Der Ansatz der soziotechnischen Systeme für ein gelingendes Leben im Alter richtet das Augenmerk auf die Verbindung technischer und soziokultureller Faktoren der Technikgestaltung. Dabei wird die Interaktion älterer Menschen mit technologischen Systemen in komplexen, realweltlichen Situationen und damit in allen Schritten der Technikforschung und Gestaltung adressiert.

Innerhalb der gerontologischen Forschungslandschaft werden Rolle und Funktion soziotechnischer Systeme von unterschiedlichen Communities mit ganz verschiedenen Schwerpunkten verfolgt. Dies geschieht beispielsweise in der materiellen Gerontologie, der partizipativen Co-Design-Forschung mit älteren Menschen oder der Vermittlung digitaler Kompetenzen im Sinne der Geragogik. Diese drei wichtigen Perspektiven bestimmen die Auseinandersetzung mit der für diesen Themenschwerpunkt zentralen Fragestellung, auf welche Weise soziotechnische Innovationen ein gelingendes Altern ermöglichen und bedingen.

Soziotechnische Innovationen für ein gelingendes Altern koppeln technische und soziokulturelle Faktoren

In diesem Kontext untersucht die materielle Gerontologie, wie „das Alter bzw. Alternsprozesse unter Beteiligung verschiedener Materialitäten – Körpern, Dingen, Technologien und Räumen – in Praktiken hergestellt und vollzogen werden“ [1].

Die Ausrichtung partizipativer Forschungsansätze auf die Co-Produktion soziotechnischer Systeme zielt darauf ab, durch die Zusammenarbeit von wissenschaftlich Forschenden und Co-Forschenden als Expert*innen ihres Alltags neuartige Wissensformen mit dem Ziel zu erarbeiten, soziodigitale Praktiken unter der Prämisse des Empowerment und der Selbstbestimmung sowie der nachhaltigen Transformation soziotechnischer Settings für gutes Altern zu entwickeln [2].

Eng damit verbunden ist schließlich die Forschung zu den Gelingensbedingungen und der Einbettung soziotechnischer Systeme in Lehr- und Lernsettings. Fragestellungen richten sich dabei sowohl auf die Lernförderlichkeit digitaler Systeme selbst als auch auf Lern- und Diskursangebote sowie auf geeignete Lernräume für ältere Menschen, die der Ermöglichung niedrigschwelliger und sinnstiftender Aneignungsprozesse dienen [4].

Der Themenschwerpunkt setzt also ganz gezielt auf Beiträge, die aus sehr unterschiedlichen Perspektiven die kontextuelle, soziotechnische Einbettung von Konzeption, (Co‑)Design sowie die Einführung, Aneignung und Evaluation von Digitaltechnologie in realweltlichen Zusammenhängen beleuchten.

So richtet der erste Beitrag von Cordula Endter, Vera Gallistl, Alex Peine und Anna Wanka den Blick auf das Thema „Alters-Assemblagen – Soziotechnische Innovationen und gelingendes Alter(n) aus der Perspektive der materiellen Gerontologie“. Dieses Konzept versteht Alter(n) als Prozess, in dem die Konnektivität zwischen älteren Menschen, Objekten, Technologien und Räumen thematisiert wird – im Unterschied zu individuumszentrierte Ansätzen. Materiell-gerontologische Ansätze fokussieren hingegen eine Dezentrierung des Menschen in der Forschung und verstehen Handlungsmächtigkeit als verteilt auf menschliche wie auch nichtmenschliche Agenten, um die Verschränkung von Mensch und Technik zu untersuchen.

Einen auf alternde Gruppen von Techniknutzer*innen gerichteten Blick nimmt der zweite Beitrag von Claudia Müller und Carolin Kollewe ein. Unter dem Titel „Soziotechnische Innovationen und Partizipation“ erläutern die Autor*innen grundlegende Ansätze des „Practise-based“-Designs aus dem Umfeld der Sozioinformatik und setzen sie in Verbindung mit partizipativen Ansätzen in der Gerontologie. Dabei gehen sie von der Prämisse aus, dass digitale Anwendungen die soziale Praxis verändern, aber gleichzeitig auch die IT-Gestaltung durch gesellschaftliche Einflüsse beeinflusst wird. Auch deshalb müssen sich Gestaltungsprinzipien an realweltlichen Praktiken orientieren und damit an situierten Aneignungsformen der avisierten Gruppen von Nutzer*innen. Dabei greifen neuere Ansätze des Practise-based-Designs auch auf Ethnographie-gestützte und partizipative Gestaltungsprinzipien zurück und teilen auch Grundannahmen partizipativer Ansätze in der Gerontologie.

Der dritte Beitrag von Renate Schramek und Stefanie Engler widmet sich dem eher individuumszentrierten Thema „Interaktionen mit soziotechnischen Systeme lernen. Eine geragogische Perspektive auf die Bedeutsamkeit von Wechselwirkungen und Beziehungen in Lernprozessen mit Älteren“. Die Autor*innen verweisen dabei auf Forschungsergebnisse, nach denen individualisierbare Funktionen soziotechnischer Systeme, bezogen auf Akzeptanz und Nutzung von Älteren, positiv bewertet werden. Sie fokussieren in diesem Kontext auf Ansatzpunkte für Bildungs- und Lernprozesse zur Kompetenzerweiterung hinsichtlich verbesserter Techniknutzung. Aus geragogischer Perspektive stellen sich dabei Fragen nach der Gestaltung von Lernprozessen in soziotechnischen Lernarrangements, wie auch in Forschungs- und Entwicklungsprozessen, die selbst als Lernprozesse, in die alle Beteiligten als Lernende involviert sind, angelegt sein müssen. Ziel ist dann die bestmögliche Passung der technischen Lösungen mit den avisierten Einsatzbereichen in realweltlichen Situationen.

Partizipation und Multiperspektive sind Basis und konstitutives Element soziotechnischer Innovation

Die Forderung nach Beteiligung und lebensweltlicher Passung reicht also von der Konzeption, über das Design, bis hin zur Einführung und Aneignungsforschung. Dabei besteht eine wichtige Prämisse in der soziotechnischen Dualität digitaler Infrastrukturen. Dies bedeutet, dass einerseits digitale Anwendungen die soziale Praxis und damit auch den gesellschaftlichen Wandel beeinflussen und andererseits gesellschaftliche Einflüsse und Aneignungsmodi die Gestaltung digitaler Technologien bedingen [3].

Der abschließende Kommentar zum Themenschwerpunkt von Hans-Werner Wahl bescheinigt den Beiträgen in diesem Themenschwerpunkt eine hohe Aktualität im Kontext der zentralen Frage, ob und wie soziotechnische Systeme zum Gelingen des Alternsprozesses beitragen können. Er sieht in digitalen Technologien eine Lebensweltveränderung, die zu einer historisch noch relativ neuen Materialitätsdimension des Alterns wird, mit erheblichen Folgen für eine zukünftige Alterskultur. Vor diesem Hintergrund plädiert er u. a. für den systematischen Ausbau einer Allianz der Gerontologie und Geriatrie mit der Sozioinformatik und stellt fest, dass diese bislang im interdisziplinären Miteinander der an der Alter-Technik-Forschung beteiligten Akteur*innen zu kurz gekommen sei. Insofern hat dieser Themenschwerpunkt auch mit Blick in die Zukunft eine hohe Relevanz, und er ist geeignet, wichtige Fachdiskurse anzuregen und zu bereichern.