Anamnese

Ein 38-jähriger Patient stellte sich in unserer Hornhautsprechstunde mit der Frage einer Hornhauttransplantation zur Verbesserung der Sehstärke vor. Er berichtete, mit 19 Jahren am linken Auge ein Trauma und im Anschluss eine Amotio retinae erlitten zu haben. Diese sei entgegen dem Rat seines Augenarztes nicht behandelt worden. Im weiteren Verlauf habe sich die linke Linse stark eingetrübt. Die weißliche Färbung habe ihn kosmetisch stark gestört, weshalb er das Auge in der Ukraine vor neun Jahren farblich dem rechten Auge angleichen lassen habe. Zudem berichtete er, seit ca. zehn Jahren einmal täglich drucksenkende Augentropfen zu verwenden und keine weiteren Vorerkrankungen zu haben.

Befund

Der Visus am betroffenen linken Auge betrug nulla lux. Am rechten Auge lag der bestkorrigierte Visus bei 1,0 mit einer objektiven Refraktion von \(-0{,}25/-0{,}5/5\)\({}^{\circ}\). Der intraokulare Druck war beidseits normwertig. In der klinischen Untersuchung zeigte sich links zentral, und bis in die Peripherie reichend, eine großflächige schwarze Färbung mit unregelmäßigen Ausläufern (Abb. 1). In der optischen Kohärenztomographie des Vorderabschnitts (VAA-OCT) stellte sich diese im Bereich des tiefen Stromas dar (Abb. 2). Posterior gelegene Strukturen waren nicht darstellbar. Hinter der Färbung zeigten sich in der Spaltlampenuntersuchung Abschnitte einer prämaturen Katarakt. Zusätzlich bestanden neben Irisnävi eine Rubeosis iridis und vordere Synechien. Die Pupille zeigte sich lichtstarr. Das Auge befand sich in einer Abduktionsstellung. Funduskopisch ergab sich kein Einblick, echographisch war eine Amotio totalis darstellbar (Abb. 3). Beide Augen zeigten eine leichte Keratitis superficialis punctata. Am rechten Auge zeigte sich ansonsten ein regelrechter ophthalmologischer Befund.

Abb. 1
figure 1

Zentrale schwarze Färbung mit unregelmäßigen Ausläufern

Abb. 2
figure 2

VAA-OCT mit Fremdmaterial im Bereich des tiefen Stromas

Abb. 3
figure 3

Echographisch darstellbare Amotio totalis insanata

Diagnose

In summa zeigten sich am linken Auge eine Amotio retinae insanata und eine prämature Katarakt. Bei bestehender Sprachbarriere war die Prozedur der kosmetischen kornealen Korrektur unklar – aufgrund der Tiefenlokalisation waren ein lamelläres Verfahren (z. B. LASIK oder manuelle lamelläre Dissektion) mit Einsetzen eines Implantates sowie eine Hornhaut-Tätowierung möglich. Spaltlampenmikroskopisch konnte ein Flap nicht sicher identifiziert werden, allerdings kann man über einen Flaprand, z. B. zwischen 5.00 Uhr und 8.00 Uhr, spekulieren (Abb. 1). Im superioren Bereich war die Hornhaut partiell vernarbt und vaskularisiert. Im OCT imponierten die posterioren Hornhautschichten wie abgetragen. Dies könnte auf einen durch das Farbpigment erzeugten Schallschatten zurückzuführen sein.

Therapie und Verlauf

Der Patient wurde darüber aufgeklärt, dass Linsen- oder Hornhaut-chirurgische Eingriffe aufgrund der seit vielen Jahren bestehenden Amotio totalis keine Aussicht auf eine Visusverbesserung bieten. Von einer Augenmuskel-OP zur Reduktion der Exotropie wurde ebenfalls abgeraten, da sie lediglich einen vorübergehenden Erfolg mit sich bringen würde. Eine erneute Abweichung des linken Auges wäre im Verlauf aufgrund der fehlenden neurosensorischen Kopplung der Augen sehr wahrscheinlich. Es wurde eine Therapie mit Tränenersatzmitteln empfohlen und darüber aufgeklärt, dass bei Auftreten von Schmerzen eine Enukleation in Betracht gezogen werden könne.

Diskussion

Die vollständige Erblindung des linken Auges war auf die Amotio totalis insanata zurückzuführen. Die schwarze Färbung der Hornhaut trug dazu kaum bei. In der Spaltlampenuntersuchung ließen sich kleine Bereiche der trüben Linse einsehen, sodass im Falle einer Implantat- oder Tattoo-bedingten Visusreduktion mindestens eine Lichtschein-Wahrnehmung zu erwarten gewesen wäre.

Eine weniger invasive Maßnahme zur kosmetischen Anpassung bieten Irisprintkontaktlinsen mit Illusion einer typischen schwarzen Pupille. Sie können durch eine bessere ästhetische Zufriedenheit zu einer erhöhten Lebensqualität führen [1]. Zu berücksichtigen sind jedoch auch die möglichen Komplikationen wie z. B. eine Kontaktlinsen-assoziierte Konjunktivitis, eine Keratitis, eine limbale Stammzellinsuffizienz und Neovaskularisationen [2, 3]. Bei subjektiver Kontaktlinsen-Unverträglichkeit und einigen Formen einer Hornhautnarbe ist diese Option nicht geeignet [4].

