Hintergrund

Unter den infektiösen Keratitiden stellt die mykotische Keratitis in Industrienationen eine Seltenheit dar (< 3 % [1]). Mit zunehmender Nähe zum Äquator (z. B. Indien, Nepal und Paraguay) steigt dieser Anteil ebenso wie der Anteil an Infektionen durch Fusarium Spezies [1, 6, 9] auf bis zu 70 %. Besonders betroffen sind Menschen aus ländlichen Gebieten und mit niedrigem Sozialstatus. Typische Risikofaktoren sind okuläre Traumata mit pflanzlichem Material, aber auch Steroidtherapie, okuläre Chirurgie, Hornhautepitheldefekte (durch z. B. Exposition oder Traumata) und Immuninkompetenz (inklusive Diabetes) [3, 6, 7, 9, 17]. Späte Diagnosestellung und Therapiebeginn sowie der Mangel an Spenderhornhäuten in den genannten Regionen führt meist zu signifikanter Funktionsreduktion des betroffenen Auges [6, 9].

In Europa wurden Keratomykosen bisher meist durch Candida Spezies ausgelöst [2,3,4]. Jedoch beschrieben in den letzten Jahren Autoren aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Großbritannien und den USA eine Häufung von Fällen mit Fusarien-Keratitis [6, 13, 15]. Fusarien sind Fadenpilze, welche ähnlich wie Aspergillen ubiquitär in der Natur vorkommen, zu den opportunistischen Erregern gehören und besonders in feuchter und warmer Umgebung wachsen. Fusarien dringen besonders schnell und tief in das Hornhautstroma ein und führen nicht selten zu Perforationen und Endophthalmitis [3, 6, 9]. Problematisch ist auch die intrinsische Resistenz gegen die meisten gängigen Antimykotika [17, 18]. Das aktuell gegen Fusarien potenteste Antimykotikum Natamycin 5 % ist in Deutschland nicht auf dem Markt erhältlich, sondern muss über die Auslandsapotheke bezogen werden.

Die vorliegende retrospektive Studie analysiert die in den Jahren 2011 bis 2021 an unserer Universitätsaugenklinik nachgewiesenen Fälle mit Fusarien-Keratitis mit auffälliger Häufung im Jahr 2021 (vgl. Abb. 2c). Anhand der folgenden Fallserie möchten wir gegenüber dem vermutlich immer häufigeren klinischen Krankheitsbild der Fusarien-Keratitis sensibilisieren sowie diagnostische und therapeutische Möglichkeiten aufzeigen.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

In dieser monozentrischen Fallserie erfolgte die retrospektive Auswertung der Labordatenbank des Institutes für Mikrobiologie der Universitätsklinik Heidelberg im Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2021. Es wurden alle Patienten der Augenklinik identifiziert, bei denen in einer mikrobiologischen Probe (Mikroskopie/Kultur/PCR) der Nachweis von Fusarium Spezies gelang. In der Datenbank des mikrobiologischen Institutes der Universitätsklinik Heidelberg wurde als Suchbegriff „Fusarium“ verwendet. Alle Fälle, bei denen es einen Fusarium-Nachweis gab, der allerdings nicht zu einer Keratitis führte, wurden exkludiert. Es folgte die deskriptive Datenauswertung mithilfe der archivierten ärztlichen und pflegerischen Verlaufsdokumentation sowie der vorliegenden Befundberichte der Institute für Mikrobiologie und Pathologie. Bei allen infektiösen Keratitiden mit einer Infiltratgröße ≥ 1 mm erfolgte standardisiert ein Hornhautscraping des Infiltratrandes vor Einleitung einer antiinfektiösen Therapie. Das Hornhautscraping wurde zur Kultivierung und PCR-Diagnostik in die Mikrobiologie gesendet (Transportmedium: 2 ml Eppendorf-Tube mit sterilem Aqua). Bei fehlendem Ansprechen auf konservative Therapie erfolgte in der Regel eine Keratoplastik à chaud. Das entnommene Hornhautscheibchen wurde stets geteilt und sowohl an die Pathologie (Histologie) als auch an die Mikrobiologie (Kultur, PCR-Diagnostik) versandt. Anschließend erfolgte ein regelmäßiger Austausch mit der Mikrobiologie und Pathologie zur Rücksprache des Befundes. Im gesamten Untersuchungszeitraum gab es keine Änderungen an diesem diagnostischen Vorgehen.

