Die experimentelle pädiatrische Rheumatologie ist eine junge Disziplin und in Deutschland erst in den letzten Jahren etabliert worden. Initiale Studien aus Würzburg beschäftigten sich mit dem Beitrag von Infektionserregern zur Entstehung chronischer Entzündungen am Bewegungsapparat [1]. Insbesondere seit Beginn des aktuellen Jahrhunderts kam es zu einer Ausweitung der Aktivitäten. Inzwischen ist die experimentelle Kinderrheumatologie in Deutschland gut etabliert, sodass es sich anbietet, einzelne Forschergruppen und ihre Ergebnisse vorzustellen. Die Aktualität dieser Ergebnisse ergibt sich auch daraus, dass alle 4 hier zu Wort kommenden Gruppen an der Pädiatrischen Forschungssitzung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie während ihrer Jahrestagung vom 2.–5.9.2015 unter dem Vorsitz von Dirk Föll (Münster) und Tilmann Kallinich (Berlin) teilgenommen haben [26]. Diese Jahrestagung fand zusammen mit den Jahrestagungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und der Deutschen Gesellschaft für Rheumaorthopädie in Bremen statt.

Inzwischen ist die experimentelle Kinderrheumatologie in Deutschland gut etabliert

Die Arbeitsgruppe von Frau Almut Meyer-Bahlburg aus Hannover hat Daten zur Pathogenese des systemischen Lupus erythematodes (SLE) vorgelegt, die sich mit dem Beitrag der Basophilen beschäftigen. Aus Mausmodellen war die Bedeutung der Basophilen in der Pathogenese des SLE bekannt. Die Ergebnisse aus Hannover zeigen, dass auch beim menschlichen SLE Basophile bedeutsam sind, indem sie das Überleben und die Zellteilung der B‑Zellen fördern sowie deren Differenzierung zu Plasmazellen, die Antikörper – insbesondere IgG-Autoantikörper – produzieren. Diese Daten führen zu der Vermutung, dass sich aus der Hemmung der Interaktion zwischen Basophilen und B‑Zellen möglicherweise eine neue Therapieoption für den SLE ergeben könnte.

Die Arbeitsgruppe von Klaus Tenbrock aus Aachen beschäftigt sich ebenfalls mit der Pathogenese des SLE und hier mit den Gründen für das Versagen der immunologischen Toleranz. Im Zentrum des Interesses stehen deshalb die regulatorischen T‑Zellen, deren wesentliche Aufgabe es ist, autoreaktive Lymphozyten zu unterdrücken. Die Daten bei Menschen haben aber gezeigt, dass funktionell suppressive regulatorische T‑Zellen bei Patienten mit SLE vorhanden sind. Allerdings können diese die autoreaktiven Lymphozyten offensichtlich nicht ausreichend unterdrücken. Dies ist möglicherweise Folge der persistierend hohen entzündlichen Umgebung mit vielen proinflammatorischen Zytokinen, aber einem verminderten Interleukin-2 (IL-2). Insbesondere Letzteres scheint von hoher Bedeutung zu sein. Die Aachener Arbeitsgruppe hat verschiedene Mechanismen für die IL-2-Defizienz aufdecken können. Erste menschliche Daten scheinen zu belegen, dass SLE-Patienten von einer Therapie mit IL-2 profitieren könnten.

Die Arbeitsgruppe von Angela Rösen-Wolff aus Dresden beschäftigt sich mit der Pathogenese autoinflammatorischer Erkrankungen. Paradigmatisch dafür sind die Cryopyrin-assoziierten periodischen Syndrome (CAPS) und neuerdings polygene Erkrankungen wie der Morbus Still, die systemische Form der juvenilen idiopathischen Arthritis (sJIA) und die chronische nichtbakterielle Osteomyelitis (CNO). Der zentrale Regulator der Autoinflammation ist die Caspase-1, ein wesentliches Enzym des angeborenen Immunsystems, das die endgültige Prozessierung und Sekretion von IL-1β und IL-18 kontrolliert. Die Aktivierung der Caspase-1 ist entscheidend für die Immunabwehr durch das angeborene Immunsystem. Eine überschießende dysregulierte Aktivierung der Caspase-1 führt zu CAPS-Erkrankungen wie Muckle-Wells und das schon beim Neonaten auftretende CINCA (Chronic infantile neuro cutaneo articular-syndrome). Bei diesen Erkrankungen fanden sich Gain-of-function-Mutationen der Caspase-1. Hingegen konnte die Dresdener Arbeitsgruppe bei einigen Patienten mit autoinflammatorisch bedingtem rezidivierendem Fieber Caspase-1-Missense-Mutationen nachweisen, wodurch es zu einer verminderten Produktion von IL-1 kommt. Dies erklären die Autoren dadurch, dass physiologischerweise Caspase-1 auch antiinflammatorische und protektive Funktionen ausübt. Fehlen diese, kommt es zu einer verstärkten TNF-α-Sekretion im Rahmen einer erhöhten Expression von NFκB. Dies wiederum würde das entsprechend entstehende Fieber aus den Missense-Mutationen der Caspase-1 erklären. Diese Ergebnisse könnten möglicherweise zu neuen therapeutischen Ansätzen sowohl bei diesen seltenen Fällen mit Missense-Mutationen der Caspase-1, aber auch bei multigen bedingten autoinflammatorischen Erkrankungen führen.

