Anamnese

Eine 69-jährige Patientin wurde notfallmäßig zur Mitbeurteilung eines unklaren Hyphämas überwiesen. Die Patientin berichtete von einer plötzlichen Sehverschlechterung links, die am Tag zuvor begonnen habe: Zunächst sei das Sehen verschleiert gewesen, zum jetzigen Zeitpunkt könne sie ihre Umgebung nur noch schemenhaft wahrnehmen. Die Patientin sehe nur auf dem linken Auge gut, das rechte Auge sei seit 1980 nach mehrfach nötig gewordenen vitreoretinalen Eingriffen aufgrund einer Netzhautablösung mit jetzt Silikonöldauertamponade erblindet. Allgemeinerkrankungen einschließlich eines Diabetes mellitus und arterieller Hypertonie sowie retinale Gefäßverschlüsse wurden verneint. Bis zum Auftreten der plötzlichen Sehverschlechterung habe sie mit ihrem guten linken Auge ein Sehvermögen von 0,8 gehabt. Am linken Auge sei lediglich eine unkomplizierte Kataraktoperation vor 10 Jahren erfolgt.

Befund und Verlauf

Die bestkorrigierte Sehschärfe lag bei intakter Lichtscheinprojektion links und bei nulla lux rechts. Bei Erstvorstellung zeigte sich links ein Hyphäma totalis unklarer Genese. Nebenbefundlich zeigte sich ein pigmentierter Nävus des Unterlids. Es erfolgte eine Ultraschallbiomikroskopie (UBM) mit 40 Megahertz (MHz). Es zeigten sich im inferioren Bereich der Regenbogenhaut eine Vorwölbung der Iris (Abb. 1a) sowie eine flächige, hyperdense Struktur hinter der Iris, die zystoide Anteile aufwies (Abb. 1b). Es war nicht eindeutig darstellbar, ob das Irispigmentblatt intakt oder durch einen tumorösen Prozess durchbrochen war. In der 10-Megahertz-Sonographie zeigte sich eine allseits anliegende Netzhaut ohne Anhalt für pathologische Befunde, es zeigten sich jedoch echoreichere, mobile Strukturen, die am ehesten im Sinne einer leichten Glaskörperverdichtung/-blutung zu werten waren.

Abb. 1
figure 1

Die präoperative Ultraschallbiomikroskopie zeigt im inferioren Bereich eine Vorwölbung der Iris sowie eine sich dahinter befindliche flächige, hyperdense Struktur. Dabei ist nicht eindeutig erkennbar, ob das hintere Irispigmentepithelblatt intakt oder durchbrochen ist (ab). Die UBM-Untersuchung nach der Vorderkammerspülung zeigt die gleiche Struktur ohne Unterbrechung des hinteren Pigmentepithelblatts (cd). Insgesamt lässt sich diese Läsion als anteriorer Nachstar werten, der in Kontakt mit der Iris steht und zu einem Iris-Chafing führt. Die Abbildungsqualität ist aufgrund der nicht vollständigen digitalen Einbindung des Ultraschallgeräts eingeschränkt

Es erfolgten am gleichen Tag eine Vorderkammerspülung und Entfernung eines Häm-Koagels mit Verbindung zum Irisprozess unter Zuhilfenahme eines 23-G-Vitrektoms. Dabei zeigten sich eine Prominenz der Iris bei 7 Uhr sowie eine Irisatrophie mit Transillumination in diesem Bereich. Bei der intraoperativen Mobilisierung der Iris zeigte sich in diesem Bereich eine tumorartige, vor der IOL befindliche Masse unklarer Genese. Außerdem wurde die Lage der Intraokularlinse (IOL) überprüft. Dabei zeigte sich eine vollständig intrakapsuläre Lage der IOL. In der anschließenden Gonioskopie zeigte sich der Kammerwinkel normal konfiguriert. Zum Ausschluss eines systemischen tumorösen Geschehens erfolgte im stationären Verlauf eine Computertomographie von Kopf, Thorax und Abdomen mit Kontrastmittel. Im cCT inklusive Orbita zeigte sich eine unklare strangartige Struktur hinter der Iris ohne Kontrastmittelanreicherung bei fehlendem Hinweis auf einen Primärtumor oder eine Metastase. Die restliche Bildgebung war unauffällig.

Bei nun postoperativ klarem Einblick erfolgte eine optische Kohärenztomographie des vorderen Augenabschnitts (Anterion-OCT, Heidelberg Engineering, Heidelberg, Deutschland). Dabei zeigte sich sowohl im horizontalen als auch im vertikalen Schnitt, dass die Raumforderung der Iris das Pigmentepithelblatt nicht durchbrochen hatte, sondern eine hinter der Iris gelegene Struktur zur Vorwölbung und Prominenz der Iris geführt hatte (Abb. 2a, b). Eine erneute Ultraschallbiomikroskopie konnte dies bei nun verbesserter Auflösung bestätigen. Es zeigte sich kein Hinweis auf einen intrastromalen Tumor. Außerdem bestand eine normale Konfiguration des Kammerwinkels. Des Weiteren zeigte sich in der Vorderabschnitts-OCT eine leichte Verkippung der IOL nach anterior in Richtung der „Irisprominenz“ (Abb. 3a, b).

