Der Vergleich der 3 Bevölkerungsbefragungen von 2009, 2014 und 2019 zeigt auf, dass die digitale Transformation, die sich im Alltag in einer Zunahme der Anwendung digitaler Technologien widerspiegelt, in allen Haushalten stattfindet – so auch in jenen der mindestens 65-Jährigen. Wurden 2009 oder 2014 nur wenige neue mobile Technologien wie das Smartphone genutzt, so waren es 2019 bereits mehr als die Hälfte, die ein Smartphone nutzten. Auch die Internetnutzung ist seit 2009 deutlich angestiegen und lag 2019 bei 74 %. Die Nutzung erklärte sich auch 2019 durch das Alter, die Bildung, das Einkommen und das Technikinteresse; Faktoren, die bereits 2009 herausgestellt wurden und auch in anderen Studien für Deutschland [9] und Europa [6] zu beobachten sind. Ferner ließen sich 2019 ähnliche Gründe für die Nichtnutzung des Internets erkennen, und auch heute werden noch nicht alle gängigen Onlineservices (z. B. Internetbanking, Kauf von Waren oder soziale Netzwerke) genutzt. Hinsichtlich des Technikinteresses und der Einstellung gegenüber dem Internet lässt auch die aktuelle Erhebung erkennen, dass zwar die Einstellungen über die Jahre eher stabil geblieben sind, aber auch jetzt noch diverse Einstellungsgruppen zu finden sind. Neben jenen mit einer positiven Einstellung gibt es auch weiterhin jene mit einer ambivalenten bis negativ geprägten Einstellung zum Internet.
Über alle 3 Befragungen hinweg zeigen sich in der multivariaten Analyse das Alter, die Bildung, das Einkommen und die Einstellung zur Technik als konstante Erklärungsfaktoren für die Internetnutzung. Somit ergeben sich auch Ende 2019 noch Unterschiede zwischen Personen im Alter von 65 bis 79 Jahren zu Personen ab 80 Jahren; auch sind individuelle Ausstattungen wie das Einkommen oder die Bildung weiterhin Ressourcen für eine Internetnutzung [6]. Hingegen zeigte sich 2019 kein Effekt beim Geschlecht oder der subjektiven Gesundheit mehr, was andeutet, dass ehemals erklärende Faktoren an Bedeutung verlieren, da heutzutage das Internet von mehr Bevölkerungsgruppen genutzt wird. Dennoch sollten gesundheitliche Aspekte bei der Internetnutzung weiterhin berücksichtigt werden, da z. B. Einschränkungen des Sehens oder Hörens direkten Einfluss auf die vollumgängliche Nutzung vom Internet nehmen können.
Auch wenn Nutzungszuwächse erkennbar sind, zeigt der Jahresvergleich auch, dass sich der digitale Graben nun v. a. innerhalb der älteren Bevölkerungsgruppe zeigt. So sind es insbesondere Personen ab 80 Jahren, die das Internet weniger nutzen und auch seltener ein Smartphone oder Tablet besitzen. Diese Nutzungsunterschiede lassen sich auch in der stationären Alterspflege erkennen, wo die Bewohnerinnen und Bewohner seltener technische Neuerungen nutzen als jüngere Personen [11, 15]. Insbesondere jene, die weniger bis gar nicht in der heutigen digitalen Welt vertreten sind, könnten sich sozial exkludiert fühlen, wenn klassische Zugänge wie ein „bedienter Postschalter“ aufgrund von z. B. Sparmaßnahmen wegfallen oder wenn – wie jetzt – pandemiebedingte fehlende direkte Kontakte nicht durch digitale Lösungen kompensiert werden können [16]. Es besteht die Gefahr, dass sich diese älteren Menschen einem „Diktat des Digitalen“ [8] gegenübergestellt sehen, wenn eine Teilhabe in der heutigen Gesellschaft bedeutet, bestimmte Technologien nutzen zu müssen.
Der Vergleich der 3 Untersuchungen hinsichtlich der Verteilung von „klassischen“ Technologien (z. B. Fernsehen und Radio) zu „modernen“ Technologien (z. B. Smartphone und Tablet) zeigt zwar schon, dass immer mehr auch neuere Informations- und Kommunikationswege genutzt werden, aber dennoch die Nutzung des Fernsehers und des Radios relativ stabil geblieben ist. Somit kann eher vermutet werden, dass die neueren IKT-Geräte nicht unmittelbar „klassische“ Zugänge ersetzen, sondern ergänzen.
Werden die vorliegenden Daten mit anderen internationalen Studien verglichen, zeigen sich ähnliche Trends in der Zunahme der „modernen“ Technologien (z. B. Smartphone, Internet, Tablet), dennoch zeigt der Vergleich mit europäischen Daten [5, 6] anhand der Internetnutzung, dass die Schweiz im Vergleich z. B. zu Deutschland insgesamt höhere Nutzungszahlen bei den Personen ab 65 Jahren aufweist. Daher sollten länderspezifische Unterschiede in der Nutzung von IKT berücksichtigt werden und die hier vorliegenden Erkenntnisse nicht 1:1 auf andere Länder übertragen werden.
Auch wenn der Zeitvergleich einen eindeutigen Trend zu „mehr Technik“ zeigt, sollte daraus nicht geschlossen werden, dass der digitale Graben in 10 bzw. 20 Jahren komplett verschwindet. Sicherlich wird sich die Nutzung der heute etablierten Alltagstechnologien ähnlich entwickeln wie die des Internets, dennoch ist davon auszugehen, dass in ca. 10 bis 20 Jahren andere Technologien den Alltag mitbestimmen werden (z. B. „virtual“ oder „augmented reality“, künstliche Intelligenz). Daher sollte innerhalb der Gerontologie nicht mehr nur gefragt werden, „wann“ der digitale Graben verschwindet, sondern „wie“ sich dieser Graben in den nächsten Jahren verschieben bzw. neu gestalten wird.
Die Gruppe der Offliner ist in ihren Merkmalen und Einstellungen heterogen, weshalb Maßnahmen immer zielgruppenbezogene oder, noch besser, individuell angepasste Lösungen berücksichtigen sollten [13]. Das Aufzeigen eines möglichen persönlichen Vorteils bei der Internetnutzung kann als anziehender Faktor dienen. Neben klassischen Schulungsangeboten sollte auch das soziale Umfeld (z. B. Familie, Freunde, Nachbarschaft) als Ressource herangezogen werden – als Impulsgeber und informelle Unterstützung [4]. Neben der reinen Vermittlung der Mediennutzungskompetenz sollte es aber auch um eine Medienbildung gehen, also die Fähigkeit, moderne Technologien nicht nur zu nutzen, sondern reflektiert zu nutzen (z. B. zu wissen, wo im Internet Gefahren lauern könnten).
Limitationen
Bei den durchgeführten Studien handelt es sich um Querschnittsuntersuchungen; Veränderungen innerhalb einer Person können daher nicht abgebildet werden. Für die weitere Forschung wäre es daher wünschenswert, einerseits individuelle Daten im Längsschnitt zu erheben, anhand derer die intraindividuelle Einstellungs- und Nutzungsveränderung beobachtet werden könnte. Die hier vorgelegten Daten beziehen sich nur auf die Schweiz, daher sind direkte Übertragungen der Ergebnisse auf andere Länder nur für vergleichende Zwecke heranzuziehen; allfällige kulturelle Unterschiede sollten berücksichtigt werden. Zudem wurden in den 3 Befragungen Personen in Privathaushalten berücksichtigt; jedoch fehlt es an Studien zur IKT-Nutzung in den stationären Einrichtungen der Alterspflege.