Das akute Leberversagen (ALV) ist gekennzeichnet durch das rasche Auftreten einer schweren Leberschädigung mit konsekutiver Verschlechterung der Lebersyntheseleistung und Entwicklung einer hepatischen Enzephalopathie bei Patienten ohne vorbestehende chronische Lebererkrankung. Hierdurch wird das akute Leberversagen von Endstadien chronischer Lebererkrankungen differenziert, bei denen es im klinischen Verlauf ebenfalls zum Ausfall der Leberfunktion kommen kann. Die schlechte klinische Spontanprognose von Patienten mit ALV wird durch die Kombination aus schwerer Leberinsuffizienz mit Ikterus und Gerinnungsstörung und hepatischer Enzephalopathie determiniert.

Eine allgemeingültige Definition des akuten Leberversagens ist nicht etabliert. Das Auftreten einer hepatischen Enzephalopathie innerhalb von 8 Wochen nach Einsetzen der ersten Symptome bei Patienten bzw. die Entwicklung einer hepatischen Enzephalopathie innerhalb von 2 Wochen nach Beginn eines Ikterus bei vorher lebergesunden Patienten sind Definitionsversuche eines fulminanten ALV, von denen sich das akute und subakute ALV nur durch das Zeitintervall der klinischen Symptomatik unterscheidet [1, 30].

Die klinische Charakteristik des ALV ist abhängig vom zeitlichen Verlauf der Leberversagens. Während bei rapiden Verläufen die hepatische Enzephalopathie mit Hirnödem im Vordergrund steht, ist die Klinik bei langsameren, subakuten Verläufen durch ein einsetzendes Nierenversagen und durch die Entwicklung einer portalen Hypertension gekennzeichnet [17].

Die historische Differenzierung in fulminantes oder hyperakutes, akutes und subakutes Leberversagen hat im Gegensatz zur zugrunde liegenden Ätiologie jedoch keine prognostische Relevanz [30]. Erkrankungen mit ungünstiger Prognose, die zu einem ALV führen können, sind M. Wilson, Budd-Chiari-Syndrom und Non-A-, -B- oder -C-Hepatitis. Die Inzidenz des ALV in den Vereinigten Staaten von Amerika liegt bei ca. 2000 Fällen jährlich, und etwa 6% aller leberbezogenen Todesfälle sind auf ein akutes Leberversagen zurückzuführen [10].

Ätiologie und Epidemiologie des akuten Leberversagens

Einem akuten Leberversagen können zahlreiche Ursachen zugrunde liegen (Tab. 1). Die Ätiologie des ALV ist abhängig von geografischen Gegebenheiten. Insgesamt weltweit dominierende Ursachen für ein ALV sind virale Hepatitiden. Daten der „Acute Liver Failure Study Group“, die zwischen 1998 und 2001 in den USA erhoben wurden, zeigten als führende Ursachen eine Paracetamol-Überdosierung in 39%, eine ideopathische Ätiologie in 17%, eine ideosynkratische Medikamentenreaktion in 13% und die akute Hepatitis A oder B in 12% aller Fälle von akutem Leberversagen [22]. Überraschend scheint hier die hohe Zahl an „ideopathischen Leberversagen“. Interessanterweise konnte in ca. 20% dieser Fälle durch die Bestimmung von Paracetamol-Protein-Komplexen im Serum eine nicht diagnostizierte Paracetamol-Überdosierung als ursächlich nachgewiesen werden [7].

