Frühgeburtlichkeit führt zu einer abrupten Veränderung der fetalen Umgebung und beeinflusst hierdurch die Entwicklung und Organogenese des Neugeborenen. Das postnatale Auftreten der Frühgeborenenretinopathie (engl. „retinopathy of prematurity“ [ROP]) ist der Hauptrisikofaktor für eine reduzierte Sehschärfe und Erblindung in der Kindheit und Jugend. Mit Frühgeburtlichkeit gehen zahlreiche morphologische Augenveränderungen – auch jenseits der ROP – einher. Insgesamt nehmen der Anteil an Frühgeborenen in der Gesamtbevölkerung sowie das postnatale Auftreten der ROP seit Jahrzehnten dramatisch zu. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass am Ende dieses Jahrzehnts weltweit pro Jahr über 20 Mio. Frühgeborene zur Welt kommen. In Deutschland werden jedes Jahr über 60.000 Neugeborene vor Vollendung von 37 Schwangerschaftswochen (SSW) und über 11.000 vor Vollendung von 32 SSW geboren.

ROP ist der Hauptrisikofaktor für eine reduzierte Sehschärfe und Erblindung in Kindheit und Jugend

Intensivmedizinische Errungenschaften und technische Fortschritte in der Neonatologie, wie z. B. ein verbessertes Beatmungsmanagement sowie neue Ernährungsstrategien, ermöglichen das Überleben von immer unreiferen Frühgeborenen. In dem Beitrag von Mildenberger et al. wird eine Übersicht über die Entwicklung und Neuerungen der Neonatologie sowie epidemiologische Daten zu Frühgeburtlichkeit und dem Auftreten und der Behandlung der ROP mit einem Ausblick auf die zukünftigen Entwicklungen präsentiert [1].

Frühgeburtlichkeit führt zu einem erhöhten Risiko für vielfältige postnatale Komplikationen, die teilweise durch die Adaption an das neue extrauterine Milieu oder durch die Behandlung verursacht werden. Insbesondere das postnatale Auftreten der ROP sowie deren Behandlung können schwerwiegende Konsequenzen hinsichtlich der Sehfunktion und Augenmorphologie im späteren Leben bedeuten. Jedes Jahr erleiden weltweit ca. 20.000 Frühgeborene eine Erblindung oder schwere Sehbeeinträchtigung als Folge einer ROP. Die ROP entwickelt sich bei Frühgeborenen v. a. durch Schwankungen des Sauerstoffpartialdrucks (pO2) nach der Geburt, und es kommt zu pathologischen Gefäßeinsprossungen an den noch persistierenden avaskulären Netzhautarealen. Um eine Netzhautablösung und einen Sehverlust zu vermeiden, ist eine Behandlung der fortgeschrittenen ROP-Stadien notwendig. In den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts wurde v. a. eine Behandlung der ROP mittels Kryo- und Lasertherapie durchgeführt. Neuere Studien zeigen die Möglichkeit einer intravitrealen Anti-VEGF(„vascular endothelial growth factor“)-Therapie auf. Frühgeburtlichkeit wie auch die ROP sowie die verschiedenen Arten der ROP-Behandlung führen zu vielfältigen funktionellen und morphologischen Augenveränderungen in der Kindheit und Jugend. Li et al. präsentieren in ihrem Beitrag eine Übersicht über die Auswirkungen insbesondere der ROP auf die Augenentwicklung in der Kindheit und Jugend [2].

Diese vielfältigen okulären Veränderungen aufgrund von Frühgeburtlichkeit scheinen lebenslang zu persistieren. Fieß et al. fassen diese neuen Erkenntnisse in ihrem Übersichtsartikel zusammen und präsentieren die langfristigen Auswirkungen von Frühgeburtlichkeit auf die Augenentwicklung noch Jahrzehnte nach der Geburt [3]. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass es fetale Ursprünge für erwachsene Augenerkrankungen zu geben scheint. Dies könnte eine Bedeutung für die augenärztliche Kontrolle und deren Intervalle im Erwachsenenalter haben.