Konventionelle, v. a. aber biologische „disease-modifying antirheumatic drugs“ (DMARDs) und Immunsuppressiva beeinflussen das Immunsystem deutlich. Damit stellt sich die Frage, wie weit wir durch diese Therapien das Risiko von Malignomen beeinflussen. Immerhin konnte in den vergangenen Jahrzehnten eine zentrale Rolle des Immunsystems bei der Tumorpathogenese gezeigt werden.

Zum einen verdeutlicht die erhöhte Inzidenz verschiedener Tumorarten bei Immunschwäche die zentrale Bedeutung des Immunsystems bei der Tumorabwehr [8], zum anderen stellten zahlreiche epidemiologische Studien eine Assoziation verschiedener Infektionen oder chronischer Entzündungen mit bestimmten Tumorarten fest und postulierten eine Förderung der Tumorentstehung durch entzündliche Erkrankungen [4]. Arbeiten aus der Grundlagenforschung ermöglichen die Identifikation molekularer Signalwege, die an diesen Vorgängen beteiligt sind.

In der Onkologie hat ein besseres Verständnis der Manipulation des Immunsystems durch Tumoren zu ersten Ansätzen einer Tumortherapie durch gezielte Modulation des Immunsystems geführt. Umgekehrt kann eine immunmodulatorische Therapie bei entzündlichen Erkrankungen, wie z. B. rheumatischen Erkrankungen, das Risiko für ein erstmaliges Auftreten oder ein Rezidiv einer Tumorerkrankung beeinflussen.

Der folgende Artikel gibt einen Überblick über aktuelle Konzepte zur Bedeutung des Immunsystems bei der Krebsentstehung. Dabei wird besonders auf Signalwege eingegangen, die im Rahmen aktueller Therapieformen rheumatischer Erkrankungen beeinflusst werden.

Allgemeine Aspekte der Tumorentstehung

Im Jahr 2000 veröffentlichten Hanahan und Weinberg [11] mit den „Hallmarks of cancer“ 6 verschiedene Eigenschaften, die für die Entstehung maligner Tumoren zwingend nötig sind. Dazu gehören

  • die Unabhängigkeit von Tumorzellen gegenüber exogenen Wachstumsfaktoren, also die Fähigkeit, trotz niedriger Wachstumsfaktorkonzentrationen zu proliferieren,

  • eine Resistenz gegen Apoptose,

  • eine Unempfindlichkeit gegenüber wachstumshemmenden Faktoren,

  • ein unendliches Reproduktionspotenzial,

  • eine Aufrechterhaltung der Sauerstoff- und Nährstoffversorgung durch Stimulation der Angiogenese sowie

  • invasives und metastasierendes Wachstum.

Während der Tumorentstehung treten diese Veränderungen nach und nach auf, wobei die zeitliche Reihenfolge keine Rolle spielt.

Grundlage für die Entstehung der Veränderungen in tumorrelevanten Signalwegen sind genetische (z. B. Punktmutationen, chromosomale Aberration etc.) oder epigenetische Veränderungen (z. B. Methylierung) von Onkogenen. Diese führen entweder durch einen Funktionsgewinn („gain of function“, GOF) zur erhöhten Aktivität tumorfördernder Mechanismen oder über einen Funktionsverlust („loss of function“, LOF) von Tumorsuppressorgenen zu einem reduzierten Schutz gegen die Tumorentstehung.

Ursache der Mutationen sind DNA-Veränderungen, die sowohl durch Umweltfaktoren (UV-Strahlung, chemische Substanzen etc.) als auch durch körpereigene Faktoren (reaktive Sauerstoffspezies, Hydrolyse etc.) bedingt werden können. DNA-Veränderungen werden auch durch therapeutische Maßnahmen induziert. Das gilt insbesondere für die Strahlentherapie und die meisten Formen der Chemotherapie. Unter den in der Rheumatologie heute üblichen Medikamenten kommt dafür nur Cyclophosphamid infrage, das als alkylierendes Zytostatikum direkt DNA-Schäden induziert. Cyclophosphamid kann nicht nur Malignome im ableitenden Harnwegsbereich induzieren, sondern erhöht dosisabhängig auch das Risiko akuter myeloischer Leukämien [7]. Beide Arten von Malignomen treten oft mit jahrzehntelanger Latenz nach der Cyclophosphamidtherapie auf. Dieses Risiko ist für die anderen Immunsuppressiva, Methotrexat (MTX) und die anderen konventionellen DMARDs, aber auch für die Biologika auf Basis der Mechanismen und der epidemiologischen Daten nicht anzunehmen.

