Eine Erkrankung mit Diabetes mellitus kann zu vielfältigen Schädigungen der Augen führen [7, 22]. Obwohl Benetzungsstörung, Katarakt, Gefäßverschlüsse und Blepharitis assoziiert sind, steht meist die Erkennung der Retinopathie im Vordergrund. Aus diesem Grund empfiehlt die nationale Versorgungsleitlinie zur frühzeitigen Erkennung diabetischer Augenkomplikationen die regelmäßige Untersuchung der Augen (in Mydriasis) durch einen Augenarzt mindestens alle 1 oder 2 Jahre je nach Risikoprofil [26]. Werden diabetische Veränderungen des Augenhintergrunds rechtzeitig entdeckt, können durch die Therapie mögliche Komplikationen wie z. B. Seheinschränkungen und Visusminderung verhindert werden [10].

Trotz der Fortschritte in Diagnostik und Behandlung ist die diabetische Retinopathie für einen Großteil der Erblindungen im berufstätigen Alter verantwortlich [2]. Immerhin deuten die Daten einer jüngeren Studie darauf hin, dass die diabetische Retinopathie nicht mehr die häufigste Erblindungsursache im berufstätigen Alter in Großbritannien ist [19]. In einer Stichprobe im Südwesten Deutschlands konnte die Häufigkeit von Neuerblindungen auf die von Menschen ohne Diabetes gesenkt werden [5]. Die Prävalenz des Diabetes mellitus in Deutschland hat allerdings in den letzten Jahrzehnten – insbesondere aufgrund des demografischen Wandels weiter zugenommen, sodass ein weiterer Anstieg der absoluten Anzahl Betroffener prognostiziert wurde [6]. Studien gehen davon aus, dass die Anzahl an Patienten mit Diabetes in Deutschland bis ins Jahr 2030 von 9,5 Mio. Betroffenen auf bis zu 11,3 Mio. Betroffene ansteigen wird [23].

Neben neueren Therapieoptionen wie der intravitrealen operativen Medikamenteneingabe (IVOM) zur Behandlung des diabetisches Makulaödems [15, 21] können die Auswirkungen von Disease-Management-Programmen (DMPs) als Ursache für eine konsequentere Therapie und Stoffwechselkontrolle vermutet werden [16].

Durch die Einführung eines systematischen Screenings konnten in anderen Ländern Untersuchungsraten von ca. 90 % der Diabetespatienten erreicht werden [13]. In Deutschland finden zwar auch viele Arztkontakte statt, im ersten Jahr nach Diagnosestellung wird jedoch nur ca. die Hälfte aller Menschen mit Diabetes auf pathologische Augenveränderungen vom Augenarzt untersucht [1]. Der Umfang wird allein aufgrund des demografischen Wandels weiter zunehmen. Zuletzt waren 28,5 % der praktizierenden Augenärzte 60 Jahre oder älter [4]. Eine zusätzliche Unterstützung könnten automatische Bildauswertungsverfahren zur Detektion behandlungsbedürftiger diabetischer Retinopathie darstellen, insbesondere um den Anteil der untersuchten Personen zu erhöhen [4, 12, 23].

Das Ziel dieses Projektes ist es, ergänzende Modelle für die Früherkennung diabetischer Augenerkrankungen in Deutschland zu evaluieren. Im Rahmen dieses Projektes sollen 2 Ziele erreicht werden:

  • Innerhalb einer Augenarztpraxis erfolgt eine Sehschärfenbestimmung (Visus, ggf. mit vorhandener Fernbrille) sowie ein Foto des Augenhintergrundes ohne Pupillenerweiterung. Zeitlich versetzt erfolgt die Befundung des Fundusfotos durch einen Augenarzt. Organisatorisch soll eine schriftliche Befundmitteilung an den zuweisenden Internisten/Hausarzt spätestens nach 2 Wochen erfolgt sein.

    Hierdurch sollen die Wartezeiten für den Patienten auf den Termin und vor Ort in der Praxis verkürzt werden.

  • Die Einführung eines Internetportals zur Befunderstellung, Befundübermittlung und Terminvereinbarung soll es ermöglichen, Patienten an ihre Termine zu erinnern und eine bessere Erreichbarkeit (online) zu ermöglichen.

