Hintergrund und Fragestellung

Die randunscharfe Papille ist ein unspezifisches klinisches Erscheinungsbild, dem multiple heterogene Ursachen zugrunde liegen können.

Unterschieden wird bei randunscharfer Papille eine Pseudopapillenschwellung durch Papillenanomalien von echten Papillenschwellungen. Die Abb. 1 gibt einen Überblick über die echte Papillenschwellung mithilfe eines Flussdiagramms.

Abb. 1
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Differenzialdiagnosen bei Papillenschwellung. (Mod. nach Biermann und Lagrèze [3])

Zur weiteren Abklärung steht ophthalmologisch eine Vielzahl von diagnostischen Mitteln zur Verfügung. Häufig ist auch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Fachbereichen wie (Neuro‑)Radiologie, Neurologie, Pädiatrie für die Diagnostik notwendig.

Trotz der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ist es jedoch nicht immer möglich, die genaue Genese der Papillenschwellung zu identifizieren, was für den behandelnden Ophthalmologen eine Herausforderung darstellt. Das Krankheitsbild, die Anamnese sowie Begleiterscheinungen sind in der Differenzialdiagnostik zwischen kompressiven und ischämischen bzw. entzündlichen Genesen sehr hilfreich. Die Herausforderung liegt aber dabei, eine entzündliche Papillenschwellung ohne uveitische Begleiterscheinungen von einer Stauungspapille zu unterscheiden.

In dieser Arbeit wurde untersucht, inwiefern bei einer Papillenschwellung eine Stauungspapille (STP) von einer Papillitis mithilfe der Fluoreszenzangiographie (FLA) in Kombination mit der optischen Kohärenztomographie (OCT) abgegrenzt werden kann.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

In eine Fallserie wurden insgesamt 12 Patienten eingeschlossen, bei denen sowohl eine FLA (HRA2, Heidelberg Engineering, Heidelberg) als auch OCT-Untersuchung (Spectralis, Heidelberg Engineering, Heidelberg) der Papille zur Abklärung einer Papillenschwellung im Rahmen der Erstvorstellung in unserer Hochschulambulanz bei einer STP (7 Patienten, 14 Augen) und bei einer Papillitis (5 Patienten, 7 Augen) durchgeführt wurden.

Mittels OCT wurde die maximale papilläre Dicke gemessen (s. Abb. 2) und in Abhängigkeit davon das Fluoreszenzverhalten der Papille in der FLA retrospektiv untersucht.

Abb. 2
figure 2

ace Stauungspapille (s. Tab. 2, Patient 4, OS); bdf Papillitis (s. Tab. 2, Patient 8, OS) bei einer Papillenschwellung mit einer maximalen zentralen Dicke von unter 1000 µm. Abgebildet sind aus der optischen Kohärenztomographie jeweils (a, b) ein horizontales Schnittbild der zentralen Papille, in (c, d) eine Dickenkarte als Heatmap und (e, f) eine Segmentierung mit Dickenanalyse

Abb. 3
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abc Stauungspapille (Patient 4, OS); def Papillitis (Patient 8, OS) bei einer Papillenschwellung mit einer maximalen zentralen Dicke von unter 1000 µm. Abgebildet sind jeweils ein Farbfundusfoto (a, d) und eine Aufnahme aus der Früh- (b, e) und der Spätphase (c, f) der Fluoreszenzangiographie (FLA) der Papille mit Angabe der Zeit nach Fluoreszeinapplikation in Minuten

Ausgeschlossen wurden Augen mit hoher Hyperopie (> +5,25 dpt.), hoher Myopie (< -6,0 dpt.) sowie Augen mit Papillenanomalien (z. B. schräger Sehnerveneintritt, „tilted disc“, Drusenpapille).

Zum Untersuchungszeitpunkt waren alle Papillenschwellungen (STP und Papillitis) noch unbehandelt.

Der Grund der augenärztlichen Konsultation der Patienten war eine Symptomatik mit Angabe von Gesichtsfeldeinschränkung und/oder unklarer Sehstörung in beiden Gruppen. In der Gruppe der STP bestanden in einigen Fällen zusätzlich auch Kopfschmerzen und/oder Schwindel.

Die Symptome bestanden bei einem Patienten anamnestisch bereits seit einem Jahr (s. Tab. 2, Patient 7, STP). In allen anderen Fällen war die Symptomatik anamnestisch maximal 4 Wochen lang bestehend.