Sollte durch eine Kontaktlinse keine Patientenzufriedenheit zu erreichen sein, kann in vereinzelten Fällen eine Hornhaut-Tätowierung in Betracht gezogen werden. Voraussetzungen dafür sind ein geringer Visus ohne Aussicht auf Besserung durch therapeutische Interventionen und der ausdrückliche Patientenwunsch (siehe [5]). Die häufigsten Indikationen sind auffällige Hornhautnarben oder Leukome, Irisdefekte, Aniridie, Polykorie und eine mature Katarakt (siehe [5, 6]). Durch den Eingriff kann es neben einem verbesserten kosmetischen Ergebnis je nach Indikation auch zur Reduktion der Blendempfindlichkeit, einer geringen Visusverbesserung durch einen stenopäischen Effekt sowie zur Beseitigung einer monokulären Diplopie bei Irisdefekten kommen (siehe [5]).

Die Geschichte der Hornhautfärbung reicht mehrere hundert Jahre zurück (siehe [5]). Mit der Zeit wurden verschiedenste Techniken entwickelt (siehe [5]). Beispiele für heutige Techniken sind die direkte Applikation der Farbpigmente auf das Epithel und die Imprägnierung, bei der das Pigment mittels einer Nadelpunktion in das korneale Gewebe eingebracht wird [6]. Vorteile der ersten, sogenannten „Staining-Methode“, liegen in der schnellen Durchführbarkeit und uniformen Verteilung der Farbe [6]. Im Vergleich dazu verbleibt das Pigment bei der Imprägnierung länger in der Hornhaut, kann jedoch zur Lichtstreuung führen [6]. Unser Patient scheint, ausgehend von der Morphologie, am ehesten eine lamelläre Keratektomie erhalten zu haben. Dabei erfolgt eine stromale Dissektion im Sinne der Präparation einer Tasche oder einer In-situ-Keratomileusis, in welche der Farbstoff injiziert wird. Das Präparat kann anschließend locker readaptiert oder nahtfixiert werden (siehe [5]). Für eine lamellär manuelle Präparation sprechen die irregulären Ränder (Abb. 1), wohingegen das im OCT (Abb. 2) sehr homogen und gleichmäßig konfigurierte anteriore Stroma eher für ein maschinell Mikrokeratom-gestütztes Verfahren spricht. Vorteile des Verfahrens sind die genaue Platzierung und der lange Erhalt des Pigments sowie die Vermeidung rezidivierender Erosiones (siehe [5, 7]). Damit eignet es sich gut für Färbungen im Bereich der Pupille (siehe [5]). Alternativ kann eine superfiziale korneale Tasche mit einem Femtosekundenlaser im Rahmen eines FACT (femto-assisted corneal tattooing) geschaffen werden, in die wiederum der Farbstoff injiziert wird (siehe [5, 8]). Auch dieses Verfahren könnte bei unserem Patienten angewendet worden sein. Bei der Wahl der Farbstoffe gibt es verschiedenste Möglichkeiten: herkömmliche Farbpigmente (z. B. Indigo oder Berliner Blau), Stoffe, die zur Tätowierung der Haut genutzt werden (z. B. Fe2O3, Fe(OH)3, Fe3O4), Metallsalze (z. B. Platinchlorid) oder konventionelle Zeichentusche (siehe [5]). Vor wenigen Jahren wurde erstmalig der Einsatz von mikronisierten mineralischen Pigmenten beschrieben [9]. Histologisch finden sich über lange Zeit nichtmetallische Pigmente in Keratozyten und Fibroblasten [10, 11].

Die Komplikationen nach einem Hornhaut-Tattoo beinhalten Schmerzen, Photophobie, ein Verblassen der Färbung, Neovaskularisationen, eine Keratitis, eine Hornhautperforation sowie eine Uveitis [12]. In der Literatur wird eine sehr hohe postoperative Patientenzufriedenheit beschrieben [13].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Hornhaut-Tattoos eine Alternative für Patienten mit subjektiv starker kosmetischer Beeinträchtigung oder ausgeprägter Blendempfindlichkeit und erheblich eingeschränktem Visus bei fehlender therapeutischer Option und Kontaktlinsenintoleranz darstellen. Es sind eine strenge Indikationsstellung und ein ausdrücklicher Patientenwunsch nötig.

Fazit für die Praxis

  • Hornhaut-Tattoos sind eine Option bei eingeschränktem Visus ohne Aussicht auf eine relevante Besserung und subjektiv starker kosmetischer Einschränkung. Sie können im Einzelfall zur Reduktion der Blendempfindlichkeit und Diplopie, z. B. nach großer peripherer Iridektomie, beitragen.

  • Vor einer Tätowierung sollten zunächst weniger invasive Maßnahmen, wie z. B. Irisprintkontaktlinsen, ausprobiert werden.

  • Die Keratopigmentierung wird, z. T. auch aus rein kosmetischen Gründen, z. B. in den USA, Spanien und Frankreich angeboten [14,15,16]. Im Hinblick auf die Unumkehrbarkeit der Eingriffe und der möglichen Risiken sollte eine strenge Indikationsstellung erfolgen.