Beim Vorliegen eines Glaukoms ist die wiederholte Testung des Gesichtsfelds mittels Perimetrie neben der Messung des Augendrucks und der Beurteilung des Sehnervenkopfs der wichtigste Bestandteil der Diagnostik. Die Gesichtsfelduntersuchung sollte in den ersten 2 Jahren 3‑mal pro Jahr wiederholt werden und ab dem dritten Jahr 2‑mal pro Jahr, um eine glaukomtypische Progression der Gesichtsfelddefekte frühzeitig zu erkennen [1, 2]. Mit den Ergebnissen u. a. der EMGT („early manifest glaucoma trial“), CNTGS („collaborative normal tension glaucoma study“) und OHTS („ocular hypertension treatment study“) konnte bereits gezeigt werden, dass glaukomtypische Gesichtsfelddefekte oft bereits nachgewiesen werden können, bevor pathologische Veränderungen am Sehnervenkopf sichtbar sind. Beim Glaukom kommt es zum kontinuierlichen, schleichenden Untergang von retinalen Ganglienzellen und dadurch zur Entwicklung und Ausdehnung von Defekten im Gesichtsfeld (Skotomen). Mittels Perimetrie können Größe und Tiefe der Skotome ausgemessen werden. Hierzu sind spezialisierte Geräte (Perimeter) notwendig, welche wegen ihrer Größe und ihres Gewichts ortsgebunden in Klinik und Augenarztpraxis stehen. Auch kann die Perimetrie aktuell bestenfalls nur semiautomatisch unter der Supervision eines Arztes/einer Ärztin oder speziell ausgebildeten Assistenzpersonals erfolgen.

Die Perimetrie ist eine psychophysische Untersuchung und hat damit eine Reihe von Schwierigkeiten. Die Anforderungen sind hoch, und es bedarf einer guten, konzentrierten Mitarbeit. Daher ist die Perimetrie eine für den Patienten recht anstrengende und ermüdende Untersuchung. Meist werden automatisierte perimetrische Untersuchungen (englisch: „standard automated perimetry“ [SAP]) zu den Kontrollen 2‑ bis 3‑mal im Jahr beim Augenarzt/bei der Augenärztin oder in der Klinik nacheinander an beiden Augen durchgeführt. Daher ist die Perimetrie recht anfällig für Störfaktoren, und es kann zu stark variierenden Ergebnissen kommen, was wiederum die Begutachtung durch den behandelnden Augenarzt/die behandelnde Augenärztin erschwert. Theoretisch kann dieses dann zu einer Über- und Untertherapie führen, wenn den einzelnen Ergebnissen zu viel oder zu wenig Gewicht gegeben wird.

Mithilfe einer häufigeren Durchführung der Perimetrie könnten diese Effekte möglicherweise verringert werden, was dann allerdings auch wieder zu einer stärkeren Belastung des Patienten, des Augenarztes/der Augenärztin und des Assistenzpersonals führen würde. Durch eine Verlagerung der perimetrischen Untersuchung in die häusliche Umgebung des Patienten („home perimetry“, kurz HP) könnte dieses theoretisch umgangen werden. Allerdings sind die Anforderungen an die eingesetzten Methoden davon abhängig, ob es sich um einen Screeningtest oder um eine Methode zum Progressionsausschluss handelt. Zum Einsatz als „home perimetry“ wurden bereits verschiedene Techniken getestet. Die Teststimuli wurden dabei über den Bildschirm eines Desktopcomputers, eines Tablets oder eines Smartphones der geprüften Person in einem definierten Abstand angeboten. Häufig wurden diese Methoden mit den Ergebnissen eines Humphrey Field Analyzers mit der Teststrategie SITA (Swedish Interactive Threshold Algorithm 24‑2 standard oder fast) verglichen und zeigten oftmals eine gute diagnostische Genauigkeit, ein Glaukom zu erkennen, und eine gute Wiederholbarkeit. Die Sensitivität der eingesetzten Tests, ein Glaukom zu erkennen, lag zwischen 54 und 91 %. Die Spezifität lag zwischen 50 und 100 %. Nachteile dieser Methoden sind die nicht einheitlich normierbare Umgebungsbeleuchtung während des Tests und der variable Abstand von Bildschirm und Auge.

