Die weltweite Ausbreitung des Erregers „schweres akutes respiratorisches Syndrom-Coronavirus‑2“ (SARS-CoV‑2) hatte von Anfang an Auswirkungen auf die Arbeit von Hornhautbanken und führte zu Diskussionen über die Sicherheit der gängigen Verarbeitungsprozesse von Hornhautgewebe für die Transplantation.

In verschiedenen Studien fanden sich seit Beginn der Pandemie Hinweise, dass die Augen als mögliche Eintrittspforte für das neu aufgetretene SARS-Virus fungieren können, in diesem Zusammenhang sind auch SARS-CoV-2-assoziierte Konjunktivitiden beschrieben [1, 2].

Eine valide Risikoeinschätzung zu einer möglichen Mitarbeiter- oder Patientengefährdung im Rahmen der Gewinnung und Prozessierung von Hornhautgewebe und der Hornhauttransplantation war aufgrund fehlender Informationen schwierig. Einerseits konnte bei bisher bekannten Coronaviren wie „schweres akutes respiratorisches Syndrom-Coronavirus(‑1)“ (SARS-CoV(‑1)) oder „Nahost-Atemwegssyndrom-Coronavirus“ (MERS-CoV) nie eine Übertragung über okuläres Gewebe im Rahmen von Transplantationen gezeigt werden, andererseits zeichnete sich das SARS-CoV‑2 insbesondere auch in Bezug auf eine leichtere Mensch-zu-Mensch-Übertragbarkeit aus. Die Tatsache, dass gerade ein chinesischer Augenarzt als einer der Ersten öffentlich auf die Pandemie aufmerksam machte und danach selbst an der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID‑19) erkrankte und verstarb, erzeugte weitere Unsicherheit gerade unter den Ophthalmologen.

Hornhautspende im Rahmen der COVID-19-Pandemie

Die im Rahmen der Pandemie für deutsche und europäische Hornhautbanken relevanten Empfehlungen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) zu Vorsichtsmaßnahmen bei der Gewinnung und Prozessierung von Spenderhornhautgewebe zielen daher darauf ab, vorsichtshalber mögliche SARS-CoV-2-Infizierte und COVID-19-Erkrankte grundsätzlich als Gewebespender auszuschließen. Eine Gewebeentnahme soll auch bei Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion beim Spender und in einem entsprechenden Sicherheitsintervall nach durchgemachter Erkrankung nicht erfolgen [3, 4]. Manche Hornhautbanken führten über diese Empfehlungen hinaus zusätzlich routinemäßig Bindehaut- und/oder Rachenabstriche für einen direkten SARS-CoV-2-Nachweis mittels Polymerasekettenreaktion(PCR)-Diagnostik ein, auch wenn die Aussagekraft dieser Abstriche nach wie vor unklar ist und keine Validierung für postmortale Untersuchungen vorliegt. Der Ausschluss Verstorbener mit bereits nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion oder mit COVID‑19 als Spender stellt für die Gewebebanken organisatorisch kein Problem dar.

Die Gefahr einer ungewollten Spenderhornhautentnahme bei einem SARS-CoV-2-positiven Verstorbenen besteht v. a. bei asymptomatischen Virusträgern mit einer nicht SARS-CoV-2-assoziierten Todesursache.

Von besonderem Interesse sind für die Hornhautbanken im Rahmen der aktuellen COVID-19-Pandemie unter anderem folgende Fragen:

  1. 1.

    Kann sich das Gewebeentnahmeteam am Leichnam mit SARS-CoV‑2 infizieren?

  2. 2.

    Ist im Rahmen der Präparation und Organkultur der Hornhaut eine Gefährdung für die Mitarbeiter oder andere in der Gewebebank kultivierte Gewebe gegeben?

  3. 3.

    Kann SARS-CoV‑2 mittels einer Hornhauttransplantation auf den Empfänger übertragen werden und ggf. dort COVID‑19 auslösen?