Abb. 2
figure 2

Die Vorderabschnitts-OCT zeigt im vertikalen (a) und horizontalen (b) Schnitt im inferioren Irisbereich eine sich hinter der Iris befindliche hyperreflektive prominente Struktur, die das hintere Irispigmentepithelblatt nicht durchbricht und mit einem anterioren Nachstar vereinbar ist

Abb. 3
figure 3

Die Vorderabschnitts-OCT Aufnahmen zeigen im horizontalen (a) und vertikalen (b) Schnitt eine leichte Verkippung der IOL im Bereich der „Irisprominenz“ nach anterior. Diese ist am ehesten durch den ausgeprägten Nachstar bedingt

Diagnose

In der Zusammenschau der Befunde stellten wir die Diagnose eines anterioren Nachstars, der zur Vorwölbung und Prominenz der Iris geführt hatte. Das Hyphäma war a. e. durch ein „Iris-Chafing“, d. h. Reiben an der Iris, verursacht worden, das entweder durch den Nachstar selbst, die im Kapselsack nach anterior verkippte IOL(‑Haptik) oder eine Kombination aus beidem verursacht wurde.

Therapie und Verlauf

Wir besprachen mit der Patientin, dass vorerst keine weiteren Therapiemaßnahmen notwendig waren. Bei erneutem Auftreten eines Hyphämas könne der Nachstar chirurgisch entfernt werden. Wir entließen die Patientin 2 Tage nach der operativen Versorgung mit einem Sehvermögen von 0,4, das durch die noch bestehenden Descemet-Falten zu erklären war. Im Verlauf stieg der Visus wieder auf 0,8 an; die Patientin blieb weiterhin beschwerdefrei. In der postoperativen Autorefraktometeruntersuchung zeigte sich ein Astigmatismus von −0,25 dpt, welcher eine starke Verkippung der IOL ausschließt.

Diskussion

Die Ursachen eines spontan auftretenden Hyphämas können vielfältig sein. Die häufigste Ursache für die Entstehung eines Hyphämas ist ein Trauma, dies wurde von unserer Patientin jedoch verneint [1]. Zu den iatrogenen Ursachen gehören postoperative Hyphämata sowie Hyphämata im Rahmen eines Pseudophakie-Iris-Chafing-Syndroms oder Uveitis-Glaukom-Hyphäma-Syndroms (UGH) [2]. Beim „pseudophakic posterior iris chafing syndrome“ kommt es zu einer Reibung zwischen einer IOL sowie der Rückflache der Iris. Dieses Syndrom wird zumeist im Zusammenhang mit Sulcus-implantierten IOLs beschrieben. Im Verlauf kann es aufgrund der dauerhaften Reibung zum Auftreten von Irispigmentdefekten, einer Pigmentdispersion, intermittierenden Hyphämata sowie transienten Sehverschlechterungen kommen [3]. Im Verlauf kann sich daraus als Komplikation ein UGH entwickeln, das auch als Ellingson-Syndrom beschrieben wird. Bei diesem kommt es aufgrund eines Abschilferns von Irispigment mit einer daraus resultierenden Pigmentdispersion zu einem Druckanstieg sowie zur Ausbildung einer Uveitis anterior [4]. Accorinti et al. beschreiben, dass bei Patienten mit UGH pigmentierte Hornhautpräzipitate, eine Irisatrophie, ein Hyphäma oder Glaskörpertrübungen signifikant häufiger vorkommen. Außerdem liegt signifikant häufiger ein zystoides Makulaödem vor [5]. Das UGH entsteht zumeist in einem Zeitraum von 6 Monaten nach IOL-Implantation. Einteilige Sulcus-IOL und Vorderkammer-IOL haben ein erhöhtes Risiko, dass es zur Ausbildung eines UGH kommen kann [6]. Die Behandlung erfolgt zunächst mit topischen Kortikosteroiden zur Kontrolle der Inflammation und drucksenkenden Tropfen zur Kontrolle des IOD. Beim Vorliegen eines ausgeprägten Hyphämas können ergänzend Zykloplegika gegeben werden. Bei einem Großteil der Fälle ist eine konservative Therapie aber nicht ausreichend, sondern eine chirurgische Behandlung indiziert. Armonaite et al. führten eine Fallstudie mit 71 Patienten durch und beschrieben, dass beim UGH eine chirurgische Behandlung zu besseren Ergebnissen führt als eine konservative Therapie, bei der Rezidive häufig auftreten [7]. Im Voraus ist eine Gonioskopie bzw. eine Ultraschallbiomikroskopie hilfreich, um eine operative Versorgung zu planen. Wenn lediglich eine dislozierte Haptik für das Iris-Chafing verantwortlich ist, kann eine Revision ausreichend sein, in anderen Fällen wird die IOL explantiert und ausgetauscht [8, 9].

