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Anamnese
Eine 28-jährige europäische Patientin mit Kontaktlinsen-assoziierter Keratitis, die bereits seit mehr als 1 Jahr bestand, stellte sich zur Zweitmeinung in unserer Klinik vor. Die Patientin nutzte zuvor regelmäßig formstabile Kontaktlinsen und sei damit auch vor 14 Monaten im Schwimmbad gewesen. Die bestkorrigierte Sehschärfe war vorher beidseits 1,0. Damals klagte die Patientin über Fremdkörpergefühl, Trockenheit und im Verlauf über eine Photophobie. Eine infektiöse Keratitis mit Akanthamöben wurde damals extern anhand einer Konfokalmikroskopieuntersuchung festgestellt und mit Propamidinisoethionat 0,1 % (Brolene), Polyhexanid 0,02 % und Levofloxacin Augentropfen (AT) stationär behandelt. Bei Verdacht auf eine herpetische Koinfektion wurde zusätzlich eine Therapie mit Virgan Augengel (AG) 5‑mal/Tag und Aciclovir 400 mg Tabletten 5‑mal/Tag per os eingeleitet. Bei unzureichender Besserung erfolgte im April 2022 erneut eine stationäre Aufnahme. Die oben genannte Therapie wurde intensiviert, und Dexamethason AT 8‑mal/Tag wurden ergänzt. Eine erneute Konfokalmikroskopieuntersuchung zeigte Pilzhyphen. Daher wurden Amphotericin AT sowie Voriconazol AT ergänzt. Unter der Therapie ließen die Schmerzen und die Entzündungsaktivität nach. Nach Reduktion der Lokaltherapie traten die Beschwerden erneut auf. Daher folgten im Verlauf mehrere stationäre Aufenthalte mit Intensivierung der oben genannten Therapie und Einsatz von systemischem Voriconazol, Doxycyclin, Mycophenolat-Mofetil und Prednisolonacetat-Tabletten (Tbl.) ohne therapeutischen Erfolg.
Klinischer Befund
Die bestkorrigierte Sehschärfe betrug in unserer Klinik präoperativ am rechten Auge (RA) Fingerzählung und am linken Auge (LA) 1/20 Metervisus (MV). In der Spaltlampenbiomikroskopie zeigten sich rechts ein ausgeprägtes Ringinfiltrat sowie mehrere Hornhautinfiltrate minimal 1,5 mm vom Limbus entfernt, ein 3 × 4 mm großes querovales Ulcus corneae mit mäßiggradiger Stromaverdünnung, die Vorderkammer zeigte sich tief und reizfrei, die Linse weitgehend klar (Abb. 1). Links zeigten sich auch ein ausgeprägtes Ringinfiltrat sowie 2 mittelperiphere Ulzera, die Vorderkammer zeigte sich tief und reizfrei, die Linse weitgehend klar. Aufgrund der chronischen topischen Therapie mit Dexamethason war die Bindehaut beidseits paradoxerweise nicht injiziert. Fundoskopisch war die Netzhaut beidseits zentral anliegend, die Papille schemenhaft als vital erkennbar. Zehn Tage nach Absetzen der topischen Kortisontherapie zeigte sich eine deutliche Bindehautinjektion mit Zunahme der Infektion und der Hornhautdicke (Abb. 2).
Diagnostik
Die extern ausgeführte Konfokalmikroskopieuntersuchung vom April 2022 war für Akanthamöben sowie Pilzhyphae positiv. Im Vorderaugenabschnitt-OCT (VAA-OCT) zeigte sich die Hornhaut mit durchgreifender Vernarbung und die Hornhautdicke relativ reduziert (Abb. 1c, d, e und f). Im Ultraschall zeigte sich die Netzhaut vollständig anliegend. Eine PCR-Untersuchung des Hornhautabradats und später des Hornhautexzidats beider Augen war positiv für Akanthamöben, aber negativ für Pilze und Herpes-simplex-Virus (HSV).
