Kasuistik

Anamnese

Der 58-jährige Patient stellte sich mit einer seit 3 Monaten bestehenden Visusverschlechterung und erhöhten Blendempfindlichkeit in unserer Klinik vor. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er keine Augenerkrankungen und war nicht voroperiert. Allgemeinmedizinisch lag eine Niereninsuffizienz bei Sarkoidose vor. Die Diagnose Sarkoidose erfolgte 3 Jahre vor der Erstvorstellung in unserer Klinik. Die Sarkoidose wurde anfänglich mit oraler Kortisongabe (Prednisolon 50 mg für 4 Wochen und anschließender Dosisreduktion über 3 Monate) therapiert. Ein Jahr vor Erstvorstellung bei uns kam es zu einer Exazerbation, die zur Niereninsuffizienz und Hyperkalzämie führte und erneut mit oraler Kortisongabe therapiert wurde. Es handelte sich hierbei um eine akute Exazerbation bei chronischem Nierenversagen AKIN („acute kidney injury network“) Stadium 1 im Sinne einer chronischen Niereninsuffizienz KDIGO („Kidney Disease: Improving Global Outcomes“) G4/A2 (glomeruläre Filtrationsrate deutlich reduziert, 15–29 ml/min/1.73 m2/Albuminuria moderat erhöht, 30–300 mg/g, 3–30 mg/mmol) a.e. bei renaler Beteiligung der Sarkoidose. Eine postrenale Genese konnte abdomensonographisch ausgeschlossen werden. Sonographisch zeigten sich beidseits normal große Nieren mit vermehrt echoreichem Reflex im Nierenparenchym, welche z. B. mit Verkalkungen vereinbar waren. Bei fehlender Konsequenz wurde auf eine Nierenbiopsie verzichtet. Aufgrund der Hyperkalzämie und dem deutlich erhöhten Angiotensin konvertierenden Enzym(ACE)-Wert wurde eine Reaktivierung der Sarkoidose diagnostiziert.

Ursprünglich wurde die Kortisontherapie leitliniengerecht gewichtsadaptiert begonnen. Zum Zeitpunkt der Vorstellung in der Augenklinik wurde nach Maßgabe der Rheumatologen und Krankheitsaktivität die Therapie ausgeschlichen. Eine weitere Reduktion der systemischen Therapie war geplant. Aufgrund des Therapieerfolges erfolgte keine Gabe von Immunsuppressiva, für den Fall eines ausbleibenden Therapieerfolges wurde z. B. Azathioprin diskutiert. Anfänglich habe eine magenschützende Begleittherapie mit Pantoprazol bestanden, aktuell wurde diese jedoch nicht mehr eingenommen.

Nach der Krankenhausentlassung bestand zunächst eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz, aktuell bestand diese nicht mehr.

Zum Zeitpunkt der Vorstellung in unserer Klinik nahm der Patient 10 mg Prednisolon täglich ein bei Sarkoidosestadium 2.

Befund

Bei der Spaltlampenuntersuchung fand sich beidseits eine diffuse Bandkeratopathie, rechts deutlich ausgeprägter als links (Abb. 1 und 2). Beidseits bestand kein Intraokularreiz.

Abb. 1
figure 1

Spaltaufnahme des Patienten mit Hornhautbanddegeneration bei Sarkoidose rechts (a), links (b) nur mit minimaler Ausprägung

Abb. 2
figure 2

Vorderabschnitt-OCT des Patienten mit Hornhautbanddegeneration rechts (R). Die Pfeile zeigten Kalziumablagerungen

Der bestkorrigierte Visus betrug 0,6 und 0,8 nach Snellen. Im Blendvisus konnte der Patient am rechten Auge nichts erkennen, links zeigte sich ein Visus von 0,4. Beidseits sahen wir einen peripher unauffälligen Fundus. Es erfolgte eine Makula-OCT, welche beidseits eine epiretinale Gliose mit Aufhebung der fovealen Senke aufwies (Abb. 3). In der Papillen-OCT zeigte sich beidseits ein normwertiger Papillenbefund. Mit der Pachymetrie maßen wir zentral eine deutliche Hornhautverdickung mit Werten von 605 und 615 µm (Abb. 4). Wir führten die Visusminderung beidseits auf die Gliose und rechts insbesondere auf die Keratopathie zurück.