Material und Methoden

Studiendesign

Bei dieser Studie handelt es sich um eine prospektive monozentrische Beobachtungsstudie, die von 2020 bis 2021 in einer Augenarztpraxis (Dres. Kortüm, Ludwigsburg) durchgeführt wurde. Die Studie wurde von der Ethikkommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg (Stuttgart) genehmigt (Antrag F‑2019-014). Für Protokoll und Durchführung wurden die Grundsätze der Deklaration von Helsinki beachtet.

Patienten, die die Augenarztpraxis während des Untersuchungszeitraumes wegen einer routinemäßigen Augenhintergrundkontrolle bei Diabeteserkrankung aufsuchten, wurde eine Teilnahme an der einarmigen Studie angeboten. Bei Interesse wurde ein Informationsblatt ausgehändigt und ein Einwilligungsgespräch mit den Patienten geführt. Die Patienten wurden insbesondere über die Einschränkungen der Untersuchungsqualität (Beschränkung auf Retinopathie, keine Beurteilbarkeit anderer Augenerkrankungen) sowie die Kommunikation ohne physischen Arztkontakt informiert. Im Anschluss wurde dann eine schriftliche Einwilligungserklärung unterzeichnet.

Bei einer klassischen Vorsorgeuntersuchung schreibt die nationale Versorgungsleitlinie „Prävention und Therapie von Netzhautkomplikationen bei Diabetes“ eine regelmäßige augenärztliche Untersuchung mit medikamentös erweiterter Pupille vor [25]. Das Kontrollintervall wird in Abhängigkeit des Befundes und anhand von diabetischen Risikofaktoren festgelegt und kann bis auf 2 Jahre verlängert werden. Im Rahmen dieser Studie wurde primär auf die Pupillenweitstellung verzichtet und ein non-mydriatisches Foto des Augenhintergrundes aufgenommen. Für den Fall einer unzureichenden Bildqualität sah das Studienprotokoll einen Wechsel der Untersuchungsverfahren mit Erweiterung der Pupille vor.

Die Befundung der Bilder erfolgte zeitversetzt, sodass der Patient weder einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt noch eine unmittelbare Rückmeldung zu den jeweiligen Untersuchungsergebnissen hatte. Im Mittelpunkt des Interesses stand die Erhebung der Zufriedenheit der Patienten mit einer rein kamerabasierten Untersuchung auf diabetische Augenveränderungen ohne persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt.

Patientenpopulation

Insgesamt wurden 93 Patienten in die Studie eingeschlossen. Das Durchschnittsalter der Patienten am Tag der Untersuchung lag bei 53,5 Jahren (29 bis 76 Jahre); 46 Patienten waren weiblich, und 47 Patienten waren männlichen Geschlechts. Ein- und Ausschlusskriterien sind in Tab. 1 aufgelistet.

Tab. 1 Ein- und Ausschlusskriterien

Patientenportal

Um die Patienten über ihr Untersuchungsergebnis zu informieren, wurde für diese Studie ein Internetportal unter der Adresse www.augenaerzte.com eingerichtet unter Beachtung der Datenschutzbestimmungen. Zusätzlich kann auch der betreuende Hausarzt/Diabetologe die Befunde und Fälligkeiten seiner Patienten einsehen. Das Portal wurde von einer Firma (com-active, Ludwigsburg) realisiert, die im Umgang mit Gesundheitsdaten erfahren ist. Folgende Funktionalitäten wurden implementiert:

  • Arztsuche: Es können teilnehmende Augenärzte auf einer Karte angezeigt werden und wichtige Informationen wie Kontaktdaten und Öffnungszeiten angezeigt werden.

  • Terminvereinbarung: Patienten können für sich selbst bzw. Diabetologen/Internisten können für ihre Patienten online Termine vereinbaren. Kurz vor dem Termin werden die Patienten per E‑Mail bzw. SMS erinnert.

  • Befundmitteilung: Nach erfolgter Untersuchung werden Untersuchungen vom Augenarzt strukturiert auf der Website erfasst. Die Erfassung orientiert sich am DMP-Bogen, der von der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) empfohlen wird. Auch wird der Wiedervorstellungszeitraum erfasst.

  • Erinnerung für Folgeuntersuchung: Je nach vorgeschlagenem Wiedervorstellungszeitpunkt, erfolgt eine Auflistung der anstehenden Untersuchungen beim Augenarzt wie auch beim Hausarzt/Diabetologen. Das Portal kann auch automatisch Patienten erinnern, dass neue Termine vereinbart werden sollen.