Therapie und Verlauf
Am Aufnahmetag im März 2023 wurde die topische und systemische Kortisontherapie abgesetzt und eine lokale Therapie aus Voriconazol 2 % AT 5‑mal/Tag, Propamidin 0,1 % AT 5‑mal/Tag, Polyhexanid 0,02 % AT 5‑mal/Tag und einem Kombinationspräparat aus Neomycin 3500 I.E./5 ml, Polymyxin B 7500 I.E./5 ml und Bacitracin 0,02 mg/5 ml (Polyspectran) AT 5‑mal/Tag verwendet. Systemisch wurden Mycophenolat-Mofetil-Tbl. 720 mg 2‑mal/Tag sowie Voriconazol 200 mg 2‑mal/Tag weitergeführt. Am vierten Tag nach der Aufnahme erfolgten eine perforierende Keratoplastik (PKP) à chaud 9,0/9,5 mm am rechten Auge mit Handtrepan und zirkuläre Kryokoagulation der Wirtshornhaut im Interfacebereich (16 bis 20 Herde, je 2–3 s) sowie die Eingabe von Voriconazol intrastromal 2 % in den Empfängerring in Intubationsnarkose mit Atracurium als Muskelrelaxans [10]. Zudem wurde eine basale Iridotomie bei 12 Uhr durchgeführt. Anschließend wurde das Spendergewebe mit 32 10-0-Nylon-Einzelknüpfnähten in der Trepanationsöffnung adaptiert, und die Knoten wurden im Transplantat versenkt. Postoperativ wurde eine topische Therapie mit Hyaluronsäure 0,2 % AG 8‑mal/Tag, Dexpanthenol Augensalbe (AS) zur Nacht, Voriconazol 2 % AT 5‑mal/Tag, und Polyspectran AT 5‑mal/Tag angewendet. Polyhexanid 0,02 % AT und Propamidin 0,1 % AT wurden für 3 Tage bis zum Epithelschluss pausiert. Die lokale Kortisontherapie mit Prednisolon AT 5‑mal/Tag wurde erst 10 Tage postoperativ eingesetzt. Die systemische Aciclovir-Therapie wurde abgesetzt, da der HSV-PCR-Test sowohl im Hornhautexzidat als auch im Vorderkammeraspirat negativ war [23]. Die systemische Therapie mit Voriconazol wurde insgesamt für 10 Tage durchgeführt. Es wurde bei mykotischer Keratitis auf eine systemische Kortisontherapie postoperativ verzichtet.
Drei Wochen nach der Transplantation auf der rechten Seite wurde am Partnerauge in analoger Weise eine PKP 9,5/10,0 mm durchgeführt. Postoperativ wurde dieselbe topische Therapie wie oben beschrieben angewendet. Vierzehn Tage nach der zweiten Transplantation betrug der BCVA rechts 0,4 dezimal und links 0,3 dezimal. Beidseits war das Transplantat klar und gut integriert, die Fäden waren fest, die Vorderkammer war tief und reizfrei, die Papille war vital und randscharf, die Netzhaut war anliegend, der Augeninnendruck war gut reguliert. Die Linse zeigte links eine beginnende Cataracta subcapsularis posterior, a. e. im Rahmen der verlängerten topischen Kortisontherapie präoperativ. Fünf Monate postoperativ betrug die bestkorrigierte Sehschärfe 0,6 am RA und 0,3 am LA ohne Zeichen einer Abstoßung oder eines Rezidivs der kornealen Infektion.
Histologie
Die histologische Untersuchung des Hornhautexzidats ergab beidseits eine floride ulzeröse Akanthamöbenkeratitis mit Akanthamöbenzysten, welche sich bis zur Descemet-Membran hin ausbreiten (Abb. 1i, j). Pilzhyphen wurden histologisch nicht nachgewiesen.
Diskussion
Die Kontaktlinsen(KL)-assoziierte infektiöse Keratitis ist eine ernste Komplikation besonders bei weichen Kontaktlinsen, die das Sehvermögen bedroht. Schätzungen zufolge trugen im Jahr 2021 3,7 Mio. Menschen in Deutschland Kontaktlinsen [14]. Akanthamöben und Fusarium sind für einen erheblichen Anteil dieser Infektionen verantwortlich (1,96–12,5 % bzw. 2–12,5 %) [24]. Risikofaktoren umfassen eine zu lange Tragedauer von Kontaktlinsen auch über die Nacht, mangelnde Hygiene, Kontakt mit Süßwasser und Reisen [24]; 76 % der Akanthamöbenkeratitis-Patienten [6] und 56 % der Pilzkeratitis-Patienten [17] sind Kontaktlinsenträger. Aufgrund der Möglichkeit einer Mischinfektion sind zur Diagnosestellung verschiedene diagnostische Methoden wie Konfokalmikroskopie, PCR, Kultur und histologische Untersuchungen erforderlich [5, 7, 9, 19]. Bei 37 % der Fälle von Akanthamöbenkeratitis und 65 % der Fälle von mykotischer Keratitis kann eine PKP bei Therapieresistenz nach konservativer Therapie erforderlich sein [6, 17].
Unsere Patientin zeigte trotz ausgeprägter beidseitiger Keratitis (Abb. 1) überraschenderweise keine aktiven Entzündungserscheinungen an beiden Augen. Dies war wahrscheinlich durch die langfristige Anwendung lokaler Steroide bedingt, die die Symptome maskierten und eine irreführende Verbesserung durch konservative Therapie vortäuschten. Daher wurde die notwendige PKP verschoben, bis die bestehende Infektion abgeheilt sein sollte („um das Auge zur Ruhe zu bringen“), was zu einer Ausbreitung der Infektion in die tiefen Hornhautschichten und in den peripheren Bereich der Hornhaut führte. Dies erhöht das Risiko einer anhaltenden Infektion nach der Operation und macht eine PKP mit größerem Durchmesser und dem damit verbundenen hohen Risiko einer expulsiven Blutung, Sekundärglaukom und Immunreaktion unvermeidlich.