Zu Punkt 1 sind die gesicherten und vermuteten Übertragungswege des SARS-CoV‑2 von Mensch zu Mensch zu berücksichtigen (z. B. über Aerosole oder Tröpfchen‑/Schmierinfektion), hier ist die konsequente Anwendung der entsprechenden Empfehlungen des ECDC (EU) und der „Centers for Disease Prevention and Control“ (CDC, USA) hinsichtlich des Umgangs mit postmortalem Gewebe von COVID‑19-Verstorbenen anzuraten [5, 6]. Es können je nach Risikoabschätzung unter Berücksichtigung besonderer lokaler Gegebenheiten zusätzliche Maßnahmen sinnvoll sein, wie z. B. der Ausschluss bestimmter Entnahmeräume oder Krankenstationen.

Zu den Punkten 2 und 3 gibt es momentan keine gesicherten Daten. Die aktuellen Risikoabschätzungen stützen sich v. a. auf die Charakteristika anderer Viren, insbesondere Coronaviren wie SARS-CoV(‑1) und MERS-CoV, bei denen keine Virusübertragung über Gewebespenden beschrieben wurde. Allerdings ist auch hier die Datenlage dürftig. Eine Übertragung von SARS-CoV‑2 über Spendergewebe ist bisher ebenfalls nicht bekannt [3, 4].

In diesem Zusammenhang ist insbesondere die nähere Betrachtung der Hornhautorgankultur von besonderem Interesse. Untersuchungen an Organkulturen könnten helfen zu klären, ob SARS-CoV‑2 unter bestimmten Bedingungen in zur Transplantation vorgesehenem Gewebe auftreten kann.

In den westeuropäischen Hornhautbanken erfolgt die Lagerung von Hornhautgewebe zum Zwecke der Transplantation überwiegend unter Organkulturbedingungen. Hornhäute werden hier in der Regel bei einer Temperatur von 31–37 °C in Kultur gehalten. Als Medium wird meist „Minimum Essential Medium“(MEM)-Earle’s mit Zusatz von fötalem bovinem Serum (FBS) und Antibiotika/Antimykotika verwendet [7]. Die v. a. in den USA verbreitete sog. Cold-Store-Technik, bei der das Gewebe bei 4 °C gelagert wird, wird in Europa auch verwendet, aber nur von einem kleineren Teil der Hornhautbanken.

Interessanterweise sind die Kulturbedingungen der Hornhautorgankultur den von Virologen verwendeten Bedingungen zur In-vitro-Anzucht und Analyse von Coronaviren sehr ähnlich.

In der Regel wird SARS-CoV‑2 in Vero-Zellen angezüchtet, die in MEM kultiviert werden. Nach Infektion mit SARS-CoV‑2 akkumuliert das Virus dann im Zellkulturüberstand. Der Virusnachweis kann unter anderem mittels Reverse-Transkriptase-Polymerasekettenreaktion (RT-PCR) am Medium erfolgen [8, 9].

In der Routinediagnostik der Hornhautbanken wird das Hornhautkulturmedium immer auf bakterielle und mykotische Kontamination untersucht. In der Regel erfolgt aber keine Testung auf Viren, obwohl bekannt ist, dass bestimmte Viren im Medium der Hornhautorgankultur detektiert werden können [10, 11].

Es existiert jedoch zum heutigen Stand nur eine überschaubare Anzahl von Studien, die sich mit dem Nachweis von Viren in der Hornhautorgankultur und der Übertragbarkeit von Viren über korneales Gewebe beschäftigen. Insbesondere lag der bisherige Fokus hier auf Herpesviren, bei denen eine Übertragbarkeit als gesichert gilt, es gibt aber auch Arbeiten zu Adenoviren und Influenzaviren [10, 12]. Hinsichtlich Coronaviren, insbesondere SARS-CoV‑2 als auch SARS-CoV(‑1) oder MERS-CoV sind bislang für den Nachweis in der Hornhautorgankultur keine Daten publiziert.