In den letzten Jahren wurden Anstrengungen unternommen, um mittels telemedizinischer und auf „virtual reality“ (VR) basierenden Verfahren eine perimetrische Untersuchung zu ermöglichen. Hierzu kommen üblicherweise VR-Brillen zum Einsatz, wie sie in der Computerspieleindustrie schon länger eingesetzt werden (Abb. 1). Mithilfe dieser Headsets und der eingebauten Displays wird eine VR-Umgebung simuliert und eine perimetrische Untersuchung durchgeführt. Es wird in diesem Zusammenhang auch von der VR-Perimetrie (VRP) gesprochen. Bei der VRP kommen die aus der herkömmlichen Perimetrie bekannten Leuchtpunkte definierter Größe und Helligkeit zum Einsatz. Mittels telemedizinischer Techniken ist dann theoretisch auch eine Untersuchung außerhalb der Praxis oder Augenklinik z. B. vom Zuhause des Patienten aus möglich.

Abb. 1
figure 1

Beispiel für ein „virtual reality headset“/VR-Brille zur Durchführung einer perimetrischen Untersuchung mit den dazugehörigen Handstücken

Einsatz von VR in der Augenheilkunde

Bisher wurde der Einsatz von VR bei der Durchführung von verschiedenen Untersuchungen in der Augenheilkunde beschrieben. Dies waren neben der Perimetrie, die Bestimmung von Visus und Kontrastsensitivität sowie die Durchführung und Quantifizierung von Cover-Uncover-Tests und Amblyopiescreening. Generell können 3 verschiedene Gerätetypen, welche zur VRP eingesetzt werden, voneinander unterschieden werden. Dieses sind Smartphone-basierte Lösungen, welche einer speziellen Halterung bedürfen, die klassischen aus der Spieleindustrie bekannten VR-Brillen, welche über Displays und „gaze-tracker“ verfügen, und spezielle Geräte, welche zusätzlich zur VR-Brille über die Möglichkeit verfügen, EEG- oder VEP-Untersuchungen durchzuführen oder z. B. die Kopfposition während des durchgeführten Tests zu bestimmen.

Vergleiche zwischen VRP und SAP

Bisher ist eine Vielzahl von verschiedenen VR-Brillen mit jeweils unterschiedlichen Gerätespezifikationen am Markt erhältlich. Die jeweils eingesetzte Technik zur Stimulusdarbietung bei der VRP kann sich zwischen den Geräten unterscheiden [9]. Die Stimuli können z. B. wie bei der SAP stationär an bestimmten Lokalisationen im Gesichtsfeld angeboten werden und dann von der untersuchten Person als gesehen durch das Drücken eines Auslösers quittiert werden, oder die Versuchsperson könnte dazu aufgefordert werden, den Blick direkt auf einen im Gesichtsfeld dargebotenen Stimulus zu richten, was dann mittels „gaze-tracker“ vom Gerät selbstständig registriert wird [4].

Verschiedene Gruppen haben bereits eigene VRP-Tests programmiert und an Glaukompatienten und Gesunden durchgeführt [3, 6,7,8,9,10,11]. Die mittels VRP erhobenen Ergebnisse wurden dann mit den Ergebnissen einer SAP, welche entweder mittels Humphrey-Field-Analyzer (HFA, Carl Zeiss Meditec, Jena, Deutschland) oder Octopus Perimeter (Haag-Streit, Köniz, Schweiz) erhoben wurden, verglichen. Hierbei zeigten sich meist eine gute Korrelation der mittels VRP und SAP erhobenen Ergebnisse und eine gute Möglichkeit, normale von glaukomatösen Gesichtsfeldern zu unterscheiden. Die grafische Darstellung der mittels VRP erhobenen Testergebnisse ist denen von HFA und Octopus nachempfunden und optisch kaum zu unterscheiden (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Grafische Darstellung mittels Einsatz „virtual reality perimetry“ erhobener Perimetrieergebnisse. Die Untersuchung wurde mittels normaler Teststrategie und Einsatz des G‑pattern-Prüfpunktrasters erhoben