Untersuchungen

Im Rahmen der ambulanten Untersuchung erfolgte eine beidseitige Visusbestimmung mittels Autorefraktometer und aktueller Refraktion (Nidek AR-1s bzw. ARK-1s bzw. AR-360A, Nidek Inc, Japan) sowie eine Non-Contact-Tonometrie-Messung (Nidek NT-530 bzw. NT-530P, Nidek Inc, Japan). Für die Fundusfotografie wurde eine Weitwinkelkamera des Herstellers Zeiss (Clarus 500, Zeiss Meditec AG, Jena, Deutschland) verwendet. Bei jedem Studienauge wurden mindestens 2 Aufnahmen durch qualifiziertes Personal angefertigt, die durch die Software der Kamera zusammengeführt wurden. Dadurch ergab sich in der Regel ein Field-of-View (FOV) von ca. 200° (Beispielaufnahme Abb. 1). Durch die Aufnahme verschiedener Farbkanäle (rot, grün und blau) konnten diese bei der Beurteilung durch den Arzt an- und ausgeschaltet werden. Die Bilder konnten durch Speicherung innerhalb eines Picture Archiving and Communication System (PACS) auch an einem anderen Ort als dem Standort der Kamera betrachtet werden. Die Bilder wurden von einem Facharzt für Augenheilkunde (KK) befundet und folgendermaßen eingeteilt: keine diabetische Retinopathie, milde bzw. moderate nichtproliferative Retinopathie, schwere nichtproliferative Retinopathie sowie proliferative Retinopathie. Zudem wurde ein Datum zur Wiedervorstellung festgelegt. Die Ergebnisse der Auswertung wurden dann einerseits in der elektronischen Kartei des Patienten dokumentiert (Fidus, Arztservice Wente, Darmstadt, Deutschland) als auch andererseits auf der Plattform augenaerzte.com dokumentiert. Nach erfolgter Dokumentation erhielt der Patient dann automatisch eine E‑Mail-Benachrichtigung über einen neu vorliegenden Befund. Zum Betrachten des Befundes musste der Patient sich ins Portal einloggen. Der verschlüsselt abgespeicherte Befund konnte dann eingesehen werden.

Abb. 1
figure 1

Beispielaufnahme mit der Zeiss Clarus-Kamera

Fragebogen

Im Anschluss an die Untersuchung erfolgte eine Befragung der Patienten mittels eines elektronischen Fragebogens (Surveymonkey, San Mateo, CA, USA) auf einem Tablet (iPad, Apple, Cupertino, CA, USA). Es wurden 10 Multiple-choice-Fragen zur Diabeteserkrankung (z. B. Dauer, Medikation, Augenbeteiligung) sowie zur Untersuchungsmethode gestellt. Um die Zufriedenheit mit der Praxis zu evaluieren, wurde der validierte ZAP-Fragebogen („Zufriedenheit in der ambulanten Versorgung – Qualität aus Patientenperspektive“, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover sowie kassenärztliche Bundesvereinigung – KBV, Berlin) mit 33 Fragen verwendet.

Auswertung

Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte durch die Website des Fragebogenanbieters sowie mittels der Software Excel (Microsoft, Redmond, WA, USA). Von der Medizinischen Hochschule Hannover wurde ein Excel-basiertes Tool zur Auswertung des ZAP-Fragebogens bereitgestellt.

Ergebnisse

In diese Studie wurden insgesamt 93 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 53,5 Jahren (Standardabweichung 13,6 Jahre) eingeschlossen, die Geschlechterverteilung war fast ausgewogen (Tab. 2). Der Visus lag im Mittel bei 1,0. Die Entfernung des Wohnortes zur Praxis betrug ca. 8,3 km. Bei 74 Patienten lag ein gesicherter Typ-2-Diabetes, bei 18 Patienten lag ein Typ-1-Diabetes und bei 1 Patienten lag ein Prädiabetes vor. Bei den Frauen war der Diabetes in 41,3 % und bei den Männern in 34,8 % der Fälle insulinabhängig. Für die Mehrzahl der Patienten betrug die Erkrankungsdauer 5 bis 10 Jahre (insgesamt: 41,9 %, Frauen: 45,7 %, Männer: 38,3 %). Der HbA1c-Wert war im Bereich von 6,0–7,9 % (insgesamt: 63,4 %, Frauen: 71,7 %, Männer: 55,3 %). In 8,6 % aller Fälle lag der standardisierte Befundmitteilungsbogen vom Hausarzt bzw. Diabetologen an den Augenarzt vor. Eine Minderheit der Patienten (insgesamt: 9,7 %, Frauen: 8,7 %, Männer: 10,6 %) gab an, noch nie beim Augenarzt gewesen zu sein. Mehr Frauen (10,9 %, insgesamt: 7,5 %) als Männer (4,3 %) berichteten, dass bei der letzten augenärztlichen Vorstellung Veränderungen an der Netzhaut festgestellt wurden. Anhand früherer Aufzeichnungen konnten festgestellt werden, dass bei 6,5 % der Studienteilnehmer ein Glaukom vorlag, welches mit Augentropfen lokal behandelt wurde (Frauen: 2,2 %, Männer: 10,6 %).