Tab. 1 Ätiologie des akuten Leberversagens

In einer kürzlich veröffentlichten Studie von Canbay et al. [5] wurden in einer retrospektiven Studie im Zeitraum von 2002–2008 aktuelle Ätiologien des ALV für das Ruhrgebiet in Deutschland ermittelt. Die erhobenen Daten entsprechen weitgehend denen aus den USA, Großbritannien und Schweden [22, 30, 32]. Demnach sind die häufigsten Ursachen für ein ALV in Deutschland Medikamententoxizität (39,6%), virale Hepatitiden (23,1%) oder heterogene Ursachen (16,4%). In 20,9% der Fälle konnte keine eindeutige Ätiologie für ein ALV identifiziert werden (Abb. 1). Paracetamol wurde als Hauptursache für ein medikamentös-toxisches ALV beschrieben, am zweithäufigsten war eine Phenprocoumon-Toxizität ursächlich. Die zusätzliche Kombination mehrerer Medikamente sowie chronischer Alkoholkonsum und Übergewicht sind – im Sinne der Hypothese eines „second hit“ – möglicherweise Faktoren, die das Risiko für ein ALV erhöhen [4, 13]. Klinisch kann die Differenzierung zwischen akutem Leberversagen und akut-auf-chronischer Leberschädigung schwierig sein und eine Leberbiopsie zum Ausschluss einer Zirrhose notwendig werden lassen.

Abb. 1
figure 1

Ursachen des ALV in Deutschland [5]

Prinzipiell sollten Patienten mit ALV auf der Intensivstation, möglichst in einem Transplantationszentrum, behandelt werden.

In Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Ätiologie müssen spezifische Therapiemaßnahmen eingeleitet und kontinuierlich die Indikation zur Lebertransplantation überprüft werden. Insgesamt werden schätzungsweise 8% aller Lebertransplantationen in Deutschland aufgrund eines akuten Leberversagens durchgeführt.

Prognose des akuten Leberversagens

Durch die Lebertransplantationschirurgie und die kontinuierlichen Fortschritte in der Intensivmedizin konnte die Prognose von Patienten mit ALV deutlich verbessert werden. Lag das spontane, transplantationsfreie Überleben vor 1990 bei weniger als 20%, konnte nach amerikanischer Datenlage das spontane und Gesamtüberleben auf über 40 bzw. 65% verbessert werden [14, 22, 23]. Die Regenerationskapazität der Leber bei ALV ist neben anderen Faktoren abhängig von der zugrunde liegenden Ätiologie. So hat das ALV aufgrund einer Paracetamol-Überdosierung eine gute spontane Prognose, ein ALV, das durch ideosynkratische Medikamentenreaktionen induziert wird, hat jedoch ohne Lebertransplantation eine sehr hohe Mortalität [21].

Charakteristisch für den klinischen Verlauf des akuten Leberversagens ist die rasche Entwicklung eines Multiorganversagens.

Aus der verminderten Produktion von Opsoninen durch die geschädigten Hepatozyten resultiert frühzeitig eine deutliche Beeinträchtigung des Immunsystems, die klinisch zu mikrobiellen Infektionen und Endotoxinämien führen. Konsekutiv werden Makrophagen aktiviert und setzen verschiedene Zytokine wie Interleukin-6 (IL-6) und Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) frei, die das klinische Bild des „systemic inflammatory response syndrome“ (SIRS) bedingen. Die Hämodynamik ist gekennzeichnet durch periphere Vasodilatation, niedrige intravasale Füllungsdrücke, kompensatorisch gesteigertes Herzzeitvolumen und einer in Folge beeinträchtigten Mikrozirkulation und Gewebehypoxie, durch die sekundäre Organschäden induziert werden. Die optimale supportive intensivmedizinische Betreuung ist zentraler Bestandteil der Therapie des akuten Leberversagens und kann das notwendige Zeitfenster für eine spontane Leberregeneration öffnen oder aber eine Stabilisierung des Patienten und damit ein „Bridging“ zur notwendigen Transplantation ermöglichen.

Zusammenfassend ist die Prognose des akuten Leberversagens abhängig von der zugrunde liegenden Ätiologie, dem Alter des Patienten, der Dynamik, mit der sich das Krankheitsbild entwickelt, und dem Ausmaß der sekundären Organschäden. Auf hepatologischer pathophysiologischer Ebene sind die metabolischen Konsequenzen des Verlustes an funktionsfähiger Leberzellmasse, die Freisetzung toxischer Metabolite aus den zugrunde gegangenen Leberanteilen und die Fähigkeit der verbliebenen Leberanteile zur Regeneration entscheidend für die Gesamtprognose.

