Anamnese

Eine 11-jährige Patientin wurde zur „Mitbeurteilung bei Pupillenlähmung“ in unsere Sprechstunde überwiesen. Anamnestisch habe sie seit etwa einem halben Jahr eine langsam progrediente und schmerzlose Sehverschlechterung auf dem rechten Auge wahrgenommen.

Bei kongenitaler Tränenwegsstenose mit Striktur beider Canaliculi lacrimales am linken Auge war im Alter von 6 Jahren eine bikanalikuläre Tränenwegsintubation erfolgt, ansonsten stellte sich die weitere ophthalmologische Anamnese unauffällig dar.

An vorbekannten Erkrankungen bestanden ein mittels inhalativer Therapie gut eingestelltes Asthma bronchiale sowie ein 2012 interventionell verschlossener persistierender Ductus arteriosus Botalli. Die Familienanamnese war ophthalmologisch, syndromal und tumorspezifisch leer.

Klinischer Befund

Die bestkorrigierte Sehschärfe betrug 0,6 am rechten Auge sowie 0,8 am linken Auge. Die Pupillomotorik zeigte sich sehr träge mit nur noch minimaler Lichtreaktion an beiden Augen. Ein RAPD war nicht valide prüfbar. Bei bilateral kompensierter Augeninnendrucklage imponierten im Vorderabschnitt des rechten Auges mehrere ausgeprägte kugelige und dunkel pigmentierte Raumforderungen am Pupillarsaum unter Einbeziehung der zentralen Sichtachse mit feinen Iris-Flocculi (Abb. 1). Die Vorderkammer war tief und reizfrei, der Kammerwinkel offen und die Linse klar. Am linken Auge bestanden ebenfalls Iris-Flocculi mit allerdings im Seitenvergleich weniger deutlich ausgeprägten dunkel pigmentierten Raumforderungen am nasalen Pupillarsaum. Der Fundus war beidseits unauffällig.

Abb. 1
figure 1

Befund des rechten Auges bei Erstvorstellung: Spaltlampenfoto a Übersicht, b Vergrößerung, c Schnittebene VAA-OCT, d VAA-OCT

Im Vorderabschnitts-OCT (VAA-OCT) (Abb. 1) sowie in der Ultraschallbiomikroskopie (UBM) (Abb. 2) zeigten sich rechts mehr als links betont diverse septierte und homogen echoarme zystische Strukturen bis 1,34 mm Durchmesser. In der UBM zeigten sich feine Synechierungen zwischen der Irisrückfläche und der Linse, die a. e. auch für die träge Pupillomotorik verantwortlich sein könnten. Das 30-2-Gesichtsfeld wies am rechten Auge beginnende periphere Gesichtsfelddefekte auf.

Abb. 2
figure 2

Darstellung der Iriszysten in der UBM des rechten Auges bei Erstvorstellung

Diagnose

Aufgrund des charakteristischen Befunds in der Spaltlampenuntersuchung sowie morphologisch benignem Befund im Vorderabschnitts-OCT und in der UBM wurde die Diagnose von primären Irispigmentepithelzysten gestellt. Zur Abgrenzung von malignen Prozessen ist die UBM führend, die in diesem Fall allerdings keine umliegenden soliden Läsionen und keine Infiltration oder Destruktion des umliegenden Gewebes darstellen konnte.

Therapie und Verlauf

Aufgrund der teilweisen Verlegung der optischen Achse mit einer konsekutiven Visusminderung auf 0,6 sowie peripheren Gesichtsfelddefekten entschlossen wir uns zu einer operativen Iriszystenexzision und Synechiolyse am rechten Auge. Die Möglichkeit einer lasergeführten Therapie mittels YAG-Laser wurde aufgrund des intraokularen Inflammationsrisikos und der Rezidivgefahr verworfen. Die Operation erfolgte durch Aspiration und Exzision der Pigmentepithelzysten unter Schonung der klaren Linse. Der Eingriff konnte komplikationslos durchgeführt und die Patientin am ersten postoperativen Tag bei reizarmem Befund in die ambulante Weiterbehandlung entlassen werden.

