Anamnese und Untersuchung

Vorstellig wurde ein 86-jähriger Patient mit linksseitiger Visusminderung am Oculus melior nach einer 4 Wochen zuvor komplikationslos erfolgten Kataraktoperation. Der Patient berichtete von einem direkt nach der Operation einsetzenden und im Verlauf zunehmenden diffusen Nebelsehen ohne Schmerzen. Als postoperative Therapie erhielt der Patient Dexa-Gentamicin Augentropfen (AT) 5‑mal täglich und Dexa-Gentamicin Augensalbe (AS) zur Nacht (URSAPHARM Arzneimittel GmbH, Saarbrücken, Deutschland). Bei dem Patienten bestand rechtsseitig eine Amblyopie. Die 3 Wochen zuvor rechtsseitig erfolgte Kataraktoperation war komplikationslos verlaufen. Der Visus vor Kataraktoperation betrug bestkorrigiert rechts Handbewegung (HBW) und links 0,4. Vorbestehende Hornhautpathologien wie Cornea guttata lagen nicht vor. Die allgemeine Anamnese war bis auf Vorhofflimmern blande. Bei der Vorstellung in unserer Klinik lag der Visus rechtsseitig bei 0,05 und linksseitig bei HBW. Der applanatorisch gemessene Augeninnendruck lag am rechten Auge bei 16 und am linken Auge bei 24 mm Hg. Spaltlampenbiomikroskopisch zeigte sich rechtsseitig ein regelrechter postoperativer Befund, während am linken Auge bei ansonsten reizarmem intraokularem Befund ein diffuses stromales Hornhautödem mit Descemet-Falten vorlag (Abb. 1). Rechtsseitig lag die Netzhaut fundoskopisch an, linksseitig war die Netzhautbeurteilung aufgrund der Hornhautsituation nur sonographisch möglich und zeigte einen regelrechten Befund. Aufgrund des vorliegenden Befundes verordneten wir zusätzlich eine entquellende und drucksenkende Therapie mit Omni Sorb AT (OmniVision, Puchheim, Deutschland) 4‑mal täglich und Latanoprost AT zur Nacht. Bei der nächsten Kontrolle nach 5 Tagen zeigte sich jedoch bei nun normotoner Tensiolage ein morphologisch unveränderter Befund ohne Visusverbesserung.

Abb. 1
figure 1

Spaltlampenbilder des linken Auges: a vorderer Augenabschnitt, b vergrößerte Aufnahme der Hornhaut mit diffusem Hornhautödem bei Erstvorstellung

Spezielle Diagnostik

Aufgrund der ausbleibenden Besserung unter den oben aufgeführten konservativen Maßnahmen führten wir eine optische Kohärenztomographie (OCT) der Hornhaut durch. Der OCT-Befund zeigte eine Descemet-Membran-Ablösung (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Optische Kohärenztomographie (OCT) der Hornhaut des linken Auges bei Erstvorstellung: Descemet-Membran-Ablösung

Wie lautet Ihre Diagnose?

Therapie und Verlauf

Es erfolgte eine operative Versorgung mittels Gaseingabe in die Vorderkammer nach chirurgischer Iridektomie. Postoperativ war die Descemet-Membran (DM) superior anliegend, inferior bestand zunächst weiterhin eine Descemet-Membran-Ablösung, sodass ein Re-Bubbling erfolgte. Danach zeigte sich ein zufriedenstellender Befund mit Descemet-Anlage. Im Verlauf zeigte sich im Rahmen der zunehmenden Aufklarung der Hornhaut ein kontinuierlicher Visusanstieg bis zu einem Visus von 1,0 (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Postoperative Untersuchungsergebnisse 2 Wochen (ad), 1 Monat (be) und 4 Monate (cf) nach der Operation