Konservatives Management des akuten Leberversagens

Allgemeine Überlegungen

Die erste entscheidende Maßnahme im Management des akuten Leberversagens ist die sofortige Diagnosestellung bei Patienten mit dem klinischen Bild einer Leberfunktionsstörung und einer Bewusstseinsstörung (Tab. 2), um den weiteren Krankheitsverlauf umgehend günstig beeinflussen zu können. Die Tab. 3 gibt einen Überblick über relevante Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren in der Diagnostik des ALV.

Differenzialdiagnostisch wichtig ist die Unterscheidung des ALV von einer akut dekompensierten Leberzirrhose oder einer Sepsis.

Aufgrund der schlechten Prognose des ALV und des Managements des häufig assoziierten Multiorganversagens (MOV) sollte die weitere Therapie auf der Intensivstation durchgeführt und eine Verlegung in ein spezialisiertes Transplantationszentrum erwogen werden.

Tab. 2 Klinische Schweregrade der hepatischen Enzephalopathie. (Mod. nach [6])
Tab. 3 Relevante diagnostische Parameter bei ALV

Schätzungsweise 25% aller Patienten mit ALV benötigen eine Lebertransplantation. Bei ALV mit schlechter Gesamtprognose aufgrund der zugrunde liegenden Ätiologie (z. B. M. Wilson, Budd-Chiari-Syndrom, Non-A-, -B- oder -C-Hepatitis) liegt die Transplantationsrate bei 40–50% [15]. Eine allgemeine Prognoseabschätzung des ALV kann mithilfe der allgemein etablierten King’s College Kriterien erfolgen (Tab. 4; [20]). Bei Vorliegen einer hepatischen Enzephalopathie Grad II oder eines INR >2,0 sollte die Behandlung in einer hepatologisch erfahrenen Intensiveinheit durchgeführt werden. Hochrisikopatienten, besonders junge Patienten (<10 Jahre) oder Patienten >45 Jahre und Patienten mit ungünstiger Ätiologie des ALV sollten spätestens mit Beginn der ersten Anzeichen einer hepatischen Enzephalopathie in ein Transplantationszentrum verlegt werden. Aufgrund einer möglicherweise rasch progredienten Verschlechterung der Leberfunktion und einer schwerwiegenden Alteration des Bewusstseinszustandes mit fehlendem Schluckreflex sollte durch Glukoseinfusion eine Normoglykämie gewährleistet werden und eine Sicherung der Atemwege während des Transports erfolgen. Die Auswahl von geeigneten Patienten und die Festlegung des optimalen Transplantationszeitpunkts können schwierig sein und sollten durch erfahrene Transplantationsmediziner erfolgen.

Tab. 4 King’s-College-Kriterien für eine schlechte Prognose bei ALV [20]

N-Acetylcystein bei akutem Leberversagen

Die Applikation von N-Acetylcystein (NAC) ist als spezifische Therapie des Paracetamol-induzierten Leberversagens etabliert. In therapeutischen Dosen wird Paracetamol durch Glukoronidierung oder Sulfatierung entgiftet. Bei hohen toxischen Paracetamol-Dosen (≥7 g/Tag) oder einer Enzyminduktion erfolgt die Metabolisierung über Cytochrom p450 IIE1, und es entsteht hierbei der Metabolit N-Acetyl-p-Benzochinon-Imin (NAPQI). Sind ausreichende hepatische Glutathionreserven vorhanden, wird NAPQI in der Leber entgiftet. Ist dies nicht der Fall, kommt es zur kovalenten Bindung an zelluläre Proteine. Diese NAPQI-Proteinkomplexe induzieren konsekutiv die hepatozelluläre Nekrose.

Die hoch dosierte N-Acetylcystein-Applikation kann das Auftreten eines durch Paracetamol induzierten Leberversagens verhindern

Die hoch dosierte N-Acetylcystein-Applikation bei akuter Paracetamol-Intoxikation stellt ausreichende hepatische Glutathionreserven sicher und kann das Auftreten bzw. den Progress eines durch Paracetamol induzierten Leberversagens verhindern.