Bei den Vergleichsstudien zwischen HFA und VRP wurden meist die 24-2- oder 30-2-Testraster eingesetzt. In einer Übersichtsarbeit von Ma et al. wurden die Ergebnisse verschiedener zu diesem Thema bereits veröffentlichter Arbeiten zusammengefasst. Bei gesunden Probanden zeigten sich vergleichbare Ergebnisse zwischen HFA und VRP. Bei Glaukompatienten zeigte sich allerdings die Überlegenheit von HFA gegenüber VRP, glaukomatöse Gesichtsfelddefekte erkennbar zu machen. Dies hänge laut den Autoren v. a. mit der umfangreichen klinischen Validierung des HFA gegenüber der VRP zusammen [9]. Ähnliches zeigte sich bei Studien, welche den Octopus-Perimeter mit der VRP verglichen. Hierzu wurde meist die dynamische Teststrategie zusammen mit dem G‑pattern-Testraster eingesetzt, und es wurden vergleichbare Ergebnisse für „mean sensitivity“ und „mean defect“ bei Gesunden und Glaukompatienten in frühen und mittleren Krankheitsstadien gefunden [12].

VRP und HP

Ein wichtiger Vorteil der VRP gegenüber den Untersuchungen mittels SAP ist die Möglichkeit, Untersuchungen auch außerhalb der Klinik/Praxis z. B. von zu Hause aus durchführen zu lassen. Diese HP könnte dann eben auch häufiger und nach Maßgabe des Patienten, abhängig von dessen tagesaktueller Verfassung und zu selbst gewählten Zeitpunkten erfolgen. Allerdings wird dieses sicher einer gewissen Übungsphase bedürfen, während derer sich der Patient an die neuen Prüfungsmodalitäten gewöhnen muss.

Ein anfangs sicherlich auftretendes Problem während dieser Übergangsphase wird das sichere und richtige Anlegen der VR-Brille sein. Dieses muss vorhergehend geübt und durch geschultes Personal überprüft werden Auch ist sicher nicht jeder Patient dafür geeignet, die Gesichtsfelduntersuchungen selbstständig von zu Hause aus durchzuführen. Auch das genaue Setting, in welchen Abständen die Untersuchungen durchgeführt werden sollten, und ob die Geräte z. B. auch mittels Paketdienst nach Hause geliefert werden oder vom Patienten in Praxis/Klinik abgeholt werden sollen, muss noch festgelegt werden.

Datensicherheit

Ein Problem bei der HP könnte die Übertragung der Testergebnisse vom Gerät an die Praxis oder Augenklinik darstellen. Werden die Ergebnisse via Internet oder Cloud-Speicher übertragen, oder verbleiben sie bis zur Rücksendung des Geräts auf selbigem? Beide Lösungen gehen mit datenrechtlichen Problemen einher.

Ausblick in die Zukunft

Während regelmäßiger Kontrollen beim Augenarzt/bei der Augenärztin werden beim Glaukompatienten Messung von Funktion (SAP) und Anatomie (OCT, Foto u. a.) der retinalen Ganglienzellen und ihrer Axone durchgeführt. Da es in den nächsten Jahrzehnten zu einer weiteren Zunahme der Patientenzahlen kommen wird, muss heute schon darüber nachgedacht werden, wie die wahrscheinlich nicht entsprechend anwachsende Ressource „Kontakt zum Augenarzt/zur Augenärztin“ sinnvoll eingesetzt werden kann. Der Einsatz von „virtual clinics“ und Telemedizin sowie die vermehrte Delegation nichtärztlicher Aufgaben können dabei helfen, mehr Patienten mit weniger Ärzten bei gleichbleibender qualitativer Behandlung zu versorgen. Ein Baustein könnte z. B. die Auslagerung zeit- und personalintensiver Untersuchungen, wie es die Perimetrie ist, in die häusliche Umgebung der Patienten sein. Dass dies nicht bei jedem Patienten möglich sein wird, versteht sich von selbst [9, 13].

