Die Bedeutung einer adäquaten Kalorien- und Proteinzufuhr für das „Outcome“ des Intensivpatienten wurde von aktuellen Daten einer internationalen Beobachtungsstudie noch einmal sehr eindrucksvoll bestätigt [1]. Wie eine aktuelle Umfrage ergab, besteht selbst auf ernährungsmedizinisch erfahrenen Intensivstationen häufig eine erhebliche Lücke zwischen der vorgesehenen und der tatsächlich verabreichten Kalorienzufuhr [2].

Die pathophysiologischen Konzepte und klinischen Daten sprechen eindeutig für eine frühzeitige Nahrungszufuhr.

Ebenso ist heute unbestritten, dass der enteralen Ernährung – wann immer möglich – der Vorzug zu geben ist. Dies gilt auch für Patienten mit Sepsis und Multiorgandysfunktion und findet sich in allen aktuellen Leitlinien [3, 4, 5]. Gerade beim kritisch Kranken muss ggf. mit minimal-enteraler Ernährung der Fokus auf den Erhalt der intestinalen Barriere gerichtet sein. Eine aktuelle Metaanalyse weist nach, dass bei früher enteraler Ernährung die Letalität von Traumapatienten auf der Intensivstation signifikant sinkt [6]. Beim kritisch Kranken steht jedoch auch die Machbarkeit in Frage; enterale Ernährung kann bei gestörter gastrointestinaler Motilität und Katecholaminbedarf zur Kreislaufstützung problematisch und auch riskant sein.

Eine seltene und unbedingt zu vermeidende Komplikation einer enteralen Ernährung kann die ischämische Darmnekrose sein, die in einer eigenen Literaturzusammenstellung eine Letalität von 60% aufweist. Andererseits steigt mit einem auf der Intensivstation etablierten Algorithmus, Ernährungsprotokoll oder SOP die enterale Ernährbarkeit auch unter schwierigeren Bedingungen signifikant an [7]. So empfehlen die Leitlinien im Falle einer schweren hämodynamischen Instabilität den vorübergehenden Stopp einer enteralen Zufuhr [3, 4, 5]. Ist die Entscheidung „wann enteral und wie viel“ beim wirklich kritisch Kranken v. a. eine Frage der persönlichen klinischen Erfahrung und Einschätzung des Arztes [8]? Zur Diskussion steht auch weiterhin der Zeitpunkt für den Start einer supplementierenden parenteralen Substratzufuhr [3, 4, 9].

Im vorliegenden Themenheft haben Andrea Schneider und Michael Momma (Hannover) die aktuellen Konzepte zur Durchführung der enteralen Ernährung mit einer Übersicht über Nährlösungen und Sonden zusammengestellt. Thomas Felbinger (München) diskutiert die verfügbaren Daten zur Indikation einer kombinierten enteralen-parenteralen Ernährung, vor allem da, wo die enterale Zufuhr den Kalorienbedarf nicht zu decken vermag. Wolfgang Hartl und David Kuppinger (München) besprechen das geeignete metabolische Monitoring des Intensivpatienten. Michael Herbert (Würzburg) zeigt die medikamentösen Optionen zur Behandlung der gastrointestinalen Motilitätsstörung. Schließlich stellen Mette Berger (Lausanne) und Wilfred Druml (Wien) ihre persönlichen Vorgehensweisen zur enteralen Ernährung bei hämodynamischer Instabilität vor.

Mit dem Themenheft verbindet sich die Hoffnung, über Unsicherheiten bei Indikationsstellung und Durchführung der enteralen Ernährung beim kritisch Kranken hinwegzuhelfen und die Implementierung der verfügbaren Leitlinien im klinischen Alltag zu verbessern.

Arved Weimann