Diskussion

Descemet-Membran-Ablösungen nach Kataraktoperation stellen eine seltene (0,5 %), aber potenziell visusbedrohende Komplikation dar [1]. Sie wurde erstmals 1928 von Samuels beschrieben [19] und ereignet sich, wenn es zu einem Trauma mit Defekt im Bereich der Pre-Descemet-Membran kommt und die einströmende Flüssigkeit den Descemet-Membran-Endothel-Komplex vom Hornhautstroma separiert [1]. Postoperative Descemet-Membran-Ablösungen treten am häufigsten nach Kataraktoperationen auf [9, 11, 12, 15], sind aber auch nach Trabekulektomien [23], Iridektomien [9] und Pars-plana-Vitrektomien [10] beschrieben [1]. Descemet-Membran-Ablösungen können durch eine unbeabsichtigte Injektion von Luft, Kochsalzlösung, Viskoelastikum oder Antibiotika in den Pre-Descemet-Raum beispielsweise während der Irrigation-Aspiration, stromalen Hydration, intrakameralen Antibiotikaeingabe oder Insertion der Intraokularlinse, durch eine weiter anterior platzierte korneale Inzision und durch die Verwendung von stumpfen Messern entstehen [4, 6, 17, 1, 13, 14]. Als präoperativer Risikofaktor werden zudem vorbestehende endotheliale Pathologien v. a. bei bilateralen Descemet-Membran-Ablösungen diskutiert [5, 8, 22]. Bei dem hier beschriebenen Fall wurde die Descemet-Membran-Ablösung 5 Wochen nach erfolgter unkomplizierter Kataraktoperation festgestellt. Die Angaben zum Zeitpunkt der Diagnosestellung variieren in der Literatur. In einer Arbeit von Ti et al. wurden die Descemet-Membran-Ablösungen etwa zur Hälfte intra- und zur Hälfte postoperativ festgestellt [22]. Sukhija et al. haben den Großteil der Descemet-Membran-Ablösungen postoperativ diagnostiziert [21]. Auch die Angaben in der Literatur bezüglich der Latenz bis zum Auftreten einer Descemet-Membran-Ablösung nach unkomplizierter Kataraktoperation weisen ebenfalls eine große Variabilität von Wochen bis Monaten auf [3, 7, 16, 20]. Als ein wichtiges Anzeichen wird hier ein Stromaödem am ersten postoperativen Tag beschrieben [21, 22]. Die optische Kohärenztomographie ist wie in diesem Fall zur Diagnosestellung und zum Monitoring des Therapieerfolgs sinnvoll einsetzbar.

Diagnose: Descemet-Membran-Ablösung nach Kataraktoperation

Lokalisierte begrenzte Ablösungen der Descemet-Membran nahe der Parazentese kommen in etwa 45 % der Kataraktoperationen vor und beeinflussen für gewöhnlich den postoperativen Visus nicht [2]. In der Regel kommt es zur Spontananheftung in den ersten postoperativen Tagen [1]. Bei großflächigeren Ablösungen besteht abhängig von der Ausdehnung der Ablösung und der Lokalisation neben der konservativen Therapie mit hyperosmolaren und steroidhaltigen Augentropfen die Möglichkeit zur operativen Therapie [18]. Zur Einschätzung, wann eine operative Therapie mit beispielsweise Gasinjektion in die Vorderkammer erfolgen soll, gibt es u. A. die Klassifikationen von Mackool und Holtz und Samarawickrama et al. Mackool und Holtz teilen die Descemet-Membran-Ablösungen abhängig von dem Abstand der Descemet-Membran vom darüber liegenden Stroma in planare (< 1 mm) und nichtplanare (> 1 mm) ein. Sie empfehlen, nichtplanare Descemet-Membran-Ablösungen aufgrund einer sehr geringen Spontananlagerate mittels Gaseingabe zu operieren und planare hingegen zunächst konservativ zu therapieren [9]. Samarawickrama et al. unterteilen die Descemet-Membran-Ablösungen in periphere und zentrale und empfehlen ein konservatives Vorgehen, wenn die visuelle Achse nicht betroffen ist, und eine Lufteingabe bei zentralen Descemet-Membran-Ablösungen [18]. In dem hier präsentierten Fall wurde aufgrund der Ausdehnung der Descemet-Membran-Ablösung und der Oculus-melior-Situation nach kurzzeitigem konservativem Therapieversuch ohne signifikante Besserung und bereits länger bestehender Problematik zeitnah die oben geschilderte Operation durchgeführt. Länger bestehende Descemet-Membran-Ablösungen können aufgrund von Fibrosierungen der Descemet-Membran und einer zunehmenden stromalen Ödematisierung zu erschwerten Operationsbedingungen führen [1].

Fazit für die Praxis

Bei einer Hornhautdekompensation nach einer unkomplizierten Kataraktoperation sollte differenzialdiagnostisch an eine Descemet-Membran-Ablösung gedacht werden. Zur Diagnosestellung und zur Verlaufsbeurteilung ist die OCT hilfreich.