Aber auch bei nicht durch Paracetamol induziertem ALV kann die Therapie mit NAC sinnvoll sein. In einer kleineren Studie an 50 Patienten und in Fallberichten konnte ein positiver Einfluss auf die Gesamtprognose gezeigt werden [12]. Über den zytoprotektiven Effekt der Rekonstitution hepatischer Glutationspeicher hinaus hat die Applikation von NAC im ALV günstige Effekte auf die Hämodynamik und die Sauerstoffversorgung des peripheren Gewebes [9]. Lee et al. [16] haben in ihrer kürzlich erschienenen prospektiven multizentrischen Studie den Effekt von NAC bei 173 Patienten mit nicht Paracetamol-induziertem akutem Leberversagen im Zeitraum von 1998–2006 untersucht. Die Patienten wurden nach dem Grad der Enzephalopathie kategorisiert und entweder mit NAC oder Placebo behandelt. NAC wurde über einen Zeitraum von 72 h in 3 Stufen in absteigender Dosierung intravenös infundiert (Tab. 5). Als primärer Endpunkt wurde das Gesamtüberleben nach 3 Wochen und als sekundäre Endpunkte wurden das transplantationsfreie Überleben und die Transplantationsrate definiert. Bezüglich des primären Endpunktes zeigte sich kein statistischer Unterschied zwischen NAC und Placebo. Jedoch zeigte sich eine signifikant höhere Rate an transplantationsfreiem Überleben der Patienten im NAC-Arm, insbesondere bei Patienten mit hepatischer Enzephalopathie Grad I–II, sodass die NAC-Applikation eine therapeutische Option in frühen Stadien des nicht Paracetamol-induzierten akuten Leberversagens darstellt.

Tab. 5 Applikation von N-Acetylcystein bei ALV [16]

Aktuelle tierexperimentelle Daten deuten darauf hin, dass NAC weitere Gluthation-unabhängige Effekte auf die zelluläre Protektion besitzt, die durch Veränderungen im intrazellulären Energiemetabolismus begründet sind, und zur Stabilisierung der mitochondrialen Funktion beiträgt [36]. Darüber hinaus beeinflusst NAC die Zytokinsynthese und fungiert als Fänger freier Radikaler und kann möglicherweise über antiinflammatorische Effekte und Wirkung als Antioxidans die hepatozelluläre Regeneration begünstigen [11].

Aufgrund der vielfältigen positiven Effekte in vivo und in vitro auf die Hämodynamik, die Gewebeoxygenierung und den intrazellulären Metabolismus, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht vollständig verstanden sind, stellt NAC einen vielversprechenden Ansatz für die Entwicklung zukünftiger therapeutischer Strategien bei ALV dar.

Management spezifischer Komplikationen des ALV

Die Klinik des ALV, unabhängig vom gleichzeitigen Vorliegen einer Infektion, weist enge Parallelen zum septischen Schock auf. Durch die Freisetzung inflammatorischer Zytokine aus der nekrotischen Leber resultiert ein „systemic inflammatory response syndrome“ (SIRS) mit folgendem Multiorganversagen (MOV).

Es kommt zu einer Erhöhung des portalvenösen Drucks, zu einem Pooling von Blut im Splanchnikusgebiet und damit zu einer Verminderung des venösen Rückstroms.

Entscheidend für die Prognose von Patienten mit SIRS, Sepsis und septischem Schock ist die frühzeitige zielorientierte Volumentherapie.