Ursache der Tumorentstehung sind DNA-Veränderungen

Da DNA-Schäden im menschlichen Körper relativ häufig auftreten, existieren sehr effektive Schutzprogramme zur Erkennung und Reparatur von DNA-Schäden und zur Abtötung stark geschädigter Zellen [13]. Diese Abwehrsysteme verhindern in der Regel, dass in einer Zelle eine Anhäufung mehrerer Mutationen auftritt, die zu den 6 oben genannten „Hallmarks of cancer“ führt. Daher geht man davon aus, dass für die Krebsentstehung ein verändertes Verhältnis zwischen der Häufigkeit von DNA-Schäden und der Effizienz der Abwehrmechanismen nötig ist (Abb. 1). Interessanterweise zeigen v. a. Forschungsarbeiten der letzten Jahre, dass das Immunsystem sowohl vermehrte DNA-Schäden induziert als auch an der Abwehr der Konsequenzen beteiligt ist – und somit eine maßgebliche Rolle bei der Krebsentstehung und gleichzeitig bei der Krebsabwehr spielt.

Abb. 1
figure 1

Duale Rolle des Immunsystems bei der Tumorpathogenese. Im Rahmen chronisch entzündlicher Erkrankung werden die Tumorentstehung und das Tumorwachstum durch die Freisetzung reaktiver Sauerstoff- und Stickstoffspezies sowie durch proinflammatorische Zytokine gefördert. Im Gegensatz dazu hemmt die Antitumorimmunantwort die Tumorprogression v. a. durch das adaptive Immunsystem mit Freisetzung von Effektorproteinen und Zytokinen, wie z. B. Interferon-γ (IFN-γ). (Abbildung adaptiert nach [9])

Tumorfördernde Effekte chronischer Entzündungen

Das erhöhte Risiko bestimmter Krebserkrankungen bei chronischen Infektionen und Entzündungsprozessen führte zu dem Konzept einer Förderung der Krebsentstehung durch das Immunsystem. Bekannte Beispiele sind das erhöhte Risiko für Magenkarzinome bei einer Helicobacter-pylori-Infektion, für kolorektale Karzinome bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, für hepatozelluläre Karzinome bei chronischer Virus-Hepatitis B oder C, für Zervixkarzinome bei HPV-Infektion, für Osteosarkome bei Morbus Paget oder Narbenkarzinome [29].

Grundlagenarbeiten konnten zeigen, dass die Entzündungsreaktion – v. a. durch Aktivierung des angeborenen Immunsystems – an nahezu allen Schritten der Tumorentstehung beteiligt ist [14]. Diese werden unterteilt in die als Initiierung bezeichnete Entartung einzelner Zellen durch genetische oder epigenetische Veränderungen, die Tumorpromotion, die eine anhaltende Proliferation entarteter Zellen darstellt, und schließlich die Progression, bei welcher der Tumor maligne Kriterien wie infiltratives Wachstum und Metastasierung entwickelt.

Erhöhter oxidativer Stress führt zu DNA-Schäden

Hinsichtlich der Initiierung geht man davon aus, dass v. a. ein erhöhter oxidativer Stress zu DNA-Schäden führt. Dabei setzen in das Gewebe einwandernde Granulozyten und Makrophagen u. a. reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies frei, die zu Einzel- und Doppelstrangbrüchen und Nukleotidveränderungen in der DNA führen können. Wenn diese DNA-Veränderungen zufällig Onkogene betreffen, ist der Grundstein für die Tumorentstehung gelegt.

Anschließend wird die zunehmende Proliferation der initiierten Tumorzellen im Rahmen der Tumorpromotion nicht nur durch klassische Wachstumsfaktoren, sondern auch durch proinflammatorische Zytokine beeinflusst. So konnte z. B. für Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), Interleukin-6 (IL-6) und IL-22 ein direkter proliferationsfördernder und antiapoptotischer Effekt auf Tumorzellen nachgewiesen werden [9].