Obwohl Kortikosteroide häufig zur Behandlung verschiedener entzündlicher Erkrankungen des Auges eingesetzt werden, ist ihr Einsatz bei Akanthamöbenkeratitis oder mykotischer Keratitis äußerst umstritten und wirkt potenziell schädlich (i. e. mehr Keratoplastiken, geringerer finaler Visus, mehr Enukleationen) [1, 4, 8, 11].
Die Besorgnis rührt daher, dass Kortikosteroide die Immunreaktion unterdrücken können, die für die Bekämpfung dieser Infektionen entscheidend ist [11]. Dies kann dazu führen, dass sich die Infektion tiefer in die Hornhautschichten ausbreitet, wodurch die Wirksamkeit von Antimykotika verringert wird [4, 11, 21]. Außerdem könnte die Anwendung von Kortison in den frühen Stadien der Keratitis die Symptome verschleiern und zu einer Fehldiagnose und folglich zu einer Verzögerung bei der Anwendung der richtigen Therapie führen [6, 13, 16, 18, 25].
Einige klinische Studien bestätigen die bisherigen Bedenken. In einer Studie von Cho et al. wurde festgestellt, dass die frühe Anwendung von topischen Steroiden bei Patienten mit mykotischer Keratitis mit einem höheren Risiko eines chirurgischen Eingriffs und eines Behandlungsversagens verbunden war [4]. Robaei et al. sowie Scruggs et al. fanden heraus, dass die Anwendung von Kortikosteroiden vor der Diagnose einer Akanthamöbenkeratitis ein schlechteres Visusergebnis bedingt [16, 18]. Ähnliche Ergebnisse erbrachte das deutsche Akanthamöben-Register. Die Häufigkeit einer perforierenden Keratoplastik war bei Patienten mit Kortisontherapie und Monotherapie gegen Akanthamöben signifikant höher als bei Patienten mit reiner Dreifachtherapie [6, 18]. Die Anwendung einer lokalen Kortisontherapie war zusätzlich signifikant häufiger mit einer sekundären bakteriellen Koinfektion verbunden [18]. Außerdem deuten neuere In-vitro-Studien darauf hin, dass die Pathogenität der Amöben unter Kortisontherapie zunimmt [15, 25]. Dagegen war der Einsatz von Steroiden nach Einleitung einer angemessenen Therapie der Akanthamöbenkeratitis zur Behandlung von Schmerzen und Beschwerden klinisch nicht mit schlechteren Ergebnissen assoziiert [2].
Derzeit wird in Deutschland für die Therapie der Akanthamöbenkeratitis eine Kombination aus Diamidin, Biguanid und Neomycin empfohlen [6, 15, 22]. Diese Therapie sollte anfangs intensiv angewendet werden (z. B. ½‑stündliche Tropfengabe Tag und Nacht) und dann über 3 bis 6 Monate langsam reduziert werden [6, 15]. Eine lokale Kortisontherapie sollte aus den oben genannten Gründen generell vermieden werden, und falls bereits extern Kortison verwendet wurde, sollte die antimykotische oder antiamöboide Therapie noch mehrere Wochen nach Absetzen des Steroids fortgesetzt werden [13, 15].
Bei ausbleibender Besserung unter konservativer Therapie bewirkt eine frühere PKP sowohl die Erregerelimination als auch ein gutes funktionelles Ergebnis [6, 12, 20]. Die Durchführung einer PKP bei einer lokal begrenzten Infektion ermöglicht eine vollständige Entfernung des Erregers durch vollständige Exzision des infizierten Gewebes sowie eines ringförmigen Teils der umgebenden klaren Hornhaut [13, 20]. In fortgeschrittenen Stadien werden die verbleibenden Parasiten wahrscheinlich durch eine intraoperative Kryobehandlung („Frieren-Tauen-Frieren“) der Wirtshornhaut zusätzlich eliminiert [3, 6]. Nach Fadenlegung kann intraoperativ eine zirkuläre intrastromale Voriconazol-Injektion ein erneutes Auftreten der Infektion verhindern [20].
Schlussfolgerung
Bei Patienten mit Akanthamöben- bzw. mykotischer Keratitis kann eine frühere PKP à chaud die Erreger wirksam beseitigen und die Prognose verbessern, wenn eine intensive lokale Therapie keine Besserung bringt. Eine lokale Kortisontherapie sollte präoperativ vermieden werden. Sie maskiert den Befund, täuscht eine Pseudobesserung vor und erschwert so die richtige diagnostische Einschätzung. Das kann zu einer Verspätung der notwendigen konservativen oder operativen Therapie führen mit konsekutiver Verschlechterung der Prognose. Trotzdem kann auch nach 14 Monaten Krankheitsverlauf eine große Keratoplastik à chaud zu einem guten Kurzzeitergebnis führen.
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Abu Dail, Y., Daas, L., Flockerzi, F.A. et al. Beidseitige chronische Kontaktlinsen-assoziierte Keratitis. Ophthalmologie 121, 410–414 (2024). https://doi.org/10.1007/s00347-024-01993-y
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