SARS-CoV-2-Virennachweis in Hornhautkultur?

Bezüglich eines möglichen Nachweises von SARS-CoV‑2 in Hornhautkulturmedium gibt es aktuell eine Reihe von offenen Fragen, die geklärt werden müssen.

Es ist derzeit nicht sicher, ob und wann SARS-CoV‑2 in der Hornhaut vorkommen kann und ob in kornealen Zellen Virusreplikation stattfindet. Auch der ideale Zeitpunkt für eine SARS-CoV-2-PCR im Hornhautkulturmedium während der Kulturphase muss bestimmt werden, abhängig von der Kinetik der Replikationskurve.

Das Vorkommen von Angiotensin-konvertierendes Enzym 2 (ACE2)-Rezeptoren in der Kornea wurde bereits in verschiedenen Studien gezeigt [13, 14]. Eine Infektion von Hornhautgewebe mit SARS-CoV‑2 ist damit grundsätzlich vorstellbar (s. Leitthema-Beitrag von Schnichels et al.). Ein sicherer Nachweis für eine tatsächliche Infektion kornealen Gewebes mit SARS-CoV‑2 steht bislang jedoch aus.

Zur Klärung, ob eine korneale Infektion mit SARS-CoV‑2 auftreten kann, sind weitere Untersuchungen zwingend notwendig. Es gibt bislang allenfalls Indizien, dass in Einzelfällen SARS-CoV‑2 in der Kornea zu finden ist, diese Daten sind allerdings bislang wenig belastbar [15, 16].

Es kann derzeit nur spekuliert werden, von welchen Faktoren ein positiver SARS-CoV-2-Nachweis bei Spenderhornhäuten abhängen könnte. Bei Blutprodukten beispielsweise gelang der seltene Nachweis von SARS-CoV-2-RNA im Blut nur bei schwer an COVID-19-Erkrankten, aber nicht bei asymptomatischen oder leicht symptomatischen SARS-CoV-2-positiven Blutspendern [17]. Es wurde auch schon diskutiert, ob eine Infektion okulären Gewebes etwa nur im Rahmen eines okulären Übertragungsweges von SARS-CoV‑2 auftreten kann [18]. In einer aktuellen Studie an Bulbi von an COVID-19 verstorbenen Spendern konnte in 3 von 14 Fällen SARS-CoV-2-RNA in der Retina nachgewiesen werden [19].

In einer eigenen Studie konnten wir bislang bei Spenderhornhäuten von 5 an COVID-19 Verstorbenen keine SARS-CoV-2-RNA detektieren (s. Leitthema-Beitrag von Bayyoud et al.). Diese Daten sind jedoch bislang mit Vorsicht zu betrachten, zum einen ist die Zahl der untersuchten Augen insgesamt noch sehr klein, zum anderen bedeutet auch ein positiver RNA-Nachweis nicht unbedingt eine Infektiosität des Gewebes. Außerdem könnten okuläre Gewebe, die zu einem früheren Zeitpunkt der SARS-CoV-2-Infektion entnommen wurden, ganz andere Resultate zeigen.

Man muss davon ausgehen, dass die unerwünschte Entnahme von Spenderhornhäuten SARS-CoV-2-positiver Spender nur in der ersten, noch asymptomatischen Phase der Infektion erfolgt oder bei generell asymptomatischen SARS-CoV-2-Infizierten. Der Anteil solch asymptomatischer SARS-CoV-2-Infizierter ist jedoch nach wie vor unklar [20, 21].

Die entscheidende Frage ist, ob es grundsätzlich in der Hornhaut einen Tropismus des SARS-CoV‑2 gibt und, wenn ja, in welcher Phase der Infektion und wie häufig ein solcher auftritt.

Eine systematische routinemäßige Untersuchung von Hornhautmedien in Zeiten der COVID-19-Pandemie könnte hier Klarheit schaffen und die Gefahr einer unerkannten Gewebekontamination bei Hornhauttransplantationen weiter minimieren.

