Augenkrankheiten sind Volkskrankheiten: Im Jahr 2017 litten ca. 10,9 Mio. Menschen in Deutschland an einem grauen oder grünen Star, diabetischer Retinopathie oder altersbedingter Makuladegeneration [1]. Aufgrund des demografischen Wandels wird die Zahl der ophthalmologischen Patienten in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten weiter steigen. Bei einer gleichzeitig stagnierenden Versorgungskapazität stellen diese Schätzungen eine Herausforderung für die zukünftige augenärztliche Versorgung in Deutschland dar [1]. Um sich auf Problematiken dieser Art vorbereiten und die zu erwartende Mehrbelastung in der deutschen ophthalmologischen Krankenversorgung abschätzen zu können, ist eine Analyse bereits vorhandener und in Zukunft anfallender Patientendaten notwendig. Dabei können Register die Versorgungslage der Patienten in einem Gesundheitssystem abzubilden und so dazu beitragen, Entscheidungen zu fällen, die die zukünftige Versorgung betreffen [2]. Zu diesem Zweck bietet sich der Aufbau von Real-world-Registern an. Während es innerhalb der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) bestimmte Sektionen gibt, die Daten zu spezifischen Subspezialitäten zusammentragen, existiert derzeit keine Datensammlung, die ophthalmologische Patientendaten unabhängig eines vordefinierten Themenschwerpunktes erfasst. So kommt es, dass trotz millionenfacher Kodierungen exakte Zahlen zu Prozeduren oder Erkrankungen gegenwärtig oftmals durch Umfragen ophthalmologischer Gesellschaften oder auf Grundlage von Datensätzen aus anderen europäischen Ländern geschätzt und hochgerechnet werden müssen [3, 4].

Vor diesem Hintergrund rief die DOG als wissenschaftliche Fachgesellschaft der Ophthalmologie auf ihrer Jahrestagung in Bonn am 30.09.2018 das Deutsche Ophthalmologische Register „oregis“ ins Leben.

oregis stellt das bundesweit erste Register für krankheitsübergreifende, sektorübergreifende und versorgungsübergreifende (ambulante und stationäre Versorgung) klinische Patienteninformationen auf dem Gebiet der Augenheilkunde dar. Eine vergleichbare Datenbank in Deutschland gibt es nicht. Während andere Krankheitsregister wie das Deutsche Frühgeborenen-Retinopathie-Register bereits seit mehreren Jahren aktiv Patientendaten kollektivieren, stellt oregis die erste Datenbank dar, die die Daten von Patienten aus allen Teilbereichen der Augenheilkunde deutschlandweit bündelt und automatisiert, d. h. ohne zusätzliche Doppelteingabe, sammelt.

Ophthalmologische Register anderer Länder wie das bekannte IRIS® Registry der American Academy of Ophthalmology (AAO) oder die multinationalen Save Sight Registries aus Australien zeugen von der erfolgreichen Realisierung derartiger Ideen. Ziel der Projektinitiatoren von oregis ist es, ein solches Vorhaben auch in Deutschland umzusetzen.

Das Ziel von oregis besteht darin, den ophthalmologischen Versorgungsstand der Bundesrepublik Deutschland aufzuzeigen. Die Analyse der gewonnenen Daten ermöglicht zugleich die Erforschung von Fragestellungen in Diagnostik, Überwachung und Therapie innerhalb der Augenheilkunde.

Methodik

Administrative Organisation

Die DOG, vertreten durch das geschäftsführende Präsidium, stellt die hauptverantwortliche Instanz des Projektes dar. Operativ tätig ist der Lenkungsausschuss. Dieser und der wissenschaftliche Beirat verantworten die administrative und wissenschaftliche Leitung sowie die Koordination und Weiterentwicklung des Gesamtprojektes.

Aufbau des Registers

Als multizentrisches Register ist oregis auf die Teilnahme von Kliniken und Praxen angewiesen, die ihre Daten zur Verfügung stellen. Dies geschieht freiwillig und unentgeltlich.