Diese Effekte werden in den Tumorzellen durch die Aktivierung von Signalwegen vermittelt, die den Zellzyklus direkt beeinflussen oder durch Transkriptionsfaktoren wie NF-κB („nuclear factor ‚kappa-light-chain-enhancer‘ of activated B cells“) oder STAT3 („signal transducer and activator of transcription 3“) zu einer Veränderung der Genexpression führen. Diese veränderte Genexpression kann wiederum zu einer Veränderung der Zellfunktion mit Entwicklung eines malignen Phänotyps führen.

In diesem Zusammenhang ist einerseits interessant, dass sich die Signalwege von Wachstumsfaktoren und Zytokinen zumindest teilweise überlappen. Andererseits stellen Mutationen bestimmter Signalmoleküle, wie z. B. von STAT3 (dem wichtigsten Signaltransduktionsmolekül von IL-6), selbst onkogene Mutationen dar.

Ein großer Teil der Mechanismen, die an der entzündungsabhängigen Tumorentstehung beteiligt sind, ist bei der Wiederherstellung eines Gewebeschadens von zentraler Bedeutung. Daher wurde diese Art der Tumorentstehung mit einer überschießenden Wundheilung verglichen.

Die Mechanismen der entzündungsabhängigen Tumorentstehung werden auf molekularer Ebene nur in Grundzügen verstanden. Ihre klinische Relevanz wird aber durch die Beobachtung gestützt, dass eine suffiziente und dauerhafte Therapie der Grunderkrankung (chronische Entzündung oder Infektion) zu einer deutlichen Verringerung des erhöhten Tumorrisikos führen kann. So wurde in den vergangenen Jahrzehnten ein Rückgang der kumulativen Inzidenz für kolorektale Karzinome bei Colitis ulcerosa von über 30/1000 Patientenjahre auf unter 10/1000 Patientenjahre beschrieben, der sich am ehesten durch eine verbesserte Behandlung der intestinalen Entzündung erklären lässt [3].

Lymphomrisiko bei Autoimmunerkrankungen

Bei vielen Autoimmunerkrankungen, unter anderem vielen entzündlich rheumatischen Erkrankungen, wurde ein erhöhtes Lymphomrisiko nachgewiesen [6]. Da dieses Risiko mit der Aktivität der Erkrankung steigt, wurde es zunächst in mehreren Fällen neuen Therapien zugeordnet, die typischerweise bei den Patienten mit besonders aktiver Autoimmunerkrankung verwendet werden. Unter anderem standen die Therapien mit MTX oder TNF-Blockern im Verdacht, zur Entstehung von Lymphomen zu führen. Sobald aufgrund größerer Datensätze neben der Therapie auch die Krankheitsaktivität in die Berechnungen einbezogen werden konnte, erschien das erhöhte Lymphomrisiko durchweg aktivitätsassoziiert [2].

Erhöhtes Lymphomrisiko ist aktivitätsassoziiert

Dafür werden 3 verschiedene Mechanismen diskutiert. Erstens erhöht die chronische Proliferation von Lymphozyten im Rahmen der Autoimmunerkrankung per se das Risiko einer malignen Entartung. Schließlich bedeutet jede Zellteilung ein Risiko für Fehler. Zweitens stellen Zytokine im Immunsystem auch nur einen Sonderfall von Überlebensfaktoren dar. So geben Zytokine wie IL-2, IL-7, IL-15, aber auch BLyS/BAFF bestimmten Lymphozytenpopulationen ein oft notwendiges Überlebenssignal. Dieses Signal gibt dem Immunsystem normalerweise die Möglichkeit, das Immunrepertoire zu erweitern, um eine Infektion erfolgreich zu bekämpfen. Es erhöht aber auch die Chance transformierter Lymphozyten, weiter zu überleben. Und drittens könnten tumorassoziierte Virusinfektionen durch die Autoimmunität eher gefördert werden. Vielleicht führt der Fokus des Immunsystems auf das Autoantigen eher zum Übersehen anderer Bedrohungen. Zumindest scheint die Häufigkeit von Herpes zoster bei systemischem Lupus erythematodes (SLE) und rheumatoider Arthritis (RA) erhöht.