Vorteile der VRP und HP sind die Tragbarkeit und nicht wie bei den SAP bestehende Ortsgebundenheit der Geräte. VRP und HP können theoretisch auch am Patientenbett und von zu Hause aus durchgeführt werden und sind kostengünstig durchführbar, da die hierzu eingesetzten Geräte vergleichsweise günstig sind und weniger Personalaufwand bei der Durchführung besteht. Zudem kommen Hardware- und Softwarekosten hinzu. VR-Brillen sind mittlerweile bereits für 200–300 € erhältlich. Softwarelösungen zur Durchführung einer perimetrischen Untersuchung werden meist als institutsgebundenes Abonnement mit dem Dienstleistungsanbieter abgerechnet.

Außerdem wurden auch schon Programme zur Testung von pädiatrischen Patienten beschrieben, bei denen die Perimetrie in ein Computerspiel eingebettet wurde [5]. Aktuell bestehende Nachteile von VRP und HP sind die noch fehlende Vereinheitlichung von Geräten und Testprogrammen sowie die Schadensanfälligkeit der Geräte (Stichwort Bildschirmkalibrierung), die Beschränkung des Tests auf die zentralen 30° des Gesichtsfelds und die noch zu behebenden Probleme bezüglich der Datensicherheit. Auch die Abrechenbarkeit solcher ambulant durchgeführter diagnostischer Verfahren ist schwierig. Mittels der aktuellen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ließen sich Kosten von 24,40 bzw. 33,25 € pro Auge abrechnen (GOÄ-Ziffern 1226 oder 1227 mit 2,3fachem Satz).

Von verschiedenen Gruppen werden gerade Entwicklungen auf dem Gebiet der VRP und HP vorangetrieben. Besonders schwierig scheint die in der Zukunft notwendige Transition von einer bereits seit Langem klinisch etablierten Methode hin zu einer bisher noch experimentellen Technik mit deutlichen Zusatznutzen zu werden. Die Vorteile der VRP sind wie eingangs beschrieben vielfältig, jedoch bedarf es der Anschaffung neuer Geräte, welches immer auch eines gewissen finanziellen Aufwands bedarf.

Zusammen mit den heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der „home tonometry“ und der sich in Entwicklung befindlichen dezentralen Untersuchungen mittels OCT werden sich in absehbarer Zeit das Monitoring und die Behandlung unserer Glaukompatienten dahingehend verändern, dass hoffentlich mehr Patienten mit geringerem Aufwand von der gleichen Zahl von Mitarbeitern besser überwacht werden können, sodass auch die Indikation zur Therapieeskalation und Durchführung chirurgischer Interventionen zu einem früheren Zeitpunkt gestellt werden kann.

Aus diesen Möglichkeiten ergibt sich allerdings auch eine Vielzahl an Fragen, welche einer weiteren Beantwortung bedürfen, wie z. B. die Frage nach der notwendigen Häufigkeit von Messwiederholungen. Auch die Frage nach dem Einfluss des selbstständigen Monitorings von zu Hause auf die Therapieadhärenz und -persistenz der Glaukompatienten wäre interessant, in der Zukunft zu untersuchen. Schließlich sind auch weitere größere, auch longitudinal ausgerichtete Untersuchungen sowie Harmonisierung von Gerätetypen und Strategien notwendig.

Fazit für die Praxis

Die Gesichtsfelduntersuchung mittels Virtual-reality-Brille („virtual reality perimetry“) und die dadurch ermöglichte dezentrale Perimetrie vom Zuhause des Patienten aus haben das Potenzial, die Überwachung des Gesichtsfelds von Glaukompatienten in Zukunft zu vereinfachen. Die perimetrischen Untersuchungen können ohne zusätzliche Belastung des ärztlichen oder technischen Personals häufiger wiederholt werden, was unter anderem die Untersuchungsergebnisse belastbarer machen könnte.