Dies konnte eindrucksvoll in der Meilensteinstudie von Rivers et al. [24] gezeigt werden. Ein wichtiges klinisches Problem in der Volumentherapie kritisch kranker Patienten sind das hämodynamische Monitoring und die Effekte der Volumenbelastung auf den Gesamtorganismus. Hohe Volumenlast und hohe Beatmungsdrücke können zu einem partiellen Rechtsherzversagen mit Blutrückstau in die Leber führen. Im intensivmedizinischen klinischen Alltag wird dies häufig durch eine Beeinträchtigung der laborchemisch abgeschätzten Lebersyntheseleistung apparent. Das hämodynamische Monitoring mittels ZVD und invasiven Maßnahmen wie PiCCO-Systemen oder PA-Kathetern hat bei aggressiver Volumen- und Beatmungstherapie Limitationen [34]. Der Einfluss dieser notwendigen hohen Volumenlast auf die Lebersynthese und weitere in der Leber produzierte metabolische Faktoren ist derzeit nicht ausreichend verstanden. Das Katecholamin der Wahl zur Kreislaufstabilisierung des hypotonen Patienten bei ALV trotz adäquater Volumentherapie ist Noradrenalin. Zielgröße zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden intrakraniellen Perfusionsdrucks ist ein mittlerer arterieller Druck (MAD) ≥75 mmHg.

Infektionsmonitoring und -Prophylaxe bei ALV

Das notwendige invasive hämodynamische Monitoring in Kombination mit einer Dysfunktion des Immunsystems bei Patienten mit ALV ist ursächlich für das hohe Infektionsrisiko in dieser Patientengruppe. Insbesondere Infektionen des Respirations- und Urogenitaltraktes sowie eine katheterassoziierte Sepsis durch Bakterien und Pilze sind zu erwartende Komplikationen bei ALV. Insgesamt sind grampositive Infektionen mit Erregern wie Staphylokokken und Streptokokken häufiger nachweisbar als Infektionen durch gramnegative Bakterien und Candida-Spezies [26]. Typische Infektionen bei ALV sind Pneumonien in ca. 50%, Urosepsis in 22%, katheterinduzierte Bakteriämien in 12% und die spontane Bakteriämie in 16% der Fälle [27]. Die Diagnostik von Infektionen bei ALV kann schwierig sein, da bei ca. einem Drittel der Patienten die klassischen klinischen Zeichen einer Infektion wie Fieber und Leukozytose nicht vorhanden sind [27].

Die Bedeutung einer prophylaktischen antibiotischen und antimykotischen Therapie bei Patienten mit ALV ist in mehreren Studien untersucht worden [25, 28]. Eine eindeutige Empfehlung zur prophylaktischen antibiotischen Therapie bei allen Patienten mit ALV ist aus diesen Daten jedoch nicht abzuleiten. Bei Patienten mit höhergradiger Enzephalopathie (Grad III–IV) oder akutem Nierenversagen, die ein hohes Infektionsrisiko haben, und bei Patienten, die auf eine Lebertransplantation warten, ist eine Prophylaxe mit einer Kombination aus Breitspektrumantibiotika (z. B. Drittgenerations-Cephalosporin + Flucloxacillin) und Antimykotika (z. B. Fluconazol) sinnvoll. Ein sorgfältiges Infektionsmonitoring durch klinische Untersuchung, Thoraxröntgenaufnahmen und Sampling von Blut-, Urin- und Trachealssekretkulturen ist bei allen Patienten mit ALV und invasivem hämodynamischem Monitoring und Organersatzverfahren wie maschineller Beatmung und kontinuierlicher venovenöser Hämofiltration (CVVH) oder Hämodialyse (HD) essenziell.

Atemwegsmanagement und Beatmung bei ALV

Ein gestörter Gasaustausch in Kombination mit einer beeinträchtigten Lebersyntheseleitung bei ALV führt zu einer gemischten respiratorischen und metabolischen Azidose, die eine Verschlechterung der Enzephalopathie verursachen kann.

Patienten mit höhergradiger hepatischer Enzephalopathie (≥Grad III) sollten zur Sicherung der Atemwege intubiert und maschinell beatmet werden.