Tab. 2 Patientendaten

Im Rahmen der Studie konnte bei allen Patienten ein Foto des Augenhintergrundes erstellt werden. Eine erneute Vorstellung oder eine Pupillenerweiterung wegen mangelhafter Bildqualität waren daher in dieser Stichprobe nicht notwendig.

Grad der diabetischen Veränderungen am Auge

Im Rahmen der Bildinterpretation zeigte sich für einen Großteil der Studienteilnehmer kein Anhalt auf diabetische Veränderungen des Augenhintergrundes. Lediglich bei 17 Augen konnte eine milde diabetische Retinopathie diagnostiziert werden (Abb. 2). Entsprechend dem geringen Schweregrad und der meist guten Diabeteseinstellung wurden die nächsten Wiedervorstellungen meist in 1 Jahr oder später terminiert (Tab. 3). Für eine Patientin wurde eine Wiedervorstellung schon nach 1 Monat festgelegt, da sich ein glaukomatöser Sehnervenschaden zeigte, der bislang nicht bekannt war.

Abb. 2
figure 2

Einteilung in Stadien der diabetischen Retinopathie bei kamerabasierter Untersuchung

Tab. 3 Wiedervorstellungszeitpunkt. Alle Angaben in Monaten und Studienaugen

Zufriedenheit und Gründe für kamerabasierte Untersuchung

Für die Ermittlung der Zufriedenheit mit der Behandlung wurden insgesamt 26 Items in 7 Kategorien bei den Patienten mittels des ZAP-Fragebogens abgefragt. Hierbei zeigten sich in fast allen Kategorien (Abb. 3) eher zufriedene bzw. sehr zufriedene Patienten.

Abb. 3
figure 3

Zufriedenheitswerte der Studienteilnehmer in verschiedenen Kategorien. Die Werte in den Balkensegmenten stellen absolute Zahlen dar

Betrachtet man die Ergebnisse im Bereich Praxisorganisation (Abb. 4) genauer, so zeigen sich hier v. a. beim Thema Wartezeiten einzelne unzufriedene Patienten. In der Summe sind die meisten Studienteilnehmer eher bzw. sehr zufrieden mit der Untersuchung gewesen.

Abb. 4
figure 4

Zufriedenheitswerte Praxisorganisation. Die Werte in den Balkensegmenten stellen absolute Zahlen dar

Im Rahmen der Befragung der Patienten nach der kamerabasierten Untersuchung wurde die Probanden befragt, warum sie sich für eine derartige Untersuchung entschieden hatten (Tab. 4). Mehrfachantworten waren möglich, um ein möglichst gutes Bild über die Beweggründe zu gewinnen. Der Hauptentscheidungsgrund war eine unabhängige An‑/Abreise mit dem Auto, da die Pupillen nicht geweitet wurden (52 Nennungen). In der Wahrnehmung der Patienten war die Untersuchung fast genauso häufig technisch „überzeugend“ (50 Nennungen). Ein Teil der Patienten gab das fehlende Gefühl einer Seheinschränkung (26 Nennungen) als Grund dafür an, dass eine zielgerichtete Untersuchung gewünscht wurde.

Tab. 4 Gründe für Wahl kamerabasierte Untersuchung

Diskussion

Weltweit leiden momentan mehr als 170 Mio. Menschen an Diabetes mellitus. Es wird geschätzt, dass es bis 2030 366 Mio. sind. Im Jahr 2019 wurden 9,5 Mio. Erwachsene in Deutschland mit Diabetes registriert. Abgesehen von einer hohen Dunkelziffer ist die Tendenz steigend [8, 24]. Diabetische Fundusveränderungen können durch die gute internistische Einstellung deutlich verzögert werden. Ein adäquates Screening ermöglicht die frühzeitige Behandlung und hat daher eine hohe Kosteneffizienz. Unter Umständen können weiterführende Therapien wie z. B. eine intravitreale Medikamententherapie bei diabetischem Makulaödem mit Anti-VEGF-Medikamenten vermieden werden. Virtuelle Sprechstunden („virtual clinics“), bei denen es zu keinem direkten Arzt-Patienten-Kontakt kommt, sondern die Untersuchungen (z. B. Visus und Fundusfoto) zeitversetzt erfolgen, ermöglichen den behandelnden Ärzten, eine wachsende Anzahl von Patienten zu betreuen.