Bei unserer Patientin war 10 Jahre zuvor eine unkomplizierte Kataraktoperation durchgeführt worden, im Linsenpass war eine einteilige intrakapsulär platzierte Hinterkammer-IOL angegeben, sodass die Wahrscheinlichkeit für ein UGH als eher gering anzusehen war. Außerdem zeigten sich keine Endothelbeschläge, keine IOD-Erhöhung und kein zystoides Makulaödem. In der besser durchzuführenden postoperativen Bildgebung zeigte sich eine Raumforderung hinter der Iris, die mit dem Kapselsack in Verbindung stand und a. e. als ausgeprägte, lokale Linsenepithelzellproliferation im Sinne eines Nachstars zu deuten war. Außerdem zeigte sich eine leichte Verkippung der IOL in Richtung der „Irisprominenz“. Die Verkippung ist am ehesten durch die ausgeprägte Proliferation von Linsenepithelzellen in diesem Bereich bedingt.

Sehr seltene Differenzialdiagnosen sind Tumoren der Iris, beispielswiese Irisnävi oder Irismelanome, sowie andere vaskuläre Anomalien wie ein juveniles Xanthogranulom [10, 11].

Zum Ausschluss eines tumorösen Geschehens erfolgte im postoperativen Verlauf eine Kontrastmittel-CT, bei der sich kein Hinweis auf einen Tumor oder eine Metastase fand. Es zeigte sich keine Kontrastmittelanreicherung im Bereich der Iris oder im Bereich der Läsion. Im Rahmen der postoperativen Untersuchungen mittels Anterion-OCT sowie erneuter UBM konnte nun schlussendlich dargestellt werden, dass das Irispigmentepithelblatt nicht durchbrochen war, sodass ein Iristumor extrem unwahrscheinlich war und die Diagnose eines anterioren Nachstars gesichert werden konnte, der sich 10 Jahre nach zuvor erfolgter Kataraktoperation ausgeprägt nach anterior entwickelt hatte.

In Zusammenschau dieser Befunde stellten wir die Diagnose eines atypischen Iris-Chafing-Syndroms, das entweder durch den Nachstar selbst, durch die nach anterior verkippte IOL(‑Haptik) oder eine Kombination aus beidem bedingt wurde und ein Hyphäma zur Folge hatte. Ein ähnlicher Fall ist von Bryant et al. beschrieben worden. In diesem Fallbericht wird von einem Patienten berichtet, bei dem ein UGH durch eine extensive Fibrose um die Haptiken der IOL (Soemmering-Ring-Katarakt) zu einer Verlagerung der IOL geführt hatte, sodass es zu einem „Chafing“ zwischen der intrakapsulär gelegenen Haptik und Iris kam [12]. Cheung et al. beschrieben ebenfalls, dass ein spät auftretendes UGH aufgrund einer Soemmering-Ring-Katarakt durch die nach anterior dislozierte Haptik entstehen kann. In der von ihnen vorgestellten Fallserie mit 7 Patienten, trat das UGH nach durchschnittlich 9,1 Jahren auf [13]. Schlussendlich wurde das Hyphäma bei unserer Patientin am wahrscheinlichsten durch eine Kombination eines ausgeprägten Nachstars sowie einer IOL-Verkippung in diese Richtung bedingt. Bei vorerst einmaligem Auftreten besprachen wir mit der Patientin, dass eine weitergehende chirurgische Behandlung vorerst nicht notwendig sei. Bei erneutem Auftreten wäre eine chirurgische Entfernung des Nachstars indiziert. In der postoperativen Untersuchung bei nun klarem Einblick zeigte sich im inferioren Bereich, in dem der anteriore Nachstar in Kontakt mit der Iris kam, aufgrund der Reibung eine Irisatrophie mit Transillumination. Korneale Präzipitate bestanden nicht, und es kam auch im weiteren postoperativen Verlauf zu keiner IOD-Erhöhung oder Reizzustand, sodass keine Lokaltherapie wie beim UGH angesetzt werden musste.

Fazit für die Praxis

  • Die Ursachen für ein spontan auftretendes Hyphäma können vielfältig sein.

  • Beim Vorliegen einer Sulcus- oder Vorderkammer-IOL sollte an ein Uveitis-Glaukom-Hyphäma-Syndrom gedacht werden.

  • Ein Iristumor, insbesondere ein Irismelanom, kann zur Ausbildung eines Hyphämas führen – zur Abgrenzung ist eine UBM bzw. eine Vorderabschnitts-OCT hilfreich, insbesondere um zu überprüfen, ob das Irispigmentepithelblatt durchbrochen ist. Differenzialdiagnostisch sollte aber auch an einen ausgeprägten Nachstar gedacht werden.

  • In seltenen Fällen kann ein ausgeprägter Nachstar selbst oder aber eine dadurch bedingte Verkippung der IOL – auch bei komplett intrakapsulärer Lage der IOL – zu einem Kontakt mit der Iris (Iris-Chafing) führen und dadurch ein Hyphäma bedingen. Bei rezidivierendem Auftreten kann eine chirurgische Entfernung des Nachstars sinnvoll sein.