Vor der Intubation sollten die Patienten ausreichend präoxygeniert worden sein, eine Hyperkapnie sollte vermieden werden, und es sollten, falls eine Muskelrelaxation notwendig ist, nicht depolarisierende Muskelrelaxanzien eingesetzt werden. Depolarisierende Muskelrelaxanzien wie das Succinylcholin können Muskelkontraktionen hervorrufen, die zu einem Anstieg des intrakraniellen Drucks führen und so die Enzephalopathie verschlechtern, und sollten daher vermieden werden. Die Ventilation sollte nach den Prinzipien der lungenprotektiven Beatmung erfolgen (Tidalvolumen von 6 ml/kg ideales Körpergewicht; [8]). Bei ca. einem Drittel der Patienten mit ALV tritt ein „acute lung injury“ (ALI) oder ein „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS) auf. Diese können durch schwere Hypoxämie die Gesamtprognose verschlechtern. Rekruitmentmanöver und eine Beatmung mit optimalem positivem endexspiratorischem Druck (PEEP) sind therapeutische Optionen. Aufgrund einer erhöhten Totraumventilation bei ALI und ARDS kann eine Hyperkapnie mit kritischen paCO2-Werten resultieren, die zu einer Vasodilatation der zerebralen Gefäße und somit zu einem Anstieg des intrakraniellen Drucks führt [33]. Im Vordergrund der Beatmungstherapie steht die Protektion der Lunge durch Anwendung niedriger Tidalvolumina. Eine aggressive Einstellung der Beatmung (z. B. durch Erhöhung des Zugvolumens oder des oberen Druckniveaus) zur Senkung des paCO2 sollte vermieden werden. Prinzipiell kann über eine Hyperventilation das paCO2 auf 25–30 mmHg reduziert und über eine konsekutive Vasokonstriktion mit vermindertem zerebralem Blutfluss der Hirndruck kurzfristig gesenkt werden. Problematisch kann hierbei jedoch eine aus der Vasokonstriktion resultierende zerebrale Hypoxie sein, die wiederum den intrazerebralen Druck erhöhen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine klinischen Daten, die eine prophylaktische Hyperventilation zur Verhinderung eines Hirnödems bei ALV rechtfertigen.

Erhöhter Hirndruck bei akutem Leberversagen

Die nicht beherrschbare intrakranielle Hypertension und das resultierende Hirnödem sind eine der Hauptursachen für die schlechte Prognose des ALV und bedingen ca. 20–25% der Todesfälle. Normalerweise beträgt der intrakranielle Druck (ICP) 5–10 mmHg, eine intrakranielle Hypertension wird klinisch relevant, wenn der ICP Werte von 20 mmHg übersteigt. Die Pathophysiologie, die zum erhöhten Hirndruck führt, ist multifaktoriell und nicht ausreichend verstanden. Ein Verlust der zerebrovaskulären Autoregulation bei akutem Leberversagen konnte in Tiermodellen und bei Patienten mit ALV nachgewiesen werden. Zirkulierende inflammatorische Zytokine und Toxine, die akut aus der nekrotischen Leber freigesetzt werden, erhöhen ebenfalls die zerebrale Perfusion durch Vasodilatation und tragen so zur Entwicklung des Hirnödems bei. Aber auch eine zytotoxische Komponente bei der Entstehung des Hirnödems durch Akkumulation von Glutamin in den Astrozyten wird diskutiert. Astrozyten nehmen eine wichtige Rolle bei der Steuerung des zerebralen Wasserhaushaltes und bei der Ammoniakdetoxifikation ein. Ammoniak wird in den Astrozyten über Amidierung von Glutamat mittels der Glutamin-Synthetase zu Glutamin verstoffwechselt, das in den Astrozyten akkumuliert und osmotisch wirksam ist. Bei einem sich fulminant entwickelnden ALV kommt es zu einer raschen intrazellulären Akkumulation von Glutamin mit hohem Risiko der Entwicklung eines Hirnödems [2]. Als weitere Risikofaktoren für die Entwicklung einer zerebralen Hypertension bei ALV konnten hohe Ammoniakkonzentrationen (>150–200 µmol/l), die Notwendigkeit einer Vasopressortherapie oder eines Nierenersatzverfahrens und das Vorliegen einer Infektion identifiziert werden.

Die zerebrale Hypertension führt zu einer Verminderung des zerebralen Blutflusses. Der zerebrale Perfusionsdruck (CPP) wird definiert als die Differenz zwischen intrakraniellem Druck (ICP) und dem arteriellen Mitteldruck (MAP). Bei steigendem intrakraniellem Druck und abfallendem MAP (durch das Kreislaufversagen bei ALV) kommt es zu einem rapiden Abfall des CPP. Kritische Werte des CPP liegen bei 60 mmHg, Werte unterhalb von 40 mmHg sind fatal.

