Die Evaluation des nach filtrierender Chirurgie entstehenden Sickerkissens stellt einen sehr wichtigen Bestandteil des chirurgischen Erfolgs dar. Dies erfolgt traditionell an der Spaltlampe bzw. mittels Fotos. Die Einführung des Vorderabschnittes-OCT (AS-OCT) bietet eine bessere Darstellung der tieferen Strukturen des Sickerkissens und wird immer häufiger zur morphologischen Beurteilung eingesetzt. In dieser Studie werden die Unterschiede der Sickerkissenmorphologie mittels AS-OCT nach primärer Implantation von XEN-Stent und nach offener Bindehautrevision analysiert, und deren Korrelation mit dem Augeninnendruck wird untersucht.

Hintergrund und Fragestellung

Die filtrierende Glaukomchirurgie, insbesondere die Trabekulektomie (TE), stellt eine sehr wirksame drucksenkende Maßnahme dar und basiert auf der Ableitung des Kammerwassers von der Vorderkammer (VK) in den subkonjunktivalen (SK) Raum. Dadurch entsteht im Bereich der Filterzone ein Sickerkissen, dessen Funktion in der postoperativen Phase für den chirurgischen Erfolg entscheidend ist.

Der aus vernetzter Schweinegelatine bestehende XEN-Stent (XEN, Allergan Inc., CA, USA, an Abbvie company, IL, USA) ist bisher das einzige zugelassene Medizinprodukt zur filtrierenden Chirurgie in den SK-Raum, welches mittels Ab-interno-Verfahren eingesetzt wird. Nach der Implantation des XEN entsteht ebenfalls ein Sickerkissen, welches sich von einem nach TE entstehenden Sickerkissen unterscheidet. Ein Ab-interno-Verfahren und dadurch die Schonung der Bindehaut können die Morphologie des Sickerkissens beeinflussen. Die posteriore Lokalisation der äußeren Öffnung bei ca. 5 mm vom Limbus führt zu einem ebenfalls mehr posterior positionierten Sickerkissen.

Es wurden mehrere Systeme zur Beschreibung der Morphologie des Sickerkissens entwickelt [1, 12, 22] Dies erfolgt traditionell an der Spaltlampe bzw. mittels Fotos der Filterzone [1, 5, 22]. In den letzten Jahren nahm jedoch die Evaluierung des Sickerkissens mittels optischer Kohärenztomographie des vorderen Augenabschnitts (AS-OCT) immer mehr an Bedeutung zu [6, 16, 19, 23]: Das AS-OCT zeichnet eine hohe Reproduzierbarkeit verglichen mit der biomikroskopischen Untersuchung aus und kann die bisher unsichtbaren tieferen Strukturen mit einer hohen Auflösung sichtbar machen. Dazu bietet das AS-OCT einen prognostischen Wert zur zukünftigen Entwicklung des Sickerkissens [7, 20, 21].

Das Ziel unserer Studie ist es, die Morphologie des Sickerkissens nach XEN-Implantation mittels AS-OCT mithilfe eines neuartigen Klassifikationssystems zu untersuchen. Da eine offene Bindehautrevision des Sickerkissens die Morphologie stark beeinflussen könnte, wird zwischen dem Sickerkissen nach primärer Implantation und dem nach offener Bindehautrevision unterschieden. Die Morphologie des durch beide Verfahren resultierenden Sickerkissens soll miteinander verglichen und deren Korrelation mit dem Intraokulardruck (IOD) untersucht werden.

Methodik

Wir führten zwischen März 2020 und August 2022 eine retrospektive Studie durch. Es wurden alle Augen in diesem Zeitraum untersucht, die einen XEN nach einer Ab-interno-Implantation als Stand-Alone (ohne gleichzeitige Kataraktoperation) bei primärem Offenwinkelglaukom (POWG) bzw. Pseudoexfoliationsglaukom erhielten. Die Ein- und Ausschlusskriterien sind in Tab. 1 aufgelistet. Zum postoperativen Kontrolltermin erfolgte eine Aufnahme des Sickerkissens mittels AS-OCT. Es durfte nur 1 Auge pro Patient und nur einmalig im Rahmen der Studie eingeschlossen werden.

