Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Behandlungsoptionen bei der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD), v. a. der exsudativen neovaskulären Form, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten durch die Möglichkeit der Hemmung des „vascular endothelial growth factor A“ (VEGF-A) (Bevacizumab, Ranibizumab) auch in Kombination mit der Bindung des Plazentawachstumsfaktors PGF (Aflibercept) und nun auch anderer Signalwege wie dem Angiopoietin‑2 (Ang-2) (Faricimab) dramatisch verändert. Heute können unsere Patientinnen und Patienten auch außerhalb von kontrollierten Studienbedingungen durch die intravitreale Pharmakotherapie auf einen Erhalt des initialen Visus über einen Zeitraum von mehreren Jahren hoffen, während zuvor der Visusverlust nicht zu verhindern war. Dabei ist unser Ziel, mit möglichst geringer Therapiefrequenz maximalen individuellen Erfolg zu erreichen. Verschiedene Therapieschemata ermöglichen heute eine Anpassung der Injektionsbehandlung an den individuellen Behandlungsverlauf. Auch bei der Behandlung der trockenen altersabhängigen Makuladegeneration zeichnen sich neue Therapiemöglichkeiten im Sinne einer Verzögerung des Krankheitsverlaufes durch Hemmung von Proteinen des Komplementsystems ab, wenn auch noch eine gewisse Unsicherheit besteht, welche Patientengruppen von der Behandlung wirklich profitieren, um das bisher sehr starre, intensive und langfristige Therapieregime vermitteln und rechtfertigen zu können.

Betrachten wir den aktuellen Stand der intravitrealen Pharmakotherapie der neovaskulären AMD, müssen wir dennoch zur Kenntnis nehmen, dass in einem nicht unerheblichen Anteil der behandelten Augen intra- oder subretinale Flüssigkeit trotz aller Bemühungen persistiert. Das mag daran liegen, dass die Fokussierung auf die VEGF-A-Hemmung allein in einem so multifaktoriellen Prozess wie der neovaskulären AMD nicht in allen Fällen ausreichend ist und die bisher uns zur Verfügung stehende Pharmakotherapie an gewisse Grenzen stößt. Unser Verständnis von der Pathophysiologie des Glaskörpers und seiner Rolle im gesunden Auge, aber auch bei krankhaften Veränderungen wie der AMD hat sich in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Studien erheblich verbessert [1].

Mit möglichst geringer Therapiefrequenz soll maximaler individueller Erfolg erreicht werden

In der Ihnen hier vorliegenden Artikelserie möchten wir gerne die Rolle des Glaskörpers und des vitreoretinalen Überganges bei der Entstehung besonders der neovaskulären AMD beleuchten. Es gibt in der Literatur Hinweise auf einen protektiven Effekt der Glaskörperabhebung im Rahmen der AMD-Entstehung und Progression [2, 3]. Der Zusammenhang zwischen neovaskulärer AMD und Glaskörperstatus wurde im Rahmen klinischer Studien diskutiert, wobei eine vitreomakuläre Adhäsion bei exsudativer AMD signifikant häufiger bestand als in altersentsprechenden Kontrollen. Darüber hinaus kann anheftender Glaskörper eine Barriere bilden, die Einfluss auf die Verteilung von Sauerstoff und verschiedener angiogenetischer Zytokine nimmt. Ein Zusammenhang zwischen VMA und unterschwelligen entzündlichen Prozessen wurde hypothetisiert [4].

Den Effekt der Glaskörperabhebung bzw. des im Makulabereich noch anheftenden Glaskörpers im Rahmen der gegenwärtig durchgeführten intravitrealen Pharmakotherapie zeigen verschiedene klinische Studien bereits heute. Es ist offenkundig, dass der Glaskörperstatus die Behandlungsfrequenz beeinflusst.

Die intravitreale Pharmakotherapie bei neovaskulärer AMD ist sicherlich der aktuelle Goldstandard. Vielleicht aber sollten wir im Rahmen der Therapie dem Glaskörper und Veränderungen des vitreoretinalen Interface etwas mehr Aufmerksamkeit schenken. Letztlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die enzymatische oder chirurgische Induktion der hinteren Glaskörperabhebung zur Prävention einer neovaskulären AMD beitragen und auch ein sinnvoller ergänzender Ansatz im Kontext der Behandlung sein kann. Neben der Induktion der Glaskörperabhebung allein kann im Rahmen der Pharmakotherapie die vitreomakuläre Chirurgie bei neovaskulärer AMD dann eine Rolle spielen, wenn offenkundige vitreomakuläre Traktionen z. B. bei einer epimakulären Membran oder vitreomakulären Traktionssyndromen vorliegen. In diesen Situationen stellt sich im klinischen Alltag die Frage, ob und – wenn ja – wann im Verlauf der pharmakologischen Behandlung ein vitreomakulärer chirurgischer Eingriff sinnvoll ist, um die pharmakologische Therapie hinsichtlich des funktionellen Ergebnisses, aber auch der Therapiefrequenz zu unterstützen.

Während manche chirurgischen Verfahren wie die CNV-Extraktion oder die Makulatranslokation eher verlassen wurden, kommt vitreoretinale Chirurgie darüber hinaus heute noch besonders Patienten mit submakulären, die Fovea involvierenden Blutungen zugute. Chirurgische Ausblicke in die Zukunft zur Behandlung der AMD bieten Transplantationen des retinalen Pigmentepithels sowie submakuläre Stammzell- oder Gentherapien oder die Implantation bioelektrischer Chips.

Ich freue mich sehr, dass ich mit Frau Susanne Binder, Frau Boneva, Herrn Schultheiss und last but not least Jerry Sebag namhafte Autoren/innen gewinnen konnte, um die Idee zu diesem Leitthema umzusetzen. Ihnen allen sei nicht nur für ihre Expertise, sondern auch für ihre Zeit bei der Erstellung und Kommentierung der Beiträge gedankt.

Ich würde mich freuen, wenn Sie die Artikel mit Interesse lesen und für Ihre klinische Tätigkeit einige Aspekte ableiten können.

Prof. Christos Haritoglou