Tumorrisiko bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Bei beiden Hauptformen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED), Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, führt die anhaltende Entzündung des Dickdarms zu einem erhöhten Risiko für kolorektale Karzinome (KRK). Das Risiko der Entstehung Kolitis-assoziierter Karzinome ist von der Lokalisation, Ausdehnung, Dauer und Ausprägung der intestinalen Entzündung abhängig. So ist z. B. bei der Colitis ulcerosa das Tumorrisiko bei einer Pankolitis am höchsten, während es bei einer Linksseitenkolitis nur geringgradig erhöht ist. Ob auch die Proktitis mit einem erhöhten Risiko einhergeht, ist bisher nicht gesichert. Insgesamt wird das kumulative Risiko für ein KRK bei Colitis ulcerosa mit 1,6 % nach 10 Jahren, 8,3 % nach 20 Jahren und 18,4 % nach 30 Jahren Erkrankungsdauer angegeben. Für den Morbus Crohn ergab sich ein kumulatives Risiko von 2,9 % nach 10 Jahren, 5,6 % nach 20 Jahren und 8,3 % nach 30 Jahren Erkrankungsdauer [31].

In Arbeiten zur Aufklärung der gesteigerten Karzinomentstehung bei CED konnten immerhin einzelne Signalwege identifiziert werden, die sowohl an der Pathogenese der CED als auch des damit assoziierten KRKs beteiligt sind. Dabei handelt es sich u. a. um die bereits beschriebenen Mechanismen der Aktivierung von STAT3 in kolorektalen Karzinomzellen durch IL-6 und IL-22 oder von NFκB durch TNF-α. Obwohl eindeutige klinische Daten bisher fehlen, ist die rückläufige Inzidenz des Kolitis-assoziierten Karzinoms in den vergangenen Jahren mit einer wirksamen Prävention durch die adäquate Therapie der intestinalen Entzündung vereinbar.

Tumorrisiko bei rheumatoider Arthritis

Im Gegensatz zu den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen gibt es bei rheumatischen Erkrankungen bisher keine überzeugenden Hinweise für eine aktivitätsassoziierte Häufung epithelialer Tumoren. Das mag der Tatsache geschuldet sein, dass im Gelenkbereich solche Gewebestrukturen kaum vorkommen und Fibroblasten und Chondrozyten nicht zur Entartung neigen. Bei Patienten mit RA gibt es 2 Arten von epithelialen Tumoren, die signifikant erhöht auftreten, nämlich einerseits Lungenkarzinome [26] und andererseits Nicht-Melanom-Hautkrebs [18].

Bei beiden ist ein direkter Zusammenhang mit dem Autoimmungeschehen eher unwahrscheinlich. Während die Assoziation mit dem Lungenkrebs mit der pathogenetischen Bedeutung des Rauchens für beide Erkrankungen zusammenhängen dürfte [17], gibt es für die höhere Rate von Basaliomen und evtl. Plattenepithelkarzinomen der Haut noch keine überzeugende Erklärung. Auch hier scheinen gemeinsame Risikofaktoren, vielleicht auch gemeinsame Risikogene, plausibler als ein Zusammenhang mit der Aktivität der RA. Eine gewisse Rolle könnte auch eine durch DMARDs wie MTX induzierte UV-Empfindlichkeit spielen.

Lymphome, in der Regel Non-Hodgkin-B-Zell-Lymphome, sind hingegen bei der RA und anderen entzündlich rheumatischen Erkrankungen klar und aktivitätsbezogen erhöht [19]. Statistisch lässt sich dieses Risiko durch eine adäquate Krankheitskontrolle mit konventionellen und/oder biologischen DMARDs senken. Das ändert aber nichts daran, dass in Einzelfällen die spontane Regression von Lymphomen nach Absetzen von MTX, aber auch von TNF-Blockern eine mögliche pathogenetische Rolle dieser Substanzen im Sonderfall denkbar erscheinen lässt [24].