Abb. 3
figure 3

Makula-OCT-Bild mit epiretinaler Gliose, rechts (a) mehr als links (b), beidseits Verstreichen der fovealen Senke

Abb. 4
figure 4

a Pentacam-Untersuchung (Oculus Pentacam, Wetzlar, Deutschland). Irregulärer Astigmatismus bei Hornhautbanddegeneration rechts (R). b Pentacam-Untersuchung. Es zeigte sich eine regelmäßige Hornhautoberfläche ohne Anhalt für einen Astigmatismus. Die zentrale Hornhautdicke betrug 615 um

Diagnose

Eine Bandkeratopathie ist eine Kalzium‑/Phosphatablagerung in der Bowman-Lamelle und dem anterioren Hornhautstroma. Sie kann idiopathisch, entzündlich bedingt, altersbedingt, metabolisch und in seltenen Fällen erblich bedingt sein (Tab. 1). Oft ist sie Folge anderer Augenerkrankungen. Man geht davon aus, dass Banddegenerationen von Zuständen verursacht werden, die den Kalziumspiegel im Körper erhöhen, wie z. B. Nierenerkrankungen, übermäßiges Vitamin D, erhöhter Schilddrüsenhormonspiegel, Sarkoidose, Lupus oder andere Erkrankungen. Im Rahmen der Sarkoidose bestanden bei unserem Patienten erhöhte Kalziumwerte, Hyperurikämie und chronisches Nierenversagen, sodass wir bei unserem Patienten den seltenen metabolischen Ursprung für kausal halten [3]. Eine iatrogene Genese wäre ebenfalls möglich, aufgrund der bekannten Grunderkrankungen wurde jedoch der metabolische Ursprung für schlüssiger erachtet. Eine Lokaltherapie bestand nicht.

Tab. 1 Differenzialdiagnosen bei Banddegeneration nach Naumann [7]

Die Sarkoidose ist eine seltene entzündliche Systemerkrankung unbekannten Ursprungs, welche alle Organe befallen kann [3] und durch überschießende Entzündungsreaktion und dem Vorliegen von Granulomen gekennzeichnet ist. Okuläre Manifestationen können vielfältig sein, Aderhaut, Netzhaut, Adnexgewebe und den vorderen Augenabschnitt betreffen und u. a. zu Komplikationen, wie z. B. der Bandkeratopathie, führen.

Zum Zeitpunkt der Vorstellung in der Augenklinik erfolgte eine Bestimmung von Kalzium, Phosphat, Vitamin D und Schilddrüsenwerten, welche jedoch alle, vermutlich als Folge der systemischen Kortisontherapie, im Normbereich lagen.

Im Rahmen der Exazerbation 1 Jahr vor Erstvorstellung in der Augenklinik erfolgte ebenfalls die Abnahme verschiedener Laborwerte, relevant hier zeigten sich eine Hyperkalzämie bis 3,78 mmol/dl (Normbereich 2,20–2,60 mmol/dl) sowie eine Hyperurikämie. Laborwerte vor der initialen Kortisontherapie sowie Schilddrüsenwerte oder Vitamin-D-Level lagen nicht vor.

Bei unserem Patienten zeigte sich eine Bandkeratopathie als Frühsymptom der systemischen Grunderkrankung. Ursächlich für die Bandkeratopathie sowie das Nierenversagen ergab sich die bekannte Sarkoidose mit ektoper Vitamin-D-Produktion. Hyperkalzämien treten häufig im Rahmen der Sarkoidose auf. Ursächlich hierfür ist die vermehrte Produktion von aktivem Vitamin D3 (Calcitriol) durch das Enzym 1‑α-Hydroxylase, welches von Makrophagen in den Granulomen gebildet wird [9].

Therapie und Verlauf

Wir führten eine EDTA(Ethylendiamintetraessigsäure)-Abrasio und eine phototherapeutische Keratektomie (PTK) mit Mitomycin C mittels Excimerlaser rechts durch [1]. Hierbei werden eingelagerte Kalkanteile durch die EDTA-Substanz herausgelöst. Das Mitomycin C, ein Alkylierungsmittel mit Desoxyribonukleinsäure(DNA)-Vernetzungsaktivität, soll einem möglichen Rezidiv sowie der Bildung einer stromalen Fibrose vorbeugen. indem es, v. a. in der der ersten postoperativen Woche, die Mitose der Vorläuferzellen der Myofibroblasten und deren Proliferation hemmt [8].