In unsere Studie wurden 93 Patienten eingeschlossen. Der Großteil hatte keine diabetischen Augenveränderungen. Wie man der Auswertung des Fragebogens nach der Untersuchung entnehmen kann, waren die Akzeptanz und Zufriedenheit der Patienten mit dem Ablauf und der Organisation des Termins in der Praxis hoch. Mit 52 Nennungen war der Anteil der Autofahrer sehr hoch. Diese Beobachtung ist insbesondere deshalb interessant, weil sich der Studienort in einer urbaneren Region mit gutem bis sehr gutem öffentlichem Nahverkehr befand. In ländlicheren Regionen könnten dieser Wert und somit Transportprobleme noch deutlich höher sein. Die elektronische Abwicklung der Organisation des Termins als auch die Befundmitteilung wurden gut angenommen. Weitere Studien sind notwendig, um mögliche Verbesserungen einer Online-Terminvergabe oder auch einer Wartezeitverkürzung vor Ort zu evaluieren.

Die Verwendung einer Weitwinkelfunduskamera bietet eine einfache Möglichkeit für eine schnelle Untersuchung des Augenhintergrundes ohne zusätzliche Pupillendilatation. In unserer Studie waren fast alle Bilder von ausgezeichneter Qualität, möglicherweise auch dem Einschlusskriterium eines guten Visus geschuldet. So war das Risiko von Medientrübungen und damit einer eingeschränkten Bildqualität deutlich reduziert. In dieser Studie wurde die Dauer der Untersuchung nicht erhoben, da der Prozess durch die von der Ethikkommission vorgeschriebene Einholung einer Probandeneinwilligung deutlich verzögert wurde. Hierfür sind weitere Untersuchungen notwendig, sobald diese Untersuchung Teil der Regelversorgung wird. Es gab keine Patienten, die aufgrund schlechter Bildqualität für eine erneute Untersuchung wiedereinbestellt werden mussten. In dieser Studie zeigte sich im Vergleich zu einer anderen ähnlich gelagerten Studie in Deutschland eine bessere Bildqualität [25]. In der anderen Studie wurden die Aufnahmen nicht beim Augenarzt, sondern beim Hausarzt durchgeführt. Die Aufnahmen erfolgten mit einer technisch einfacheren Kamera durch medizinische Fachangestellte ohne Erfahrungen in der ophthalmologischen Bildgebung. – Zudem ist die Vergleichbarkeit dieser beiden Studien aufgrund der Anwendung eines Algorithmus künstlicher Intelligenz bei den Kollegen nur eingeschränkt möglich. Die Technologie der Untersuchung ohne direkten Arzt-Patienten-Kontakt wurde während der Pandemie v. a. in virtuellen Sprechstunden genutzt, um den gesamten Augenhintergrund auf Veränderungen untersuchen zu können [20].

Neben einer besseren Kameraauslastung kann ärztliches Personal im Homeoffice arbeiten, was zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen kann. Etliche Publikationen verschiedenster Fachrichtungen aus dem Vereinigten Königreich zeigen eine deutliche Zunahme der Patientenzahl in den gerätebasierten Kliniken bzw. Ambulanzen, aber auch eine sehr hohe Patientenzufriedenheit [11, 14]. Dazu kommt eine geringere Wartezeit während des Ambulanz- oder Klinikaufenthaltes. Dies ist v. a. für ältere Patienten mit vielen Komorbiditäten ein großer Vorteil, zudem die Kontaktzeiten als auch -anzahl mit anderen Personen deutlich reduziert sind. Lee et al. konnte zeigen, dass im gleichen Zeitraum doppelt so viele Patienten virtuell gesehen und im Anschluss befundet werden konnten verglichen zur Anzahl der Patienten mit einer gewöhnlichen Spaltlampenuntersuchung [18].

