang und eine Lernkontrolle am Ende des Lernmoduls erstellt. Hierdurch konnte je nach Wissensstand die Präsenzlehre entsprechend angepasst werden.
Evaluation des neuen Wahlfachs und der Sonographielernmodule
Aktuell wurde das MSK-Sonographie-Wahlfach in der Vorklinik zum zweiten Mal erfolgreich veranstaltet. Das Wahlfach war dabei jeweils nach wenigen Tagen restlos ausgebucht. Das Angebot wurde sehr gut angenommen und exzellent evaluiert. Alle Studenten/innen würden den Kurs weiterempfehlen und konnten außerdem ihr Anatomie- und Sonographiewissen steigern. Es konnte also, wie geplant, das Anatomiewissen gefestigt, klinisches Wissen vermittelt und praktische Tätigkeit erprobt werden. Interessanterweise gaben darüber hinaus 80 % der Studenten/innen an, durch das Wahlfach und die digitalen Lernmodule mehr Interesse für die Rheumatologie entwickelt zu haben.
Aktuelle Entwicklung und Ausblick
Momentan implementieren wir die Lerninhalte auf www.sonographie.org, um die Module frei zugänglich und niedrigschwellig Interessierten zur Verfügung zu stellen. Wir erhoffen uns dadurch, dass die Inhalte auch an anderen Institutionen unkompliziert zu Lehr- und Fortbildungszwecken eingesetzt werden können.
Neben diesem Lehrkonzept wurden bereits weitere innovative Lehransätze wie 3‑D-Visualisierungen rheumatologischer Pathologien durch die Virtual Reality(VR)-Applikation Rheumality [4] oder durch 3‑D-Druckmodelle arthritischer Gelenke [3] erfolgreich evaluiert.
Auf Basis dieser Lehransätze entstand die Idee eines systematischen und übergreifenden studentischen Lehrkonzepts, das Online-Lernmodule, VR-Applikationen, 3‑D-Druckmodelle, Ultraschallübungen und klinische Untersuchungstechniken vereint. Dieses Konzept, „Rheuma begreifen“, wurde beim diesjährigen DGRh-Kongress von der Arbeitsgemeinschaft Junge Rheumatologie – rheumadocs mit dem Lehrpreis ausgezeichnet. Es soll das Fach Rheumatologie für den Nachwuchs noch attraktiver gestalten, Studenten begeistern, um diese dauerhaft für die Rheumatologie zu gewinnen.
Zusammenfassend kann die Kombination aus digitalen Lernformaten und Hands-on-Modulen Studenten für die Rheumatologie begeistern. Attraktive Lehrangebote stellen einen wichtigen Beitrag zu steigenden rheumatologischen Facharztzahlen in Deutschland dar.
Fazit für die Praxis
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„Blended learning“ ist eine attraktive Ergänzung der Präsenzlehre.
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Innovative Lehre steigert das Interesse für Rheumatologie.
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Ein neues muskuloskeletales Ultraschall-Online-Lernangebot für Studenten/innen und Ärzte/innen wurde geschaffen und wird frei verfügbar sein.
Literatur
Bientzle M, Hircin E, Kimmerle J et al (2019) Association of online learning behavior and learning outcomes for medical students: large-scale usage data analysis. JMIR Med Educ 5:e13529
Kintu MJ, Zhu C, Kagambe E (2017) Blended learning effectiveness: the relationship between student characteristics, design features and outcomes. Int J Educ Technol High Educ 14:7
Kleyer A, Beyer L, Simon C et al (2017) Development of three-dimensional prints of arthritic joints for supporting patients’ awareness to structural damage. Arthritis Res Ther 19:34
Kleyer A, Simon D, Hartmann F et al (2019) “Virtual rheumatology” : a new teaching concept for rheumatology of the future? Z Rheumatol 78:112–115
Knitza J, Vossen D, Geffken I et al (2019) Use of medical apps and online platforms among German rheumatologists : results of the 2016 and 2018 DGrh conference surveys and research conducted by rheumadocs. Z Rheumatol 78(9):839–846. https://doi.org/10.1007/s00393-018-0578-3
Krusche M, Sewerin P, Kleyer A et al (2019) Facharztweiterbildung quo vadis? Z Rheumatol 78:692–697
Riemekasten G, Aringer M, Baerwald CGO et al (2016) Rheumatologie – Integration in die studentische Ausbildung (RISA). Z Rheumatol 75:493–501
Zink A, Braun J, Gromnica-Ihle E et al (2017) Memorandum der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie zur Versorgungsqualität in der Rheumatologie – Update 2016. Z Rheumatol 76:195–207
Förderung
Das Projekt wurde durch den Innovationsfonds Lehre der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und das Projekt QuiS II, TP08 gefördert. QuiS II, TP08 wird unter dem Förderkennzeichen 01PL17017 im Bund-Länder-Programm Qualitätspakt Lehre (QPL) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Funding
Open Access funding provided by Projekt DEAL.
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Interessenkonflikt
J. Knitza, A. Kleyer, M. Klüppel, M. Krauser, J. Wacker, G. Schett und D. Simon geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Patientendaten wurden anonymisiert und von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.
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Redaktion
U. Müller-Ladner, Bad Nauheim
U. Lange, Bad Nauheim
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Video: Screencast zur Demonstration der Online-Ultraschalllernmodule
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Knitza, J., Kleyer, A., Klüppel, M. et al. Online-Ultraschalllernmodule in der Rheumatologie. Z Rheumatol 79, 276–279 (2020). https://doi.org/10.1007/s00393-020-00757-8
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00393-020-00757-8