Die Überprüfung nach Normalverteilung der Daten erfolgte mittels Shapiro-Wilk-Test (GraphPad Prism). Sofern keine Normalverteilung vorliegt, wird in den Ergebnissen auch der Median genannt.

Die Untersuchungen und Auswertungen wurden mit Zustimmung der Patienten, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt.

Ergebnisse

Insgesamt fanden wir im Zeitraum von 2011 bis 2021 an unserer Universitäts-Augenklinik 13 mikrobiologische Nachweise von durch Fusarium Spezies bedingten Keratitiden. Es handelte sich dabei überwiegend um weibliche Patienten (10/13 = 76,9 %), das durchschnittliche Alter betrug 48 Jahre (Altersspanne: 20 bis 67 Jahre, Median = 50 Jahre). Alle Patienten besaßen Risikofaktoren für eine mykotische Keratitis: 10/13 Patienten (76,9 %) waren Kontaktlinsenträger, eine Patientin befand sich unter oraler Steroidtherapie (5 mg Decortin täglich bei vorbekannter rheumatoider Arthritis und Sjögren-Syndrom), eine Patientin war in der Landwirtschaft tätig und bei einem Patienten bestand am betroffenen Auge ein Entropium (Tab. 1). Im Jahr 2021 behandelten wir insgesamt 6 Patienten mit mykotischer Keratitis, in 5 Fällen (83 %) waren diese durch Fusarium Spezies verursacht, in einem Fall durch Candida parapsilosis.

Tab. 1 Die Tabelle zeigt die epidemiologischen Daten, die Risikofaktoren, den klinischen Verlauf sowie das Therapieregime der eingeschlossenen Patienten

Anamnese und Befund

Alle aufgelisteten Patienten präsentierten sich notfallmäßig mit schmerzhafter Augenrötung und Visusverschlechterung. Im Mittel bestand bis zur Vorstellung in unserem Haus eine Symptomdauer von 6,8 Tagen (Median = 4 Tage, Minimum = 1 Tag, Maximum = 21 Tage), 6 von 13 Patienten (46,2 %) waren zuvor beim niedergelassenen Augenarzt oder an einer anderen Klinik mit antibiotischer Lokaltherapie behandelt worden. Bei keinem dieser Patienten bestand zum Zeitpunkt der Überweisung eine antimykotische Therapie. Bei Erstvorstellung (EV) zeigten sich die in Abb. 1 zusammengestellten Vorderabschnittsbefunde.

Abb. 1
figure 1

Die Abbildung zeigt Spaltlampenaufnahmen der Vorderabschnittsbefunde der untersuchten Patienten bei Vorstellung in unserer Universitätsaugenklinik (Nummerierung nach jeweiliger Fallnummer vgl. Tab. 1). In Fall 9 handelt es sich um ein bereits perforiertes Hornhautulkus. Allen Fällen gemeinsam ist die leicht erhabene gefiederte Morphologie der Infiltrate mit meist sektoriell betonter Bindehauthyperämie