Tab. 1 Ein- und Ausschlusskriterien

Die eingeschlossenen Augen wurden auf 2 Gruppen aufgeteilt, Gruppe 1 (Pr-X): Augen nach primärer Implantation des XEN ohne andere chirurgische Manipulation an der Bindehaut (z. B. Needling, offene Bindehautrevision etc.), Gruppe 2 (Re-X): Hier wurden Augen eingeschlossen, die nach Versagen des Sickerkissens nach XEN eine offene Bindehautrevision erhielten. Folgende Daten wurden präoperativ erhoben: Alter, Voroperationen und ophthalmologische Begleiterkrankungen, IOD (gemessen mittels Goldmann-Applanationstonometrie), Anzahl der drucksenkenden Medikamente (AdM). Postoperativ wurden zu jedem Kontrolltermin der IOD, AdM, intra- und postoperative Komplikationen und die vergangene Zeit nach der Operation (in Tagen) notiert. Das AS-OCT wurde nach einem standardisierten Protokoll durchgeführt.

Präoperative Vorbereitung und chirurgisches Vorgehen

Zum Operationsbeginn werden die periokuläre Haut und die Konjunktiva mit Povidon-Iod (10 und 5 %) desinfiziert. Ein Lidsperrer wird eingesetzt.

Primäre Implantation

Der Vorderkammerwinkel wird gonioskopiert und die bestmögliche Position für den Stent lokalisiert (typischerweise superionasal). Die Konjunktiva wird 3 mm vom Limbus markiert. Es folgt eine SK-Injektion von Mitomycin‑C (MMC) (0,1 ml, 0,2 mg/ml) ca. 5 mm posterior zum Limbus. Die resultierende Zyste wird anterior und posterior massiert (mit Aussparung des Limbusbereichs). Ein 2,0-mm-Clear-Cornea-Schnitt wird inferiotemporal mit einer Parazentese nasal gesetzt. Die VK wird mit kohäsivem Viskoelastikum gefüllt, und der XEN-Injektor wird durch den 2,0-mm-Schnitt in die VK eingeführt und anterior zum trabekulären Maschenwerk positioniert und auf die 3‑mm-Markierung gezielt. Danach erfolgt die Platzierung des XEN, gefolgt von der Prüfung von dessen Lokalisation mittels Gonioskopie. Der SK-Teil des Stents sollte frei beweglich sein. Postoperativ erhalten die Patienten Ofloxacin-Augentropfen 5‑mal täglich für 1 Monat (Floxal® 3 mg/ml Augentropfen, Bausch & Lomb, Laval, Canada) und Dexamethason als Augentropfen (Dexapos COMOD, URSAPHARM, Saarbrücken, Deutschland) 2‑stündlich für 1 Woche, danach 5‑mal täglich für 1 Monat. Das Dexapos wird dann monatlich um einen Tropfen reduziert. Insgesamt nehmen die Patienten über 5 Monate topische Kortikosteroide. Bulbusmassage wurde postoperativ nicht empfohlen.

Offene Bindehautrevision

Die Indikation zur offenen Bindehautrevision wurde im Falle eines Sickerkissenversagens getroffen, wenn der IOD unter maximal tolerierter drucksenkender Therapie über dem vom Glaukomspezialisten festgelegten Zieldruck lag. Die Bindehaut wird limbusnah über ca. 2 Uhrzeiten im Bereich der Filterzone eröffnet und die Sklera dargestellt. Die Tenon-Narbe um das Implantat herum wird von der Sklera abpräpariert und das Implantat von der Narbe freigelegt. Danach wird die Drainage geprüft. Das MMC wird für 2–3 min im Bereich der Filterzone appliziert (0,2 mg/ml) und danach ausgiebig ausgespült. Die Tenon-Kapsel wird an der Sklera zugenäht gefolgt von einer wasserdichten Schließung der Bindehaut (10‑0 Vicryl). Postoperativ erhalten die Patienten dasselbe Tropfschema wie nach einer primären Implantation.

Das Vorderaugenabschnitt-OCT

Zur Untersuchung des Sickerkissens wurde das High-Definition-Swept-Source AS-OCT (ANTERION®, Heidelberg Engineering GmbH, Heidelberg, Deutschland) verwendet. Die Untersuchung wurde mittels eines einheitlichen Protokolls durchgeführt. Der Patient wurde gebeten, nach inferiotemporal zu blicken, während das Oberlid mit einem Stäbchen hochgehalten wurde, ohne Druck auf den Bulbus auszuüben. Eine Aufnahmezone mit 45 Scans auf 7,5 mm Breite wurde auf den Stent zentriert, und die Länge der Aufnahmezone wurde dem sichtbaren Bereich der Filterzone angepasst. Die Scans wurden in 2 Richtungen ausgeführt: einmal parallel zum Implantat (meistens radiär zum Limbus) und einmal perpendikulär zum Implantat (tangential zum Limbus). Zwei repräsentative Scans wurden in der Abb. 1 dargestellt. Das resultierte in 90 Scans pro Sickerkissen.