Prinzipiell können alle ophthalmologischen Patienten in Deutschland in das Register eingeschlossen werden. Zu den Ausschlusskriterien des Projektes zählen Patienten, die einer Teilnahme widersprechen, eine Löschanfrage ihrer Daten gestellt haben oder an einem Zentrum behandelt werden, das nicht am Register teilnimmt.

Auch ist keine explizite Beschränkung auf das deutsche Gesundheitssystem vorgesehen. oregis wurde als offenes, der gesamten wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Verfügung stehendes Instrument entwickelt. Aus diesem Grund sind zukünftige Kooperationen mit anderen Registern, sowohl europäischen als auch nicht-europäischen, angedacht und erwünscht.

Das Projekt ist mit den einzelnen Sektionen der DOG assoziiert. Durch die Beteiligung aller Sektionen soll die sektorübergreifende Datenerfassung des Registers sichergestellt werden. Die Abb. 1 gibt einen Überblick über die mit oregis in Verbindung stehenden Sektionen der DOG. Zusätzlich ist das Projekt mit der Deutschen Retinologischen Gesellschaft, der Bielschowsky-Gesellschaft und der Deutschsprachigen Gesellschaft für Intraokularlinsen-Implantation, interventionelle und refraktive Chirurgie (DGII) assoziiert.

Abb. 1
figure 1

Sektionen der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), die mit oregis assoziiert sind

Eines der initialen Ziele von oregis bestand in der Festlegung seiner eigenen operativen Ausrichtung in Form einer Charta, in der Grundsätze für das Projekt definiert wurden.

Datenmodell

Eine besondere Herausforderung des Projekts stellte die Schaffung eines einheitlichen Datenmodells für die in den Praxen und Kliniken bestehenden Patienteninformationen dar. Eine zentrale Anforderung bestand darin, alle dokumentierten Daten abbilden zu können und dabei für jegliche Forschungsanfragen auswertbar zu sein. Unter Einbeziehung der Sektionen und assoziierten Gesellschaften der DOG wurde in einem mehrstufigen Prozess ein solches Datenmodell geschaffen. Hierfür wurden im ersten Schritt vorläufige Forschungsfragen und die dafür notwendigen Daten von den Sektionen und assoziierten Gesellschaften formuliert. Im nächsten Schritt wurden diese in eine Parameterliste überführt und im Zuge mehrerer Workshops verfeinert und erweitert. Die Parameterliste wurde in ein normalisiertes Entity-Relationship-Modell überführt und danach für die Softwareerstellung verwendet. Neben den Beiträgen aus den assoziierten Gesellschaften wurden auch der Befunddatenaustausch Augenheilkunde(BDT-A)-Datensatz und die Datenmodelle von IRIS® und den Save-Sight-Registries als Grundlage genutzt. Die erhobenen Daten werden innerhalb des Datenmodells longitudinal auf einem Zeitstrahl abgebildet.

Ähnlich wie IRIS® sammelt oregis Daten zu Patientenparametern ohne sich dabei auf bestimmte Erkrankungen zu beschränken. Gleichwohl werden deskriptive Informationen wie Geburtsjahr, Geschlecht und (vergröberte) Adressdaten erfasst. Patientendaten werden entweder anonymisiert oder nach vorheriger Aufklärung und schriftlicher Einwilligung pseudonymisiert übertragen. Einwilligungserklärungen und Patienteninformationen sind jederzeit auf den Seiten von oregis einsehbar. Liegt keine Patientenzustimmung vor, können die Daten über das projektinterne Verblindungsverfahren anonymisiert erfasst werden.

Da oregis den Anspruch hat, als dynamisches Instrument stets auch die aktuelle Versorgungssituation abzubilden, können weitere Parameter fortlaufend definiert und ergänzt werden. Derzeit enthält oregis ca. 600 Parameter, wovon etwa 100 in der aktuellen Pilotphase eingesetzt werden. Das langfristige Ziel des Projekts ist, die Anzahl an Parametern in dem Ausmaß zu erweitern, dass alle bekannten ophthalmologischen Untersuchungen und Erkrankungen erfasst werden können.