Bei 7 von 13 (53,8 %) Patienten zeigte sich ein Dezimalvisus von ≤ 0,1, lediglich 3 Patienten (Fall 5, 10 und 11, vgl. Tab. 1) präsentierten sich mit einem bestkorrigierten Visus von 1,0. Bei allen Letzteren handelte es sich um Fälle mit kleinen peripheren Infiltraten, bei denen der Erregernachweis lediglich durch Kultivierung der Kontaktlinse bzw. Kontaktlinsenflüssigkeit gelang, sodass man nicht sicher von einer Hornhautinfiltration von Fusarium ausgehen kann. Lediglich bei 2 Patienten (Fall 2 und Fall 12) wurde von uns bereits am Tag der Erstvorstellung die Verdachtsdiagnose einer Pilzkeratitis gestellt und eine antimykotische Therapie eingeleitet. Ein Hypopyon zeigte sich im Verlauf in 4 Fällen (Tab. 1). Im Mittel dauerte es 13,1 Tage ab Symptombeginn (Standardabweichung 7,3 Tage, Minimum = 3 Tage, Maximum = 21 Tage) bis zur Äußerung des Verdachts einer mykotischen Genese und somit auch Beginn der antimykotischen Therapie (vgl. Abb. 2a). Die meisten Vorstellungen erfolgten im Frühjahr oder Herbst, über die Wintermonate waren im untersuchten Zeitraum keine Erstvorstellungen mit Fusarien-Keratitis zu verzeichnen (vgl. Abb. 2b).

Abb. 2
figure 2

a Die Grafik zeigt die Anzahl der Tage nach Symptombeginn bis zur Erstvorstellung in unserer Klinik, bis zum ersten Verdacht einer mykotischen Genese und bis zum korrekten Erregernachweis sowie die Anzahl der Tage nach Erstvorstellung bis zur Durchführung einer perforierenden Keratoplastik (pKPL). Angegeben sind die Zeitpunkte (Tage), die Mittelwerte und die jeweilige Standardabweichung. b Das Balkendiagramm zeigt die absolute Anzahl an Patienten, geordnet nach Monat der Erstvorstellung mit Fusarien-Keratitis über den Jahresverlauf. c Das Balkendiagramm zeigt die absolute Anzahl an Patienten, geordnet nach Jahr der Erstvorstellung mit Keratitis durch Fusarium Spezies

Diagnostik

Bei 12 von 13 untersuchten Patienten wurde am Tag der Erstvorstellung ein Hornhautabradat durchgeführt und zur mikrobiologischen Kultivierung und PCR-Testung eingesandt. Nur in 4 von 13 Fällen (30,8 %) konnten in der initial angelegten Kultur Fusarien nachgewiesen werden, wobei in einem dieser Fälle zunächst Candida ciferrii vermutet wurde. Diese Vermutung wurde dann jedoch nach längerer Bebrütung von 11 Tagen als Fusarium oxysporum revidiert. Durchschnittlich erfolgte der korrekte Keimnachweis erst nach 14,6 Tagen nach Symptombeginn (Standardabweichung 9,7 Tage, Minimum = 3 Tage, Maximum = 30 Tage) (vgl. Abb. 2a), in 2 Fällen war ein zweites Abradat wegweisend, in 1 Fall eine Vorderkammerpunktion, in 4 Fällen gelang die Diagnose der mykotischen Keratitis erst durch den histologischen Befund von PAS-positiven Hyphen im Hornhautexzidat nach pKPL (vgl. Tab. 1). Der am häufigsten nachgewiesene Erreger war Fusarium solani (7 Fälle), gefolgt von Fusarium oxysporum (4 Fälle) (vgl. Abb. 3). In 3 dieser 4 Fälle handelte es sich dabei um kulturelle Nachweise aus Proben von Kontaktlinsen/-Flüssigkeit ohne weiteren Erregernachweis im abgenommenen Hornhautabradat. Bei allen 3 Patienten (Fall 5, 10 und 11) handelte es sich um kleine Infiltrate in der Peripherie (vgl. Abb. 1). Zwei dieser Patienten stellten sich nach mikrobiologischem Nachweis nicht mehr in unserer Klinik vor und wurden somit nicht mehr antimykotisch behandelt. Insgesamt erfolgte in 10 Fällen eine Resistenztestung, alle Erreger besaßen eine Resistenz gegen mindestens ein gängiges Antimykotikum. In 8 Fällen (80 %) bestand eine Resistenz gegenüber Amphotericin B, in 7 Fällen (70 %) gegenüber Voriconazol (vgl. Tab. 1).

