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Anamnese
Die Erstvorstellung des Patienten erfolgte im Sommer 2020. Er berichtete über eine schwere Contusio bulbi links, ausgelöst durch einen Unfall mit einer Kreissäge im Jahr 2013. Anamnestisch sei die Therapie rein konservativ erfolgt. In den Jahren nach der Verletzung sei er beschwerdefrei gewesen. Erst Anfang 2020 habe er eine zunehmende Lichtempfindlichkeit, ausgeprägtes Fremdkörpergefühl und eine im Tagesverlauf stark schwankende Sehschärfe bemerkt (morgens schlechter). Nach Vorstellung bei einem niedergelassenen Kollegen wurde dem Patienten zur symptomatischen Behandlung eine Lokaltherapie mit hyperosmolarer Kochsalzlösung ordiniert und dieser zur weiteren Mitbeurteilung an uns überwiesen. Neben dem oben genannten Trauma ließen sich keine ophthalmologischen Voroperationen oder -erkrankungen eruieren. Erwähnenswert war darüber hinaus, dass der Patient eine deutliche Besserung der Beschwerden unter hyperosmolarer Lokaltherapie und unmittelbare Verschlechterung bei jeder Unterbrechung der Behandlung schilderte.
Befund
Bei Erstvorstellung erreichte das linke Auge eine bestkorrigierte Sehschärfe von 0,1 mit einer subjektiven Refraktion von +3,00 − 2,00 × 87° und zeigte in der spaltlampenmikroskopischen Untersuchung eine großflächige Hornhaut-Endothel-Epithel-Dekompensation (HHEED) über nahezu die gesamte untere Hornhautzirkumferenz (Abb. 1a). Die Hornhauttomographie ergab eine Dickenzunahme der Hornhaut auf 1149 µm und einen hochgradig irregulären Astigmatismus (Abb. 1b). In der Untersuchung mittels Spectral-Domain-optische Kohärenztomographie des linken Auges fiel neben der Verdickung des Stromas eine bullöse Keratopathie auf (Abb. 1c), und die Vorderkammer präsentierte sich tief und reizfrei, intraokular bestanden regelrechte anatomische Verhältnisse mit insbesondere klarer kristalliner Linse, runder Pupille und intakter Iris, der Augeninnendruck war mit 10 mm Hg reguliert. In der optischen Kohärenztomographie von Makula und Papille ließen sich keinerlei pathologische Befunde zur Darstellung bringen.
Das Partnerauge erreichte mit minimaler myoper Korrektur eine Sehschärfe von 1,25 und präsentierte sich allseits unauffällig, inklusive unauffälliger Topographie.
Diagnose
Verdacht auf postkontusionelle Hornhautendotheldekompensation (Payrau-Raynaud-Syndrom).
Therapie und Verlauf
Nach Bereitstellung des Spendergewebes durch unsere Hornhautbank konnte eine DMEK am linken Auge unter stationären Bedingungen komplikationslos durchgeführt werden. Um den relativ peripheren Defekt abzudecken, wurde das Transplantat mit Durchmesser von 8 mm präpariert, die explantierte Descemet-Endothel-Lamelle wurde für die spätere histopathologische Untersuchung mit insgesamt 3 Stanzen von je 1 mm Durchmesser markiert. Die Descemetorhexis wurde mit einem Durchmesser von ca. 8,25 mm durchgeführt, um einerseits den Defekt sicher einzufassen und andererseits eine Überlappung von Empfänger- und Spender-Descemet-Membran zu vermeiden. Postoperativ zeigte sich ein regelrechter Heilungsverlauf mit langsamer Resorption des Hornhautödems [1] (Abb. 2). Bei der letzten Vorstellung 9 Monate nach Operation war der unkorrigierte Fernvisus wieder auf 1,0 angestiegen, die subjektive Refraktion ergab Werte von −0,25 − 0,50 × 160°. In der Scheimpflug-Tomographie der vorderen Augenabschnitte zeigte sich der Kammerwinkel zirkulär offen ohne Anhalt für eine Rezession.
Diskussion
Der pathophysiologische Mechanismus der segmentalen Endotheldekompensation im vorliegenden Fall lässt sich zwar in Ermangelung objektiver Befunde unmittelbar nach dem stattgehabten Trauma nur unvollständig eruieren, präsentiert sich aber unter mehreren Aspekten ungewöhnlich: Der klassische Mechanismus einer traumatisch bedingten HHEED ist charakterisiert durch eine Disruption der Descemet-Membran und einer dem Druckgradienten folgenden Einschwemmung von Kammerwasser in das Stroma der Hornhaut. Beispiele hierzu sind der akute Keratokonus (Abb. 4a) oder ein iatrogener Descemet-Riss während intraokularer Chirurgie (Abb. 4b). Hierbei handelt es sich um einen akuten Prozess, der sich innerhalb von Minuten bis Stunden abspielt und insbesondere beim akuten Keratokonus mit Schmerzen vergesellschaftet ist. Auch bei einem akuten kornealen Hydrops kann, wie im oben geschilderten Fall, eine DMEK als Therapie verwendet werden [2], alternativ stehen therapeutisch eine intrakamerale Luft‑/Gasinjektion und/oder Muraine-Nähte zur Verfügung [10]. Eine erst kürzlich erfolgte Studie zeigte im Vergleich zwischen Mini-DMEK und prä-descemetalen Nähten bei akutem Keratokonus einen Vorteil der Mini-DMEK bei größeren Descemet-Rissen [3]. Im vorliegenden Fall entschieden wir uns wegen der seit Jahren bestehenden Disruption der Descemet-Membran und daher vermuteten Fibrosierung bzw. Versteifung des Gewebes gegen eine weniger invasive Luft- oder Gasinjektion, da uns eine erfolgreiche Wiederanlage der Descemet-Membran dadurch unwahrscheinlich schien.