In der postoperativen Kontrolle nach 3 Monaten bestand ein reizfreier Befund mit klaren Medien ohne Rezidiv der Irispigmentepithelzysten am rechten Auge (Abb. 3). Allerdings persistierte der Visus von 0,6. Trotz des fortgeschrittenen Alters für eine relative Deprivationsamblyopie begannen wir mit einer partiellen Okklusionstherapie des besseren Auges. Nach der aktuellen Leitlinie zur Okklusionstherapie sollte beim Verdacht auf eine Deprivationsamblyopie nach Beseitigung der Deprivationsursache mit einer Okklusion begonnen werden, die im Einzelfall bis 13 Jahre erfolgreich sein kann. Auch bei scheinbar aussichtslosen Fällen sollte zumindest ein Therapieversuch erfolgen [1]. Unter der partiellen Okklusion kam es erfreulicherweise zu einer subjektiven sowie objektiven Besserung des Visus bis auf zuletzt 1,0.

Abb. 3
figure 3

Postoperativer Befund rechts: a morphologisch, b VAA-OCT

Im Fotovergleich zeigte sich zudem eine deutliche Progression der Irisepithelzysten am linken Auge (Abb. 4). Bei asymptomatischer Patientin, stabilem Visus von 1,0 und unauffälligem Gesichtsfeld wurden diesbezüglich vorerst nur regelmäßige ambulante Kontrollen angeraten.

Abb. 4
figure 4

Progression des Befunds am linken Auge: a Erstvorstellung, b prästationär (+ 1,5 Monate), c postoperativ (+ 4,5 Monate)

Diskussion

Primäre Zysten des Irispigmentepithels präsentieren sich als kugelige oder ellipsoide pigmentierte Raumforderungen und stellen ein seltenes, allerdings mutmaßlich unterdiagnostiziertes Krankheitsbild dar. Am häufigsten werden die Zysten im Alter zwischen 20 und 30 Jahren und öfter bei Frauen diagnostiziert, regelmäßig sind allerdings auch Kinder oder ältere Menschen betroffen [2, 4].

Die genaue Pathogenese ist nicht geklärt. Es bestehen unterschiedliche Theorien, die von einer fehlgeleiteten Kammerwassersekretion unter bzw. zwischen die Zellschichten des Irispigmentepithels mit folgender Aufspaltung oder auch von einer Störung der Embryogenese mit inkompletter Fusion der beiden posterioren epithelialen Blätter der Iris ausgehen [3, 4]. Irispigmentepithelzysten können auch sekundär als Folge einer Operation, lang dauernder Anwendung topischer Miotika oder einer penetrierenden Verletzung entstehen [3]. Abzugrenzen sind primäre intrastromale Iriszysten, die sehr selten und insbesondere im Kindesalter auftreten und häufig mit einer Größenprogredienz mit Verlegung der Pupille einhergehen, sich morphologisch allerdings ohne Pigmentation wie in diesem Fall darstellen [5].

Obwohl die Irispigmentepithelzysten meist einen stationären Verlauf aufweisen, kann es wie im oben beschriebenen Fall selten zu einer Progression des Befunds kommen. In Einzelfällen können weitere ophthalmologische Komplikationen wie eine Kammerwinkelverengung bis hin zum Winkelblockglaukom oder eine Cataracta complicata auftreten [2, 3]. Eine Verlegung der optischen Achse wie in diesem Fall ist sehr selten und wurde bis jetzt nur sporadisch beschrieben [6].

Die Zysten treten deutlich häufiger mittelperipher (21 %) und peripher (73 %) an der Irisrückfläche als zentral am Pupillarsaum (3 %) auf und lassen sich daher oftmals erst in medikamentöser Mydriasis detektieren [2]. Periphere Zysten weisen meist nur eine umschriebene Irisvorwölbung auf [3]. Bei zentralen Zysten besteht meist ein asymmetrisch ausgeprägter beidseitiger Befund mit multiplen Zysten, während bei peripherer Lage eher eine unilaterale und solitäre Raumforderung vorliegt [2].

Bei Iristumoren jedweder Genese ist stets eine maligne Ursache auszuschließen.

