Das trockene Auge ist eine häufige Erkrankung mit Symptomen, die die Lebensqualität der Patienten erheblich beeinträchtigen kann [1, 2]. Es wird als ebenso belastend empfunden wie Schmerzen in der Brust [3] und verursacht beträchtlichen finanziellen Schaden für das Gesundheitswesen. In einer Umfrage unter europäischen Ophthalmologen lagen die geschätzten jährlichen Gesamtkosten von 1000 Patienten mit trockenem Auge, die von Augenärzten in Deutschland behandelt wurden, bei ca. 500.000 € [4]. Globale Prävalenzschätzungen des trockenen Auges werden mit 5–50 % angegeben [5], wobei Schätzungen in Europa zwischen 10 % und 22 % liegen [6]. Die große Bandbreite der Prävalenzschätzungen ist auf unterschiedliche Definitionen des trockenen Auges, das Fehlen eines einzigen Tests zur Bestätigung einer Diagnose und die multifaktorielle Natur der Erkrankung zurückzuführen. Unumstritten ist allerdings die Tatsache, dass sie einen großen Teil der augenärztlichen Konsultationen ausmacht [7].

Im Jahr 2017 änderte die „Tear Film & Ocular Surface Society, Dry Eye Workshop II“ (TFOS DEWS II) die Definition dahingehend, dass es sich um

eine multifaktorielle Erkrankung der Augenoberfläche handelt, die durch einen Verlust der Homöostase des Tränenfilms gekennzeichnet ist und mit okulären Symptomen einhergeht, wobei Tränenfilminstabilität und Hyperosmolarität, Entzündungen und Schädigungen der Augenoberfläche sowie neurosensorische Anomalien eine ätiologische Rolle spielen.

Der Begriff „multifaktoriell“ deutet darauf hin, dass die Erkrankung als Folge mehrerer Einflussfaktoren auftritt, während der Begriff „ätiologische Rollen“ auf die Beteiligung verschiedener Wege bei der Entstehung eines trockenen Auges hinweist [8].

Die beiden Hauptkategorien sind das hyperevaporative und das hypovolämische trockene Auge mit bestimmten Risikofaktoren [9]. Zu diesen zählen Alter, weibliches Geschlecht, Kontaktlinsenträger:in [30], Medikamente (z. B. Antihistaminika, Antidepressiva, Anxiolytika oder Isotretinoin) zusammen mit konservierungsmittelhaltigen Augentropfen (z. B. zur Behandlung von Glaukom [27]), Nikotinabusus, Sjögren-Syndrom, Bildschirmarbeit, Umwelteinflüsse (z. B. Raumklima, Umweltverschmutzung [10]), Verwendung von Kosmetika (Abb. 1), Permanent-Make-up [32], Demodexbefall [28] und andere.

Abb. 1
figure 1

Lidrandnahe Make-up-Applikation mit Bedeckung der Ausführungsgänge der Meibom-Drüsen. (Bildarchiv Augenordination Dr. Laufenböck)

Insbesondere aber ist in den letzten Jahren die Dysfunktion der Meibom-Drüsen (MDD) als eine der Hauptursachen für das trockene Auge identifiziert worden, von der ca. 3,5–19,9 % der kaukasischen Bevölkerung betroffen sind [11]. Eine Meibom-Drüsen-Dysfunktion ist definiert als „eine chronische, diffuse Anomalie der Meibom-Drüsen, die häufig durch eine Obstruktion der terminalen Ausführungsgänge und/oder qualitative/quantitative Veränderungen der Drüsensekretion gekennzeichnet ist. Sie kann zu einer Veränderung des Tränenfilms, Symptomen von Augenreizungen, klinisch sichtbaren Entzündungen und Erkrankungen der Augenoberfläche führen“ [12, 13]. Es wird angenommen, dass sie zu einer schnelleren Tränenverdunstung und einer schlechteren Sehfunktion führt [14].

Die Eckpfeiler der Therapie der MDD sind warme Kompressen und Lidrandhygiene [15, 29]. Verschiedene Formen der Lidwärmetherapie verbessern nachweislich die Symptome der Patienten und die Stabilität des Tränenfilms, verlangsamen die Tränenverdunstung und reduzieren die Schädigung der Augenoberfläche. Bei schwerer MDD werden zusätzlich zu den warmen Kompressen weitere Behandlungen wie Antibiotika und das entzündungshemmende Cyclosporin A verschrieben [16,17,18,19].