Abb. 1
figure 1

a Einer der 45 Scans radiär zum Limbus, b Einer der 45 Scans tangential zum Limbus. Insets: gescannte Bereiche. Grüner Pfeilkopf: intrakonjunktivale Zysten, blauer Pfeilkopf: SK-Spalten, weiße Sternchen: hyporeflektive Zonen der Tenon-Kapsel, C Konjunktiva, T Tenon-Kapsel, S Sklera, X XEN-Gel-Stent, weiße gepunktete Linie: Grenze zwischen Konjunktiva und Tenon, gelbe gepunktete Linie: Grenze zwischen Tenon und Sklera

Tomographische Klassifizierung des Sickerkissens

Die 90 Scans jedes Sickerkissens wurden analysiert und entsprechend dem von unserer Arbeitsgruppe beschriebenen System, dem Jenaer Bleb Grading System (JBGS), klassifiziert [4]. Dabei wurden die anatomischen Veränderungen an 3 Ebenen im Bereich der Filterzone untersucht (an der Konjunktiva, Tenon-Kapsel und Episklera). Hierfür wurden Standardbilder (Abb. 2) verwendet, die diese Veränderungen wie folgt darstellen. Die Veränderungen wurden als zutreffend bezeichnet, wenn sie mindestens in einem der 90 Scans beobachtet werden konnten:

Abb. 2
figure 2

Standardbilder der tomographischen Muster in AS-OCT-Scans: C0 keine konjunktivalen Veränderungen, C1 intrakonjunktivale Zysten (grüne Pfeilspitzen), C2 SK-Spalten (blaue Pfeilspitzen). T0 keine Tenon-Veränderungen, T1 hyperreflektive Veränderungen der Tenon, T2 hyporeflektive Veränderungen der Tenon (weißes Sternchen), T3 kavernöse Veränderungen mit Hohlräumen (doppeltes weißes Sternchen). ES0 kein episkleraler See, ES1 sichtbarer episkleraler See (gelbes Sternchen). Gelbes Kreuzchen: XEN-Stent.

An der konjunktivalen Ebene:

  • C0: keine Veränderungen der Konjunktiva

  • C1: intrakonjunktivale Zysten

  • C2: sSK-Zysten (zwischen Konjunktiva und Tenon)

An der Tenon-Ebene:

  • T0: keine Veränderungen der Tenon-Kapsel

  • T1: hyperreflektive Veränderungen im gesamten Bereich des Sickerkissens

  • T2: hyporeflektive Veränderungen im Bereich des Sickerkissens sichtbar

  • T3: kavernöse Veränderungen mit Hohlräumen im Bereich des Sickerkissens

An der episkleralen Ebene:

  • ES0: kein episkleraler See sichtbar

  • ES1: episkleraler See vorhanden

Studien-Outcomes waren die Unterschiede in der Häufigkeit der Muster innerhalb jeder Gruppe und zwischen beiden Gruppen (Pr‑X vs. Re‑X). Der durchschnittliche IOD ± Standardabweichung (SD) pro Muster und Gruppe wurden berechnet und mit den anderen Mustern verglichen. Die statistische Analyse wurde mittels SPSS (Version 22.0, Armonk, NY: IBM Corp.) durchgeführt. Die Daten wurden für die Normalverteilung untersucht und Ergebnisse als Mittelwert ± SD präsentiert. Abhängige und unabhängige t‑Tests (bzw. Wilcoxon oder Mann-Whitney-U) wurden verwendet.

Alle Prozeduren und chirurgischen Eingriffe wurden nach unterschriebener Aufklärung durchgeführt. Die Studie wurde gemäß der Deklaration von Helsinki durchgeführt. Aufgrund des retrospektiven Designs war kein Ethikantrag notwendig.

Ergebnisse

Eingeschlossen wurden 69 Augen von 69 Patienten (40 Augen in der Pr‑X und 29 in der Re-X-Gruppe mit insgesamt 6210 Scans). Die prä- und postoperativen epidemiologischen Daten können aus Tab. 2 entnommen werden. Es konnten präoperativ keine Unterschiede im Hinblick auf das Alter, IOD, AdM festgestellt werden. Postoperativ zeigte sich ein niedriger IOD in der Re-X- verglichen mit der Pr-X-Gruppe (p = 0,05).