Durch die Kombination mit einer PTK können auch tiefer gelegene Einlagerungen gelöst werden. Die Behandlung wird unter örtlicher Betäubung durchgeführt. Bereits am Folgetag der Operation (OP) kam es subjektiv zur Visusverbesserung bei deutlich reduziertem Blendempfinden. Objektiv betrug der beste korrigierte Visus rechts bei noch persistierender Erosio 0,4. Wir entließen den Patienten mit terminentsprechendem, reizarmem Befund. Am Ende der Operation wurde eine Verbandskontaktlinse eingesetzt, welche nach ca. 5 Tagen durch den Augenarzt entfernt werden konnte. Der Patient wurde mit antibiotischer und steroidhaltiger Lokaltherapie entlassen. Bei den postoperativen Befundkontrollen beim Hausaugenarzt war der Visus am rechten Auge bereits auf 0,6 angestiegen. Wir planen im Verlauf bei Beschwerdezunahme die operative Behandlung des linken Partnerauges.

Diskussion

Vitamin D bezeichnet eine Gruppe fettlöslicher Vitamine einschließlich der Vorstufen wie Cholecalciferol (Vitamin D3) und Ergocalciferol (Vitamin D2) und spielt eine wichtige Rolle im Kalzium‑/Phosphathaushalt.

Vitamin D wurde erstmals beschrieben im Zusammenhang mit Rachitis, einer Erkrankung des Knochenstoffwechsels, die im Kindesalter auftritt und auf Vitamin-D-Mangel zurückzuführen ist. Vitamin D3 wird produziert, wenn ultraviolette Strahlung auf die Haut trifft. Anschließend erfolgen biochemische Umwandlungsprozesse, durch sukzessive Hydroxylierung entsteht das hormonell wirksame Calcitriol.

In der Leber wird 25-Hydroxycholecalciferol (Vitamin D, Speicherform) gebildet und anschließend in den Nieren die biologisch aktive Form 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Calcitriol) [2].

Calciferole sind chemisch gesehen Steroidderivate, die primär als Hormone den Kalziumhaushalt des Körpers regulieren. Der Mensch deckt 80–90 % des Vitamin-D-Bedarfs durch die endogene Synthese.

Dieses Hormon wirkt mittels eines nukleären Rezeptors genregulierend in den Zielorganen. Einige Resultate dieser Genregulation sind erhöhter Kalzium- und Phosphatgehalt im Darm, Freisetzung des Kalziumbestandteiles in Knochen sowie vermehrte Absorption von Kalzium in der Niere [5].

Hyperkalzämie durch ektope Calcitriol- oder 1,25-Dihydroxyvitamin D(1,25-(OH)2 D)-Produktion ist mehrfach vorbeschrieben im Zusammenhang mit Sarkoidose und anderen granulomatösen Erkrankungen. Eine okuläre Kalzifikation (Bandkeratopathie) kann bei Patienten mit bestimmten systemischen Erkrankungen, wie z. B. chronischer Niereninsuffizienz, Hyperparathyreoidismus, Hypophosphorämie, Sarkoidose, D‑Hypervitaminose, metastasierten Neoplasien und damit zusammenhängender Hyperkalzämie, vorkommen.

Typische Veränderungen am Vorderabschnitt sind die Bandkeratopathie und/oder limbale Veränderungen. Konjunktivale Läsionen erinnern an Pingueculae [4].

Differenzialdiagnostisch könnte man wie o. g. auch andere Ursachen für die Banddegeneration erwägen, jedoch besteht nach ausführlicher Anamnese am ehesten ein kausaler und zeitlicher Zusammenhang der Hyperkalzämie mit der Exazerbation der Sarkoidose und dem Beginn der ophthalmologischen Beschwerden.

Zusammenfassend können okuläre Manifestationen Frühwarnzeichen für systemische Erkrankungen sein. Die ophthalmologische Anamnese ist daher essenziell, um evtl. systemische Erkrankungen zu erkennen und rechtzeitig die Therapie einleiten zu können. Eine Banddegeneration kann z. B. auf eine Sarkoidose hinweisen. In diesem Fall erfolgte die systemische Diagnosestellung jedoch zuerst. In ca. 30 % der Sarkoidosefälle gibt es extrapulmonale Manifestationen. Welche Manifestation zuerst auftrat, lässt sich schwer feststellen, da die Nierenerkrankung lebensbedrohlich war und die okuläre zu diesem Zeitpunkt sicherlich zweitrangig. Grundsätzlich kann die okuläre Manifestation vor oder nach anderen Manifestationen auftreten, eine okuläre Beteiligung ist mit 25 % häufiger als die seltene nephrologische (ca. 10 %) [6].