Aus demselben Grund ist oregis auf die stetige Neuerfassung von Daten und den Anschluss weiterer augenärztlicher Praxen und Kliniken angewiesen. Der Anschluss möglichst vieler Zentren deutschlandweit ist daher eines der zentralen Ziele des Projektes. Entsprechend wurde das Register mit dem Anspruch an maximale Flexibilität in der Datenübertragung konzipiert, damit möglichst alle Standorte in Deutschland Informationen zur Verfügung stellen können. Des Weiteren ist es so strukturiert, dass auch heute noch unbekannte Parameter oder Fragstellungen zukünftig erfasst und untersucht werden können.

Um den Aufwand für die Erfassung der Daten möglichst gering zu halten, werden Konnektormodule innerhalb der Praxisverwaltungs- und Klinikinformationssysteme (PVS, KIS) verwendet, die Daten in regelmäßigen Abständen automatisch in das Register importieren, sodass keine manuellen Arbeitsschritte erforderlich sind.

Die oregis-Konnektormodule sind Software-Bausteine, die von PVS-Herstellern in ihre Systeme integriert werden, um eine Anbindung an oregis mit automatischem Datenversand zu unterstützen. Konkret handelt es sich um eine C#-Bibliothek und als Alternative einen Webserver, welcher lokal im Zentrum betrieben wird. Die Konnektormodule sind nicht mit den Konnektoren der Telematikinfrastruktur zu verwechseln, die eine andere selbstentwickelte Software auf eigener Konnektorhardware einsetzen. Hierbei wird die Integration typischerweise auf den Clients als auch auf dem Server des PVS vorgenommen, sodass die Registrierung von Clients aus gestartet werden kann und der Datenversand vom Server aus stattfindet.

Bevor die automatische Datenübermittelung mittels Konnektormodul beginnt, muss das Zentrum eine Registrierungsmaske ausfüllen. Bei dieser werden Name und Anschrift des Zentrums erhoben, die Accountdaten eines Ansprechpartners für das Zentrum eingegeben und die Datenschutzerklärung und Kooperationsvereinbarung bestätigt.

Praxen und Kliniken, die über kein geeignetes PVS oder KIS verfügen, können sich mittels einer web-basierten Eingabe am Register beteiligen. Innerhalb dieser Eingabemaske können auch Daten erfasst werden, die in der Routineversorgung nicht erhoben worden sind.

Zusätzlich besteht die Möglichkeit der Datenübertragung über Datendateien im CSV- oder JSON-FormatFootnote 1.

Diese Funktion vereinfacht den Datenimport in oregis und dient im Weiteren der Übermittlung bereits bestehender Datenbanken sowie dem Anschluss von Zentren, deren PVS und KIS noch kein oregis Konnektormodul besitzen.

Antragsstellung für wissenschaftliche Auswertungen

Um den strengen Ansprüchen an Datenschutz und Gewaltenteilung gerecht zu werden, ist vor einer Auswertung ein formaler Antrag an oregis zu stellen. In dem Zusammenhang sind oregis ein Antragsformular mit Beschreibung des Forschungsvorhabens mit gewünschtem Erkenntnisgewinn sowie das anerkennende Votum einer Ethikkommission vorzulegen. Entscheidet der Begutachtungsausschuss positiv über den Antrag, beginnt ein oregis-Mitarbeiter mit der Auswertung gemäß den Vorgaben des Antrags. Im Anschluss an die Auswertung wird durch den Begutachtungsausschuss überprüft, ob Rückschlüsse auf Individuen oder einzelne Zentren möglich sind. Ist dies der Fall, werden die Ergebnisse nicht herausgegeben. Der Antragsteller kann seine Anfrage daraufhin modifizieren und eine erneute Datenabfrage prüfen lassen. Der Antragsteller ist grundsätzlich zur Veröffentlichung der Ergebnisse verpflichtet.

