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Anamnese
Ein 58-jähriger männlicher italienischer Patient stellte sich notfallmäßig aufgrund von akut aufgetretenem Schleiersehen am linken Auge nach einer perforierenden Keratoplastik (PKP) vor. Anamnestisch sei die PKP bei fortgeschrittenem Keratokonus vor 35 Jahren durchgeführt worden. Der Sehverlust auf dem betroffenen linken Auge bestand seit 3 Tagen und habe sich plötzlich entwickelt. Zuvor konnte mithilfe einer Brillenkorrektur ein subjektiv zufriedenstellendes Visusergebnis am linken Auge erreicht werden. Die stationäre Einweisung durch den niedergelassenen Augenarzt erfolgte bei Verdacht auf eine akute diffuse endotheliale Immunreaktion am linken Auge.
Klinischer Befund
Bei Erstvorstellung betrug der korrigierte Fernvisus am betroffenen linken Auge Handbewegung und am Partnerauge 0,8. Der Augeninnendruck war mit 19 mm Hg rechts und 15 mm Hg links im Normbereich.
Klinisch zeigten sich am linken Auge ein gering nach kaudal dezentriertes Transplantat mit diffuser Hornhaut-Endothel-Epithel-Dekompensation, die auf das Transplantat begrenzt war, sowie eine Ansteilung im Interface-Bereich (Abb. 1). Es bestanden weder retrokorneale Beschläge noch Neovaskularisationen des Transplantats. Eine Beurteilung der Vorderkammer war aufgrund der schweren endothelialen Dekompensation erschwert. Die Netzhaut des linken Auges lag sonographisch vollständig an.
Am rechten Auge zeigten sich keine klinischen oder tomographischen Hinweise auf einen Keratokonus. Der hintere Augenabschnitt des rechten Auges war unauffällig. Die Hornhautsensibilität war an beiden Augen seitengleich und nicht reduziert.
Weiteres Prozedere
Bei Verdacht auf eine akute diffuse endotheliale Immunreaktion ordneten wir eine Lokaltherapie mit Prednisolon-Augentropfen (AT) stündlich, hypertonen Natriumchlorid-AT 5‑mal/Tag sowie einer Prednisolon-Augensalbe zur Nacht an. Systemisch erhielt der Patient Methylprednisolon 100 mg oral. Da die Ursache der primären Keratoplastik nicht gesichert war, verordneten wir zusätzlich eine lokale antiherpetische Therapie mit Ganciclovir-Augengel 5‑mal/Tag, da eine herpetische Endotheliitis nicht vollständig ausgeschlossen werden konnte. Noch am Aufnahmetag führten wir eine intrakamerale Dexamethason-Eingabe (Fortecortin®, Merck KGaA, Darmstadt, Deutschland) in Tropfanästhesie am linken Auge durch und verordneten zusätzlich Ofloxacin-AT 4‑mal/Tag [2].
Wie lautet Ihre Diagnose?
Die genaue Diagnose konnten wir am Folgetag durch die optische Kohärenztomographie des vorderen Augenabschnitts (VA-OCT) treffen (Abb. 2a). Hierbei zeigte sich eine großflächige zirkuläre Descemetolyse ohne Ruptur der Descemet-Membran mit einer zentralen Pachymetrie von 868 µm. Wir stellten daraufhin die Diagnose einer akuten sekundären Transplantatinsuffizienz aufgrund einer Descemetolyse bei fortgeschrittener Transplantatektasie mit Ansteilung im Interfacebereich. Zur Wiederanlage der Descemet-Membran führten wir eine intrakamerale 20 % SF6-Gaseingabe am betroffenen Auge durch. Bereits am Folgetag zeigte sich klinisch eine deutliche Befundbesserung mit Aufklarung des Transplantats (Abb. 3a, b). In der VA-OCT konnte nun eine fast vollständig anliegende Descemet-Membran (Abb. 2b) mit einer stark rückläufigen zentralen Pachymetrie auf 627 µm festgestellt werden. Der unkorrigierte Visus betrug bei Entlassung aufgrund der Gastamponade Handbewegung.
Diagnose: Akute sekundäre Transplantatinsuffizienz aufgrund einer Descemetolyse bei fortgeschrittener Transplantatektasie
Im Rahmen der postoperativen Kontrolle nach 6 Wochen zeigte sich eine klinisch (Abb. 3c, d) und kohärenztomographisch (Abb. 2c) vollständig anliegende Descemet-Membran am linken Auge. Das Transplantat war weiterhin klar mit einer zentralen Pachymetrie von 621 µm. Der korrigierte Fernvisus betrug 0,05.
Wegen der fortgeschrittenen Transplantatektasie mit hohem Astigmatismus obliquus (11,8 dpt) empfahlen wir eine perforierende Excimerlaser-Re-Keratoplastik (8,5/8,6 mm), die jedoch bei Beschwerdefreiheit aktuell vom Patienten nicht gewünscht wurde.
