Aufgrund von Traumata, malignen Tumoren, schweren Infektionen, verschiedenen kongenitalen Malformationen oder anderen medizinischen Indikationen werden in Deutschland jährlich ca. 2000 Exstirpationen von Augen durchgeführt [2, 3]. Für die betroffenen Patienten ist der Verlust eines Auges in der Regel ein lebensveränderndes Ereignis und stellt auch eine große psychologische und emotionale Belastungssituation dar [1, 4, 5]. Einer der wichtigsten Punkte nach dem Verlust eines Auges ist sicher der ästhetische Aspekt, denn dieser hat einen signifikanten Einfluss auf die soziale Interaktion und Reintegration in den Alltag und damit auch auf die Lebensqualität [1,2,3,4,5]. Daher erfüllt eine reibungslose und schnelle Versorgung dieser Patienten mit einer maßgefertigten Augenprothese nicht nur eine rein kosmetische Funktion, sondern erleichtert v. a. eine gute soziale Rehabilitation [1, 4, 5].

Jeder Ophthalmologe sollte über Grundkenntnisse der augenprothetischen Versorgung verfügen

Jeder Ophthalmologe sollte über Grundkenntnisse der augenprothetischen Versorgung verfügen. Einerseits werden diese Kenntnisse benötigt, um eine adäquate und reibungslose Rehabilitation dieser Patienten in enger Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären und multiprofessionellen Team zu gewährleisten [1, 5]. Andererseits sollte ein Augenarzt diese Patienten entsprechend beraten, Komplikationen des Prothesentragens erkennen und ggf. auch therapeutische Maßnahmen ergreifen können [4, 6, 7]. Heutzutage ist die augenprothetische Versorgung in Deutschland eben viel mehr als nur reine Kosmetik und nicht nur Sache der Okularisten. Deshalb greift das vorliegende Themenheft „Aktuelle Aspekte der augenprothetischen Versorgung“ alltagsrelevante Punkte der augenprothetischen Versorgung für den Ophthalmologen auf.

Die moderne augenprothetische Versorgung ist multiprofessionell und interdisziplinär

Die Übersichtsarbeit von Dominik Kowanz aus der Kölner Universitätsaugenklinik gibt zuerst einen Überblick über die verschiedenen modernen Operationstechniken zur Exstirpation eines Auges. Die Basis einer jeder guten augenprothetischen Rehabilitation legt nämlich bereits der ophthalmoplastische Chirurg durch ein gelungenes chirurgisches Ergebnis, möglichst ohne postoperative Komplikationen. Einerseits werden in dieser Arbeit die verschiedenen Indikationen näher beleuchtet. Andererseits liegt der Schwerpunkt auf den verschiedenen chirurgischen Techniken der Eviszeration, der Enukleation und der Exenteratio orbitae. Zum Schluss wird die postoperative Nachsorge näher beleuchtet.

Frau Dr. Rebecca Lauber, ebenfalls aus der Kölner Universitätsaugenklinik, legt in ihrer Übersichtsarbeit den Schwerpunkt auf die (Langzeit‑)Komplikationen des Prothesentragens. Einerseits wird die Pathogenese verschiedener Konjunktivitiden näher beleuchtet. Nicht unerwähnt bleiben darf hierbei das „dry anophthalmic socket syndrome“ (DASS), unter dem mehr als die Hälfte der Augenprothesenträger leiden. Auch das „post-enucleation socket syndrome“ und ein sog. „contracted socket“ gehören zu den Hauptkomplikationen des Prothesentragens und werden ausführlich erläutert. Für Patienten stellen diese Komplikationen eine hohe psychologische Belastung dar und können das Tragen einer Augenprothese sogar unmöglich machen. Daher ist es von enormer Bedeutung, diese Komplikationen zu erkennen, richtig einzuordnen und frühzeitig eine adäquate Therapie einzuleiten.

Zum Schluss erörtert Prof. Dr. Michael Schittkowski aus der Göttinger Universitätsaugenklinik die Möglichkeiten, aber auch besonderen Herausforderungen der kindlichen augenprothetischen Versorgung. Insbesondere wird dargestellt, dass kongenitale Anomalien der kürzesten Behandlungsintervalle bedürfen, beim kongenitalen Anophthalmus noch einmal mehr als beim Mikrophthalmus. Ziel ist es dabei, sowohl das Weichteilgewebe der okulären Adnexe als auch die knöcherne Orbita simultan zu stimulieren. Leider sind selbstquellende Hydrogelexpander zur Implantation in die Orbita aktuell nicht mehr verfügbar. Deshalb bleibt eine engmaschige, konservative Prothesenbehandlung die einzige Option. Wichtig ist auch hier die enge Verzahnung zwischen Okuloplastiker, Okularist und Eltern/Kind.

Wir wünschen dem geneigten Leser eine anregende Lektüre und hoffen, dass diese Beiträge dazu beitragen, die augenprothetische Versorgung in Deutschland zu verbessern und als interdisziplinäre Herausforderung in einem multiprofessionellen Team zu verstehen.

Mit besten kollegialen Grüßen aus Köln,

Ludwig M. Heindl und Alexander C. Rokohl