Abb. 3
figure 3

Das Kreisdiagramm zeigt die absolute Anzahl an Patienten mit der jeweiligen Fusarium Spezies

Therapie

Trotz bekannter Resistenzen wurde meist eine Kombination von Amphotericin B 0,5 % und Voriconazol 2 % Augentropfen als Lokaltherapie verwendet, lediglich in 2 Fällen erfolgte nach frustraner Initialtherapie die Erweiterung um Natamycin 5 % (vgl. Tab. 1). Meist wurde die Therapie mit der systemischen Gabe von Voriconazol kombiniert (vgl. Tab. 1). Dennoch war in 7 Fällen (53,9 % aller Fälle, 70 % der Fälle mit nachgewiesener Infektion der Hornhaut) eine Therapie mittels pKPL notwendig, in 1 Fall erfolgte ein korneales Crosslinking, in 2 Fällen eine erneute Abrasio mit dem Ziel der besseren Medikamentenpenetration, in 1 Fall die Therapie mittels intravitrealer Eingabe von Voriconazol 100 µg in 100 µl. Während bis zum Jahr 2017 nach pKPL bei mykotischer Keratitis schon früh mit einer hohen Dosierung lokaler Steroide begonnen wurde (meist ab Tag 1 Dexamethason 0,1 % 3‑ bis 5‑mal täglich), so wurde in den aktuelleren Fällen meist 14 Tage postoperativ abgewartet und die lokale Steroidtherapie langsam auftitriert (Dexamethason 0,1 % 1‑mal täglich, täglich um 1‑mal täglich erweitert bis 5‑mal täglich) (vgl. Tab. 1).

Prognose

Ein Rezidiv der mykotischen Keratitis ereignete sich in 4 von 7 (57,1 %) der Keratoplastiken, in 1 Fall konnte dieses mit einer Gabe von intrastromalem Voriconazol (Fall 1) behandelt werden. In den anderen 3 Fällen war eine Re-KPL nötig, in 2 Fällen sogar eine zweite Re-KPL, in 1 Fall kam es schließlich zur Enukleation (vgl. Tab. 1). Die besten bisher dokumentierten Visusergebnisse sind aus Tab. 1 zu entnehmen, in 8 Fällen (80 % der Fälle mit nachgewiesener Infektion der Hornhaut) liegen die Visuswerte bei ≤ 0,4, wobei die Visusrehabilitation in 4 dieser Fälle bei noch liegenden Hornhautfäden oder Aphakie noch nicht abgeschlossen ist.

Diskussion

Unter den mykotischen Keratitiden tritt die Fusarien-Keratitis in den letzten Jahren mit zunehmender Häufigkeit auch in unseren Breitengraden auf. Im deutschen Pilz-Keratitis-Register wurden aus den Jahren 2000 bis 2017 102 Augen von 101 Patienten mit gesicherter mykotischer Keratitis gemeldet, von denen 37 % auf Fusarium-Spezies zurückzuführen waren [13]. In 56,7 % der Fälle bestand eine Assoziation mit Kontaktlinsengebrauch, welcher den wichtigsten Risikofaktor für die Fusarien-Keratitis in Industrienationen darstellt [13]. Eine Fusarien-Epidemie v. a. in den USA, Hongkong und Singapur in den Jahren 2004 bis 2006 konnte auf das neue Kontaktlinsen-Reinigungsmittel „ReNu with MoistureLoc®“ (Bausch & Lomb, Rochester, NY, USA) zurückgeführt werden. Nach der Rücknahme vom Markt kehrte die Inzidenz wieder zum Niveau von vor 2004 zurück [6, 13, 17]. In einer aufbauenden Registerstudie wurde gezeigt, dass eine Fusarien-assoziierte Keratitis bei 50,0 % der Kontaktlinsenträger gegenüber nur 14,8 % der Nicht-Kontaktlinsenträger nachgewiesen werden konnte [14]; 30,4 % der Patienten waren schon zuvor an den Augen operiert worden, in 18,6 % bestand der Kontakt zu organischem Material [13, 14, 17]. In 50–65 % der Fälle war im Verlauf eine Keratoplastik notwendig, in ca. 9 % der Fälle kam es zur Enukleation [13, 14].

