Anamnese und Vorgeschichte

Eine 86 Jahre alte Patientin wurde mit rezidivierendem Anstieg des Intraokulardrucks (IOD) und Uveitis unklarer Genese des linken Auges bei zunehmender Befundverschlechterung unserer Uveitis-Sprechstunde zugewiesen. Die Patientin berichtete über eine fortschreitende, schmerzlose Visusminderung links, welche im Januar begonnen hätte. Bei Verdacht auf eine glaukomatozyklitische Krise im Sinne eines Posner-Schlossman-Syndroms erfolgte eine externe Vorstellung im April des gleichen Jahres, wobei zunächst eine Vorderkammerpunktion mit anschließender Katarakt-Operation und bei ausbleibendem Therapieansprechen und persistierender Erhöhung des IOD eine Trabekulektomie durchgeführt wurden. Die genannten Eingriffe erfolgten innerhalb von 14 Tagen. Zu diesem Zeitpunkt lagen weder eine dokumentierte Raumforderung der Iris oder des Ziliarkörpers noch die im Verlauf diagnostizierte exsudative Totalamotio vor. In der mikrobiologischen und virologischen Diagnostik wurde kein Erreger nachgewiesen. Die Patientin wurde 20 Tage nach der zuletzt erfolgten Intervention in unserer Poliklinik vorstellig. Im Rahmen des externen Aufenthalts wurde keine tumorspezifische Diagnostik durchgeführt.

Befund

Der bestkorrigierte Fernvisus betrug rechts 0,5 und links Handbewegungen. Der IOD lag rechts bei 20 mm Hg und links bei 14 mm Hg. Die Lokaltherapie am linken Auge erfolgte mit Prednisolonacetat 1 % 6‑mal täglich, Moxifloxacin 2‑mal täglich und einem Kombinationspräparat aus Dorzolamid 20 mg/ml und Timolol 5 mg/ml 2‑mal täglich. Am rechten Auge lag eine reizfreie Pseudophakie vor. Am linken Auge zeigten sich Hornhautendothelpräzipitate, zweifach positive Zellen, das Tyndall-Phänomen und ein Pseudohypopyon mit einer vaskularisierten Fibrinplatte auf der Intraokularlinse (IOL). Die Iris war hyperämisch und sektoriell von 6 bis 8 Uhr mit deutlicher Prominenz (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Vorderabschnittsfoto des linken Auges: Irishyperämie mit sektorieller Raumforderung bei 6 Uhr, Pseudohypopyon und Fibrinreaktion auf der Intraokularlinse

Am rechten Auge lag die Netzhaut an. Die Papille war vital und randscharf. Am linken Auge lag kein Funduseinblick vor. In der B‑Scan-Sonographie präsentierte sich hier eine exsudative Totalamotio. Die Ultraschallbiomikroskopie (UBM) zeigte 5 Wochen nach der Katarakt-Operation eine Raumforderung im Bereich des Ziliarkörpers von 6 bis 8 Uhr mit einem maximalen Durchmesser von 5,7 mm ohne Skleradicke (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Ultraschallbiomikroskopie (UBM, ophthalmisches Ultraschallgerät AVISO S, Quantel Medical, Frankreich) des Ziliarkörpers am linken Auge: Raumforderung von 6 bis 8 Uhr mit maximal 5,7 mm Durchmesser. Messung ohne Skleradicke

Abb. 3
figure 3

Histopathologie und Immunhistochemie der Biopsie der Iris des linken Auges bei primärem Irislymphom (diffus großzelliges B‑Zell-Lymphom) des linken Auges. a Hämatoxylin-Eosin-Färbung (HE, Vergr. 100:1). Dichte Infiltration durch die Tumorzellen. b Immunhistochemische Färbung gegen CD3 bei begleitender T‑lymphozytärer Infiltration (Vergr. 100:1). c Immunhistochemische Färbung gegen CD20 mit kräftiger CD20-Expression der Tumorzellen (Vergr. 100:1). d Immunhistochemische Färbung gegen Ki67 als Proliferationsmarker (Vergr. 100:1)

Die Patientin wurde zur Vitrektomie mit Retinotomie, IOL-Explantation sowie Vorderkammer- und Glaskörperproben stationär aufgenommen. Intraoperativ erfolgte eine diagnostische Biopsie der Raumforderung mittels Sektoriridektomie bei 6 Uhr, sodass keine Andoiridektomie angelegt wurde. Als Endotamponade wurde aufgrund der exsudativen Totalamotio Silikonöl verwendet (Siluron® 2000).

Pathologischer Befund

Histopathologisch war das exzidierte Gewebe nahezu vollständig eingenommen von einem atypischen nichtkohäsiven, blastenreichen lymphoiden Infiltrat, bestehend aus dicht gelagerten Zellen mit mittelgroßen rundlichen Kernen (Abb. 3). In dem Infiltrat imponierten mehrere Gefäße.

Wie lautet Ihre Diagnose?

Immunhistochemischer Befund

Die Immunhistochemie (Abb. 3) zeigte ein blastoides B‑lymphozytäres Infiltrat (CD20-positiv) bei kräftiger Positivität für BCL2 (engl. B-cell lymphoma 2) mit einer hohen proliferativen Aktivität (Ki67 60 %), sodass bei alleiniger Tumormanifestation in dieser Lokalisation die Diagnose eines diffus großzelligen B‑Zell-Lymphoms des Ziliarkörpers mit Irisbeteiligung gestellt wurde. Eingestreut fanden sich begleitende deutlich kleinere T‑Lymphozyten mit Expression von CD3 und CD5 und abschnittsweise HGAL (engl. human germinal center-associated lymphoma).