Tumorabwehr durch das adaptive Immunsystem

Ähnlich wie tumorfördernde Effekte chronischer Entzündungen herausgearbeitet wurden, gibt es auch klinische Beispiele für ein erhöhtes Tumorrisiko bei Immundefizienz. Die wahrscheinlich am besten untersuchten Beispiele sind Aids und die medikamentöse Immunsuppression nach Organtransplantation. In beiden Fällen besteht ein deutliches erhöhtes Risiko für virusassoziierte Tumorerkrankungen wie Morbus Hodgkin und Non-Hodgkin-Lymphome bei EBV (Epstein-Barr-Virus)-Infektion, HHV (humane Herpesvirus)-8-assoziiertes Kaposi-Sarkom und HBV (Hepatitis-B-Virus)- und HCV (Hepatitis-C-Virus)-assoziierte hepatozelluläre Karzinome [10]. Unabhängig von bekannten Infektionen wurde auch über ein erhöhtes Risiko für Nicht-Melanom-Hautkrebs und Lippenkarzinome, solide Malignome und Leukämien berichtet. Auch hier werden jedoch Viruserkrankungen als mögliche Ursachen diskutiert. Hingegen scheint das Risiko für Adenokarzinome wie kolorektale Karzinome, Mammakarzinom, Ovarialkarzinom und Prostatakarzinom nicht erhöht zu sein.

Während man bei den infektionsassoziierten Tumorerkrankungen primär von einer unzureichenden Kontrolle der Infektion durch das adaptive Immunsystem und erst sekundär von direkten tumorfördernden Effekten der Erreger und der Entzündungsreaktion ausgeht, gibt es verschiedene Konzepte bezüglich der nicht infektionsassoziierten Tumorerkrankungen. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch diese Tumorarten durch bisher unbekannte Infektionen hervorgerufen werden, aber sowohl pathologische Assoziationen als auch Grundlagenarbeiten geben Hinweise auf eine relevante Antitumorimmunantwort durch das adaptive Immunsystem, die bei Immunsuppression eingeschränkt ist.

Pathohistologisch ist eine Infiltration des Tumorgewebes mit verschiedenen Zellen des adaptiven Immunsystems bei zahlreichen soliden Tumorarten mit einer verbesserten Krankheitsprognose assoziiert. So korreliert eine erhöhte Infiltration von CD8+CD45RO+-T-Zellen oder Th1-Zellen in Mammakarzinome, Ovarialkarzinome, Ösophaguskarzinome, kolorektale Karzinome, Bronchialkarzinome oder Melanome mit einem besseren progressionsfreien Überleben und Gesamtüberleben [8]. Diese Zellpopulationen sind wesentlich an der zytotoxischen Immunantwort beteiligt.

Beweisen lässt sich diese Hypothese im Tiermodell. So zeigen Mäuse mit einem Defekt unterschiedlicher Komponenten des adaptiven Immunsystems im Vergleich zu Mäusen ohne diesen Defekt ein erhöhtes Tumorwachstum. Entscheidend sind dabei v. a. Defekte in der Entwicklung und Funktion von zytotoxischen CD8+T-Zellen, CD4+Th1-Zellen und natürlichen Killer (NK)-Zellen, die maßgeblich an der Erkennung und anschließenden Zerstörung entarteter Zellen beteiligt sind. Die Infiltration dieser Zellen in den Tumor wurde bei verschiedenen humanen Tumorerkrankungen mit einer verbesserten Prognose assoziiert [28].

Die Erkennung der entarteten Zellen erfolgt v. a. durch die Detektion veränderter Antigene, die durch Mutationen entstehen. Veränderte Peptide werden dem adaptiven Immunsystem Major Histocompatibility Complex(MHC)-gebunden präsentiert. Eine Erkennung veränderter Antigene führt durch zytotoxische Effektormechanismen zur Zerstörung der veränderten Zelle.

