Hintergrund und Ziele

Enge Verbindungen („tight junctions“) zwischen dem retinalen Pigmentepithel und den vaskulären Endothelzellen sind die beiden wichtigsten Strukturelemente der Blut-Retina-Schranke. Der dritte Bestandteil der Blut-Netzhaut-Schranke befindet sich zwischen dem vorläufigen Sehnerv und dem angrenzenden Netzhautgewebe. Es besteht aus differenzierten Gliazellen, die durch enge Verknüpfungen miteinander verbunden sind, und wurde früher als Kuhnt-Intermediärgewebe („Kuhnt intermediary tissue“ [KIT]) bezeichnet ([1]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Strukturen der Netzhaut, im Bereich des Sehnervenkopfes [2]

„Gruben“ im Sehnervenkopf werden als Teil eines Spektrums angeborener kavitärer Anomalien des Sehnervenkopfes betrachtet [3]. Typisch für die Grubenpapille ist eine runde oder ovale Ausbuchtung in der Nähe des Rands des Sehnervenkopfes, deren Längsachse parallel zum Rand verläuft. Die meisten Gruben befinden sich im unteren temporalen Quadranten des Sehnervs, jedoch können etwa 10–20 % zentral auftreten ([4]; Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Fundusfoto eines 74-jährigen Patienten mit Grubenpapille, gekennzeichnet durch eine ovale/runde Einsenkung ohne Beeinträchtigung des Papillenrandes

Makulopathien treten bei 30–45 % der Patienten mit angeborener Grubenpapille auf ([5]; Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Optische Kohärenztomographie der Makula mit intra- und subretinaler Flüssigkeit eines 25-jährigen Patienten mit Grubenpapille

Die meisten Augen mit Grubenpapille-assoziierten Makulopathien haben eine irreversible und schlechte Visusprognose, wenn sie dem natürlichen Verlauf überlassen werden [6]. Eine Behandlung ist notwendig bei Patienten mit Grubenpapillen-Makulopathie, die einen signifikanten Visusabfall aufweisen [7]. Die Grubenpapillen-Makulopathie ist eine seltene Erkrankung, bei der die Behandlung schwierig sein kann. Zurzeit gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten für die Grubenpapillen-Makulopathie, jedoch gibt es keine definitive Therapie der Wahl [8]. Das Ziel dieser Fallserie war es, den klinischen Verlauf nach verschiedenen Therapieansätzen von Patienten mit Grubenpapillen-Makulopathie anhand einer konsekutiven Stichprobe monozentrisch zu untersuchen. In der Literatur bestehen die meisten Fallserien nur aus einem einzigen Patienten. Im Gegensatz dazu umfasste unsere Studie eine größere Stichprobe mit mehreren Patienten.

Patienten und Methoden

In dieser retrospektiven Studie wurden insgesamt 18 Patienten eingeschlossen, bei denen zwischen 2012 und 2022 an der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums des Saarlandes (UKS) eine Grubenpapille diagnostiziert wurde. Bei diesen 18 Patienten wurde anschließend mittels optischer Kohärenztomographie (OCT) der Makula (Spectralis SD-OCT; Heidelberg Engineering, Heidelberg, Deutschland) das Vorhandensein intraretinaler und subretinaler Flüssigkeitsansammlungen analysiert.

Therapie

Initial wurden die Fälle beobachtet, und bei Visusminderung und/oder Zunahme der intra- und subretinalen Flüssigkeit wurde eine Therapie indiziert. Bei 5 Patienten wurde die Durchführung einer Pars-plana-Vitrektomie mit Entfernung der peripapillären Glaskörpertraktion und Peeling der Membrana limitans interna (ILM) empfohlen, und bei 1 Patienten wurde die Behandlung durch Nanolaser empfohlen. Ein Patient lehnte die Pars-plana-Vitrektomie ab. Bei der Pars-plana-Vitrektomie war die Fläche des Peelings zwischen dem oberen und dem unteren Gefäßbogen. Es wurden 3 Patienten mit Pars-plana-Vitrektomie mit Gas und 1 Patient wurde mit Öl als Endotamponade behandelt. In allen Fällen konnte eine Glaskörperabhebung erfolgreich erreicht werden. Es wurde kein ILM-Flap in die Grube geklappt und keine Retinafensterung durchgeführt. In allen Fällen gab es keine Komplikationen. Ein Patient wurde mit dem 2RT®-Laser ([RT: Retinal Rejuvenation]; Ellex Medical Laser Ltd., Mawson Lakes, Australien) mit einer maximalen Energie von 0,18 mJ und einer Pulsdauer von 3 ns behandelt. Es wurden insgesamt 45 Spots mit einer Spotgröße von 400 μm appliziert.