Das empfohlene Schema für warme Kompressen und Lidrandhygiene ist mindestens eine tägliche Behandlung. Die klinische Erfahrung zeigt jedoch, dass viele Patienten dies nicht über einen längeren Zeitraum durchführen können. Eine schlechte Compliance bzw. Adhärenz wird zusätzlich durch die Schwierigkeit unterhalten den therapeutischen Temperaturbereich zu erreichen [20, 31]. Um die Compliance der Patienten zu verbessern, sind bequemere Behandlungsmodalitäten erforderlich. Dabei ist mittlerweile eine Vielzahl von Geräten im Einsatz [26]. Angefangen von augenlidwärmenden Methoden wie Augenmasken, wie z. B. die Posiforlid® Augenmaske (Ursapharm Arzneimittel GmbH, Saarbrücken, Deutschland) oder dem elektrischen Blephasteam® (Thea Laboratories, Clermont-Ferrand, Frankreich), bis hin zu mechanischen Massagehilfen, wie z. B das Eyepeace® (Optima Pharmazeutische GmbH, Halbergmoos, Deutschland), die allesamt eine hohe und kontinuierliche Motivation der Patienten erfordern, ist auch als eine weitere Methode zur Behandlung der MDD das „intense pulsed light“ (IPL) zu erwähnen. Dabei enthalten IPL-Geräte hochenergetische Lichtquellen, die polychromatisches Licht von 500 bis zu 1200 nm aussenden können. Das Licht wird auf das Hautgewebe gerichtet und dort abhängig von der Wellenlänge von den entsprechenden Zielstrukturen absorbiert. Dies führt zu einer Wärmeentwicklung (> 80 °C). Postulierte Mechanismen sind eine Stabilisation der Lipidschicht des Tränenfilms durch die Wärmeentwicklung sowie die erhöhte Sekretion der Meibom-Drüsen durch Aktivierung von Neurotransmittern. Der genaue Wirkmechanismus ist allerdings noch ungeklärt. Hinsichtlich der Wirksamkeit kommt ein aktueller Cochrane Review zum Schluss, dass neben möglichen Nebenwirkungen die Effektivität „unsicher“ sei und sich weitere Studien anschließen sollten [36].

Das LipiFlow®-System (TearScience Inc., Johnson & Johnson Vision, Morrisville, NC, USA), das Wärme (42,5 °C) und mechanische Pulsstimulation (12 min) an den Augenlidern und -rändern erzeugt, wird zur Behandlung von verstopften Meibom-Drüsen eingesetzt (Abb. 2). Dabei zeigen mittlerweile etliche Studien, dass es nach einer einzelnen, 12-minütigen Behandlung sowohl zur Verbesserung subjektiver als auch objektiver Parameter (wie NI-BUT oder Meibum-Sekrektion) kommt [20,21,22,23,24,25,26].

Abb. 2
figure 2

„Lipiflow-Setting“ an liegender Patientin nach Applikation eines Augentropfens Novesin® (Omnivision GmbH, Deutschland) in jedes Auge. (Bildarchiv Augenordination Dr. Laufenböck)

Da diese Ergebnisse hauptsächlich von universitären Studienzentren stammen, ist es Ziel dieser Arbeit, Real-World-Daten eines niedergelassenen Augenfacharztes zu liefern und somit die Praxistauglichkeit zu untersuchen.

Methoden

In dieser prospektiven, nicht verblindeten, Single-center-Interventionsstudie wurden 30 Patienten mit subjektiver Symptomatik eines trockenen Auges und mittels Meibographie und NIK-BUT (nicht invasive Keratograph – break up-time) nachgewiesener Meibom-Drüsen-Dysfunktion rekrutiert. Dabei durchliefen 15 eine tägliche Lidrandmassage und 15 eine einmalige Behandlung mittels LipiFlow®-System. Alle Patienten wurden zusätzlich angewiesen, 3‑mal täglich hyaluronsäurehaltige Augentropfen anzuwenden. Eine erneute Untersuchung wurde in beiden Gruppen 12 Wochen (± 0,3 Wochen) nach Behandlungsbeginn durchgeführt.

Es erfolgte neben der Erhebung des OSD-Index eine genaue Anamnese hinsichtlich der Krankengeschichte mit besonderer Beachtung evtl. Schilddrüsenpathologien, der Medikamenteneinnahme inklusive psychoaktiver Substanzen, des Nikotin‑/Alkoholkonsums sowie der täglichen Trinkmenge. Ausgeschlossen wurden Patienten bei florider Bindehaut‑/Hornhautentzündung, Demodexbefall, lokaler Vormedikation, Glaukom, fazialer Erkrankungen (z. B. Rosazea), Lidfehlstellungen wie Ektropium, Tränenwegsstenose oder Zustand nach Gesichtstraumata.

