Partizipative Forschung ist ein Sammelbegriff für Forschungsansätze, die soziale Wirklichkeit von Menschen partnerschaftlich erfassen und beeinflussen wollen. Für diese Art der Forschung ist die Beteiligung von Menschen am Forschungsprozess zentral, nicht nur als Teilnehmer*innen und Datengebende, sondern als Mitforschende, die Wissen generieren und mit den Ergebnissen gesellschaftliche Veränderungsprozesse in Gang bringen [5, 6, 8]. In diesem Verständnis sind Teilnehmer*innen nicht nur Träger von Information und also Forschungsobjekte (im Sinne von Forschung über), sondern mitwirkende aktive Forschungssubjekte (im Sinne von Forschung mit), die auch als Co-Forscher*innen bezeichnet werden. Der Auftrag der Gleichberechtigung bedeutet, dass universitäre Forscher*innen gemeinsam mit Co-Forscher*innen auf Augenhöhe zusammenarbeiten, Entscheidungen entlang des gesamten Forschungsprozesses treffen und voneinander lernen, sodass beide Seiten gestärkt aus der Zusammenarbeit hervorgehen [8]. Das bedeutet auch, dass die Erkenntnisse der Forschung nicht allein einer wissenschaftlichen Verwertungslogik folgend verarbeitet werden, sondern dass sie die sozialen, politischen und organisationalen Kontexte von sozialer Wirklichkeit kritisch reflektieren und aktiv beeinflussen. Partizipative Forschung in der Gerontologie beinhaltet ein emanzipatorisches Potenzial, wenn älteren Menschen Möglichkeiten gegeben werden, in einem Kollektiv gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu verändern bzw. mitzugestalten [2]. Der gemeinschaftliche Prozess der Mitbestimmung, Erkenntnisgewinnung und Veränderung hat positive Auswirkung auf die individuelle Handlungsmächtigkeit und erhöht die Sichtbarkeit von Altersfragen auf der gesellschaftlichen Ebene. In diesem Sinne soll partizipative Forschung mit älteren Menschen v. a. sozialen Ungleichheiten entgegenwirken [4]. Die Herausforderungen partizipativer Alternsforschung und die Anforderungen an wissenschaftliches Arbeiten auf allen Ebenen des Forschungsprozesses gilt es dabei zu benennen und zu reflektieren.

Partizipative Forschung mit älteren Menschen soll v. a. sozialen Ungleichheiten entgegenwirken

Im Diskussionspapier „Partizipation und partizipative Methoden in der Gerontologie“ von Kirsten Aner werden die Chancen, Risiken und Grenzen von Partizipation aus kritisch-gerontologischer Perspektive dargestellt und es wird deutlich gemacht, dass im deutschsprachigen Raum die Reflexion und Bewertung der Partizipation älterer Menschen in Wissenschaft und Praxis noch begrenzt ist [1]. Als zentrale Herausforderung wird hervorgehoben, dass soziale Ungleichheit die Teilhabechancen von marginalisierten älteren Menschen behindern, sodass hier Grenzen der Partizipation zunächst überwunden werden müssen. Im Prozess der partizipativen Forschung wird darüber hinaus das Kriterium der Übertragung von Macht und Entscheidungsbefugnissen auf Co-Forscher*innen genannt und die Notwendigkeit, diesen Prozess von allen Beteiligten zu reflektieren. In einem Systematic Review von Hayley James und Tine Buffel [7] wird deutlich, wie stark dieser Forschungsansatz sich international in der Gerontologie bereits etabliert hat, wenngleich die Autorinnen aufzeigen, dass Veröffentlichungen nicht immer transparent darstellen, wie Co-Forscher*innen in unterschiedlichen Phasen der Forschung involviert sind.

Um die Qualität partizipativer Forschung zu stärken, plädiert Hilary Bradbury [3], bei aller Vielstimmigkeit und situativen Pragmatik, für die folgenden Kriterien: klare Artikulation der Ziele; Transparenz in der Ausprägung von Partnerschaftlichkeit und Partizipation; Verankerung in und Beitrag zum theoretischen Wissenstand; angemessene Methoden und Einblicke in die Art und Weise, wie gearbeitet wurde; Darstellung, wie Veränderungen Bedarfe adressieren; Reflexion des relationalen und situativen Vorgehens aller Beteiligten im Umgang mit Macht; und Signifikanz des Erzielten jenseits der unmittelbar Betroffenen. Vor diesem Hintergrund diskutieren und reflektieren die Beiträge in diesem Themenschwerpunkt aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven die theoretischen Grundannahmen partizipativer Forschung und Erfahrungen zum methodischen Vorgehen und zur Relevanz der Ergebnisse in Projekten mit älteren Menschen.

Im ersten Beitrag von Anna Wanka und Anna Urbaniak werden die unterschiedlichen Verständnisse und Definitionen von partizipativer Alter(n)sforschung präsentiert. Neben den wichtigsten Anwendungsfeldern dieser Forschungsausrichtung diskutieren die Autorinnen zentrale Herausforderungen und zeigen Lösungsansätze auf.

Auch der zweite Beitrag von Caroline Kollewe beschäftigt sich mit dem methodologischen Verständnis von partizipativer Forschung und untersucht die Konturen in aktuellen partizipativen Ansätzen mit einem spezifischen Fokus auf Technikentwicklung mit älteren Menschen. Die Autorin erörtert die Feigenblattfunktion von Partizipation in Kontexten, wenn (wirtschaftliche) Entscheidungen durch die Beteiligung älterer Menschen legitimiert werden.

Im dritten Beitrag von Marilena von Köppen und Susanne Kümpers werden zwei Projekte im Bereich der Gesundheitsförderung älterer Menschen mit dem Capability Approach von Martha Nussbaum kritisch reflektiert. Bedeutend an diesem Beitrag sind die beteiligten Personengruppen, in einem Projekt waren es gesundheitlich eingeschränkte Bewohner*innen in einem Pflegeheim und im anderen Projekt ältere Menschen in schwierigen Lebenslagen.

Der vierte Beitrag von Miranda Leontowitsch und Hans Prömper reflektiert die Entwicklung einer Forschungsfrage und die unterschiedliche Bedeutung dieses Unterfangens für die beteiligen Gruppen und den Einfluss auf Prozess und Machtverhältnisse im Projekt.

In Anbetracht der komplexen Lebenslagen vieler älterer Menschen und angesichts von Veränderungsbedarfen, möchte der Themenschwerpunkt einen Beitrag zur methodologischen und methodischen Weiterentwicklung von partizipativer Forschung in der Gerontologie leisten.