Mit diesen Beobachtungen stimmen auch die Daten aus unserer Universitäts-Augenklinik überein. Im Jahr 2021 waren nahezu alle unsere Fälle, bei denen ein mykotischer Erreger mikrobiologisch nachgewiesen werden konnte, durch Fusarien bedingt. In der vorliegenden retrospektiven Analyse war bei 10 von 13 Patienten (76,9 %) ein Zusammenhang mit Kontaktlinsen vorhanden, in 1 Fall bestand Kontakt zu organischem Material, in 1 Fall eine Immunsuppression bei rheumatologischer Grunderkrankung. Bei breiter Resistenzlage und meist verzögerter Diagnose erwies sich die konservative Therapie meist als unzureichend und ein Erfolg gelang in unserer Studie in 90 % der Fälle mit nachgewiesener Fusarien-Keratitis erst durch chirurgische Intervention.

Anhand der geschilderten Fälle werden folgende Besonderheiten der Fusarien-Keratitis deutlich: Fusarien dringen im Vergleich zu anderen Keratomykosen schneller und tief in das Hornhautgewebe ein (vgl. Abb. 4). Dies führt zu einem rascheren Krankheitsverlauf, als es üblicherweise bei mykotischen Keratitiden der Fall ist und kann einer bakteriellen Keratitis ähneln [3, 9, 18]. Es besteht daher die Gefahr, primär nicht an eine mykotische Genese der Keratitis zu denken. Bei erhabenem rauem gräulichem Infiltrat mit gefiederten Rändern und umso mehr bei vorliegenden Risikofaktoren (organisches Material, Steroidtherapie, Kontaktlinsen, etc.) sollte niedrigschwellig eine antimykotische Therapie begonnen werden. Der Therapierfolg ist maßgeblich durch den frühen Therapiebeginn bestimmt [6, 9]. Wie auch in unserer Fallserie können zu Beginn Satellitenläsionen und ein pyramidenförmiges Hypopyon fehlen.

Abb. 4
figure 4

a Die Fotoaufnahme zeigt einen aktuellen Fall mit Fusarium-solani-Keratitis aus dem Jahr 2022 präoperativ vor pKPL à chaud. b Die Fotoaufnahme zeigt den postoperativen Befund des gleichen Falles an Tag 21 nach pKPL à chaud. c Die Abbildung zeigt das histologische Präparat des exzidierten Hornhautscheibchens mit tiefstromaler Invasion von Fusarium solani in der Auflichtmikroskopie. Zu erkennen sind PAS-positive Pilzhyphen (Stern-Markierung) und eine zelluläre Infiltration des Hornhautstromas (Quadrat-Markierung). Die Pfeilköpfe markieren die Descemet-Membran. PAS-Färbung. Skala = 100 µm

Durch die meist tiefe Lage im Gewebe gestaltet sich der Nachweis von Fusarien schwierig, wichtig ist ein gründliches Abradat von Rand und Grund der Hornhautläsion. Die Sensitivität der Kultur liegt lediglich bei 50 %, manchmal gelingt der Nachweis nur durch eine tiefe stromale Biopsie [3, 6]. Auch in unserer Fallserie blieb die Kultur aus dem initialen Hornhautabradat in 9 von 13 Fällen (69,2 %) negativ, der Keimnachweis erfolge aus den Hornhautexzidaten bzw. aus dem Vorderkammerpunktat (vgl. Tab. 1) oder aus dem eingesandten Kontaktlinsenmaterial (3 Fälle).