Die STP wurde nach den Frisen-Graden klassifiziert. Außerdem erfolgte bei den Patienten mit STP eine Liquordruckmessung im Rahmen der neurologischen Vorstellung.

Eine makuläre Ganglienzellanalyse wurde mit der Built-in-Software automatisch mit dem 1, 3, 6 mm ETDRS-Grid analog zu [8] durchgeführt. Die durchschnittliche makuläre Ganglienzelldicke wurde in dieser Arbeit anhand des Mittelwertes der inneren (3 mm) parafovealen ETDRS-Ringsegmente bestimmt und zwischen beiden Gruppen statistisch verglichen.

Ferner erfolgte eine Perimetrie (Twinfield, TAP-Modul, Oculus, Wetzlar), deren Median Deviation (MD) zur Analyse und zum statistischen Vergleich herangezogen wurde.

Die statistische Analyse erfolgte mit dem Programm SPSS Statistics Version 26 (IBM, Armonk, NY, USA).

Ergebnisse

In dieser Fallserie befinden sich 14 Augen von 7 Patienten in der Gruppe der STP und 7 Augen von 5 Patienten in der Gruppe der Papillitis. Das durchschnittliche Alter betrug 40,0 ± 14,2 Jahre.

Die STP war bei allen Patienten bedingt durch eine gesicherte idiopathische intrakranielle Hypertonie (IIH). In der Kohorte der Papillitis lagen multiple heterogene entzündliche Pathologien zugrunde: Multifokale Choroiditis, systemische Sarkoidose mit isolierter Papillitis ohne weitere uveitische Manifestation, HLA B27-positive Uveitis anterior, Multiple Evanescent White Dot Syndrome und Optikusneuritis.

Weitere demografische Daten werden in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Demografische Daten

Die MD der Perimetrie (p = 0,553) und die durchschnittliche makuläre Ganglienzelldicke (p = 0,81) war in den Fällen mit akuter, milder STP (s. Tab. 2, Patienten 1 bis 6) und der Papillitisgruppe vergleichbar (Mann-Whitney-U-Test).

Tab. 2 Auflistung der eingeschlossenen Patienten mit den Parametern Liquordruck, Frisen-Grad, Papillendicke, makuläre Ganglienzelldicke, Median Deviation (MD) der Perimetrie

In dem Kollektiv der STP waren nach Frisen 1 bis 4 alle Grade vertreten. Die Spanne des Liquordrucks betrug 29–43 mm Hg (Tab. 2).

Die Gruppe der STP zeigte in der OCT eine mittlere papilläre Dicke von 862 ± 249 µm. Bei 12 Augen von 6 Patienten mit akuter, milder STP fiel in der FLA in der Spätphase eine ringförmige papilläre Hyperfluoreszenz auf (s. Abb. 3). Bei diesen Patienten zeigte sich eine papilläre Dicke von 611–972 µm.

Abb. 4
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Chronische Stauungspapille mit Papillenprominenz > 1000 µm (Patient 7, OD). Farbfundusfoto (a), Frühphase (b) und Spätphase (c) der Fluoreszenzangiographie, optische Kohärenztomographie mit horizontalem Schnittbild der zentralen Papille (d), Dickenkarte als Heatmap (e) und Segmentierung mit Dickenanalyse (f)

Ein weiterer Patient mit chronischer und ausgeprägter STP (s. Tab. 2, Patient 7) präsentierte in der FLA in der Spätphase eine bilaterale diffuse Leckage über die gesamte Papille (panpapillär). Die papilläre Dicke in der OCT betrug hierbei 1287 µm (rechtes Auge) bzw. 1526 µm (linkes Auge) (s. Abb. 4).

In der Gruppe der Papillitis zeigte sich in allen Fällen eine panpapilläre Leckage in der Spätphase der FLA (s. Abb. 3). Die mittlere papilläre Dicke in der OCT betrug hierbei 865 µm (Spannbreite 632–1195 µm).

Diskussion

In der klinischen Praxis kann es schwierig sein, die Genese einer Papillenschwellung zu identifizieren. Die STP und die entzündlich bedingte Papillenschwellung (Papillitis) gehören zu wichtigen Differenzialdiagnosen und wurden bei dieser Arbeit untersucht.

Insbesondere bei Abwesenheit von klinischen okulären Entzündungszeichen, wie z. B. Zellen, kann die Diagnosestellung einer Papillitis erschwert sein.

