Anamnese

Ein 57-jähriger Patient stellte sich mit einer choroidalen Raumforderung am linken Auge vor. Anamnestisch bestand ein über 2 Wochen zunehmendes Verschwommensehen links. Die ophthalmologische Anamnese war bis auf das Vorliegen multipler Hautpapillome an den lateralen Lidwinkeln beider Augen sowie eine Katarakt links unauffällig. An Allgemeinerkrankungen bestanden eine Hypothyreose, eine Gonarthrose beidseits, eine arterielle Hypertonie und Zustand nach biologischem Herzklappenersatz. Es bestanden anamnestisch keine B‑Symptomatik, kein Trauma und kein bekanntes Malignom. Allergien wurden verneint. Der Patient nahm laut eigenen Angaben ein Antihypertensivum und einen Cholesterinsenker ein. Die Familienanamnese bezüglich ophthalmologischer und onkologischer Erkrankungen war leer.

Klinischer Befund

Der Patient befand sich in einem guten, altersentsprechenden Allgemein- und Ernährungszustand. Der bestkorrigierte Visus lag bei Erstvorstellung am rechten Auge bei 1,0 (+0,50sph, −0,75cyl, 19°) und am linken, betroffenen Auge bei 0,4 (−0,25sph, −0,00cyl, 0°). In der ophthalmologischen Untersuchung zeigten sich an den lateralen Lidwinkeln beider Augen Hautpapillome und am linken Auge eine strukturierte Iris mit einem kleinen Nävus bei 7:30 Uhr. Der vordere Augenabschnitt war beidseits unauffällig und die Motilität beider Augen frei. Der Augeninnendruck war mit 12 und 14 mm Hg normwertig. Der Augenhintergrund am rechten Auge stellte sich unauffällig dar. Am linken Auge zeigte sich die Makula fundoskopisch leicht abgehoben bei subretinaler Flüssigkeit (SRF). Am oberen Gefäßbogen zeigten sich 2 prominente, gelbliche, runde Läsionen, flächige intra- und subretinale Blutungen sowie umgebende SRF. Außerdem konnten 2 chorioretinale Atrophien und kleine Fleckblutungen am unteren Gefäßbogen ausgemacht werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Fundusfotografie zeigt superotemporal gelegene gelbliche, erhabene Raumforderung mit Ödem, retinalen Blutungen und harten Exsudaten

Diagnostik

Aufgrund choroidaler Raumforderung wurde zur Abklärung eine Fundusautofluoreszenz(FA)-Aufnahme angefertigt, in der die Läsion hyperautofluoreszierend erschien. In der optischen Kohärenztomographie (OCT) über der Läsion und der Makula bestätigte sich die choroidale Raumforderung superotemporal am oberen Gefäßbogen gelegen mit Prominenz und Reflexion in den Schnittbildern. Es konnten subretinale Blutungen und in Folge eine abgehobene Makula festgestellt werden. Zudem zeigte sich eine von superotemporal unter der Läsion bis in die Makula reichende choroidale Faltung. In der okulären Sonographie zeigte sich eine echoreiche Raumforderung mit dorsaler Schallauslöschung und einer Prominenz von 2,12 mm (ohne Sklera) sowie Fläche von 10,13 mm (Abb. 2). In einem nächsten Schritt wurde eine Fluoreszenzangiographie (FAG) veranlasst. Hier zeigten sich Hyperfluoreszenzen und vereinzelt Neovaskularisationen (CNVs) mit Leckagen im Läsionsgebiet entlang des oberen Gefäßbogens in der Spätphase (Abb. 3). Im ophthalmologischen Tumorboard des Zentrums für Integrierte Onkologie wurde auf Patientenwunsch zum Ausschluss von Aderhautmetastasen und einer damit einhergehenden onkologischen Grunderkrankung ein Staging angeordnet. Die kraniale Magnetresonanztomographie (MRT) zeigte eine kleine flache choroidale Plaque ohne lokale Schrankenstörung, vereinbar mit der fundoskopisch beschriebenen Raumforderung. Es gab keinen Anhalt einer intrakraniellen Metastasierung. Die MRT des Abdomens zeigte ebenfalls keinen Anhalt für das Vorliegen einer Tumormanifestation oder einen Metastasen-suspekten Befund. Auch die Computertomographie von Thorax und Hals war unauffällig, eine Laborabklärung bezüglich einer Störung des Kalzium- und Phosphathaushaltes ebenso. Die Nieren- und Schilddrüsenparameter waren normwertig.