Sämtliche Übertragungsvorgänge werden mit einem vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) empfohlenen Verfahren verschlüsselt. Das Datenschutzkonzept wurde mithilfe des TMF e. V. erarbeitet und am 01.02.2019 durch die AG Datenschutz des Vereins positiv votiert und als konform mit allen geltenden Datenschutzbestimmungen erachtet. Datenbankverschlüsselung und ein strenges Zugriffsmanagement tragen zur Sicherheit bei. Der Hoster befindet sich in Deutschland und verfügt über eine ISO(Internationale Organisation für Normung)-27001-Zertifizierung.

Die Qualität der Daten wird durch automatische Validitäts- und Plausibilitätsprüfungen und durch manuelle Abfragen der oregis-Mitarbeiter sichergestellt. Sollte sich die Datenqualität eines Zentrums als unzureichend herausstellen, kann es von der Teilnahme ausgeschlossen werden. Das Register verfügt über ein Audit-Trail-System, wodurch Eintragungen, Änderungen oder Löschungen an den Daten im Register mit Zeitstempel und Person nachgehalten werden.

Ethikvotum

Das Projekt wurde durch die Ethikkommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe initial bewilligt (Aktenzeichen: 2019-286-f-S) und durch weitere Kommissionen der jeweiligen Landesärztekammern und Universitäten begutachtet. Die Tab. 1 fasst den Stand der Ethikvoten für den Zeitpunkt 12/2022 zusammen.

Tab. 1 Status der Beratungen durch deutsche Ethikkommissionen zum oregis-Projekt (Stand 12/2022)

Ergebnisse

In der aktuellen Pilotphase sind 9 ophthalmologische Zentren aus 7 Bundesländern an dem Projekt beteiligt. Dazu gehören: Universitätsklinikum Münster, Universitätsklinikum Homburg Saar, Katharinenhospital Stuttgart, Augenzentrum Erzgebirge, Vivantes Klinikum Neukölln, Universitätsklinikum Göttingen, Asklepios Augenklinik Hamburg Nord-Heidberg, Asklepios Augenklinik Altona und Asklepios Augenklinik Barmbek (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Verteilung der an oregis angeschlossenen ophthalmologischen Zentren in Deutschland nach Bundesländern (Stand 10/2022). (Angepasst von: [21])

Bis zum Spätsommer 2022 wurden rund 1,75 Mio. Arztbesuche von über 400.000 Patientinnen und Patienten in die Datenbank eingespeist. Es liegen Daten zu ca. 2,8 Mio. Visuserhebungen und gleich vielen Augeninnendruckmessungen vor. oregis enthält gegenwärtig Daten zu rund 550.000 verordneten Medikamenten, 610.000 Prozeduren und ca. 213.000 ICD-Codierungen.

Während des gesamten Entwicklungsprozesses folgt das Projekt stets bestimmten Grundsätzen, die sich an den Prinzipien des IRIS®-Registers [5] orientieren und in der oregis-Charta (Abb. 3) festgehalten sind:

  1. 1.

    oregis dient der Förderung der Forschung, Wissenschaft und Lehre sowie der Sicherung der Qualität in der ophthalmologischen Versorgung.

  2. 2.

    oregis steht der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zu Forschungszwecken zur Verfügung.

  3. 3.

    Die Gewinnung, Aufbereitung, Verarbeitung, Speicherung und Auswertung medizinischer Daten geschieht unter Berücksichtigung des Datenschutzes und ethischer Kriterien.

  4. 4.

    Die Daten liegen dem Register in anonymisierter Form vor. Die Rückverfolgung einzelner Patienten wird verhindert.

  5. 5.

    Die Nutzungsrechte der übertragenen Daten verbleiben bei den jeweiligen Datengebern. Der Datenzugriff ist grundsätzlich beschränkt auf den Personenkreis und die Fälle, bei denen der Zugriff für die Entwicklung und den Betrieb von oregis bzw. des Forschungsprojekts notwendig ist.

  6. 6.

    Der Anschluss teilnehmender Zentren erfolgt freiwillig und unentgeltlich.

  7. 7.