Schlussfolgerung

Aufgrund der noch unklaren Datenlage in Bezug auf die Sicherheit kornealen Gewebes in Zeiten der COVID-19-Pandemie stellen wir zur Diskussion, neben einer möglichen direkten Gewebetestung (s. auch Leitthema-Beitrag von Bayyoud et al.) auch Hornhautorgankulturmedien zumindest vorübergehend auf SARS-CoV‑2 zu testen. Dies könnte wichtige Daten zur Abschätzung liefern, ob tatsächlich unter bestimmten Bedingungen korneales Gewebe SARS-CoV-2-infiziert ist. Außerdem kann bei Auftreten solcher Infektionen analysiert werden, ob diese die normale Kulturdauer einer Spenderhornhaut vor Transplantation überdauern und dann ggf. ein Risiko bei der Hornhauttransplantation darstellen. Um eine aussagekräftige Anzahl zufällig SARS-CoV-2-positiver, symptomloser Spender zu erhalten, ist eine Testung wahrscheinlich nur in der Pandemiezeit sinnvoll. Außerdem benötigt es voraussichtlich eine sehr hohe Anzahl an Testungen, um die Rate möglicher Infektionen einschätzen zu können.

Eine Analyse des Kulturmediums bietet einige Vorteile gegenüber einer möglichen direkten Testung von Hornhautgewebe. Eine direkte Testung überschüssigen Hornhautgewebes kann entweder in einer kleinen Stanze außerhalb des zu transplantierenden Bereichs vor Transplantation erfolgen oder grundsätzlich auch am kornealen Ring nach perforierender Keratoplastik oder am Stroma nach posteriorer lamellärer Keratoplastik (DMEK). Hier kann vor einer Transplantation dann jedoch nur ein sehr kleiner Teil der Hornhaut getestet werden. Über eine PCR am Kulturmedium wird dagegen indirekt die gesamte Hornhaut getestet. Das heißt, auch bei einer Infektion nur weniger kornealer Zellen könnte ein Virusnachweis noch möglich sein. Außerdem kann problemlos vor der Transplantation und zu verschiedenen Zeitpunkten ab Inkulturnahme getestet werden, um etwa eine Persistenz einer zunächst bestehenden SARS-CoV-2-Infektion bis zur Transplantation auszuschließen. Es ist auch zu bedenken, dass ein Nachweis von viraler RNA nur im Hornhautgewebe (z. B. Stanze) ohne positiven Kulturnachweis nicht unbedingt eine noch bestehende Infektiosität des Gewebes bedeutet. Studien zum Nachweis einer Infizierbarkeit kornealen Gewebes mit SARS-CoV‑2 und zur anschließenden Virusdetektion im Hornhautkulturmedium sind daher vor Einführung routinemäßiger Tests zwingend notwendig. Kritisch abzuwägen sind auch der Kostenfaktor und die Verfügbarkeit der möglicherweise lokal begrenzten Testkapazitäten.

Fazit für die Praxis

  • Aktuell gibt es keinen sicheren Hinweis auf kornealen Tropismus des „schweres akutes respiratorisches Syndrom-Coronavirus 2“ (SARS-CoV‑2).

  • Angiotensin-konvertierendes Enzym 2(ACE2)-Rezeptoren wurden in Korneagewebe nachgewiesen.

  • Die Polymerasekettenreaktion(PCR)-Kontrolle des Organkulturmediums könnte eine sinnvolle Möglichkeit zum Nachweis replizierbarer Viren in einer Spenderhornhaut darstellen.

  • Die Nutzbarkeit einer in Zeiten der Coronavirus-Krankheit-2019(COVID-19)-Pandemie (oder späterer potenzieller Ausbrüche) standardmäßigen Prüfung von SARS-CoV-2-RNA in Kulturmedium zusätzlich zur Routinediagnostik muss evaluiert werden.