In diesem Beitrag ist es hervorragend gelungen, die Konstrukte Krankheit, Gesundheit und Alter in einer professions- und fachübergreifenden Perspektive darzustellen. Das dargestellte Modell („Vitalitätskonzept“) veranschaulicht sehr deutlich, dass disziplinübergreifende Forschung unabdingbar ist, um komplexe Lebens- und Altersphänomene möglichst umfassend untersuchen zu können. Vom Genetiker bis zum Philosophen werden sehr ausführlich beteiligte Professionen und Spezialdisziplinen aufgezählt, „die heute an der Aufklärung und Beeinflussung des menschlichen Alterns beteiligt sind“ (S. 200). Die Verwendung der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) bietet sich als professionsübergreifende Terminologie zur Charakterisierung gesundheitsbezogener Zustände ebenfalls an. Eine Disziplin wird jedoch im gesamten Beitrag nicht erwähnt: die Pflege bzw. die Pflegewissenschaft.

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass Pflegende weltweit die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen darstellen. Durch ihr Handeln üben Pflegende einen direkten Einfluss auf zahlreiche gesundheitsrelevante Ergebnisse wie Lebensqualität, ADL-Kompetenz, Morbidität und Mortalität und eben auch auf Leistungsfähigkeit, Vitalität und funktionales Altern aus. Selbst wenn der Gegenstand Pflege scheinbar diffus ist und als personenbezogene Dienstleistung oft in den „Sektor der Einfachheit“ ([3], S. 47) geschoben wird, hat die Pflegewissenschaft in den letzten Jahrzehnten erhebliche Beiträge zur Sichtbarmachung und Erforschbarkeit von Pflege geleistet. Neben der pflegespezifischen Diagnose, Definition und Behandlung von vorhandenen Gesundheitsproblemen bietet die Pflegeperspektive eine sinnvolle Ergänzung zu etablierten Klassifikationen: Für Potenziale der Gesundheitsförderung im Sinne der Stärkung von Ressourcen zur Gesunderhaltung und zur Formulierung von Gesundheitsrisiken existieren explizit formulierte Terminologien und Zustandsbeschreibungen [2, 4, 5], die weder in der ICD-10 noch in der ICF vorkommen. Auch wenn im Vergleich zu anderen Ländern in Deutschland bislang nicht umgesetzt, sind Gesundheitsförderung und Prävention über alle Ziel- und Altersgruppen hinweg traditionell etablierte pflegerische Handlungsfelder [1].

Fachübergreifendes und integratives Denken ist sehr zu begrüßen. Es gibt pflegerische Wissensbestände, die bei der Analyse und Lösung der komplexen gesundheitlichen Probleme alternder Gesellschaften nützlich sein können.