Anamnese

Ein 53-jähriger Patient stellte sich notfallmäßig mit akuten linksseitigen Kopfschmerzen in unserer Klinik vor. Der Patient war aufgrund der Erstdiagnose eines Aderhautmelanoms am linken Auge vor zwei Jahren bereits in unserem Hause bekannt. Nach Diagnosestellung erfolgte damals ex domo eine Protonenbestrahlung des 13 × 14 × 9 mm großen, bis an den Nervus opticus reichenden Tumors im nasal superioren Quadranten. Nach abgeschlossener Strahlentherapie habe der Patient keine weiteren augenärztlichen Verlaufskontrollen mehr wahrgenommen.

Befund

Der Visus am linken Auge betrug nun Nulla lux bei einem applanatorisch gemessenen Druck von 52 mmHg. Klinisch zeigten sich eine zirkuläre hintere Synechierung mit Bombata-Konfiguration der Iris bei entsprechend peripher flacher bis aufgehobener Vorderkammer, Pigmentablagerungen an Hornhaut-Endothel und Linsenvorderfläche sowie eine fortgeschrittene Katarakt mit deutlich reduziertem Einblick (Abb. 1a). Sonographisch zeigte sich angrenzend an den Sehnerv eine 13,7 × 11,6 × 4,8 mm große chorioidale Raumforderung mit intraläsionaler relativer Hypoechogenität (Abb. 1b).

Abb. 1
figure 1

Klinische und makroskopische Darstellung des Aderhautmelanoms. a Vorderabschnittsbefund bei Wiedervorstellung. b Sonographischer Befund vor Enukleation. c Dorsale Ansicht des enukleierten Bulbus bei Diaphanoskopie zwecks Visualisierung der Tumorgrenzen. d Makroskopische Ansicht des eröffneten Bulbus mit chorioidalem Tumor (Pfeil), nebenbefundlich teils weißliche Netzhaut‑/RPE-Veränderungen mit Atrophie und Pigmentepithelverschiebungen bei Strahlenretinopathie (Stern)

Bei im Verlauf therapierefraktären Schmerzen (trotz suffizienter Augeninnendrucksenkung und medikamentöser Zykloplegie), fehlender Funktion sowie ultrasonographisch beachtlichem Resttumor entschieden wir uns gemeinsam mit dem Patienten für eine Enukleation mit anschließender histopathologischer Aufarbeitung des enukleierten Bulbus. Die Enukleation erfolgte komplikationslos. Histopathologisch zeigte sich am hinteren Pol ein 14 × 12 × 4 mm großes Aderhautmelanom (T2a) mit einem an den Nervus opticus angrenzenden, vital erscheinenden, gemischt-zelligen Tumoranteil, bestehend aus Spindel-B- und Epitheloidzellen, sowie einem nach temporal reichenden nekrotischen Tumoranteil (Abb. 2a–d) [8]. Es zeigte sich kein Anhalt für eine Infiltration des Nervus opticus. Im Bereich des vital erscheinenden Tumors zeigte sich eine geringgradige Infiltration der angrenzenden Sklera entlang der Emissarien. Die extrakonjunktivalen Vortexvenen stellten sich allesamt tumorfrei dar. Der bestrahlte nekrotische Tumoranteil wies ein dichtes Gefäßnetz sowie zahlreiche stark Pigment-beladene strangförmig angeordnete Makrophagen auf (Abb. 2c, d). Die klinische Konstellation des akuten Winkelblocks ließ sich auch am histopathologischen Präparat mit verlegtem Kammerwinkel und fokalen vorderen Synechien, hinteren Synechien sowie fortgeschrittener Katarakt mit vereinzelten kortikalen Morgagni-Kügelchen nachvollziehen. Für eine Rubeosis iridis bestand kein Anhalt. Nebenbefundlich zeigte sich zudem eine Strahlenretinopathie der an den Tumor angrenzenden Netzhaut mit Verlust des retinalen Pigmentepithels und der Photorezeptoren mit partiellem Fehlen der äußeren Körnerschicht in diesen Bereichen. Die durchgeführten immunhistochemischen Färbungen mit Melan‑A und HMB‑45 verdeutlichten nochmals gut das intrasklerale Wachstum des Tumors. Die Ki67-Färbung zeigte zudem in den in der HE-Färbung vital imponierenden Tumoranteilen Ki67-positive Tumorzellen, was die proliferative Aktivität des Tumors nochmals unterstreicht [3].

