Anamnese

Eine 31-jährige Patientin stellte sich mit einer seit 3 Monaten bestehenden schmerzhaften Verdickung der bulbären Bindehaut nasal am linken Auge vor. Extern wurde bereits erfolglos lokal und systemisch mit Steroiden behandelt. Anamnestisch seien keine weiteren Augenerkrankungen bekannt; außer einem gut eingestellten Bluthochdruck und einer Hypothyreose sei sie allgemein gesund. Die aus Griechenland stammende Patientin berichtete über regelmäßige Heimatbesuche und den gelegentlichen Verzehr rohen Rindfleisches vom türkischen Metzger.

Befunde

In der ophthalmologischen Untersuchung zeigte sich eine noduläre Verdickung der bulbären Bindehaut nasal mit einer konjunktivalen und episkleralen Hyperämie (Abb. 1a). Visus und Augeninnendruck waren unauffällig, Vorderkammer und Glaskörper reizfrei, der Fundus regelrecht. In der Ultraschallbiomikroskopie zeigte sich eine Verdickung der Bindehaut und Tenon mit einer darunter gelegenen nodulären Struktur (Abb. 1b). Beim genaueren Betrachten waren innerhalb der knotigen Formation längliche geschlängelte hyporeflektive Läsionen und Anschnitte hyperreflektiver zylindrischer Strukturen erkennbar (Abb. 1c).

Abb. 1
figure 1

a Klinischer Befund mit nodulärer Verdickung. b Korrespondierende Ultraschallbiomikroskopieaufnahme mit Verdickung der Bindehaut und darunter gelegener knotigen Struktur. c Nodulärer Prozess in stärkerer Vergrößerung mit den darin enthaltenen gewundenen hypo- und hyperreflektiven Strukturen

Diagnose

Es wurde die Verdachtsdiagnose eines Parasitenbefalls gestellt und eine operative Sanierung angestrebt. Nach Inzision der nodulären Formation kamen mehrere Fadenwürmer im Bereich der Episklera und des Ansatzes des Musculus rectus medialis zum Vorschein, welche makroskopisch vollständig entfernt wurden (Abb. 2a, b). In der molekularbiologischen Untersuchung mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) konnte Nematoden-DNA nachgewiesen werden, die Sequenzierung erbrachte den Befund von Onchocerca lupi. Ein serologischer Suchtest auf eine Filarieninfektion blieb negativ, auch mikroskopisch zeigte sich kein Nachweis von Mikrofilarien im peripheren Blut. Ebenso blieben bildgebende Untersuchungen (Schädel-Magnetresonanztomographie, Abdomensonographie) ohne einen Hinweis auf weitere Organmanifestationen. In Abb. 3 sind rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen der geborgenen Nematoden dargestellt.

Abb. 2
figure 2

Intraoperative Aufnahmen. a Größere Vergrößerung, b Übersichtsaufnahme. Mit gelbem Pfeil sind die farblos erscheinenden Nematoden gekennzeichnet

Abb. 3
figure 3

Rasterelektronenmikroskopie-Aufnahmen. Die Fixierung der Präparate erfolgte mit einer phosphatgepufferten, 2,5 %igen Glutaraldehyd-Lösung und 1 % Osmiumtetroxid. Die Trocknung erfolgte mittels einer aufsteigenden Alkoholreihe und über Verdampfung von Hexamethyldisilazan (HDMS). Die Würmer wurden anschließend mit 20 nm Gold besputtert. a Vergrößerungsfaktor 35, b Vergrößerungsfaktor 150, c Vergrößerungsfaktor 750

Therapie

Postoperativ wurde die Patientin systemisch antientzündlich (Prednisolon oral 100 mg absteigend über 12 Tage) und lokal antibiotisch und antientzündlich mit Kombinationspräparaten (Augentropfen Gentamicinsulfat 5 mg/ml und Dexamethason 1 mg/ml 5‑mal täglich, Augensalbe mit Gentamicinsulfat 5 mg/g und Dexamethason 0,3 mg/g zur Nacht) behandelt. Im Verlauf zeigte sich eine deutliche Verbesserung des Lokalbefundes (Abb. 4). Auf eine Therapie mit einem Anthelminthikum wurde aufgrund des negativen Suchtestes für Filarieninfektionen im Blut verzichtet.

Abb. 4
figure 4

Klinischer Befund 4 Monate postoperativ

Diskussion

Bei Onchocerca lupi handelt es sich um einen Fadenwurm (Nematoden), welcher Hunde und seltener Katzen befallen kann [1]. Seit dem letzten Jahrzehnt gibt es Fallberichte über Infektionen bei Menschen aus der Türkei, dem Iran, Tunesien und zunehmend v. a. aus den USA [2]. Im Jahr 2014 wurde der erste und bislang einzige Fall aus Deutschland beim Menschen beschrieben, bei dem es sich jedoch höchstwahrscheinlich um eine aus der Türkei oder Tunesien importierte Infestation handelt [3]. Zuvor war eine Infektion bei einem deutschen Hund bereits 2002 veröffentlicht worden. Der Hund stammte aus einem Tierheim, die Ansteckungsquelle konnte nicht nachvollzogen werden [4].