Neben den zellintrinsischen Signalwegen stellt also das Immunsystem einen zweiten Mechanismus zur Abwehr mutierter Zellen dar. Wie bereits bei den zellintrinsischen Abwehrmechanismen kommt die Frage auf, warum trotz dieser Abwehr Tumorerkrankungen auftreten. Um dies zu erklären, unterscheidet man aktuell 3 Phasen bei der Antitumorimmunantwort. In der Eliminationsphase werden die Tumorzellen durch das Immunsystem erkannt und zerstört. Ist die Elimination vollständig, ist das Problem dadurch aus der Welt geschafft. Gelingt es Tumorzellen hingegen, sich an die Immunantwort zu adaptieren, entsteht zunächst ein Equilibrium zwischen Tumorwachstum und Zerstörung durch das Immunsystem. Treten weitere Veränderungen des Tumors auf, kann es zu einem „Escape“, also einer Umgehung der Immunantwort, kommen; der Tumor zeigt plötzlich eine deutliche Progression [28].

Dabei spielt unter anderem die Aktivierung sog. inhibitorischer Checkpoint-Signalwege wie des CTLA-4- und des PD-1-Signalwegs eine Rolle. Diese verhindern unter physiologischen Bedingungen Autoimmunität und kritische Gewebeschäden z. B. bei Infektionen. Tumorzellen können sich diese Mechanismen aneignen und damit aktiv das Immunsystem lahmlegen (Tab. 1).

Tab. 1 Veränderungen, die (schrittweise) zu malignen Tumoren führen

Inhibition der Checkpoint-Signalwege hemmt Tumorwachstum

Nachdem in Tiermodellen gezeigt werden konnte, dass eine Inhibition dieser Checkpoint-Signalwege das Wachstum verschiedener Tumorarten hemmt, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene klinische Studien mit diesen Medikamenten durchgeführt [30]. Die vielversprechenden Ergebnisse dieser Studien führten zur Zulassung des Anti-CTLA-4-Antikörpers Ipilimumab sowie der Anti-PD-1-Antikörper Nivolumab und Pembrolizumab zur Behandlung von metastasierten malignen Melanomen und zeigen damit eine relevante Antitumorimmunantwort bei Patienten.

Die Tatsache, dass CTLA-4-Antagonisten bei Tumorerkrankungen erfolgreich eingesetzt werden können, CTLA-4-Agonisten jedoch bei Autoimmunerkrankungen wie auch der RA zum Einsatz kommen, verdeutlicht die teilweise gegenläufige Bedeutung des Immunsystems bei beiden Erkrankungsformen. In diesem Zusammenhang werden im Anschluss die wichtigsten molekularen Signalwege, die bei der Therapie der RA beeinflusst werden, hinsichtlich einer Beeinflussung des Krebsrisikos einzeln diskutiert.

Effekte zellspezifischer biologischer DMARDs

CD28-Antagonist Abatacept: Hemmung der T-Zell-Aktivierung

Abatacept, CTLA-4-Ig, blockiert CD80 und CD86, die Liganden von CD28. Damit werden die Kostimulation über CD28 und in der Folge die T-Zell-Aktivierung verhindert. Daraus lässt sich der lang anhaltende Effekt von Abatacept [21] erklären, aber nicht sein unerwartet schneller Wirkungseintritt [22]. Zudem sprechen murine Daten für einen T-Zell-unabhängigen Effekt [15], der nach wie vor nicht geklärt ist.

Die Tatsache, dass der Antikörper Ipilimumab, der den endogenen Kostimulationshemmer CTLA-4 blockiert, Antitumoreffekte zeigt [12], führt zur unmittelbaren Frage, ob die Abatacept-Therapie das Tumorrisiko erhöht. Während in frühen klinischen Phasen der Abatacept-Entwicklung Lungentumoren zunächst etwas gehäuft schienen, hat sich das aber als Ergebnis statistischen Zufalls herausgestellt. Aus heutiger Sicht besteht kein belastbarer Anhalt für eine Häufung solider Malignome unter Abatacept [25, 33]. Bisher gibt es auch keinen Beleg für ein erhöhtes Melanomrisiko unter Abatacept. Das mag aber an der noch immer begrenzten Datenmenge für den Kostimulationsblocker liegen.