Abb. 2
figure 2

Okuläre Echographie: echodichte, stark reflektive sklerochoroidale Raumforderung mit Schallschatten

Abb. 3
figure 3

Fluoreszenzangiographie. a Infrarotkontrollaufnahme zeigt eine reflektierende choroidale Raumforderung superotemporal entlang des oberen Gefäßbogens und choroidale Faltung von superotemporal unterhalb der Läsion bis in die Makula reichend. b Frühphaseaufnahme 0:30 min mit Hypofluoreszenzen und CNVs (rote Pfeile exemplarisch) entlang des superotemporalen Gefäßbogens. c Aufnahme nach 2:30 min zeigt ein Mischbild aus Hypo- und Hyperfluoreszenzen entlang des superotemporalen Gefäßbogens. d Spätphaseaufnahme nach 12:30 min zeigt deutliche Hyperfluoreszenzen entlang des superotemporalen Gefäßbogens

Wie lautet Ihre Diagnose?

Weitere Therapie und Verlauf

Aufgrund der retinalen Flüssigkeit im Makulabereich entschied man sich für eine intravitreale Anti-VEGF-Therapie. Nach Genehmigung durch die Krankenkasse wurde Avastin 3‑malig im Abstand von jeweils 1 Monat „off-label“ injiziert. In der OCT-Kontroll-Aufnahme über Makula und CNV-Gebiet zeigten sich ein vollständiger Rückgang der subretinalen Flüssigkeit und eine anliegende Makula. Die sklerochoroidale Kalzifikation zeigte sich mit hyperreflektiven Anteilen und einzelnen Neovaskularisationen unverändert (Abb. 4). Der nach Therapie objektiv gemessene Visus lag beidseits bei 1,0. Bei stabilem Befund empfahlen wir ein abwartendes Vorgehen und regelmäßige ophthalmologische Kontrollen.

Abb. 4
figure 4

OCT-Aufnahme bevor (ac) und nach 3‑maliger Anti-VEGF-Therapie im Abstand von jeweils 1 Monat (bd). Aufnahme über a ,b CNV-Gebiet. cd Makula. Nach Therapie ist ein deutlicher Rückgang von SRF und IRF zu erkennen. Die Makula ist wieder anliegend

Diskussion

Sklerochoroidale Kalzifikationen (SCCs) sind ein seltenes gutartiges Krankheitsbild im Alter. Oft werden sie als Zufallsbefund entdeckt und treten in über der Hälfte der Fälle bilateral auf. Diese sind gewöhnlich im superotemporalen und -nasalen Quadranten in der mittleren peripheren Fundusregion entlang der Gefäßbögen lokalisiert [1]. Diese Lokalisation führt in der Regel nicht zu einem Visusverlust. Histologisch sind Kalziumablagerungen in der Sklera nachweisbar. Diese Ablagerungen sind fundoskopisch als gelblich-weißes Korrelat in der Aderhaut zu sehen. Trotz der eindrücklichen Merkmale wird diese Erkrankung häufig fehldiagnostiziert, was zu Sorge bei Patienten führt und unnötige Eingriffe nach sich ziehen kann. SCCs sind in den meisten Fällen idiopathisch und asymptomatisch. Sie können aber auch sekundär aufgrund einer Systemerkrankung entstehen. Hier handelt es sich meist um eine metastatische oder eine dystrophische Genese [1, 2]. Shields et al. berichteten über eine Fallserie von SCCs, deren Ursachen nach Häufigkeit gelistet der Hyperparathyreoidismus, das Nebenschilddrüsenadenom und eine Nierentubulopathie wie das Gitelman-Syndrom und das Bartter-Syndrom sind. Neben den seltenen Nierentubulopathien gehören auch chronische Nierenerkrankung zu den möglichen Ursachen einer SCC [2]. Zum Ausschluss von systemischen Erkrankungen sollte deshalb immer eine laborchemische Abklärung bezüglich des Kalzium- und Phosphatstoffwechsels sowie der Nieren- und Schilddrüsenparameter durchgeführt werden.