Datenerhebung und Statistik

Die Datenerhebung erfolgte mittels der elektronischen Patientenakte FIDUS (Arztservice Wente GmbH, Darmstadt, Deutschland). Es wurden alle Krankenakten der letzten 10 Jahre überprüft, bei denen die Diagnose „Grubenpapille“ sowohl klinisch als auch anhand der OCT-Papille gestellt wurde. Die Anwesenheit von intraretinalen oder/und subretinalen Flüssigkeitsansammlungen wurde mithilfe der OCT-Makula erfasst.

Die bestkorrigierte Sehschärfe vor und nach der durchgeführten Behandlung wurde ebenfalls erhoben. Wenn keine Behandlung durchgeführt wurde, wurde die letzte bestkorrigierte Sehschärfe des Patienten erfasst. Die zentrale Netzhautdicke, die nasale parafoveale und die perifoveale Netzhautdicke wurden anhand des EDTRS-Gitters der SD-OCT gemessen ([9]; Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

ETDRS-Gitter (Early Treatment Diabetic Retinopathy Study): Der markierte Bereich mit gelbem Kreis ist der parafoveale Bereich und der innere Ring des ETDRS-Gitters mit einem Radius von 0,5–1,5 mm. Der markierte Bereich mit rotem Kreis ist der perifoveale Bereich und der äußere Ring des ETDRS-Gitters mit einem Radius von 1,5–3 mm

Alle Daten der 18 Patienten wurden in Microsoft Excel 2022 erfasst und statistisch mit SPSS Statistics 23 für Windows ausgewertet. Kontinuierliche Daten wurden als Mittelwert und Standardfehler des Mittelwerts beschrieben, während kategoriale Variablen als Prozentsätze angegeben wurden. Die kategorialen Variablen wurden mittels des Pearson-Chi-Quadrat-Tests verglichen. Für nichtparametrische Werte wurden der Wilcoxon-Test und der Mann-Whitney-Test verwendet. Das Signifikanzniveau wurde mit p < 0,05 festgelegt.

Zielgrößen

Zu den Zielgrößen der Studie gehörten folgende Veränderungen:

  • der bestkorrigierte Visus (Dezimal), gemessen auf der Snellen Dezimalskala,

  • die zentrale Netzhautdicke (RT), die sich zwischen der Membrana limitans interna und der Bruch-Membran befindet,

  • die nasale parafoveale und perifoveale Netzhautdicke (RT) anhand des EDTRS-Gitters der OCT-Makula (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Zentrale, nasale parafoveale und nasale perifoveale Retinadicke vor der Behandlung und 3 Monate nach der Behandlung bei den 4 vitrektomierten Augen

Ergebnisse

Makulopathie

Bei 18 Patienten (9 weiblich, 9 männlich, Durchschnittsalter 33 ± 23 Jahre) wurde eine Grubenpapille diagnostiziert. Bei den 12 konservativ behandelten Augen mit Grubenpapille wurde keine Makulopathie während des Follow-up entwickelt. Sechs von diesen 18 Patienten im Alter von 47 ± 16 Jahren hatten eine Grubenpapillen-Makulopathie. Es wurde eine Ansammlung von Netzhautflüssigkeit festgestellt, bei 1 davon intraretinal, bei 1 davon subretinal und bei 4 sub- und intraretinal (Tab. 1).

Tab. 1 Charakteristiken der 6 Patienten, bei denen eine Grubenpapillen-Makulopathie vorlag (prä und 3 Monate post Behandlung)

Therapie

Bei 5 Patienten war eine Pars-plana-Vitrektomie (PPV) mit Entfernung der peripapillären Glaskörpertraktion und Peeling der Membrana limitans interna (ILM) indiziert, 1 Patient hat diese abgelehnt, und bei 4 Patienten wurde diese durchgeführt. In dieser Patientengruppe verbesserte sich der BCVA (dezimal) von 0,3 ± 0,2 vor der Behandlung auf 0,5 ± 0,2 3 Monate nach der PPV (p = 0,05). Der Visus bei allen Patienten mit Grubenpapillen-Makulopathie verbesserte sich 3 Monaten nach der Pars-plana-Vitrektomie. Das gesamte Follow-up entsprach 2 Jahre. Der Visus hat sich in allen Fällen über 2 Jahre Follow-up nicht verändert. Bei 4 von 6 Augen wurde eine vollständig trockene Makula erreicht. Ein Patient unterzog sich einer Nano-Puls-Laserbehandlung. Bei der langfristigen Beobachtung zeigten die vitrektomierten Augen kein Rezidiv. Der Durchschnitt zwischen dem Datum der durchgeführten Pars-plana-Vitrektomie und der letzten Kontrolle bei den 4 vitrektomierten Patienten lag bei 2,5 ± 1,2 Jahren. In allen Augen der 4 Patienten gab es kein Rezidiv einer subretinalen oder intraretinalen Flüssigkeit im Verlauf von 2 Jahren.

