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Anamnese
Eine 69-jährige Frau stellte sich zur Mitbeurteilung einer diffusen Bindehautpigmentierung beidseits vor, die im Rahmen einer augenärztlichen Routineuntersuchung festgestellt wurde. In den zurückliegenden 10 Jahren fanden keine augenärztlichen Konsultationen statt. Akute ophthalmologische Beschwerden oder eine Sehminderung wurden von der Patientin verneint. Allgemeinanamnestisch seien ein Schilddrüsenknoten und eine rechtsseitige Karotisstenose unter aktuell medikamentöser Behandlung mit Aspirin, Statinen und Ezetimib bekannt. Der bestkorrigierte Visus betrug beidseits 1,0, der Augeninnendruck 17/15 mm Hg. Vorangegangene okuläre Eingriffe, u. a. Laserbehandlungen oder Operationen, wurden verneint. Eine zusätzliche Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln lag nicht vor.
Befund
Spaltlampenmikroskopisch zeigte sich beidseits eine diffuse schwärzliche Bindehautpigmentierung insbesondere im inferioren Bereich, aber auch mit Beteiligung von Plica und Karunkel bei gleichzeitiger Aussparung der subtarsalen Bindehaut des Ober- und Unterlids (Abb. 1). Darüber hinaus zeigte sich beidseits seitengleich ein diffuser, punktförmiger, braungrauer Hornhautbeschlag, der sich in den tieferen Hornhautschichten gleichmäßig von der zentralen Hornhaut bis hin zum Hornhautlimbus erstreckte. Es zeigte sich kein Anhalt für eine akute oder abgelaufene intraokulare Entzündung, und die Linse und der Fundus waren altersentsprechend. In der erweiterten Anamnese berichtete die Patientin, seit ca. 30 Jahren 1‑ bis 2‑mal wöchentlich aus kosmetischen Gründen eine schwarz färbende Augenbrauen- und Wimpernfarbe (Swiss O Par, Fa. Rufin cosmetic, Deutschland) aufzutragen. Berufsanamnestisch war die Patientin als Sacharbeiterin im öffentlichen Dienst beschäftigt, eine langfristige erhöhte Exposition gegenüber chemischen Produkten war nicht bekannt. Aufgrund des unklaren okulären Befundes und zum Ausschluss einer malignen Genese entschieden wir uns für eine Probeexzision im Bereich der Bindehautpigmentierung.
Histopathologische Untersuchung
Für die histopathologische Routineuntersuchung wurden die entnommenen Bindehautproben in 4%igem Paraformaldehyd fixiert und histologisch aufgearbeitet.
In der histologischen Untersuchung des Bindehautbiopsats (Abb. 2a) zeigte sich in der Hämatoxylin-Eosin Färbung (HE) ein regelrechtes becherzellhaltiges Bindehautepithel mit einer diffusen stromalen Entzündungsreaktion. In der stärkeren Vergrößerung (Abb. 2b) imponierte eine vorwiegend im oberen Stroma gelegene feingranuläre, schwärzliche Pigmentierung, die vorwiegend an Kollagenfasern angelagert erschien und nur selten Zellen zugeordnet werden konnte. Stellenweise zeigte sich die entsprechende Pigmentierung allerdings auch in basalen Epithelzellen. Die Spezialfärbung (Masson-Fontana) zum Nachweis von Silber bestätigte den Ursprung der Granula als silberhaltig (Abb. 3).
Diagnose und Verlauf
In der Zusammenschau des klinischen und histopathologischen Befundes ließ sich die Diagnose von Silbereinlagerungen im Bereich der Bindehaut nach jahrzehntelanger Applikation der Wimpern- und Augenbrauenfarbe stellen. Naheliegend ist, dass auch die in der klinischen Untersuchung gut sichtbaren Ablagerungen der Hornhautrückfläche auf die Applikation des mit Silbernitrat versetzten Kosmetikaprodukts zurückzuführen sind. Eine ergänzende serologische Untersuchung zum Nachweis einer systemischen Silbernitratbelastung ergab einen unauffälligen Befund. Die weiterführende Diagnostik inklusive Vorderabschnitts-OCT, Pentacam und Endothelzellzahlmessung ergab einen zum jetzigen Zeitpunkt unauffälligen Vorderabschnittsbefund ohne Hinweis auf eine Endotheldekompensation. In den Verlaufsuntersuchungen 4 und 12 Wochen nach der Probenentnahme präsentierte sich der Befund lokal unverändert bei gleichbleibend voller Sehschärfe trotz sofortigen Absetzens des Kosmetikaprodukts nach der Probenentnahme.