Die Untersuchung der Kontaktlinse oder des Kontaktlinsenbehältnisses kann bei negativem Hornhautabradat eine zusätzliche Möglichkeit zur Diagnosefindung darstellen. Allerdings ist fraglich, inwiefern eine Kontamination des Kontaktlinsenmaterials in solchen Fällen als beweisend für eine Pilzkeratitis angesehen werden kann. Walther et al. analysierten 22 Keratitisfälle mit mikrobiologischem Fusarien-Nachweis: In 4 Fällen gelang der Nachweis nur über die Kontaktlinse während sich eine klinische Besserung auch ohne antimykotische Therapie zeigte, wie es auch in unserer Fallserie bei 2 Patienten der Fall war [17]. Diese Fälle wurden von Walther et al. als Kontaminationen betrachtet. Die Autoren vermuten, dass nicht jede Kontamination zu einer mykotischen Keratitis führen muss, besonders nicht, wenn es sich um Fusarium oxysporum handelt, welches vermutlich eine geringere Pathogenität aufweist [17]. Auch bei denen in unserer Studie durch Kontaktlinsenkultur identifizierten 3 Fällen handelte es sich um Fusarium oxysporum. Andererseits war der einzige Fall in unserer Studie, bei dem nach 3‑fachem Rezidiv eine Enukleation notwendig wurde, ebenfalls durch Fusarium oxysporum bedingt (Fall 9), sodass keineswegs eine Entwarnung möglich ist.

Sofern verfügbar, ist die Untersuchung mittels panfungaler PCR mit einer Sensitivität von bis zu 93 % eine wichtige zusätzliche Möglichkeit zur Diagnosesicherung [3, 4]. Die Spezifität ist allerdings deutlich niedriger als die der Kultur, da auch tote Erreger und Kontaminationen als falsch positiv nachgewiesen werden können [3]. Da eine vorausgehende Färbung mit Fluorescein mit den PCR-Primern interferieren kann, sollte diese erst nach der Probeentnahme erfolgen [6].

Fusarien besitzen eine intrinsische Resistenz gegen Echinocandine (z. B. Caspofungin) und eine geringere Empfindlichkeit gegen viele Azol-Antimykotika, was die lokale Therapie erschwert [13, 17]. Insbesondere Fusarium solani ist häufig auch resistent gegen Voriconazol [6], wie es auch bei unseren Patienten der Fall war (vgl. Tab. 1). Des Weiteren haben Fusarien, besonders im Zusammenhang mit Kontaktlinsen, die Fähigkeit, Biofilme zu bilden und somit die minimale Hemmkonzentration der Antimykotika weiter zu erhöhen [4]. In den USA ist daher Natamycin 5 % als Erstlinientherapie bei mykotischer Keratitis zugelassen, welches wahrscheinlich aufgrund seines geringeren Molekulargewichtes (665,75 Da) wirksamer die Hornhaut penetriert als Amphotericin B (924,10 Da) [3, 17]. Jedoch liegt die Molekülgröße beider Polyen-Antimykotika über 500 Da, was als Penetrationsgrenze des Hornhautepithels angesehen wird. Daher wird bei topischer Anwendung von Natamycin oder Amphotericin B, anders als bei z. B. Voriconazol (349,32 Da), eine regelmäßige Abrasio corneae empfohlen [3]. Bei der Anwendung von Natamycin ist zudem mit einer Bildung von Hornhautpräzipitaten zu rechnen, welche einem Infiltrat ähneln können [8]. Zwei randomisierte kontrollierte Studien aus Indien mit insgesamt 441 Patienten verglichen die Therapie der Keratomykose mittels Natamycin 5 % gegenüber Voriconazol 1 % Augentropfen [11, 16]. Natamycin 5 % zeigte dabei ein besseres Therapieansprechen, besseres Visusergebnis, eine geringere Perforationsquote und eine Überlegenheit besonders bei Fusarien [11]. Die zusätzliche Therapie mit oralem Voriconazol zeigte insgesamt keinen Vorteil bezüglich der Perforations- oder Keratoplastikrate bei höherem Nebenwirkungsanteil. Bei Fusarien-Keratitiden senkte die orale Voriconazol-Therapie die Perforationsrate leicht, jedoch war dies nicht statistisch signifikant [12]. Natamycin ist in Deutschland nicht zugelassen und nur über die Auslandsapotheke erhältlich. Da wir das Präparat meist nicht zur Verfügung hatten, nutzten wir meist Amphotericin B 0,5 % AT in Kombination mit Voriconazol 2 % AT und bei fortgeschrittenem Befund auch Voriconazol intravenös. Lediglich in 2 Fällen war diese Therapie erfolgreich, in einem der Fälle (Fall 4) handelte es sich um Fusarium delphinoides, und es lagen keine Resistenzen gegen Amphotericin und Voriconazol vor. In Fall 12 zeigte sich eine deutliche Befundbesserung erst nach Hinzunahme von Natamycin 5 %. In allen anderen Fällen gelang die Behandlung der Infektion erst durch die Keratoplastik. Steroide begünstigen das Pilzwachstum, daher sind diese bei Verdacht auf Keratomykose kontraindiziert. Auch nach Keratoplastik sollte die Steroidgabe so gering wie möglich sein, um Pilzrezidive auf dem Transplantat zu vermeiden (vgl. Fall 1, 9 und 13 Tab. 1, [3, 4, 6, 9, 15]).