Ein CPP >70 mmHg sollte Zielgröße sein und ist mit einem verbesserten neurologischen Outcome assoziiert.

Um diesen Zielwert zu erreichen, ist eine Senkung des intrakraniellen Druckes ab 25 mmHg indiziert. Bei kritisch kranken Patienten mit ALV sind allgemeine klinische Symptome eines erhöhten ICP wie Hypertension, Bradykardie und Veränderungen des Atemmusters, aber auch spezifischere neurologische Befunde wie erhöhter Muskeltonus, Hyperreflexie und Änderungen der Pupillomotorik nur äußerst eingeschränkt zu verwerten. Einzig Sonden zur direkten Hirndruckmessung erlauben eine valide Aussage über den intrakraniellen Druck. Die Risiken einer invasiven Hirndruckmessung wie Blutung und Infektionen müssen mit dem zu erwartenden Vorteil bezüglich weiterer therapeutischer Entscheidungen abgewogen werden. Insbesondere bei Hochrisikopatienten mit hepatischer Enzephalopathie Grad III und IV und anstehender Indikation zur Lebertransplantation scheint eine intrakranielle Messung des Hirndrucks sinnvoll, obwohl in keiner klinischen Studie ein verbessertes Gesamtüberleben nachgewiesen werden konnte [31]. Vor Einbringen einer Hirndrucksonde müssen bestehende Gerinnungsstörungen korrigiert werden. Vier unterschiedliche Typen von Hirndrucksonden werden verwendet: epidurale, subdurale, parenchymale und intraventrikuläre. Das Monitoring des ICP mit epiduralen Sonden ist ein sicheres und valides Verfahren mit einer Gesamtkomplikationsrate von etwa 4% [3]. Die kraniale Computertomographie (CCT) und die transkranielle Dopplerultraschalluntersuchung sind keine ausreichend sensitiven Verfahren in der frühzeitigen Diagnostik der intrakraniellen Hypertonie und des Hirnödems.

Management des erhöhten Hirndrucks und des Hirnödems bei ALV

Zu den Basismaßnahmen gehört nach Sicherung der Atemwege die ausreichende Sedierung der Patienten, um eine Agitation und daraus resultierende Spitzen im intrazerebralen Druck zu vermeiden. Durch die Applikation von Laktulose und nicht resorbierbaren Antibiotika kann der Serumammoniakspiegel bei Patienten mit Leberzirrhose gesenkt werden. Theoretisch sollte dieser Effekt auf das Szenario des ALV übertragbar sein und hierdurch das Risiko der Entwicklung eines Hirnödems reduziert werden können. Verlässliche klinische Daten für die Effektivität dieser Maßnahmen bei ALV liegen nicht vor [28]. Durch eine kontinuierliche Darmspülung mit osmotisch wirksamen Salzlösungen oder Laktulose kann eine zusätzliche Elimination von intestinalen Toxinen erfolgen.

Als weitere prophylaktische Maßnahmen zur Verhinderung des Hirnödems sollten eine 30° Oberkörperhochlagerung erfolgen und Fieber, das ebenfalls den intrakraniellen Druck erhöht, mit physikalischen Maßnahmen gesenkt werden. Eine Hyponatriämie sollte vermieden und, wenn nötig, adäquat korrigiert werden.

Entwickelt sich trotz dieser prophylaktischen Maßnahmen eine intrakranielle Hypertonie sind medikamentöse Maßnahmen zur Erhöhung der Serumosmolarität indiziert, um eine Volumenrückverteilung aus den ödematösen Astrozyten in den intravaskulären Raum zu erreichen. Etabliert ist die intravenöse Therapie mit Mannitol in einer Dosierung von 0,5–1g/kg Körpergewicht über einen Zeitraum von 30 min. Die Applikation von Mannitol kann bis zum Erreichen einer Serumosmolarität von 320 mosmol/l wiederholt werden. Auch eine therapeutische Hypernatriämie mit Serumnatriumwerten von 145–155 mmol/l durch repetitive intravenöse Bolusgabe von hypertoner 30%iger NaCl-Infusion hat einen günstigen Einfluss auf den ICP und ist Bestandteil der Basistherapie der intrazerebralen Hypertonie bei ALV [19].