    Für die Ergebnisse von Forschungsanfragen besteht grundsätzlich eine Publikationspflicht in einer wissenschaftlichen Zeitschrift (peer-reviewed).

Abb. 3
figure 3

Charta des oregis-Projektes (Stand 02/2022)

In der aktuellen Pilotphase des Projektes werden lediglich strukturierte Daten in oregis eingespeist, Freitextdaten und Bilddaten werden noch nicht importiert. Diese sollen jedoch im weiteren Verlauf des Projektes in die Datenbank einfließen. Freitextdaten sollen dabei mit einem geeigneten Verfahren in strukturierte Daten überführt werden. Außerdem wird oregis in Zukunft Record-linkage-Verfahren anwenden, um Daten eines einzelnen Patienten, die an verschiedenen Standorten erhoben und in das Register eingetragen werden, ein und derselben Person zuordnen zu können. Dies wird ermöglicht durch verschiedene Identifikatoren, die sich nach Versichertenstatus und Einwilligungsstatus des Patienten unterscheiden.

Für gesetzlich Versicherte werden die ersten 10 Stellen der Krankenversicherungsnummer als Identifikator genutzt. Dieser Teil ist für jeden gesetzlich Krankenversicherten eindeutig und unveränderlich. Selbst bei einem Kassenwechsel des Patienten wird die Nummer beibehalten.

Für privat versicherte Patienten wird analog die Privatversichertennummer verwendet.

Als zusätzlicher Identifikator unabhängig vom Versichertenstatus werden der Name und das Geburtsdatum verwendet.

Keiner dieser Identifikatoren wird an das Register selbst übertragen, stattdessen wird in einem geordneten Übertragungsprozess sichergestellt, dass die Identifikatoren stets geschützt sind. Hierfür wird unter anderem ein Hashing-Verfahren verwendet, welches den Identifikator in einen willkürlichen Zahlen- und Buchstabenwert wandelt (Einwegverschlüsselung).

Übertragungsprozess

Der Übertragungsprozess besteht aus 3 Akteuren: dem Konnektormodul im an oregis teilnehmenden Zentrum, der Vertrauensstelle und dem Register selbst.

Zur Übertragung hasht das Konnektormodul die Identifikatoren der Patienten. Die Hashwerte werden zur Vertrauensstelle gesandt. Liegt eine Einwilligungserklärung vor, werden Klarname, Adress- und Kontaktdaten an die Vertrauensstelle übertragen. Die Vertrauensstelle bildet nun in einem zufälligen Verfahren Pseudonyme zu den einzelnen Identifikatoren. Hiernach antwortet die Vertrauensstelle dem Konnektormodul mit einer zufällig generierten 5 Tage gültigen Transfernummer. Das teilnehmende Zentrum übermittelt daraufhin die erhaltene Transfernummer mitsamt den medizinischen Daten (MDAT) an das Register. Anschließend überträgt oregis die Transfernummer an die Vertrauensstelle, die die passenden Pseudonyme an den Server des Registers zurück übermittelt.

Die Abb. 4 gibt einen Überblick über den zukünftigen Datentransfer des Projektes.

Abb. 4
figure 4

Grafische Darstellung des zukünftigen Datentransfers innerhalb des oregis-Projektes. Die Reihenfolge der Transferschritte sind von 1 bis 5 durchnummeriert. (1) Die Datenquelle (teilnehmendes Zentrum) sendet einen gehashten Identifikator an eine unabhängige Vertrauensstelle. (2) Die Vertrauensstelle antwortet mit der Übermittlung einer Transfernummer an das teilnehmende Zentrum. (3) Das teilnehmende Zentrum übermittelt daraufhin die erhaltene Transfernummer mitsamt den medizinischen Daten (MDAT) an oregis. (4) Anschließend überträgt oregis die Transfernummer an die Vertrauensstelle, die (5) das Pseudonym an den Server des Registers übermittelt

Bei Fehlern wird die Übertragung abgebrochen und eine Fehlermeldung in eine Logdatei geschrieben. Der Übertragungsprozess als auch mögliche Fehlermeldungen bedürfen nicht der Aufmerksamkeit des Anwenders. Abseits von Registrierung und Web-Dashboard finden die meisten Funktionen komplett automatisch statt und benötigen keine Interaktion des medizinischen Personals.