Bei meist verspäteter Diagnose zeigen Fusarien-Keratitiden trotz oben genannter Lokaltherapie eine hohe Rate an Perforationen (bis zu 30 % [6]) und Endophthalmitiden (bis zu 6,3 %, [5, 10]), woraus häufig die Notwendigkeit einer Keratoplastik à chaud resultiert [6]. Eine frühzeitige chirurgische Intervention noch vor einer möglichen Perforation sollte daher bei ungenügendem Therapieansprechen erwogen werden [15]. Das Vorderabschnitts-OCT kann hierbei als Hilfsmittel zur Bestimmung von Tiefe und Ausmaß des Infiltrates genutzt werden (vgl. Abb. 5a). Von Lin et al. werden für den Zeitpunkt der Keratoplastik 7 Tage ab Therapiebeginn vorgeschlagen [6, 9]. Dabei sollte der Durchmesser des Transplantates groß genug mit ausreichend Sicherheitsabstand gewählt werden, um ein späteres Rezidiv auf dem Transplantat zu vermeiden. Trotz großem Transplantatdurchmesser und Sicherheitsabstand kam es in unserem Fall 6 zu einem Rezidiv auf dem Transplantat. Das Exzidat sollte geteilt und sowohl in die mikrobiologische als auch pathologische Untersuchung gegeben werden. Das Vorhandensein von PAS-positiven Hyphen in der histopathologischen Untersuchung des Exzidats erbrachte bei unseren Patienten in 4 Fällen den ersten Pilznachweis [3, 6].

Abb. 5
figure 5

Die Abbildung zeigt Fall 6 im Zeitverlauf. a Das Vorderabschnitt-OCT (Spectral-Domain-OCT; Heidelberg-Engineering, Heidelberg, Deutschland) an Tag 7 nach Symptombeginn lässt in etwa das Tiefenausmaß der mykotischen Keratitis abschätzen. b Spaltlampenbefund bei Erstvorstellung (Tag 4 nach Symptombeginn). c Spaltlampenbefund an Tag 7 nach Symptombeginn (vgl. a). d Spaltlampenbefund 2 Tage nach pKPL. e Rezidiv auf dem zweiten Transplantat 21 Tage nach pKPL