Erhoben wurden mittels Keratograph 5 der Firma Oculus die NIK-BUT, die Tränenmeniskushöhe, die LIPKO-Falten (lidkantenparallele konjunktivale Falten) sowie der Status der Meibom-Drüsen (Meibographie, Einteilung nach der „Meiboscale by Pult“ [33]: Gradeinteilung von 0 bis 4, je höher desto eingeschränkter die Funktion). Darüber hinaus wurden sowohl der allgemeine Zustand des Tränenfilms mittels Farnkrauttest (Einteilung nach der „5-point grading scale“ [34, 35]: Gradeinteilung von 1 bis 5, je höher desto eingeschränkter die Integrität des Tränenfilms) und die Expressionsfunktionalität der Meibom-Drüsen mittels „Meibomian Gland Evaluator®“ (TearScience Inc., Johnson & Johnson Vision, Morrisville, NC, USA: „Ja/nein-Test“, ob mit dem definierten Druck auf das Augenlid Meibum exprimiert werden kann) erhoben.

Die statistischen Analysen wurden durchgeführt mittels Excel Office 16 und IBM SPSS® Statistics. p < 0,05 galt als signifikant.

Jeder Patient wurde schriftlich und mündlich über die Studie informiert und jeweils eine schriftliche Einverständniserklärung eingeholt.

Ergebnisse

Das durchschnittliche Lebensalter der Patienten lag in der Lipiflow-Gruppe bei 63 Jahren (±7) und in der Lidrandhygienegruppe bei 61 Jahren (±6). Vor Beginn der beiden Therapiearme lagen in keinem Untersuchungsergebnis signifikante Unterschiede vor (OSDI: Mittelwert: 22,15 vs. 22,7, p = 0,701, Meibographie: 2,85 vs. 2,6, p = 0,068, NIK-BUT: 6,83 vs. 6,71, p = 0,907, Farnkraut: 3,55 vs. 3,7, p = 0,3398, Meibomian Gland Evaluator®: 1,8 vs. 1,9, p = 3,888, LIPKOF: 2,6 vs. 2,6, p = 0,536, Tränenmeniskushöhe: 0,43 vs. 0,44, p = 0,8386).

Bei der Kontrolle nach 3 Monaten zeigten sich folgende Ergebnisse: Eine Besserung der subjektiven und objektiven Kriterien lag in beiden Gruppen vor. Genauer betrachtet fanden sich allerdings in der Lipiflow-Gruppe bessere Werte hinsichtlich OSDI (14,15 vs. 18,5, p = 0,0090), Meibographie (1,9 vs. 2,5, p = 0,0003) (Abb. 3), NI-BUT (11,23 vs. 8,13, p = 0,0318), Farnkrauttest (2,15 vs. 3,45, p = 0,0001) (Abb. 4) und Meibomian Gland Evaluator® (1,4 vs. 1,75, p = 0,0250). Keine Unterschiede zeigten sich in der Tränenmeniskushöhe (0,45 vs. 0,41, p = 0,3354) und den LIPKO-Falten (2,45 vs. 2,4, p = 0,7566) (Tab. 1). Zu beachten war naturgemäß auch eine Compliance-Rate von 100 % in der Lipiflow-Gruppe, während anamnestisch 30 % die tägliche Lidrandbehandlung nicht oder nur teilweise durchführten.

Abb. 3
figure 3

Meibographie vor Lipiflow-Behandlung einer 59-jährigen Patientin mit MDD (a) und 3 Monate nach Lipiflow-Behandlung (b). (Bildarchiv Augenordination Dr. Laufenböck)

Abb. 4
figure 4

Farnkrauttest vor Lipiflow-Behandlung (Grad 4) einer 64-jährigen Patientin mit MDD (a) und 3 Monate nach Lipiflow-Behandlung (Grad 2) (b). (Bildarchiv Augenordination Dr. Laufenböck)

Tab. 1 Ergebnisse vor und nach Behandlung

Einen Unterschied zwischen Rauchern und Nichtrauchern (1 Raucher) bzw. zwischen Patienten ohne oder mit Schilddrüsenpathologien (2 Patienten mit behandelter Hypothyreose) konnte nicht nachgewiesen werden.