Tab. 2 Epidemiologische Daten der Patienten

Häufigkeit der tomographischen Muster beider Gruppen

Die Häufigkeit aller Muster beider Gruppen kann aus der Abb. 3 entnommen werden.

Abb. 3
figure 3

Häufigkeit der tomographischen Muster in %

An der konjunktivalen Ebene wurde das Muster C2 (SK Wasserspalten) mit 42,5 % und 58,6 % am häufigsten in der Gruppe Pr‑X bzw. Re‑X beobachtet, gefolgt von C1 und danach C0. Hier konnten keine signifikanten Unterschiede in der Häufigkeit der konjunktivalen Muster zwischen beiden Gruppen festgestellt werden (p = 0,4, Pearson-Chi-Quadrat-Test). An der Ebene der Tenon-Kapsel wurde in der Pr-X-Gruppe das Muster T2 (hyporeflektive Veränderungen) mit 47,5 % am häufigsten beobachtet, gefolgt von dem Muster T3 (kavernöse Veränderungen) mit 32,5 %. Seltener wurden die Muster T0 (keine Veränderungen) und T1 (hyperreflektive Veränderungen) mit jeweils 10 % beobachtet. In der Gruppe Re‑X wurde im Gegensatz dazu das Muster T1 mit 37,9 % am häufigsten gesehen. An zweiter Stelle mit 34,5 % der Fälle folgte das Muster T2 gefolgt von T3 und T0. Der Unterschied der Häufigkeit dieser Muster zwischen beiden Gruppen war statistisch signifikant (p < 0,04). An der episkleralen Ebene zeigte in der Pr-X-Gruppe die große Mehrheit der Fälle (85 %) keinen episkleralen See (ES0). In der Re-X-Gruppe zeigten im Gegenteil 69,0 % der Fälle einen sichtbaren episkleralen See (ES1). Dieser Unterschied der Häufigkeit war ebenfalls signifikant (p < 0,001).

Tomographische Muster und der IOD

Der Mittelwert des IOD ± SD je tomographisches Muster und Gruppe kann aus der Tab. 3 und der Mittelwert der AdM ± SD aus der Tab. 4 entnommen werden.

Tab. 3 Der mittlere IOD ± SD je tomographisches Muster und Gruppe in mm Hg
Tab. 4 AdM ± SD je tomographisches Muster und Gruppe

In der Pr-X-Gruppe (Abb. 4) konnten keine signifikanten Unterschiede des IOD zwischen den konjunktivalen Mustern beobachtet werden (p = 0,67, One-Way-ANOVA). An der Tenon-Ebene zeigten die Muster T2 und T3 signifikant niedrigere IOD-Werte verglichen mit T0 und T1 (p ≤ 0,003). An der episkleralen Ebene gab es keine Unterschiede des IOD zwischen den Mustern ES0 und ES1 (p = 0,6, t‑Test für unabhängige Stichproben). In der Re-X-Gruppe (Abb. 5) zeigten ebenfalls die konjunktivalen Muster C0, C1 und C2 keine Unterschiede im Hinblick auf den IOD (p = 0,4). An der Tenon-Ebene zeigten die Muster T1 und T2 niedrigere IOD-Werte verglichen mit T0 (p = 0,05 und p = 0,03). Episkleral konnte ein signifikant niedrigerer IOD des Musters ES1 verglichen mit dem ES0 gezeigt werden (p = 0,04).

Abb. 4
figure 4

Box-Plots: IOD in Abhängigkeit vom topographischen Muster des Sickerkissens. *p ≤ 0,003

Abb. 5
figure 5

Box-Plots: IOD in Abhängigkeit vom topographischen Muster des Sickerkissens *p ≤ 0,05

Beim Vergleich der IOD-Werte bzw. der AdM je Muster zwischen beiden Gruppen zeigten sich die in Tab. 3 und 4 aufgelisteten Ergebnisse. Die Muster C2, T1 und ES1 zeigten in der Re-X-Gruppe niedrigere IOD-Werte verglichen mit der Pr-X-Gruppe.

Die vollständige Klassifikation jedes Sickerkissens wurde in Tab. 5 und 6 dargestellt.