Diagnose: Idiopathische sklerochoroidale Kalzifikation (SCC) mit choroidalen Neovaskularisationen

Bei unklarer choroidaler Raumforderung gilt es, Differenzialdiagnosen wie das Aderhautmelanom oder ein intraokuläres Lymphom ausschließen zu können. Die Liste der möglichen Diagnosen ist lang. Neben den genannten malignen Raumforderungen sind das choroidale Hämangiom, die retinale Pigmentepithelhypertrophie, die Aderhautamotio und der Aderhautnävus zu nennen.

Zur Diagnosefindung ist eine multimodale Bildgebung geboten. Eine sichere Abgrenzung zu den Differenzialdiagnosen ist entscheidend für den Therapiebedarf. Eine Übersicht des multimodalen Bildgebungsschemas für die Praxis ist in Abb. 5 zu finden. Die Basis bilden Fundoskopie, Ultraschalluntersuchung und FA-Aufnahme. Insbesondere das B‑Bild mit dem typischen stark reflektiven Echomuster sollte an ein SCC denken lassen. In der FA-Bildgebung lässt sich die Hyperautofluoreszenz der Läsionen zum einen durch die Hyperautofluoreszenz von kalzifiziertem Gewebe und zum anderen vermutlich durch die darüber liegende Aderhautausdünnung erklären, die zur Demaskierung der darunter liegenden skleralen Hyperautofluoreszenz führt. Die Aderhaut kann durch die Ablagerungen auch komprimiert werden und teilweise hypofluoreszierend erscheinen [2]. Diese Basisdiagnostik kann durch OCT und FAG sinnvoll erweitert werden. Hierbei ermöglicht insbesondere die OCT-Schichtaufnahme eine präzisere Beurteilung des Krankheitsausmaßes hinsichtlich exsudativer Komponente und Foveabeteiligung. In der FAG führen die Kalziumablagerungen in der Spätphase zu Hyperfluoreszenzen. Mögliche CNVs mit Leckagen sind durch dieses Erscheinungsbild schwieriger zu entdecken. Die Nachsorge bildet die dritte Ebene der multimodalen Stufendiagnostik bei SCC. Wichtig sind regelmäßige Nachkontrollen und die Anfertigung eines Fundusfotos. Es sollte bei jeder Kontrolluntersuchung die Initialaufnahme zur Beurteilung hinzugezogen werden.

Abb. 5
figure 5

Multimodale Stufendiagnostik bei unklarer choroidaler Raumforderung und starkem Verdacht auf eine sklerochoroidale Kalzifikation (SCC) +/− CNV. (Grafik erstellt mit BioRender.com)

In der Literatur gibt es insgesamt wenige Fallbeschreibungen von choroidalen Neovaskularisationen bei SCC. Dedes et al. zeigten, dass sich CNV-Membranen auch in Makulanähe bilden können und so zu einer erheblichen Visusbedrohung führen [3]. Entsprechend kann die CNV allgemein den Krankheitsverlauf verkomplizieren und unterschiedliche klinische Ergebnisse zeigen. Es wird angenommen, dass die Kompression und damit verbundene Minderperfusion der Aderhaut zur Bildung von CNV und nachfolgend zu Exsudationen und SRF führt [4]. Wenn die CNVs asymptomatisch und weit von der Makula entfernt sind, ist möglicherweise keine Behandlung erforderlich und eine regelmäßige Überwachung bei stabilem Befund ausreichend [1]. Anderenfalls stehen bei exsudativer Komponente und Foveabeteiligung mehrere Behandlungsmethoden wie Laserphotokoagulation, photodynamische Therapie und Anti-VEGF-Injektionen zur Verfügung. Letztere ist Therapie der Wahl und kann bei Rezidiven wiederholt eingesetzt werden [4].

Fazit für die Praxis

Bei unklarer choroidaler Raumforderung ist für die differenzialdiagnostische Abklärung eine multimodale Bildgebung hilfreich. Die beschriebene multimodale Stufendiagnostik kann als Leitfaden für die Praxis dienen. Neben der Standarddiagnostik kann eine OCT-Aufnahme der Läsion weitere Informationen über Ausmaß und Therapiebedürftigkeit geben. Ophthalmologen sollten mit den Fundusmerkmalen und systemischen Assoziationen der sklerochoroidalen Kalzifikation vertraut sein.