Weiterer Verlauf

Zum Staging und interdisziplinären Therapieeinleitung folgte die Vorstellung in der Hämatoonkologie. Hierbei wurden eine umfassende laborchemische Untersuchung des Bluts, eine körperliche Untersuchung und Sonographie des Abdomens durchgeführt. Die kontrastmittelgestützte Magnetresonanztomographie (MRT) war ohne Anhalt für einen intrakraniellen oder anderweitig lokalisierten Malignombefall. Im ophthalmoonkologischen Tumorboard wurde nach Ann Arbor Stage System ein Stadium 1EA definiert. Es handelte sich um einen solitären extranodalen Befall ohne B‑Symptomatik.

Diagnose: Primäres Ziliarkörperlymphom mit Irisbeteiligung (diffus großzelliges B‑Zell-Lymphom)

Es erfolgte auf Wunsch der Patientin eine Monotherapie des CD-20-Antikörpers Rituximab im 3‑wöchigen Rhythmus über 12 Zyklen mit Erhaltungstherapie im 8‑wöchigen Rhythmus über 2 Jahre. Hierunter zeigte sich in der MRT ein partielles Ansprechen. Eine B‑Symptomatik lag zu keinem Zeitpunkt vor. Die ophthalmologischen Kontrollen erfolgten in 6‑monatigem Rhythmus. Der Visus lag weiterhin bei Handbewegungen bei normwertigem IOD. Die Enukleation des Auges und eine perkutane Strahlentherapie waren in Anbetracht des erhöhten Lebensalters und fehlenden Schmerzen nicht gewünscht. Die intravitreale Injektion mit Rituximab war bei ausgeprägter Schrankenstörung und Silikonöltamponade sowie stabilen Befunden unter systemischer Therapie nicht indiziert.

Diskussion

Intraokuläre Lymphome sind eine heterogene Gruppe seltener, lymphoproliferativer Neoplasien und werden nach ihrer anatomischen Lokalisation klassifiziert. Primär vitreoretinale Lymphome sind von uvealen Lymphomen zu differenzieren. Letztere sind selten, treten meistens unilateral auf und können die Aderhaut, die Iris und den Ziliarkörper befallen. Nach chirurgischen Manipulationen kann es zur extraokulären Ausdehnung des Lymphoms kommen [2,3,4,5]. Der in diesem Fall beschriebene IOD-Anstieg kann durch die Störung der Blut-Kammerwasser-Schranke mit folglich erhöhtem Plasmaproteingehalt in der Vorderkammer bedingt sein. Dies könnte akut und chronisch zu einer Obstruktion des Abflusses über das Trabekelmaschenwerk geführt haben. Außerdem lag neben einer intensiven, steroidhaltigen Lokaltherapie wegen des Uveitisverdachts aufgrund der Raumforderung auch eine mechanische Obstruktion vor.

Aufgrund des seltenen Auftretens der beschriebenen Tumorentität gibt es zwar aktuelle Expertenempfehlungen von Kakkassery et al., jedoch bisher noch kein standardisiertes Vorgehen. In der genannten Publikation werden die Lymphome abhängig von ihrer Morphologie klassifiziert, sodass der hier beschriebene Tumor bei dominanter Ausprägung im Bereich des Ziliarkörpers als primäres Ziliarkörperlymphom mit Irisbeteiligung definiert wird. Der Goldstandard zur Diagnosesicherung ist die Gewebebiopsie mit histopathologischer und immunhistochemischer Aufarbeitung. Anschließend folgt ein Staging durch die Hämatoonkologie mit Durchführung einer laborchemischen Untersuchung des Bluts, körperlichen Untersuchung, Sonographie des Abdomens, MRT oder Computertomographie (CT) von Kopf, Hals, Thorax und Abdomen sowie einer Knochenmarkpunktion und gegebenenfalls Positronenemissionstomographie (PET). Im interdisziplinären Tumorboard wird ein individuelles Therapiekonzept erarbeitet. Häufig beinhaltet es eine Kombination aus systemischer Chemotherapie, Checkpointinhibitoren und Immuntherapie sowie bei visusbedrohenden Befunden einer Strahlentherapie mit 40–80 Gy. Chirurgische Optionen sind intraokuläre Injektionen mit Methotrexat oder Rituximab sowie die Enukleation des Auges. Die erste ophthalmologische Kontrolle sollte nach 6 Wochen erfolgen. Anschließend beträgt das empfohlene Kontrollintervall im ersten Jahr 3 Monate und im zweiten Jahr 6 Monate [1, 4].

Fazit für die Praxis

  • Primäre Ziliarkörperlymphome mit Irisbeteiligung sind selten.

  • Die Biopsie des Befundes gilt als Goldstandard zur Diagnosesicherung.

  • Ein interdisziplinäres Tumorboard ist zur Therapieplanung unerlässlich.

  • Definitive Therapieoptionen umfassen die Strahlentherapie, Immuntherapie mit Rituximab, Chemotherapie und Enukleation des betroffenen Auges.