Tab. 5 Gruppe Pr-X: vollständige Klassifikation der Sickerkissen und der entsprechende IOD ± SD
Tab. 6 Gruppe Re-X: vollständige Klassifikation der Sickerkissen und der entsprechende IOD ± SD

Diskussion

Die Evaluierung des Sickerkissens stellt einen sehr wichtigen Bestandteil des Erfolgs einer filtrierenden Chirurgie dar. Diese erfolgt traditionell an der Spaltlampe oder mithilfe der Stereofotografie. Es wurden hierfür mehrere Klassifizierungssysteme vorgestellt [1, 12, 22], die in der Praxis routinemäßig eingesetzt und von vielen Ophthalmologen ebenfalls für die Evaluierung des nach XEN-Implantation entstehenden Sickerkissens übernommen werden. Jedoch können das Ab-interno-Verfahren und die Schonung der Bindehaut nach XEN mit deutlichen Abweichungen der Sickerkissenmorphologie zur TE einhergehen [15]. Das stellt die Übernahme der bisher bekannten Klassifikationssysteme nach TE für XEN infrage und fordert die Anpassung bzw. die Entwicklung neuer Systeme. Das AS-OCT ermöglicht eine Darstellung der tieferen Strukturen des Sickerkissens, die bisher biomikroskopisch unsichtbar waren [9, 17], daher nimmt sein Einsatz in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung zu[11, 18].

Daher entwickelten wir ein neuartiges System zur Klassifikation des Sickerkissens mittels AS-OCT (das Jenaer Bleb Grading System [JBGS]) nach einer Ab-interno-Implantation des XEN. Durch das neue System [4] werden die Veränderungen in den anatomischen Ebenen (Konjunktiva, Tenon und Episklera) qualitativ beschrieben und eingestuft. Das neue System bietet einen Überblick über die Gesamtmorphologie des Sickerkissens und stellt tomographische Muster vor, die mit dem IOD und dadurch mit der Funktion des Sickerkissens gut korrelieren. Das JBGS wurde bisher jedoch lediglich zur Beschreibung des Sickerkissens nach primärer XEN-Implantation verwendet, wobei Augen nach einer Sickerkissenrevision ausgeschlossen wurden. Ein Needling bzw. eine offene Bindehautrevision nach XEN ist aber in bis zu 60 % der Fälle notwendig [13, 14] und kann (insbesondere die offene Bindehautrevision) morphologische Veränderungen des Sickerkissens mit sich bringen. Daher ist es notwendig, die Morphologie eines Sickerkissens nach primärer Implantation von XEN und nach einer offenen Bindehautrevision separat zu betrachten.

Unsere Daten zeigten, dass die SK-Spalten (C2) das am häufigsten beobachtete Muster an der Bindehautebene in beiden Gruppen darstellen, gefolgt von den intrakonjunktivalen Zysten (C1). Seltener waren die fehlenden Bindehautveränderungen (C0). Die 3 konjunktivalen Muster zeigten jedoch keine Unterschiede im Hinblick auf den IOD.

Die konjunktivalen Mikrozysten wurden traditionell bei den Klassifikationssystemen nach TE im Sinne der Sickerkissenfunktion als positiv bewertet [1, 5]. Hier wurden jedoch meistens Zysten gemeint, die im Bereich der Filterzone an der Spaltlampe sichtbar sind. Die intrakonjunktivalen Zysten bzw. SK-Spalten, die mit dem AS-OCT zu beobachten sind, sind jedoch deutlich kleiner und anscheinend häufiger zu sehen, zeigten aber keine Korrelation zum IOD und sind dadurch bezüglich der Funktion des Sickerkissens nicht aussagekräftig. Das wurde sowohl in der Pr-X- als auch in der Re-X-Gruppe beobachtet. Diese Zysten wurden in der Literatur häufig mit den intratenonalen Zysten bzw. mit einem episkleralen Wasserspalt unter dem Begriff: Zysten der Wand des Sickerkissens beschrieben [17, 18]. Neuere hochauflösende (Swept-Source) OCT-Maschinen ermöglichen jedoch die Differenzierung dieser Zysten bzw. Wasserspalten je nach anatomischer Ebene und ermöglichen dadurch eine mehr detaillierte Beschreibung und Auswertung.

