Kasuistik

Ein 56-jähriger, männlicher Patient wurde an die Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie, Medizinische Universität Wien mit Verdacht auf Ziliarkörpermelanom zugewiesen, um einen pigmentierten Iristumor des rechten Auges weiter abzuklären.

Anamnese

Bei einer Routineuntersuchung durch den niedergelassenen Augenfacharzt wurde eine pigmentierte Irisläsion festgestellt. Der Patient war subjektiv beschwerdefrei. Es lagen keine systemischen Erkrankungen oder medikamentösen Therapien vor. In der Augenanamnese fanden sich eine komplikationslose Operation des grauen Stars ca. 6 Monate sowie eine Nd:YAG-Kapsulotomie ca. 2 Monate zuvor.

Befund

Der bestkorrigierte Snellen-Visus war an beiden Augen 1,0. Bei der Spaltlampenuntersuchung vor dem Erweitern der rechten Pupille zeigte sich eine gut umschriebene, fusiforme braune Masse, welche sich, ausgehend von der Irisrückfläche, bei etwa 10 Uhr in die Pupille vorwölbte. Es zeigten sich ein homogenes Erscheinungsbild ohne intrinsische Gefäße, Feeder- oder Sentinelgefäße, kein Ektropium der Iris und keine Korektopie (Abb. 1). Das Weitstellen der Pupille führte zu einem ausgeprägten Erscheinungsbild der fusiformen, pigmentierten Läsion zwischen 7 und 11 Uhr (Abb. 2). Eine Ultraschallbiomikroskopie(UBM)-Untersuchung vor der Pupillenerweiterung zeigte eine große elongierte Zyste von ca. 4 mm Länge und einer Dicke von ca. 1 mm bei 9 Uhr an der Irisrückfläche (Abb. 3). Bei 10 Uhr 30 zeigten sich multiple kleinere Zysten im Bereich der Iriswurzel (Abb. 4). Der transversale UBM-Scan an der Iriswurzel (Abb. 5) zeigte für Zysten klassische mehrkammerige, schallleere Hohlräume mit hochechogener, dünnwandiger, scharfer Begrenzung. Im Bereich der solitären großen Zyste war der Kammerwinkel verlegt (Abb. 3). Es fanden sich weder Anzeichen für eine solide Masse noch für ein malignes Geschehen. Die Fundoskopie in Mydriase war unauffällig.

Abb. 1
figure 1

Die Spaltlampenfotografie des rechten Auges zeigt eine braune, rundliche Masse, welche sich von retropupillar vorwölbt

Abb. 2
figure 2

Das Spaltlampenfoto nach Pupillenweitstellung zeigt eindrücklich die braune Läsion, welche sich im Bereich von 8 bis 11 Uhr präsentiert

Abb. 3
figure 3

Die UBM-Untersuchung zeigt die große, elongierte Zyste von ca. 4 mm Länge und 1 mm Höhe. Dahinter zeigt sich die Kunstlinse. In der Zyste sind die Messmarker abgebildet

Abb. 4
figure 4

Die UBM-Untersuchung zeigt bei ca. 10:30 multiple kleinere Zysten

Abb. 5
figure 5

Multiple, kleine Iriszysten im transversalen Schnitt der UBM-Untersuchung. Der weiße Pfeil zeigt auf die Ziliarkörperzotten

Diagnose

Als Diagnose wurden Zysten des Irispigmentepithels gestellt.

Therapie und Verlauf

Bei subjektiver Beschwerdefreiheit wurde eine periodische Observanz 2‑mal jährlich beim Augenfacharzt empfohlen.

Diskussion

Zysten des Irispigmentepithels können beim untersuchenden Augenfacharzt den Verdacht auf ein solides Geschehen, wie z. B. ein Melanom des Ziliarkörpers [1], erwecken. Die Zysten des Irispigmentepithels präsentieren sich als braune, rundliche oder spindelförmige (fusiforme) Läsion und treten oft erst nach Weitstellen der Pupille in Erscheinung. An der Spaltlampe haben sie eine glatte bis samtige Oberfläche. Typischerweise befinden sich die Zysten an der Irisrückfläche im Bereich des Pigmentepithels und werden in der englischen Literatur anhand ihrer Lage als „midzonal“ oder „peripheral iris pigment epithelial cysts“ bezeichnet. Sie besitzen in der OCT- oder UBM-Untersuchung eine hoch reflektive, kugelige bis ellipsoide, begrenzende Wand, der Inhalt jedoch ist von sehr geringer bis keiner Reflektivität. Der Ursprung der Zysten ist nicht abschließend geklärt. Die vermuteten Ursachen von Zysten des Ziliarkörpers reichen von angeborenen Zysten bis zu mechanischen Ursachen im Rahmen der Akkommodation [2]. Dies trifft möglicherweise auch auf Zysten des Irispigmentepithels zu. Zysten des Irispigmentepithels verhalten sich typischerweise ruhig und werden im Verlauf observiert. In seltenen Fällen können die Zysten lageabhängig die optische Achse verlegen oder, wenn sie peripher auftreten, das Irisstroma nach anterior verlagern und folglich den Kammerwinkel verschließen. Differenzialdiagnostisch müssen Adenome des Irispigmentepithels [3] sowie solide Prozesse der Iris wie ein Melanom berücksichtigt werden – Letzteres auch vor dem Hintergrund, dass Irismelanome in sehr seltenen Fällen ein zystisches Erscheinungsbild aufweisen können [4]. Hier können Spaltlampen- und Ultraschalluntersuchung wichtige Hinweise geben, da im angeführten Fall [4] episklerale Sentinelgefäße beschrieben wurden und eine solide basale Komponente vorhanden war. Adenome sowie Zysten des Irispigmentepithels weisen in der Regel keine erweiterten episkleralen Gefäße auf.

Therapeutisch kann eine Feinnadelpunktion mit Zystendeflation angewendet werden [5]. Des Weiteren kann eine Neodymium-YAG-Lasertherapie der Zyste erfolgen, um diese zu eröffnen [6].

Das klinische Erscheinungsbild in Zusammenschau mit Methoden zur Darstellung des vorderen Augenabschnittes wie UBM oder optische Kohärenztomographie (OCT) des vorderen Augenabschnittes kann dem Augenfacharzt bei der Unterscheidung zwischen Iriszysten und soliden Prozessen helfen, um ein vermutetes Melanom rasch ausschließen zu können.

Fazit für die Praxis

Das klinische Erscheinungsbild in Zusammenschau mit Methoden zur Darstellung des vorderen Augenabschnittes wie UBM oder OCT kann dem Augenfacharzt bei der Unterscheidung zwischen Iriszysten und soliden Prozessen helfen, um ein vermutetes Melanom rasch ausschließen zu können.