Abb. 2
figure 2

Histologische Darstellung des Aderhautmelanoms. a Histologische Übersichtsaufnahme des enukleierten Bulbus. b Übersichtsaufnahme des Tumors mit zwei unterschiedlichen Tumoranteilen (rechts nekrotischer Anteil, links vital erscheinender Anteil), getrennt durch strangförmig angeordnete Pigment-beladene Makrophagen, Hämatoxylin-Eosin(HE)-Färbung, Vergr. 20:1. c Vital erscheinender Tumoranteil, HE-Färbung, Vergr. 100×. d Bestrahlter Tumoranteil, HE-Färbung, Vergr. 100×

Diagnose

In der Zusammenschau der Befunde ergab sich somit die Diagnose eines residuellen Aderhautmelanoms mit vital erscheinenden Tumorzellen bei Zustand nach Protonenbestrahlung mit sekundärem Winkelblock bei Pupillarblock.

Verlauf und Therapie

Der postoperative Verlauf gestaltete sich regelrecht mit reizarmer Enukleationshöhle sowie allseits adaptierter Bindehaut. Die weiteren onkologischen Verlaufskontrollen zeigten ebenfalls allesamt unauffällige Befunde ohne Anhalt für Filiae.

Diskussion

Die Beschwerdekonstellation, mit der sich der Patient erneut in unserer Klinik vorstellte, ließ sich durch die dargebotene Befundkonstellation nicht vollständig erklären, da die Schmerzen auch nach erfolgreicher medikamentöser Augeninnendrucksenkung sowie Zykloplegie persistierten. Allerdings trug die Tensiodekompensation bei sekundärem Winkelblock durch Pupillarblock bei hinteren Synechien zu dem geschilderten Beschwerdebild bei. Die Ausbildung der zirkulären hinteren Synechierung führen wir auf einen Zustand chronischer Inflammation zurück, die durch die Protonenbestrahlung angestoßenen Abbauprozesse nekrotischer Tumoranteile induziert wurden [2]. Wie zuvor beschrieben, zeigte sich sowohl klinisch als auch histologisch kein Anhalt für das Vorliegen einer Rubeosis iridis, welche damit als Ursache einer möglichen Aggravation der Winkelblocksituation ausscheidet. Trotz Reduktion der Tumorhöhe durch die erfolgte Protonen-Bestrahlung zeigte sich in der histopathologischen Begutachtung nach Enukleation ein erstaunlich großer vital erscheinender Tumoranteil mit infiltrativem Potenzial [3]. Die Tumorregression nach Protonenbestrahlung zeigt bekannterweise erst nach sechs Monaten deutliche Effekte und kann noch mehrere Jahre nach erfolgter Protonen-Bestrahlung voranschreiten [5, 7]. Dieses Phänomen wird durch das Verharren von Tumorzellen in intermitotischen Stadien erklärt [5]. Im Falle von mittels Brachytherapie-bestrahlten uvealen Melanomen gibt es Bestrahlungs-assoziierte morphologische Veränderungen wie beispielsweise das Auftreten von Nekrosen, Gefäßveränderungen sowie die Abnahme von Mitosefiguren, welche die Strahleneinwirkung auf das Gewebe anzeigen [4, 9, 10]. Von erfahrenen Ophthalmopathologen kann ein bestrahlter Tumor zumeist als solcher identifiziert werden [6, 9]. Allerdings kann jedoch bei uvealen Melanomzellen mit typischer Tumorzellmorphologie bei Zustand nach Brachytherapie nicht immer sicher zwischen tatsächlich vitalen und seneszenten Zellen mit reduzierter metabolischer Aktivität unterschieden werden [9]. Dennoch ist in dem vorliegenden Fall aufgrund der Größe des vital erscheinenden Resttumors, der Morphologie der beiden unterschiedlichen Anteile des Tumors und der Ki67-Expression fraglich, ob dieser Tumoranteil suffizient durch die Bestrahlung erfasst wurde. Daher sollte bei therapierefraktären Beschwerden, fehlender Funktion und signifikantem Resttumor nach Tumortherapie eine Enukleation mit histopathologischer Begutachtung angestrebt werden [1]. Rückblickend ist anzumerken, dass die initiale Entscheidung für eine Protonenbestrahlung hinsichtlich der Lokalisation sowie der Tumorgröße mit dem Ziel des Bulbuserhalts nachvollziehbar war [1].