An der Ebene der Tenon-Kapsel wurden in der Pr-X-Gruppe die hyporeflektiven (T2) und die kavernösen (T3) Veränderungen am häufigsten gesehen. Beide zeigten signifikant niedrigere Druckwerte verglichen mit den hyperreflektiven (T1) und fehlenden (T0) Veränderungen. Im Gegensatz dazu wurde in der Re-X-Gruppe das T1-Muster am häufigsten gesehen, gefolgt von T2. Seltener zu sehen waren die Muster T3 und T0. In der Re-X-Gruppe zeigten die T1- und T2-Muster signifikant niedrigere IOD-Werte verglichen mit dem Muster T0. Beim Vergleich derselben Muster zwischen beiden Gruppen wies das T1-Muster in der Re-X-Gruppe signifikant niedrigere Druckwerte verglichen mit demselben Muster der Pr-X-Gruppe (14,6 ± 3,3 vs. 22,5 ± 4,6 mm Hg, p = 0,003) auf.

Hyporeflektive Veränderungen des Sickerkissens nach TE wurden in mehreren Studien mit besseren Erfolgsraten bzw. besserer Funktion des Sickerkissens korreliert [10]. Ähnliche Ergebnisse wurden nach XEN berichtet [3]. Eine suboptimale Funktion des Sickerkissens nach XEN wurde in hyperreflektiven Veränderungen in der Filterzone nach XEN (das sog. Uniform Bleb) gefunden [8]. Dies konnte in unserer Studie nur in der Pr-X-Gruppe beobachtet werden. Dahingegen zeigten die hyperreflektiven Veränderungen in der Re-X-Gruppe signifikant niedrigere Druckwerte. Dieser Unterschied kommt a. e. durch die Bildung eines episkleralen Sees zustande, über den womöglich der Hauptanteil des Kammerwasserabflusses stattfindet. Dadurch wird weniger Kammerwasser über die Tenon filtriert, und somit treten hyporeflektive Veränderungen seltener auf, auch wenn das Sickerkissen insgesamt eine gute Filtrationsleistung aufweist.

Der episklerale See (ES1) wurde bei der Pr-X-Gruppe mit 15,0 % der Fälle deutlich seltener beobachtet verglichen mit der Re-X-Gruppe (69,0 %). Das ist am ehesten durch die chirurgische Technik zu erklären. Da bei der primären Implantation mittels Ab-interno-Verfahren die Bindehaut nicht eröffnet wird, erfolgt in dem Fall auch keine Dissektion der Tenon-Kapsel von der Sklera. Die Folgen sind das Fehlen des episkleralen Sees in der großen Mehrheit dieser Augen (Muster ES0) und die sehr häufigen hyporeflektiven bzw. kavernösen Veränderungen der Tenon-Kapsel (T2 und T3). Im Rahmen einer offenen Bindehautrevision erfolgen jedoch standardmäßig die Abpräparation der Tenon von der Sklera und die subtenonale Stentplatzierung. Dies führt zu einem primären Abfluss im episkleralen Raum und dadurch zum sichtbaren episkleralen See (Muster ES1) und gleichzeitig zu deutlich höherer Reflektivität in der Tenon-Kapsel (Muster T1). Allein das Vorhandensein des episkleralen Sees scheint auf eine gute Funktion des Sickerkissens hinzudeuten, auch wenn die Tenon hyperreflektive Veränderungen aufweist. Ähnliche Beobachtungen machten Akiko Tominaga et al. [19] nach einer Trabekulektomie und Sonal Dangda et al. [2] nach subtenonaler XEN-Implantation mit offener Bindehaut, die einen signifikant niedrigeren IOD dort dokumentierten, wo der episklerale Spalt im Sickerkissen vorhanden war.

Fazit für die Praxis

  • Das Jenaer Bleb Grading System (JBGS) stellt tomographische Muster vor, die mit der Funktion des Sickerkissens gut korrelieren.

  • Die Klassifizierung und Interpretation dieser Muster dürfen im Hinblick auf den IOD jedoch nur in Bezug auf die chirurgische Technik gemacht werden.

  • Die konjunktivalen Muster zeigten keine Korrelation mit dem IOD sowohl nach primärer Implantation des XEN als auch nach offener Bindehautrevision.

  • Nach primärer XEN-Implantation korrelierten die hyporeflektiven und kavernösen Veränderungen (T2 und T3) der Tenon mit niedrigerem IOD verglichen mit den hyperreflektiven bzw. fehlenden Veränderungen (T0 und T1).

  • Nach offener Bindehautrevision zeigten jedoch die Muster T1 und T2 niedrigere IOD-Werte verglichen mit T0.

  • Ein sichtbarer episkleraler See (ES1) wurde deutlich häufiger nach offener Bindehautrevision als nach primärer Implantation beobachtet und korrelierte mit einer besseren Funktion des Sickerkissens.