Diskussion

Meibom-Drüsen sind im Tarsus liegende Talgdrüsen, deren Ausführungsgänge in die Lidkante münden. Im Oberlid des Auges befinden sich etwa 30, im Unterlid etwa 20 tubuloalveolär verzweigte Drüsen. Dem Bau nach sind sie holokrine Talgdrüsen, d. h. der Talg (das Meibum) entsteht durch den Untergang ganzer Zellen des Drüsenepithels. Das lipidreiche Sekret nimmt nach jedem Lidschlag Kontakt mit der wässrigen Phase des Tränenfilms auf und verhindert eine Evaporation [37,38,39].

In der täglichen Arbeit einer Augenordination, aber auch in allgemeinen Augenambulanzen stellt das trockene Auge und Verwandte eine sehr häufige Entität dar [43]. Einer Hauptbeachtung bedarf dahingehend der Lidrand mit den Meibom-Drüsen. Die suffiziente Behandlung ist sowohl für die Steigerung der Lebensqualität der Patienten als auch zur Reduktion der Kontrollkonsultationen von immenser Wichtigkeit. Da bereits in vielen Studien eine Non-Compliance bis zu 50 % hinsichtlich der Applikation von Ophthalmika, aber auch der täglichen Lidrandpflege beschrieben wurde, erscheint eine Vereinfachung der Therapie sinnvoll. Vor allem die lange Dauer der Symptomlinderung bei einer Einzelintervention von 12 min erscheint in dieser Hinsicht als großer Vorteil [42].

In dieser Studie zeigten sich alle Parameter, die direkt oder indirekt auf eine Meibom-Drüsen-Dysfunktion hinweisen können, nach einer Behandlung mit einer Thermo-Pulsation oder einer 3‑monatigen täglichen Lidrandmassage signifikant verbessert, allerdings in der Thermo-Pulsation-Gruppe stärker. Diese Tatsache ist auch der 30 %igen Non-Compliance in der Lidrandmassagegruppe geschuldet. Außerdem gilt es zu beachten, dass die Wärmeapplikation zur Verflüssigung des Meibums am Lidrand transdermal etwas schlechter wirkt als vom subkonjunktivalen Raum herkommend [40].

Vor einer Behandlung mit Thermo-Pulsation ist es empfehlenswert, den Status der Lidranddrüsen zu prüfen. Auch wenn in der Literatur Steigerungen der Drüsenanzahl, die ein flüssiges Sekret abgeben, nach einer Lidrandbehandlung beschrieben sind [41], ist eine Behandlung bei völligem Fehlen Meibum-gefüllter Drüsen entweder in der klinischen Untersuchung in Form von aneinandergereihten Tyloses (Abb. 5) oder in der Meibographie als nicht sinnvoll zu erachten [42].

Abb. 5
figure 5

Tylosis: untergegangene Lidranddrüse (Pfeil). (Bildarchiv Augenordination Dr. Laufenböck)

Eindrücklich zeigt sich auch die Verbesserung des Tränenfilms im Farnkrauttest, der sich nach der Lidrandbehandlung deutlich physiologischer darstellt. Diese Ergebnisse können auch sehr anschaulich dem Patienten digital präsentiert und zur Verfestigung der Adhärenz genutzt werden.

Als Nachteil der Thermo-Pulsation sind die hohen Anschaffungskosten für eine Augenordination sowie die Kosten für Patienten zu erwähnen. Die Aktivatoren sind nach wie vor nur als „single use devices“ erhältlich und lassen sich auch nicht intraindividuell mehrmals verwenden, sodass dieser Umstand die Akzeptanz in der klinischen Praxis beeinflussen kann.

Die Einschränkungen dieser Studie waren die fehlende Randomisierung der Interventionen, die fehlende Verblindung der Untersucher und die kurze Nachbeobachtungszeit. Da die Teilnehmer nicht für die Art der Behandlung maskiert werden konnten, ist es möglich, dass ihre Wahrnehmung der Symptomschwere oder -häufigkeit durch dieses Wissen beeinflusst wurde.

Fazit

Mit steigendem Wissen um die Grundlagen, Diagnostiktechniken und Therapien des trockenen Auges wird auch ein individuelles Vorgehen möglich.

Diese Studie zeigte, dass die Thermo-Pulsationsbehandlung mittels LipiFlow®-System in der täglichen Arbeit einer Augenordination eine wichtige Bereicherung darstellt und als Alternative zur täglichen Lidrandpflege dienen kann.

Sowohl subjektive als auch objektive Parameter besserten sich bei Patienten mit einer Meibom-Drüsen-Dysfunktion deutlich und bedingen durch die In-office-Durchführung keinen Compliance-Verlust.