Schließlich stellt sich die Frage nach der Ursache der beobachteten Fallzahlhäufung: Während in den Vorjahren 0 bis 2 Patienten jährlich mit Fusarien-Keratitis in unserer Klinik behandelt worden waren, zeigten sich im Jahr 2021 5 solcher Fälle. Ein ähnliches Phänomen war 2004 bis 2006 nach der Markteinführung des Kontaktlinsenreinigungsmittels „ReNu with MoistureLoc®“ beobachtet worden. Leider konnte retrospektiv nicht mehr verlässlich rekapituliert werden, welche Kontaktlinsenreinigungslösung in den vorliegenden Fällen jeweils verwendet worden war. Ob die in unserer Studie beobachtete Häufung der Fallzahlen im Zusammenhang mit einer bestimmten Reinigungslösung steht, kann daher nicht beantwortet werden. Vor diesem Hintergrund ist es aber sicherlich sinnvoll, zukünftig auch hiernach zu fragen, um epidemiologische Phänomene frühzeitig zu erkennen. Zudem erfolgte standardisiert ein Hornhautscraping des Infiltratrandes vor Einleitung einer antiinfektiösen Therapie. Je nach externer Vorbehandlung kann es allerdings zu falsch negativen Ergebnissen des Scrapings gekommen sein. Eine weitere mögliche Fehlerquelle liegt, auch in unserer Auswertung, in der Durchführung des Scrapings, da dieses je nach Erfahrung des jeweiligen Arztes von unterschiedlicher Qualität sein kann. Deshalb sollten jüngere ärztliche Kollegen regelmäßig hinsichtlich der korrekten Durchführung eines Hornhautscrapings geschult werden.

Abschließend können wir zusammenfassen, dass Fusarien bisher klassischerweise als Erreger von Keratitiden in Entwicklungsländern tropischer Gebiete galten. Allerdings bestehen aktuell Hinweise auf eine Zunahme der Fälle in Europa und Deutschland [6, 7, 13, 17], was sich auch in der hier vorgestellten Fallserie abbildet. Es besteht ein Zusammenhang mit der zunehmenden Anwendung von Kontaktlinsen [14], wie auch in unserer Analyse deutlich wird. Des Weiteren werden auch globale Klimaveränderungen, der zunehmende Gebrauch von Steroiden, die steigende Prävalenz von Diabetes mellitus und bessere diagnostische Verfahren als Erklärung für die steigende Zahl der Keratomykosen diskutiert [6]. Die genaue Untersuchung, Dokumentation, und epidemiologische Einordnung ist demnach essenziell, um potenzielle Risikofaktoren frühzeitig zu identifizieren, zu eliminieren, die Diagnose zu sichern und die korrekte Therapie einzuleiten. Daher sollten alle Fälle mit nachgewiesener Keratomykose und zugehörige Proben zur genaueren Erregersubspezifizierung oder Resistenztestung an das Nationale Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) unter www.pilzkeratitis.de gemeldet und eingesendet werden [14].

Fazit für die Praxis

  • Fusarien-Keratitiden ähneln hinsichtlich des schnelleren klinischen Verlaufs einer bakteriellen Keratitis.

  • Bei Vorliegen von Risikofaktoren (organisches Material, Steroide, Kontaktlinsen etc.) sollte frühzeitig auch eine antimykotische Therapie eingeleitet werden.

  • Der kulturelle Nachweis von Fusarien ist erschwert, die histopathologische Untersuchung der Hornhaut sowie eine panfungale PCR erleichtern die Diagnose.

  • Insbesondere die Fusarium solani Spezies zeigen ein schnelles infiltrierendes Wachstum und breite Resistenzen gegen gängige Antimykotika.

  • Eine frühe therapeutische Keratoplastik kann notwendig sein, um die Rezidivrate auf dem Transplantat zu verringern.

  • Die Zulassung von Natamycin 5 % in Deutschland wäre sinnvoll, um die konservative antimykotische Therapie zu optimieren. Aktuell kann es über die Auslandsapotheke bezogen werden.

  • Die Registrierung aller mykotischen Keratitiden im NRZMyk (www.pilzkeratitis.de) dient der epidemiologischen Beurteilung, Risikoeliminierung und Therapieoptimierung.