Diskussion

Das Deutsche Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF) beschreibt die bedeutende Stellung von Registern für das Gesundheitssystem und verdeutlicht, dass Register das Versorgungsgeschehen auf einer wissenschaftlichen Basis abbilden und analysieren können [6, 7]. Dass dies zutrifft, haben bereits andere Register bewiesen.

So zeugt das heute weltweit bekannte IRIS®-Register der American Academy of Ophthalmology von der erfolgreichen Umsetzung derartiger Vorhaben. IRIS® sammelt Daten zu ophthalmologischen Parametern von Patienten in den Vereinigten Staaten von Amerika. Seit seiner Einführung wurden 412 Mio. Arztbesuche von über 70,8 Mio. Patienten erfasst [8]. Die Erkenntnisse zahlreicher wissenschaftlicher Studien basieren auf Daten des Registers [8].

Weltweit existieren knapp 100 ophthalmologische Register, von denen über die Hälfte in den Jahren ab 1990 initiiert wurden [9]. Die Save Sight Registries aus Australien dienen als Beispiel für multinationale Register. Im Zuge ihres Fight Retinal Blindness!(FRB!)-Projektes speisen Zentren seit den späten 2000er-Jahren Daten zu makulären Pathologien in das Projekt ein. Die erfolgreiche Umsetzung führte im Verlauf dazu, dass weitere Unterregister zu verschiedenen ophthalmologischen Subspezialitäten entstanden [9].

Auch in europäischen Nachbarstaaten existieren ophthalmologische Register. Ähnlich den Save Sight Registries, generieren diese in der Mehrzahl der Fälle Datensätze zu bestimmten Erkrankungen. Das Swedish National Cataract-Register beispielsweise sammelt Daten zu Kataraktoperationen und verfügte bereits im Jahr 2009 über Daten zu mehr als 1 Mio. durchgeführter Operationen [10]. Sein Einfluss auf die augenheilkundliche Praxis in Schweden wurde dadurch deutlich, dass auf der Grundlage der registerinternen Daten die Rate an postoperativer Endophthalmitis nach Kataraktoperation von 0,11 % im Jahr 1998 auf 0,02 % im Jahr 2009 reduziert werden konnte [2].

Auf europäischer Ebene existiert das European Registry of Quality Outcomes for Cataract and Refractive Surgery (EUREQUO), das Daten zu verschiedenen refraktiven Operationen sammelt. Anders als das schwedische Register erhält es seine Informationen jedoch zum Teil auch aus anderen Datensätzen [11]. Andere ophthalmologische Register weltweit befassen sich unter anderem mit Frühgeborenen- [12] und diabetischer Retinopathie [13], Hornhauttransplantationen [14, 15], altersbedingter Makuladegeneration [16] und Glaukom [17].

In Deutschland stellt oregis das erste klinische Register dar, das automatisiert krankheitsübergreifende, ophthalmologische Patientendaten überträgt. Zwar gab es auch schon vor der Initiierung von oregis deutsche Register auf dem Gebiet der Augenheilkunde, allerdings befassen sich diese nur mit spezifischen ophthalmologischen Krankheitsbildern und sind anders als oregis auf die aktive, in der Regel händische Übermittlung von Daten angewiesen. Im Vergleich zu den bisherigen ophthalmologischen Registern in Deutschland erfasst oregis daher erstmals sog. Real-world-Daten, die, da sie nicht bewusst in ein themenspezifisches Formular übertragen werden müssen, besonders gut die tatsächliche Versorgungssituation widerspiegeln.