Anti-CD20-Antikörper Rituximab: B‑Zell-Depletion

Der chimärische monoklonale Antikörper Rituximab bindet das B‑Zell-spezifische Antigen CD20. Rituximab führt hauptsächlich zu einer Depletion von B‑Zellen, die im peripheren Blut typischerweise nahezu vollständig, im Gewebe aber etwas variabler ist und über viele Monate anhält. Nicht betroffen sind B‑Zell-Vorstufen und Plasmazellen, sodass auch die Immunglobuline meist nicht relevant absinken. Auch die therapeutischen Effekte werden meist nicht oder nur unwesentlich durch einen direkten Effekt auf die Bildung von Autoantikörpern verursacht. Sie beruhen annehmbar auf dem Ausfall von B‑Zellen als hoch effizienten, spezifischen Antigen präsentierenden Zellen und möglicherweise auch auf der Reduktion der Zytokinfreisetzung durch B‑Zellen.

Für B‑Zell-Lymphome, in deren Therapie Rituximab und seine Folgesubstanzen eine wesentliche Rolle spielen, war ein erhöhtes Risiko nicht zu erwarten. In einem nur teilweise begründeten Analogieschluss wurde Rituximab nach Tumorerkrankungen als am ehesten vertretbares biologisches DMARD gesehen. Tatsächlich gibt es mittlerweile epidemiologische Argumente für diesen Zugang: Obwohl es aus der Grundlagenforschung Hinweise für eine Beteiligung von B‑Zellen an der Antitumorimmunantwort gibt [34], haben sich in den nun fast 10 Jahren der Anwendung von Rituximab bei RA keine Hinweise für ein erhöhtes Malignomrisiko ergeben. De facto war in der Kohorte des deutschen Biologika-Registers RABBIT das Rezidivrisiko – trotz des Einschlusses einer Population mit höherem Risiko – unter Rituximab, wenn auch statistisch nicht signifikant, tendenziell niedriger als unter anderen biologischen DMARDs, insbesondere TNF-Blockern [27].

Effekte zytokinspezifischer biologischer DMARDs

Anti-IL-6-Antikörper Tocilizumab: Hemmung proinflammatorischer Signalwege

Als erster Inhibitor des IL-6-Signalwegs wurde 2009 der Anti-IL-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab zugelassen. Über die Bindung an einen membrangebundenen oder löslichen IL-6-Rezeptor kann IL-6 die Aktivierung eines trimeren Rezeptors mit 2 Molekülen der (auch zu anderen Rezeptoren gehörenden) Rezeptorkette gp130 (CD130) induzieren und über die Januskinase 1 den Transkriptionsfaktor STAT3 aktivieren. STAT3 führt zur Transkription unterschiedlicher Zielgene, die sowohl an der akuten Entzündungsreaktion als auch an der Wiederherstellung des Gewebes im Rahmen der Wundheilung beteiligt sind.

Aufgrund der zahlreichen IL-6-Effekte und der bereits nachgewiesenen Beteiligung an verschiedenen entzündungsabhängigen Tumorarten wäre eigentlich die Hypothese aufzustellen, dass eine Hemmung eines chronisch erhöhten IL-6 das Risiko für Adenokarzinome und Lymphome nicht erhöhen, sondern eher verringern sollte. Andererseits ist IL-6 ein antiapoptotisches Zytokin für T-Zellen und fördert die Proliferation von B‑Zellen. Gerade in der Phase der frühen Malignomentstehung ist daher auch ein negativer Effekt der IL-6-Blockade auf die Immun-Surveillance nicht mit Sicherheit auszuschließen.

Die bisherigen Daten konnten weder ein erhöhtes noch ein reduziertes Karzinomrisiko im Rahmen der Tocilizumab-Therapie feststellen. Zumindest wurde Tocilizumab aber in Einzelfällen erfolgreich zur Behandlung einer Tumorkachexie eingesetzt [1] und schien in einer Phase-I-Studie bei Patientinnen mit epithelialen Ovarialkarzinomen gewisse Antitumoreffekte zu haben [5]. Zudem ist ein Effekt auf das maligne Myelom bekannt [23].