Der genaue Lebenszyklus von O. lupi ist noch nicht vollständig verstanden. Bei infizierten Hunden entlassen gravide Weibchen Mikrofilarien in das subkutane Gewebe an verschiedenen Körperstellen. Während einer Blutmahlzeit werden die Mikrofilarien vom Zwischenwirt aufgenommen, welcher bislang nicht mit Sicherheit identifiziert wurde. Im Fokus steht besonders die Kriebelmücke, in Analogie zu anderen Onchocerca-Arten wie dem Erreger der Flussblindheit, O. volvulus [5].

Im Zwischenwirt entwickeln sich die Mikrofilarien zu Drittlarven (L3), wandern in das Stechwerkzeug und können während einer weiteren Blutmahlzeit auf den Endwirt übertragen werden. Auch die Inkubationszeit ist bislang nicht bekannt, basierend auf dem Wissen über andere Onchocerca-Arten wird sie auf mehrere Monate geschätzt [2]. Adulte Nematoden werden 4–12 cm lang und akkumulieren schließlich in gut perfundierten Geweben wie z. B. der Konjunktiva, der Episklera und dem Ansatz der geraden Augenmuskeln.

Bei Hunden können sich akute Infestationen durch periorbitale Schwellung, Lakrimation, Konjunktivitis, Protrusio bulbi, Chemosis, Photophobie, diffuses stromales Hornhautödem oder Netzhautablösungen äußern. Seltener finden sich schwere Verläufe mit Hornhautulzera, anteriorer und posteriorer Uveitis, Erblindung bis zur Phthisis bulbi [2]. Darüber hinaus finden sich bei chronischen Verläufen am häufigsten multiple Knötchen (sub)konjunktival, retrobulbär oder auf der Nickhaut.

Beim Menschen verlaufen Infestationen mit O. lupi in der Regel harmlos und äußern sich in der Ausbildung bulbärer subkonjunktivaler Knötchen ohne einen Effekt auf den Visus [6]. Kürzlich wurde ein ähnlicher Fall mit der Beschreibung einer nodulären Skleritis publiziert [15]. Außerdem wurde eine extraokulare Beteiligung bei 3 Kindern unter 13 Jahren beschrieben. Hier fand sich eine spinale Manifestation in Form intra- oder extraduraler Raumforderungen zwischen den Foramina intervertebralia von C2 und C4 [7,8,9].

Zur Diagnosesicherung ist die chirurgische Wurmextraktion nötig. Eine parasitologische Begutachtung kann die Würmer näher einordnen. Mittels PCR-Analyse aus dem gewonnenen Wurmmaterial kann O. lupi identifiziert werden [3, 10]. Typische morphologische Charakteristika in der Lichtmikroskopie und Rasterelektronenmikroskopie sind in einer Übersichtsarbeit dargestellt [11]. In den meisten Fällen, außer solchen mit spinaler Beteiligung, wurden lediglich nichtgravide Weibchen gefunden. Dies lässt vermuten, dass der Mensch als Fehlwirt fungiert und die Immunreaktion erwachsener Patienten ggf. die Entwicklung des Nematoden stoppen kann.

Bislang gibt es keine evidenzbasierten Therapieprotokolle zur Behandlung einer O.-lupi-Infestation. Zunächst sollte eine komplette chirurgische Sanierung angestrebt werden, wie es in allen berichteten Fällen die Vorgehensweise war. Anthelminthika (v. a. Ivermectin) sollen Mikrofilarien abtöten und die Sterilisation der weiblichen adulten Würmer induzieren [12]. Der klinische Nutzen ist noch nicht vollständig geklärt. Da bei der hier vorgestellten Patientin ein negativer Suchtest für eine Filarieninfektion im Blut vorlag, wurde auf eine entsprechende systemische Therapie verzichtet. Die lokale und systemische Anwendung von Steroiden soll die Entzündungsreaktion nach Wurmextraktion reduzieren [13], wie sie auch bei dieser Patientin zu einer Verbesserung des Lokalbefundes führte. Gegebenenfalls können Antibiotika gegen das endosymbiontische Bakterium Wolbachia wirken [14].

Fazit für die Praxis

  • Eine Ultraschallbiomikroskopie kann bei unklaren Raumforderungen der Episklera diagnostisch wichtige Hinweise liefern.

  • O. lupi sollte in den Differenzialdiagnosen anderer parasitärer Augenerkrankungen beim Menschen bedacht werden, insbesondere wenn Aufenthalte in Risikogebieten bekannt sind.

  • Bei Therapieresistenz nodulärer Skleritiden müssen neben den herkömmlichen immunologischen Diagnosen (wie z. B. Sarkoidose, Granulomatose mit Polyangiitis) auch seltene parasitäre Erkrankungen bedacht werden.