Trotz der positiven Erfahrungen in dieser Studie zu einer kamerabasierten Untersuchung von Menschen mit Diabetes auf Augenhintergrundveränderungen in einer Augenarztpraxis müssen die relevanten Limitationen berücksichtigt werden. Es handelte sich um eine relativ kleine Stichprobe ohne Kontrollgruppe. Daher kann weder genau abgeschätzt werden, welche Erkrankungen möglicherweise übersehen wurden. In größeren Stichproben war zudem der Anteil nicht interpretierbarer Fundusbilder gerade dann deutlich höher, wenn auf die Pupillenerweiterung verzichtet wurde.

Der Zugriff auf medizinische Patientendaten, das Vorhalten geschulten Fachpersonals sowie die räumliche Übereinstimmung des Untersuchungsorts lassen keine Übertragbarkeit auf nichtärztliche Untersuchungsmodelle zu, in denen v. a. eine unzureichende Spezifität eine unnötige Überdiagnostik bzw. unnötige Verängstigung der Betroffenen bedeutet. Wenn Fundusaufnahmen im nichtärztlichen Kontext erstellt werden, wird damit zumeist ein wirtschaftlicher Nutzen auf anderen Gebieten verbunden, sei es eine Steigerung der Verkäufe oder seien es die Kosten der Früherkennungsuntersuchung selbst.

Eine Überführung der Studienuntersuchung in den Regelbetrieb im kassenärztlichen Bereich ist derzeit nicht möglich, da es im Rahmen des vorgeschlagenen Workflows nicht zu einem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt kommt, der für die Abrechnung Voraussetzung ist. Eine Möglichkeit wäre die Durchführung einer Videosprechstunde mit dem Patienten zu einem späteren Zeitpunkt. Hier ergeben sich dann weitere Herausforderungen mit dem Herstellen einer Verbindung, wie an anderer Stelle schon berichtet wurde [9]. Zudem stellt die Fundusfotografie bis heute keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung dar, obwohl die Delegiertenversammlung den Vorstand des Berufsverbands bereits vor Jahren beauftragte, eine entsprechende Gebührenposition beim gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) durchzusetzen.

Bisherige Ausnahme stellen einzelne Selektivverträge oder Modellvorhaben dar wie ein Vertrag der AOK Bremen und der KV Bremen, bei dem die Fundusfotografie bei Menschen mit Diabetes über die Kassenärztliche Vereinigung möglich ist und je nach verwendeter Kamera mit 27,50 € bzw. 38,00 € zusätzlich zu den sonstigen Ziffern vergütet wird [3].

In Zukunft kann der Einsatz von künstlicher Intelligenz den hier vorgeschlagenen Prozess der zeit- und ggf. ortsversetzten Untersuchung von Diabetespatienten auf Augenveränderungen unterstützen [12]. Es sind bereits einige Systeme für diesen Einsatzzweck zugelassen wurden, wobei aber deren Zuverlässigkeit derzeit noch sehr unterschiedlich ist [17]. Allerdings gibt es neben methodischen Mängeln der Zulassungsstudien Berichte, dass die Qualitätsparameter im klinischen Alltagseinsatz noch einmal schlechter sind. Die Qualität der Aufnahmen stellt hier den wesentlichen Faktor dar.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine sehr gute Akzeptanz einer gerätebasierten Untersuchung in einer virtuellen Sprechstunde erreicht werden kann und eine elektronische Befundmitteilung funktionieren kann. Die Anzahl zusätzlicher Arztkontakte oder eines evtl. Mehraufwands war vermutlich wegen der engen Einschlusskriterien wie guter Sehschärfe klein.

Fazit für die Praxis

  • Die steigende Prävalenz von Patienten mit Diabetes mellitus erfordert regelmäßig notwendige ophthalmologische Untersuchungen zur Diagnostik und Behandlung einer diabetischen Retinopathie.

  • Eine (Vor‑)Auswahl der Patienten nach Visus hat mit großer Wahrscheinlichkeit einen günstigen Einfluss auf die Eignung für eine gerätebasierte Untersuchung.

  • Eine gerätebasierte Untersuchung ohne direkten Arzt-Patienten-Kontakt ermöglicht sehr wahrscheinlich die effiziente Beurteilung einer größeren Patientenanzahl.

  • Eine Arbeit im Homeoffice mit freier Zeiteinteilung zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird für Augenärztinnen und Augenärzte möglich.

  • Es zeigt sich eine hohe Akzeptanz dieser Untersuchungsmöglichkeit bei den Patienten.

  • In Zukunft könnte die Anwendung von künstliche Intelligenz-Verfahren diesen Prozess noch weiter unterstützen.