Definition
Eine Descemetolyse nach PKP ist eine seltene Spätkomplikation, die häufig 10 bis 30 Jahre nach der Hornhauttransplantation auftritt [3,4,5, 7]. Die Ursache der Ablösung ist unbekannt, jedoch liegt häufig eine Verdünnung der Wirtshornhaut mit sekundärer Ansteilung des Transplantats vor. Es wird angenommen, dass eine mechanische Traktion bei progressiver Transplantatektasie (sog. „Keratokonusrezidiv“) sowie die unterschiedliche Elastizität der Descemet-Membran und des hinteren Hornhautstromas zur Trennung der beiden Schichten führen [4].
Zu den Symptomen zählen eine plötzliche Visusminderung, Photophobie sowie ein Fremdkörpergefühl. Klinisch besteht häufig eine ausgeprägte Bindehautinjektion und je nach Ausbreitung der Descemetolyse ein fokales oder diffuses Hornhautödem. Im Falle einer peripheren Descemetolyse ohne Beteiligung der optischen Achse kann diese für längere Zeit asymptomatisch bleiben [3, 4].
Differenzialdiagnostisch müssen nichtimmunologische (z. B. Transplantatermüdung bei reduzierter Endothelzellzahl) und immunologische Ursachen in Betracht gezogen werden. Anhand des klinischen Befundes und der beschriebenen Symptomatik ist eine eindeutige Differenzierung der Descemetolyse von einer Immunreaktion oftmals nicht möglich. Gegen eine immunologische Ursache spricht v. a. der längere Zeitraum nach der Transplantation, da die meisten Immunreaktionen typischerweise in den ersten beiden Jahren nach Keratoplastik auftreten [6]. Die Herpes-Endotheliitis, die ein ähnliches klinisches Bild aufweisen kann, muss als weitere differenzialdiagnostische Ursache in Erwägung gezogen werden [8, 9].
Zur Diagnosestellung ist in den meisten Fällen eine VA-OCT-Untersuchung notwendig, da die Descemetolyse aufgrund einer schweren endothelialen Hornhautdekompensation klinisch selten sichtbar ist. Daneben kann die Trennung auch sehr flach verlaufen, wodurch eine spaltlampenbiomikroskopische Darstellung nicht möglich ist.
Therapie und Verlauf
Im Allgemeinen wird eine Wiederanlage der abgelösten Schicht durch eine intrakamerale Luft- oder Gaseingabe (z. B. Luft oder 20 % SF6) angestrebt [4, 7], jedoch sind zufriedenstellende postoperative Ergebnisse langfristig die Seltenheit, was sich häufig in der Notwendigkeit einer Re-Keratoplastik widerspiegelt [4]. Des Weiteren ist anzunehmen, dass es selbst nach Wiederanlage der Descemet-Membran zur erneuten großflächigen Ablösung kommen kann, was unter anderem auf eine inkomplette Anlage nach intrakameraler Gastamponade und der fortbestehenden mechanischen Traktion zurückzuführen ist.
Die separierte Descemet-Membran kann entweder defektfrei sein oder eine fokale Ruptur mit Entwicklung eines kornealen Hydrops aufweisen [5]. Bei Letzterem besteht die Möglichkeit einer „Descemet membrane endothelial keratoplasty“ (DMEK), welche jedoch eine narbenlose Hornhaut, eine gute Topographie und einen ausreichenden Einblick in die Vorderkammer voraussetzt.
Im vorliegenden Fall empfahlen wir nach Aufklarung der Hornhaut keine lamelläre Keratoplastik als DMEK, da dadurch die ektatische Verformung und der hohe Astigmatismus der Hornhaut nicht behoben werden können. In solchen Fällen ist die Methode der Wahl eine elektive perforierende Excimerlaser-Re-Keratoplastik (8,5/8,6 mm) [1, 10].
Fazit für die Praxis
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Die Descemetolyse nach PKP ist eine seltene Komplikation, die häufig nach 10 bis 30 Jahren auftritt und anfänglich nicht von einer Immunreaktion des Transplantats unterschieden werden kann.
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Eine Diagnosestellung ist häufig nur durch eine VA-OCT möglich, die das Ausmaß der Descemetolyse und eine mögliche Ruptur der Descemet-Membran darstellen kann.
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Durch eine intrakamerale Gaseingabe kann die Descemet-Membran wieder angelegt werden, jedoch ist oftmals eine Re-Keratoplastik mit größerem Transplantatdurchmesser im Verlauf notwendig.
Literatur
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Berger, T., Daas, L., Aljundi, W. et al. Akute Transplantatinsuffizienz 35 Jahre nach perforierender Keratoplastik. Ophthalmologie 119, 1309–1312 (2022). https://doi.org/10.1007/s00347-022-01639-x
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