Anti-TNF-Antikörper: Einfluss nicht nur auf das Immunsystem

Die Hemmung eines Zytokins, das Tumornekrosefaktor (TNF) heißt, führt bei vielen Patienten zu Sorgen in Bezug auf das Tumorrisiko. TNF hat eine Vielzahl von Effekten, die nach wie vor inkomplett verstanden werden. Primär ist TNF ein proinflammatorisches Zytokin, das über NF-κB- und MAPK-Signalwege wirkt. Gerade NF-κB-induzierte Gene wirken auch gegen die Apoptose, den geplanten, regelrecht ablaufenden Zelltod alter und geschädigter Zellen. Einer der beiden TNF-Rezeptoren, TNF-Rezeptor 1 (CD120a), kann hingegen über die indirekte Assoziation mit Caspasen direkt Apoptose auslösen, sodass auf dieser Ebene prinzipiell beide Möglichkeiten bestehen. Zytotoxische Lymphozyten tragen zum Teil membrangebundenen TNF auf ihrer Oberfläche. Auszuschließen ist hier ein Einfluss auf (frühe) Malignome nicht. Zudem hat TNF eine Reihe systemischer Effekte – von der Auslösung einer Kachexie (ein weiterer Ausdruck für das Zytokin war Cachectin) bis zur Erhöhung der Permeabilität von Gefäßen. Insgesamt sind Tumoreffekte möglich, aber in ihrer Richtung und Ausprägung schwer abschätzbar.

Nach mehr als 15 Jahren Routineeinsatz gibt es aber nur sehr begrenzt Daten, die als Argument für die Förderung der Malignomentstehung unter speziellen Bedingungen dienen können. Dazu gehört primär eine erhöhte Rate von Malignomen der Haut, wobei neuere Arbeiten eher dafür sprechen, dass die Melanomrate erhöht ist, während die erhöhte Inzidenz von Non-Melanom-Hauttumoren mit der RA selbst assoziiert ist [20]. Die komplexe Datenlage zu dieser Frage wird im Artikel zu den Hauttumoren in diesem Heft näher erläutert. Zudem wurden im Wegener Granulomatosis Etanercept Trial (WGET) bei Patienten mit Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener) unter der Kombination Etanercept und Cyclophosphamid mehr solide Malignome gefunden als unter Cyclophosphamid alleine [32]. Dieser Unterschied war statistisch signifikant. In beiden Situationen gab es gleichzeitig ein zu DNA-Schäden führendes Agens (UV-Licht bzw. Cyclophosphamid) und die Hemmung von TNF. Das wäre am ehesten mit einer fehlenden inflammatorischen Abräumung transformierter Zellen vereinbar. Sonst gibt es keine Hinweise auf eine erhöhte Inzidenz solider Malignome.

Bei (v. a. jungen männlichen) CED-Patienten treten unter der Kombination von Anti-TNF-Antikörpern mit Azathioprin hepatosplenische T-Zell-Lymphome deutlich häufiger, aber noch immer sehr selten auf [16]. Diese sonst extrem seltenen Lymphome haben bislang leider eine extrem schlechte Prognose. Sie wurden bei Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen und unter DMARDs bisher nicht beobachtet. Das legt einen direkten Zusammenhang mit den CED und Azathioprin nahe. Sonst ist die TNF-Blockade mit einem Rückgang des bei der RA erhöhten Lymphomrisikos assoziiert, wobei aber im Einzelfall ein negativer Einfluss nicht ausgeschlossen werden kann.

Fazit für die Praxis

  • Das Spektrum der Effekte des Immunsystems bei der Tumorentstehung wird in seiner Komplexität nicht überschaut.

  • Während das angeborene Immunsystem die Tumorentstehung auf unterschiedliche Weise fördern kann, spielt das adaptive Immunsystem bei der Tumorabwehr eine Rolle. Dies zeigt, dass auch eine therapeutische Beeinflussung des Immunsystems sehr unterschiedliche Effekte auf die Tumorentstehung haben kann.

  • Obwohl Grundlagenarbeiten in den vergangenen Jahren immunologische Signalwege identifizieren konnten, die an der Tumorpathogenese beteiligt sind, gibt es bisher nur wenige klinische Daten, die konkrete Hinweise für ein verändertes Malignomrisiko bei einer Therapie der RA belegen.

  • Während unter einer Anti-TNF-Therapie ein erhöhtes Melanom- und bei CED-Patienten Lymphomrisiko vorhanden sein dürfte, gibt es für die Therapie mit Rituximab, Abatacept oder Tocilizumab wenige Daten. Eine noch genauere Einschätzung des möglichen Risikos bedarf weiterer Langzeitdaten.