Diskussion
Neben dem bekannten Einsatz von Silber in Metallprodukten oder auch Schmuckartikeln wird Silber häufig in kosmetischen Produkten in Form von Mikrosilber eingesetzt. Zudem handelt es sich aufgrund seiner antibakteriellen und auch entzündungshemmenden Charakteristika um einen häufigen Bestandteil in Hautpflegeprodukten, Deodorants und auch Kosmetika. Bei Neugeborenen wurden früher zudem silberhaltige Augentropfen als Prophylaxe einer Gonokokkenkonjunktivitis eingesetzt (sog. Credé-Prophylaxe).
In einer Reihe von Fallberichten wurden Silberreste in Haut und Schleimhaut, aber auch in inneren Organen nach der systemischer Einnahme von silberhaltigen Medikamenten in oraler Form nachgewiesen [1, 11]. Auch ophthalmologisch wurde bereits von Silberresten im Bereich der Augenadnexe, der Bindehaut und Hornhaut (im Bereich der Descemet-Membran) sowie auch intraokular u. a. im Kammerwinkel nach längerfristiger topischer oder systemischer Einnahme von silberhaltigen Medikamenten oder auch der beruflichen Exposition gegenüber Silber berichtet [2, 4, 6,7,8,9,10]. Eine zunehmende Anzahl von Fallberichten thematisiert den ophthalmologischen Nachweis von Silberresten nach der langjährigen lokalen Anwendung von silberhaltigen Augentropfen oder Kosmetikaprodukten wie Wimpern- und Augenbrauenfärbemitteln [3, 4]. In diesem Zusammenhang konnte bereits histologisch der Nachweis von abgelagerten Silberresten im Tränensackbereich oder auch der Bindehaut nach Applikation von silberhaltigen Augentropfen erbracht werden [3, 9].
Ähnlich wie in unserem beschriebenen Fall wurde in einer Fallserie von Gallardo et al. nach langjähriger Kosmetikapplikation eine gräulich-braune Ablagerung im Bereich des Hornhautstromas und der Descemet-Membran beobachtet [3]. Ein histologischer Nachweis fehlte hier jedoch, da kein Hornhautmaterial in vivo entnommen werden konnte. In 2 weiteren Arbeiten, die ein entnommenes Hornhautpräparat mittels Elektronenmikroskopie untersuchten [5, 8], sowie auch in weiteren Arbeiten, die In-vivo-Untersuchungen u. a. mit der konfokalen Mikroskopie durchführten [6, 12], konnten darüber hinaus Silberreste im Bereich der Bowman-Schicht, in dem Hornhautstroma und der Descemet-Membran nach der langjährigen Exposition gegenüber Silber nachgewiesen werden. Interessanterweise wurde im Rahmen einer 3‑jährigen Nachverfolgung eines Patienten zwar ein Rückgang der Einlagerungen im Stroma beobachtet, jedoch persistierten weiterhin Silberreste im Bereich der Descemet-Membran bei gleichzeitig abnehmender Anzahl an regelrecht konfigurierten Endothelzellen [12].
Unser Bericht beschreibt nun einen weiteren Fall mit hochgradigem Verdacht auf eine descemetale Ablagerung von Silber bei gleichzeitig histologisch nachgewiesener Ablagerung von Silber in der korrespondierenden Bindehaut. Eine histologische Untersuchung des originalen Wimpern- und Augenbrauenfärbepräparats zeigte zudem dasselbe morphologische Bild wie die Bindehautprobe. So ist zu vermuten, dass es über den Tränenfilm zu einer jahrzehntelangen Exposition der Hornhaut mit Silbernitrat gekommen ist – wobei noch hinzukommt, dass das Produkt häufiger als empfohlen angewendet wurde. Obwohl der genaue Pathomechanismus unter Berücksichtigung der aktuellen Literatur unklar bleibt, ist es denkbar, dass das Silbernitrat über Diffusion oder auch einen aktiven Transport vom Epithel bis zur Descemet-Membran gelangt. In der Verlaufskontrolle unserer Patientin war keine Abnahme der Endothelzahl messbar, und auch die weiterführenden Vorderabschnittsuntersuchungen mittels OCT, Endothelzellmessung und Pentacam-Diagnostik waren unauffällig. Auch wenn wir hier von einer descemetalen Silberablagerung ausgehen, bleibt in unserem Fall zu beobachten, ob im langfristigen Verlauf eine Endotheldekompensation oder andere Komplikationen auftreten.
Fazit für die Praxis
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Die Anwendung von silberhaltigen Wimpern- und Augenbrauenfärbemitteln kann zu einer konjunktivalen und auch kornealen Ablagerung von Silber führen.
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Klinisch und histologisch sind diese von anderen pigmentierten Prozessen abzugrenzen.
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Komplikationen sind zwar selten, können jedoch langfristig nicht ausgeschlossen werden.
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Saßmannshausen, M., Herwig-Carl, M.C., Holz, F.G. et al. Okuläre Argyrose nach langjähriger Applikation von Wimpern- und Augenbrauenfarbe. Ophthalmologie 119, 962–965 (2022). https://doi.org/10.1007/s00347-021-01499-x
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