Weiterhin existiert unter möglichen kornealen Traumafolgen das Payrau-Raynaud-Phänomen mit dem Aspekt einer ringförmigen Endotheltrübung, wie erstmals 1965 in der Literatur beschrieben [4]. Hier finden sich in den Berichten auch mikroskopische Partikel, die im Zusammenhang mit dem Trauma das Epithel der Hornhaut penetriert und sich im Zentrum der ringförmigen Trübungen befunden haben. Diese Trübungen werden als optisch nicht relevant und nach wenigen Tagen spontan abheilend beschrieben [5, 6]. Unklar ist, ob es sich bei diesen endothelialen Ringen um eine entzündliche Reaktion auf die intrakornealen Fremdkörper oder eine mechanische Traumafolge im Sinne eines Explosionstraumas handelt. Diese wiederum treten eher im Zusammenhang mit Sprengstoffverletzungen durch die auf das Auge einwirkende Druckwelle (primäres Explosionstrauma) oder Aufprall von Schrapnellen (sekundäres Explosionstrauma) auf [7]. Solche Verletzungen sind in Abhängigkeit der einwirkenden physikalischen Kräfte häufig bulbuseröffnend, können aber auch unterhalb dieser Schwelle durchaus nachweisbare korneale Veränderungen hervorrufen. Hierzu durchgeführte Untersuchungen im Maus- [8] bzw. Kaninchenmodell [9] haben unter anderem auch die Bildung eines Hornhautödems infolge eines primären Explosionstraumas nachweisen können, letztere Studie konnte die Zunahme der Hornhautdicke in Zusammenhang bringen mit einer veränderten Expression von Aquaporin 1 und 5 nach Trauma. Konkrete Daten mit entsprechenden histopathologischen Untersuchungen am Menschen fehlen zwar, dennoch lässt sich vor dem Hintergrund der tierexperimentell nachgewiesenen Effekte vermuten, dass auch in der humanen Kornea eine Affektion der Endothelfunktion und des Wasserhaushaltes durch mechanische Traumata möglich ist. Diese Ergebnisse beziehen sich zwar in erster Linie auf primäre Explosionstraumata, wie sie nach Sprengstoff- oder Feuerwerksverletzungen durch die entstehende Druckwelle ausgelöst werden, was beim klassischen Mechanismus einer Fremdkörperverletzung eher nicht zu erwarten wäre. Allerdings ist denkbar, dass ein auf die Hornhaut aufschlagender Fremdkörper bei ausreichender Geschwindigkeit einen genügend starken Impuls übertragen und eine für primäre Explosionstraumata typische axiale Bulbusstauchung auslösen kann. Ungewöhnlich ist im vorliegenden Fall das lange Intervall von 7 Jahren zwischen Trauma und Auftreten der Beschwerden, allerdings ist wegen des jungen Alters des Patienten denkbar, dass der Funktionsverlust initial kompensiert werden konnte und der physiologische alterungsbedingte Endothelzellverlust Jahre später zu einer Dekompensation der Hornhaut geführt haben könnte. Generell muss bei einseitigen Affektionen der Hornhaut sicherlich auch eine herpetische Genese in Erwägung gezogen werden. Da allerdings in diesem Fall eine klar eruierbare Traumaanamnese erhebbar war, jegliche Pigmentierungen, Präzipitate oder sonstige entzündliche Veränderungen der Hornhaut fehlten, der Augendruck stets gut reguliert war und insbesondere die unmittelbare Verbesserung durch hyperosmolare Kochsalzlösung bzw. Verschlechterung nach Absetzen dieser Tropfen angegeben wurde, verzichteten wir auf invasive Diagnostik, wie z. B. eine Vorderkammerpunktion, und hätten diese Differenzialdiagnose nur im Falle eines Rezidivs nach DMEK weiter verfolgt.
Schlussfolgerungen: Aus dem Verlauf des geschilderten Falles lässt sich resümieren, dass auch kleinere Verletzungen der Hornhaut unter Umständen Jahre später zu einem klinisch relevanten Funktionsverlust via HHEED führen und eine chirurgische Behandlung notwendig machen können.
Literatur
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Payrau P, Raynaud G (1965) Corneal blast injuries: microscopic perforating foreign bodies; posterior velvety rings. Ann Ocul 198(11):1057–1074
van Rij G (1981) Traumatic corneal endothelial rings. Doc Ophthalmol 50(2):315–319
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Schießl G, Suffo S, Milioti G, Seitz B (2019) Muraine-Nähte beschleunigen die Abheilung des Hydrops corneae bei akutem Keratotorus. Ophthalmologe 116:665–668
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Tahmaz, V., Schöneberger, V. & Cursiefen, C. Posteriore lamelläre Keratoplastik (DMEK) bei fokaler chronischer Hornhautendothel-Epithel-Dekompensation 7 Jahre nach Bulbustrauma (Contusio bulbi). Ophthalmologie 120, 209–212 (2023). https://doi.org/10.1007/s00347-022-01633-3
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