Ein Beispiel für eine deutsche ophthalmologische Datenbank ist das Deutsche Frühgeborenen-Retinopathie-Register (http://www.rop-register.de/), das seit 2012 deutschlandweit Daten zur Frühgeborenenretinopathie (ROP) zusammenträgt. Erkenntnisse, die mithilfe dieses Registers gewonnen wurden, haben die Untersuchung der Anti-VEGF(„vascular endothelial growth factor“)-Therapie bei ROP-Patienten ermöglicht [18]. Andere Register, wie das German Neonatal Network überschneiden sich in ihrem Patientenkollektiv mit dem des Deutschen ROP-Registers, tragen aufgrund ihrer jeweiligen Zielsetzung jedoch andere Schwerpunkte in der Art der erfassten Daten.

Ähnlich dem ROP-Register sammelt das Register zu seltenen kornealen Erkrankungen Informationen zu unterschiedlichen Hornhautpathologien wie Ulcus Mooren, Terrien’s marginale Hornhautdegeneration oder intraepithelialen Neoplasien. Darüber hinaus führt die DOG in ihren Sektionen weitere deutsche Krankheitsregister für spezifische okuläre Pathologien an; darunter das Akanthamöbenkeratitis-Register, das UV-A-Kollagen-Quervernetzungs-Register, das Pilzkeratitis-Register, das Keratoplastik-Register, das Peters-Anomalie-Register und das Register für Tumoren der Augenoberfläche. Weitere Register wie das Uveitis-Register der Sektion Uveitis, das Hornhautbanken-Register der Sektion Gewebe oder das LHON-Register der Sektion Neuroophthalmologie ergänzen den Bestand an krankheitsspezifischen Datensätzen. Bei diesen Registern stehen epidemiologische Datenerhebungen oder auch die Nachverfolgung von Therapien im Mittelpunkt der Analyse [19]. Gegenüber den zuvor genannten Krankheitsregistern hat oregis den Vorteil, dass Daten nicht manuell von den teilnehmenden Kliniken in das Register geladen werden müssen. Stattdessen bietet oregis ein automatisiertes Upload-Verfahren der klinikinternen Patienteninformationen an. Die Entscheidung zur Entwicklung eines derartigen Verfahrens fußt auf Lehren aus dem ersten ophthalmologischen Register der American Academy of Ophthalmology, „NEON“. Das National Eyecare Outcomes Network der AAO wurde unter anderem deshalb beendet, weil im klinischen Alltag kaum Kapazität für dessen manuelle Übertragungswege vorhanden war [20]. Das nachfolgende IRIS®-Register behob diesen Fehler und findet seit seiner Einführung breite Anerkennung und Anwendung unter den amerikanischen Augenärzten [5].

Fazit

oregis ist ein hypothesenoffenes, multizentrisches Register auf der Grundlage der systematischen Erhebung eines umfangreichen Datensatzes der augenärztlichen Versorgung in Deutschland. Die Daten entstammen sowohl Kliniken als auch Praxen und umfassen ambulante wie auch stationäre Behandlungen. Dieser Aspekt ist von besonderem Wert für die Forschung, da in der ophthalmologischen Versorgungsrealität ein erheblicher Anteil der Nachsorgeuntersuchungen ambulant in Praxen durchgeführt wird, während eine bedeutende Anzahl stationärer Eingriffe in Kliniken stattfindet. Eine gesammelte Betrachtung von Praxen und Kliniken erzeugt somit ein vollständiges Bild der ophthalmologischen Versorgungsrealität in Deutschland.

Auf der Grundlage von oregis lassen sich Aussagen zu unterschiedlichsten Themen im Bereich der Augenheilkunde treffen. Von populations- und krankheitsspezifischen Analysen, bis hin zu gesundheitspolitischen Fragestellungen lassen sich nahezu alle Facetten der ophthalmologischen Versorgung in Deutschland innerhalb des Registers abbilden. Die Repräsentanz der Registerdaten für die Allgemeinbevölkerung steigt dabei mit jedem weiteren Klinikanschluss fortwährend an.

Als dynamisches Instrument stellt oregis auch eine ideale Basis für den Einsatz von Methoden des maschinellen Lernens dar und bietet die Grundlage für ein lernendes Gesundheitssystem auf dem Gebiet der Augenheilkunde.