Zentrale, nasale parafoveale und perifoveale Netzhautdicke (RT)

Bei den 4 vitrektomierten Augen mit Grubenpapillen-Makulopathie sank die zentrale RT von 796 ± 214 vor der Behandlung auf 324 ± 57 3 Monate nach der Behandlung (p = 0,005).

Die nasale parafoveale RT sank von 683 ± 87 vor der Behandlung auf 372 ± 57 (p = 0,0003). Die nasale perifoveale RT sank von 547 ± 89 vor der Behandlung auf 360 ± 48 (p = 0,007).

Diskussion

Nur wenige Studien haben den klinischen Verlauf von Patienten mit Grubenpapillen-Makulopathie untersucht, da es sich um eine sehr seltene Erkrankung handelt. Die Ursache der Makulopathie bei Patienten mit Grubenpapille sowie die besten Behandlungsmöglichkeiten sind nach wie vor unklar. In dieser retrospektiven Studie wurden die Krankenakten der letzten 10 Jahre von Patienten mit Grubenpapillen-Makulopathie analysiert und die Inzidenz und der klinische Verlauf untersucht.

Geschlecht

Laut unserer Studie gibt es keine Geschlechtspräferenz bei Patienten mit Grubenpapillen-Makulopathie (9 weiblich, 9 männlich). Diese Beobachtung stimmt mit der Studie von Kranenburg überein [10].

Therapie und zentrale, nasale parafoveale und perifoveale Netzhautdicke (RT)

In unserer Studie wurde festgestellt, dass die zentrale, nasale parafoveale und nasale perifoveale RT nach der Behandlung mit PPV signifikant zurückgegangen sind, während die Verbesserung der Sehschärfe nach 3 Monaten nicht signifikant war. Die PPV mit ILM-Peeling und Tamponade scheint die beste Behandlungsmethode für die Grubenpapillen-Makulopathie zu sein, wie auch in anderen Studien dargestellt wurde [11, 12]. Hoerauf et al. haben ebenfalls die PPV mit chirurgischer hinterer Glaskörperabhebung bei Patienten mit Grubenpapille als wirksam beschrieben [13].

In unserer PPV-Methode wurde der Glaskörper abgehoben und die ILM gepeelt. Bessere anatomische und funktionelle Ergebnisse könnten erreicht werden, wenn die Grube nach der Studie von Babu verschlossen wird [14]. Nach der Studie von Zheng gab es jedoch keine signifikanten Unterschiede im Ergebnis zwischen verschiedene PPV-Methoden [15] wie PPV allein, PPV mit juxtapapillärer Laserbehandlung (JPL), PPV mit ILM-Peeling und JPL, PPV mit innerer Netzhautfenestrierung und PPV mit autologem Thrombozytenkonzentrat.

Eine andere alternative Möglichkeit ist beispielsweise das „macular buckling“, bei der ein skleraler Schwamm im Bereich der Sklera retromakulär platziert wird und auf dem 12–6 Uhr Meridian liegt [16]. Eine Alternative ist die pneumatische Tamponade, die eine Glaskörperabhebung auslöst und die Makulatraktion vermindern soll [17].

Unsere Studie ergab auch, dass ein Drittel unserer Patienten eine Ansammlung von intra- oder subretinaler Flüssigkeit aufwies. Die Ursache für die Grubenpapillen-Makulopathie, wie eine mögliche Disruption des Kuhnt-Intermediärgewebes, wird derzeit nur vermutet. Zukünftige Studien, beispielsweise mit Elektronenmikroskopanalysen von verstorbenen Patienten mit Grubenpapillen-Makulopathie, könnten hier weiterhelfen. Bei der langfristigen Verlaufskontrolle (2,5 ± 1,2 Jahre) trat bei den vitrektomierten Augen kein Rezidiv auf.

Schlussfolgerung

In dieser Fallserie wurde beobachtet, dass bei etwa einem Drittel der Patienten mit Grubenpapille eine Makulopathie auftritt, die vermutlich durch eine Disruption des Kuhnt-Intermediärgewebes verursacht wird. Eine interventionelle Therapie wurde bei allen Fällen indiziert und bei 80 % durchgeführt und führte kurzfristig zu einer signifikanten Verbesserung der anatomischen und funktionellen Strukturen der Netzhaut und blieb für wenigstens 2 Jahre ohne Rezidiv.

Fazit für die Praxis

  • Die Grubenpapillen-Makulopathie ist eine seltene Erkrankung, die zu einer irreversiblen Reduktion der Sehschärfe führen kann.

  • Die Ursache der Grubenpapillen-Makulopathie ist noch nicht vollständig verstanden, es wird jedoch vermutet, dass eine Disruption des Kuhnt-Intermediärgewebes eine Rolle spielen kann.

  • Die Pars-plana-Vitrektomie könnte als First-line-Therapie bei der Behandlung der Grubenpapillen-Makulopathie gelten.