Zunächst wurde anhand der Perimetrie und der makulären Ganglienzelldicke festgestellt, dass der Vitalitätsgrad des Sehnerven in den Fällen mit akuter, milder STP und der Papillitisgruppe in dieser Arbeit vergleichbar ist und daher einen Vergleich der Gruppen zusammen mit der papillären Dickenmessung erlaubt.

Es ist bereits beschrieben, dass in der FLA eine STP anhand einer papillären Leckage von einer Pseudopapillenschwellung abgegrenzt werden kann [5]. Ebenso bestehen zahlreiche Studien, bei denen durch die OCT eine Pseudopapillenschwellung von einer STP abgegrenzt werden kann [9, 10].

In unserer Arbeit wurde die OCT zur Anwendung gebracht, um die FLA in Anbetracht der gemessenen papillären Prominenz vergleichen zu können. Ferner wurde das Fluoreszenzverhalten der Papille bei STP in der vorliegenden Arbeit detaillierter bezüglich des Fluoreszenzmusters untersucht.

Wir sahen bei akuten Papillenschwellungen mit einer maximalen papillären Dicke von unter 1000 µm bei STP eine ringförmige papilläre Hyperfluoreszenz in der FLA.

Carta et al. beschrieben, dass eine Verdickung der peripapillären Nervenfaserschicht bei der echten Papillenschwellung im Gegensatz zur Pseudopapillenschwellung als alleiniges klinisches Zeichen die höchste Aussagekraft zur Differenzierung aufweist [4]. Hierbei wird jedoch nicht bezüglich der Genese der Papillenschwellung weiter differenziert.

Hayreh konnte in Tierversuchen mit Affen bei künstlich erzeugter intrakranieller Hypertension ab einer milden bis moderaten Papillenschwellung bei STP eine papilläre Leckage von Fluoreszein in der Spätphase und eine Papillenrandunschärfe in der FLA erkennen [6].

Durch Miller wurde 1965 eine papilläre Leckage in der FLA bei STP im Gegensatz zur Pseudopapillenschwellung beschrieben [7].

Arnold et al. zeigten, dass bei der ischämischen Papillenschwellung im Gegensatz zu der Papillenschwellung bei Papillitis eine verzögerte Fluoreszeinfüllung der Papille vorhanden ist [2].

Anmarkrud beschreibt eine Fluoreszeinleckage in der Spätphase der FLA in sehr frühem Stadium der STP [1]. Jedoch wurde in dieser Arbeit kein Unterschied im Fluoreszenzverhalten in der Spätphase zwischen STP und Optikusneuritis gesehen. In unserer Arbeit zeigte sich bei einer Optikusneuritis mit einer Papillenschwellung von unter 1000 µm eine Farbstoffleckage über der gesamten Papille. Bei der STP wurde bei papillärer Prominenz von unter 1000 µm in allen Fällen eine Hyperfluoreszenz nur ringförmig papillär gesehen. Erst bei einer Prominenz von über 1000 µm mit chronischem Verlauf und fortgeschrittener STP (Frisen-Grad 4) stellte sich eine Leckage über der gesamten Papille dar. Somit konnte bei höherer papillärer Prominenz (hier > 1000 µm) fluoreszenzangiographisch zwischen einer STP und einer Papillitis nicht mehr unterschieden werden.

Schlussfolgernd gibt diese Arbeit Hinweise zur Differenzierung zwischen einer milden STP und einer Papillitis anhand des Fluoreszenzmusters in der Spätphase der FLA in den eingeschlossenen Fällen.

Jedoch bestehen in der vorliegenden Arbeit Limitationen. So gibt es Unterschiede in der Gruppe der STP im Hinblick auf das Ausmaß und die Dauer der Liquordruckerhöhung. Auf der anderen Seite weist die Vergleichsgruppe eine Inhomogenität mit verschiedenen Ursachen der Papillitis auf.

Ferner sind zur weiteren Aufarbeitung dieses Themas zusätzliche Studien mit höheren Fallzahlen und prospektivem Design wünschenswert.

Fazit für die Praxis

  • Die Differenzialdiagnose einer randunscharfen Papille ist aufgrund von multiplen zugrunde liegenden Pathologien komplex.

  • In den in dieser Arbeit eingeschlossenen Fällen konnte die FLA in Kombination mit der OCT eine frühe STP von einer Papillenschwellung entzündlicher Genese abgrenzen.