Retinale Gefäßverschlüsse zählen zu den häufigsten Krankheitsbildern des hinteren Augenabschnitts und stellen vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung mit einem zunehmenden Anstieg der Inzidenzen ab der 5. Lebensdekade eine der größten Herausforderungen für die moderne Augenheilkunde dar. Gepoolte Daten von Populationsstudien aus den Vereinigten Staaten, Europa, Asien und Australien ergaben allein für die Prävalenz venöser retinaler Gefäßverschlüsse eine geschätzte Zahl von weltweit insgesamt 16,4 Mio. Betroffenen, was dieses Krankheitsbild zu einer wichtigen Manifestation kardiovaskulärer Erkrankungen wie der arteriellen Hypertonie als Risikofaktor Nr. 1 und damit schon fast zu einer Art Volkskrankheit macht [1].

Retinale Gefäßverschlüsse zählen zu den häufigsten Krankheitsbildern des hinteren Augenabschnitts

Dabei kann die moderne Augenheilkunde im Kampf gegen die vaskuläre Bedrohung des Sehens durchaus beträchtliche Erfolge vorweisen. Wenngleich bis heute nach wie vor weder für die Behandlung arterieller noch venöser Netzhautgefäßverschlüsse eine evidenzbasierte, zugelassene Form der kausalen Therapie zur Verfügung steht, so ist doch zumindest die Behandlung von Zentralvenen- und Venenastverschlüssen über den Umweg der Therapie des Makulaödems als visusbeeinträchtigende Folgeerscheinung zu einer echten „Erfolgsstory“ geworden.

Dies gilt umso mehr, da im Gegensatz zur diabetischen Retinopathie oder der neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration als häufigste Indikationen für die intravitreale operative Medikamentengabe (IVOM) bei venösem retinalem Gefäßverschluss (RVO) lediglich eine Assoziation mit systemischen Risikofaktoren, jedoch keine systemische oder degenerative Grunderkrankung mit zwangsläufig chronischem Charakter besteht und daher eine vollständige funktionelle und morphologische Wiederherstellung erreicht werden kann.

Mit dem Siegeszug der intravitrealen Injektionstherapien ist allerdings auch das Know-how der therapeutischen Strategien äußerst komplex und mit einer schier unübersehbaren Fülle an Studiendaten für den Kliniker kaum noch überschaubar geworden. Der erste Beitrag des vorliegenden Leitthemas „Intravitreale Therapien und Strategien zur Behandlung des Makulaödems bei venösen retinalen Gefäßverschlüssen“ befasst sich daher mit einer Auswahl der wesentlichen Komponenten, die für ein zeitgemäßes und erfolgreiches klinisches Management dieses Krankheitsbildes entscheidend sind. Die genaue Kenntnis der effektiven Wirksamkeit verfügbarer intravitrealer Pharmakotherapien und der entsprechenden Studiendaten sowie geeignete Strategien für eine lückenlose und gleichwohl mit geringer Behandlungslast verbundene Therapie zählen hierzu ebenso wie die Beurteilung des tatsächlichen Nutzens eines Wirkstoffwechsels oder kombinierter intravitrealer Wirkstoffgaben.

Lückenlos ergänzt wird das Konzept eines modernen, evidenzbasierten Managements venöser retinaler Gefäßverschlüsse durch den Beitrag von Siedlecki et al., der allgemeinverständlich darstellt, wie durch eine Vielzahl einfacher bis komplexer Biomarker eine effektive, individualisierte Therapie sowie eine schnelle und präzise Einschätzung der Prognose möglich sind.

Als weiterer zentraler Aspekt in der Behandlung venöser retinaler Gefäßverschlüsse werden in dem Beitrag von Rehak et al. die Rolle der Ischämie und der Stellenwert der Lasertherapie im Zeitalter der IVOM diskutiert und mit Blick auf einen klinisch sinnvollen Einsatz die verschiedenen Formen lasergestützter Behandlungsoptionen vorgestellt. Besonderes Augenmerk wird dabei unter aktuellen Gesichtspunkten auf die Frage der effektiven Wirksamkeit einer Laserkoagulation bei RVO-assoziiertem Makulaödem, einer panretinalen Laserkoagulation bei Ischämie sowie der Laserkoagulation der Netzhautperipherie gerichtet.

Mit der „systemischen Komponente“ der retinalen Gefäßverschlüsse befasst sich schließlich das ophthalmologisch-internistische Erstautorenteam Kuhli-Hattenbach und Sucker, ergänzt durch die „Pioniere“ der Thrombolysetherapie bei Zentralarterienverschluss. Wie bei kaum einem anderen ophthalmologischen Krankheitsbild stehen bei den Netzhautgefäßverschlüssen immer auch die Suche nach möglichen systemischen bzw. kardiovaskulären Risikofaktoren und deren begleitende Behandlung im Vordergrund. Als insgesamt seltener, aber bei untypischen Fällen und v. a. jungen Patienten fast immer infrage kommender Risikofaktor stehen dabei v. a. Störungen des Gerinnungssystems im Fokus, die im letzten Beitrag eingehend und auch für den Nichtspezialisten verständlich beleuchtet werden.

Unmittelbar mit diesem Thema verknüpft ist darüber hinaus die im klinischen Alltag immer wieder aufkommende Frage nach der Indikation für gerinnungswirksame Medikamente bis hin zum Einsatz der systemischen Thrombolyse als einziger bisher verbliebener Therapieansatz zur Behandlung des akuten Zentralarterienverschlusses, auf die ebenfalls ausführlich eingegangen wird.

Als detailliert abgestimmtes Gesamtkonzept vermittelt das aktuelle Leitthema auf spannende Weise und am tatsächlichen Bedarf der klinischen Routine orientiert einen aktuellen Überblick zu den „Must Knows“ in der Behandlung retinaler Gefäßverschlüsse.

Gemeinsam mit allen beteiligten Autoren wünsche ich Ihnen viel Spaß bei der Lektüre.

Ihr

Prof. Dr. Lars-Olof Hattenbach, F.E.B.O.