Schließlich berichtet die Arbeitsgruppe von Dirk Föll aus Münster über Untersuchungen zur Rolle der „damage associated molecular pattern“ (DAMP) wie den S100-Proteinen bei autoinflammatorischen Erkrankungen. Zunächst untersuchte die Gruppe aus Münster die S100-Proteine auf ihre Eignung als Biomarker für Remission unter der Therapie der polyartikulären JIA mit Methotrexat oder in der Diagnostik autoinflammatorischer Erkrankungen wie des familiären Mittelmeerfiebers. Da S100-Proteine offensichtlich wesentlich in der Signalgebung über den Toll-like-Rezeptor 4 für die Ausbildung von Inflammation sind, versucht die Münsteraner Gruppe, Freisetzungsmechanismen durch S100-Proteine näher zu charakterisieren. Bei einer starken Stimulation mit S100-Proteinen kommt es offensichtlich zu einer besonderen Aktivierung von neutrophilen Granulozyten, die dann ihre gesamte DNA aus der Zelle rasch ausschleusen, sodass sog. neutrophile extrazelluläre Traps (NET) entstehen, die Bakterien binden und abtöten können. Dabei werden vermutlich auch S100-Proteine aus der Zelle herausgeworfen. Es scheint, dass dies ein wesentlicher stimulierender Faktor sowohl bei autoinflammatorischen Erkrankungen als auch bei Autoimmunerkrankungen ist. Die Autoren meinen, dass infolge näherer Charakterisierung dieser Entzündungswege therapeutische Entscheidungen beim individuellen Patienten einfacher zu fällen sind, weil man den aktuellen, evtl. sogar nur subklinischen Entzündungszustand des Patienten besser beurteilen kann.

Die 4 vorgestellten Arbeiten sind gute Beispiele für translationale Forschung, da alle Arbeitsgruppen sowohl experimentell als auch klinisch tätig sind. Alle 4 Arbeitsgruppen zeigen, dass klinische Fragestellungen ihre Forschung befruchtet haben und dass sie durch ihre Forschung wiederum interessante Daten und möglicherweise neue Therapien für den Kliniker bereithalten.

In der klinischen Rheumatologie gab es zuletzt 2 besonders beachtenswerte Entwicklungen: zum einen die Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten bei Patienten mit polyartikulären Verlaufsformen der JIA. Dass nun neben den nichtsteroidalen Antirheumatika, den langsam wirkenden Medikamenten wie Methotrexat und den Glukokortikoiden gleich 4 Biologika zur Verfügung stehen, die für diese Indikation zumindest zum Teil zugelassen sind, macht es nicht einfach, die richtigen therapeutischen Entscheidungen zu treffen. Insbesondere die Differenzialindikation der einzelnen Biologika ist unklar.

Auch in der klinischen Rheumatologie gibt es beachtenswerte neue Entwicklungen

Frank Weller-Heinemann, Michael Ruehlmann und Toni Hospach aus Bremen, Göttingen und Stuttgart berichten über den aktuellen Stand. Zudem weisen sie darauf hin, dass sich auf Initiative von Gerd Horneff aus Sankt-Augustin eine Arbeitsgruppe der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie gebildet hat, die nach dem Vorbild der amerikanischen CARRA (Childhood Arthritis and Rheumatology Research Alliance) durch den Vergleich mehrerer therapeutischer Alternativen in der täglichen Praxis neue Erkenntnisse und weitere Vorteile für den Patienten suchen möchte.

Eine weitere auffällige Entwicklung ist die Zunahme von Schmerzsyndromen des Bewegungsapparates bei Kindern und Jugendlichen. Dies betrifft sowohl die primären Formen als auch die sekundären Formen, die im Rahmen chronisch entzündlicher Erkrankungen des Bewegungsapparates auftreten. Es erscheint paradox, dass mit der Verbesserung der Prognose der JIA durch verbesserte therapeutische Möglichkeiten nach Abklingen der Entzündung Schmerzverstärkungssyndrome bei diesen Patienten zunehmen. Die Arbeitsgruppe von Johannes-Peter Haas aus Garmisch-Partenkirchen stellt den aktuellen Stand dar und beschreibt Diagnostik und Therapie sowohl der generalisierten Schmerzverstärkungssyndrome als auch der komplexen regionalen Schmerzsyndrome.

Die Kinderrheumatologen sind dankbar, dass sie erneut ein Heft der Zeitschrift für Rheumatologie gestalten durften. Wir hoffen, dass die Artikel nicht nur für die Kinderrheumatologen, sondern auch für die internistischen Kollegen interessant sind, um so den interdisziplinären Dialog zu stärken – ein wesentliches Anliegen der erwähnten gemeinsamen Bremer Jahrestagung.

Ihr

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Prof. Dr. H.-I. Huppertz