Durch die osmotische Therapie können Patienten mit Hirnödem bei ALV in der Regel bis zur Transplantation stabilisiert werden.

Greifen diese medikamentösen Maßnahmen nicht oder kann keine Lebertransplantation erfolgen, kommt es zum weiteren Anstieg des Hirndrucks bis hin zur zerebralen Herniation. Die tiefe Sedation mit Propofol oder Barbituraten unter der pathophysiologischen Vorstellung eines positiven Effektes auf den zerebralen Blutfluss, die intravenöse Bolusapplikation von Indomethacin oder eine therapeutische Hypothermie sind Maßnahmen, die in kleinen unkontrollierten Studien oder Fallberichten beschrieben sind, aber keine sichere klinische Evidenz besitzen und als Ultima Ratio in einer aussichtslosen Situation angesehen werden müssen [29, 35]. Eine Hypothermie (32–35°C) kann den ICP reduzieren und die gestörte zerebrovaskuläre Autoregulation günstig beeinflussen. Im Tiermodell konnte eine Reduktion des Ausmaßes der hepatischen Schädigung bei ALV gezeigt werden. Jedoch gibt es auch Hinweise für einen negativen Einfluss der Hypothermie auf die Leberregeneration, sodass in zukünftigen klinischen Studien ihre Bedeutung im ALV untersucht werden muss.

Blutungskomplikationen bei ALV

Eine verlängerte Prothrombinzeit und eine Thrombozytopenie sind typische Laborbefunde bei ALV. Trotz dieser Konstellation weisen Patienten mit ALV im Vergleich zu anderen kritisch kranken Patienten keine erhöhte Rate an Blutungskomplikationen auf, da gleichzeitig anti- und prokoagulatorische Proteine vermindert synthetisiert werden. Klinisch signifikante Blutungen treten in ca. 5% der Fälle auf [18]. Häufiger sind geringgradige Blutungen aus Schleimhauterosionen des Magens und des Urogenitaltraktes, der Lunge und des Nasopharynx. Eine pharmakologische gastrale Säuresuppression mit Histamin-Rezeptor-2-Antagonisten und Protonenpumpeninhibitoren unter Abwägung der potenziellen Hepatotoxizität kann das Risiko einer Magenschleimhautblutung effektiv reduzieren.

Fazit für die Praxis

Patienten mit ALV benötigen eine multimodale intensivmedizinische Behandlung. Klinische Daten aus großen randomisierten Studien sind wegen des seltenen Auftretens eines ALV in nur geringer Zahl vorhanden. Aufgrund der komplexen Situation und der spezifischen Charakteristika des ALV sind evidenzbasierte Behandlungsstrategien aus dem Gebiet der Sepsis und des septischen Schocks nur eingeschränkt zu übernehmen. Aktuelle klinische Daten belegen den positiven Effekt von N-Acetylcystein auf die Leberregeneration und das transplantationsfreie Überleben. Daher sollte NAC aufgrund seiner Therapiesicherheit bei allen Patienten mit ALV unabhängig von der zugrunde liegenden Ätiologie eingesetzt werden. Das Management des ALV erfordert die Behandlung durch hepatologisch versierte Intensivmediziner in spezialisierten Zentren, um die bestmögliche supportive Therapie zu ermöglichen und die Indikation zur Transplantation zu stellen. Über die Optimierung der supportiven Therapie hinaus bietet die enge Korrelation des ALV zu freigesetzten inflammatorischen Zytokinen interessante wissenschaftliche Ansätze zur Entwicklung neuartiger kausaler Behandlungsmodelle. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Lebertransplantation jedoch die einzige definitive therapeutische Option des akuten Leberversagens.