Die UBM ist am ehesten geeignet, solide und zystische Prozesse an der Iris zu unterscheiden, und zeigt sich diesbezüglich anderer bildgebender Diagnostik im Vorderabschnitt überlegen. Zudem lassen sich durch die UBM gelegentlich Rückschlüsse auf das Wachstumsverhalten der Zysten ziehen [7]. Durch die rasante Weiterentwicklung der modernen Bildgebung ist das VAA-OCT eine sinnvolle Ergänzung zur UBM, welches ebenfalls Hinweise auf Lokalisation und Binnenstruktur von Prozessen im Vorderabschnitt liefern kann. Das VAA-OCT ist allerdings in der Tiefendarstellung von pigmentierten Läsionen durch deren optische Intransparenz limitiert [3]. In beiden diagnostischen Modalitäten stellen sich die Zysten als akustisch leere kugelige Strukturen mit typischerweise septierten dünnwandigen echoreichen Zystenwänden ohne Destruktion des umliegenden Gewebes dar [8]. Bei zystischen Prozessen muss immer das Vorliegen von begleitenden soliden Läsionen am Rand ausgeschlossen werden [3]. Solide Prozesse sollten weiter in die verschiedenen Entitäten (Irisnävi und -melanome, Melanozytome, nichtmelanozytäre solide Iristumoren …) differenziert werden. Im sehr seltenen Auftreten eines zystischen Erscheinungsbilds eines Irismelanoms sollten auch mögliche episklerale Sentinelgefäße beachtet werden [8]. Im Zweifelsfall muss eine histopathologische Untersuchung Aufschluss über die jeweilige Genese geben.

Im seltenen Fall vorliegender Komplikationen durch Irispigmentepithelzysten ist eine Therapie indiziert. Ein einheitliches Vorgehen besteht nicht. Zudem gibt es aufgrund der Seltenheit relevanter Komplikationen keine kontrollierten randomisierten Studien mit klinischem Vergleich unterschiedlicher Therapiemöglichkeiten, es existieren lediglich Einzelfallberichte oder kleinere Fallserien. Es besteht die Möglichkeit einer Laserzystotomie durch einen YAG- oder ALK-Laser, die allerdings durch Freisetzung des Zysteninhalts oder Pigment zur Inflammation des Vorderabschnitts sowie Pigmentdispersion führen kann und eine hohe Rezidivgefahr aufweist [9]. Eine Zystenaspiration mit Applikation eines sklerosierenden Agens sollte zur Verhinderung einer versehentlichen intrakameralen Installation nur mit äußerster Vorsicht erfolgen [9]. Die chirurgische Zystenexzision hat eine gute Erfolgsrate, es besteht allerdings auch ein größeres Risiko der Schädigung des umliegenden Gewebes, sodass eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte [9].

Die im oben genannten Fall vorliegenden fein gefältelten Iris-Flocculi finden sich bei betroffenen Patient:innen am Pupillarsaum und kommen durch zyklisch kollabierte und reformierte epitheliale Iriszysten zustande. Diese können Assoziationen zu Mutationen in bestimmten Genen, wie z. B. dem ACTA2-Gen, aufweisen. ACTA2 ist in die Funktion der Aktinfilamente zur Regulation des Muskeltonus glatter Muskulatur eingebunden, die neben dem M. sphincter pupillae auch in der glatten Muskulatur der Aorta vorliegen [10]. Mutationen im ACTA2-Gen können zur Entwicklung der familiären TAAD („thoracic aortic aneurysm and dissection“, thorakale Aortenerkrankungen) beitragen [10]. Da bei der Patientin bereits ein persistierender Ductus arteriosus Botalli vorgelegen hatte, wurde eine genetische Testung angeboten. In den letzten kardiologischen Vorbefunden fand sich glücklicherweise außer dem Ductus arteriosus eine regelrechte intrathorakale Anatomie. In der Familie lagen keine kardiologischen oder aortalen Vorerkrankungen vor.

Fazit für die Praxis

  • In allen Fällen von Iristumoren sollten immer maligne Prozesse ausgeschlossen werden.

  • Beim sehr seltenen Vorliegen einer durch die Iriszysten bedingten Visusminderung kann eine chirurgische Therapie erwogen werden.