Die Transplantationschirurgie der Hornhaut macht im Moment einen rasanten Wandel durch. In den letzten Jahren fand eine „Revolution“ hin zu lamellären Operationsverfahren statt [1, 2]. Inzwischen ist bei endothelialen Erkrankungen der Hornhaut wie der Fuchs-Endotheldystrophie und der pseudophaken bullösen Keratopathie ein lamelläres Operationsverfahren wie DMEK („Descemet membrane endothelial keratoplasty“) oder DSAEK („Descemet stripping automated endothelial keratoplasty“) der Goldstandard [1]. Auch bei Erkrankungen des vorderen Stromas wie dem Keratokonus werden immer häufiger lamelläre Verfahren mit geringerem Risikoprofil eingesetzt [2].

Im Gegensatz zu diesen erfreulichen Entwicklungen in avaskulären Normalrisikoaugen sind die Entwicklungen im Bereich der „vaskularisierten“ Hochrisikoaugen wesentlich geringer. Fortschritte wurde hier vor allem im Bereich der angioregressiven Therapie gegen vorbestehende Blutgefäße erzielt [3], des Weiteren im Bereich der HLA-Typisierung und der lokalen und systemischen Immunsupression [4, 5]. Trotz all dieser Bemühungen verbleibt eine kleine, aber sehr schwer beeinträchtigte Gruppe von Patienten mit schwersten Erkrankungen der Augenoberfläche, denen auch mit einer allogenen HLA-typisierten Keratoplastik und einer systemischen Immunsupression nicht geholfen werden kann. Dies ist die „Nische“ der künstlichen Hornhaut (Keratoprothese).

Die Historie der Entwicklung von künstlichen Hornhäuten geht in das 19. Jahrhundert zurück. Auf diesem langen Weg hin zu einem optimalen künstlichen Hornhautimplantat wurden verschiedenste Modelle ausgetestet und zum großen Teil auch wieder verworfen. Es gibt derzeit einige relativ häufig angewendete künstliche Hornhautvarianten, die sich weltweit im Einsatz bei schwersten Erkrankungen der Augenoberfläche bewährt haben. Dazu zählen die Boston-Keratoprothese (Boston Kpro) und auch die OsteoOdontoKeratoProthese (OOKP; [6]). Für beide Verfahren gibt es zahlreiche publizierte Erfahrungen und mehrere Tausend weltweit durchgeführt Operationen z. B. bei der Boston Kpro. Gerade bei Patienten mit immunologisch vermittelten schwersten Erkrankungen der Augenoberfläche wie dem okulären Pemphigoid und dem Fuchs-Steven-Johnson-Syndrom, bei Patienten mit vaskularisierten Hochrisikoaugen nach mehrfachem Transplantatversagen und bei Patienten mit schwersten Beeinträchtigungen der Augenoberfläche nach Verätzung bieten diese Verfahren relativ zuverlässige Möglichkeiten einer zumindest zeitweiligen deutlichen Sehverbesserung [7]. Dennoch sind all diese Verfahren mit zahlreichen, zum Teil schwerwiegenden Komplikationen behaftet und erfordern eine intensive lebenslange Nachsorge sowie nicht selten Nachoperationen.

Ziel dieses Heftes ist es daher, zum einen den aktuellen Versorgungsstand mit den gängigen Keratoprothesen darzustellen. In dem Beitrag von Schrage et al. [“Aktuelle Versorgungsmöglichkeiten mit Keratoprothesen: Boston Kpro, Osteoodontokeratoprothese (OOKP) und KeraClear“, in diesem Heft] werden die gängigen verfügbaren künstlichen Hornhauttypen, die sich im klinischen Routineeingriff befinden, mit ihren Indikation, ihren Operationstechniken, den Komplikationsmöglichkeiten und den Nachsorgeprinzipien dargestellt.

Große Hoffnungen werden in die Entwicklung von Biocorneae gesetzt

In Anbetracht der eben erwähnten reduzierten Langzeitergebnisse und möglichen Komplikationen bestehen Hoffnungen, mit der Entwicklung von besser bioverträglichen und zum Teil bioresorbierbaren Prothesen (Biocornea) die Prognose für die betroffenen Patienten zu verbessern [6]. Deshalb widmen sich 2 Beiträge dieses Themenheftes aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich. Der Beitrag von Fuchsluger et al. („Neue Möglichkeiten der Augenoberflächenrekonstruktion mit Membranen aus Kollagen und biokompatiblen Elastomernanofasern“, in diesem Heft) stellt die Möglichkeiten der Entwicklung von künstlichen Hornhäuten basierend auf Kollagenlamellen dar. Der Beitrag von Hos et al. [“Dezellularisierte Kollagenmatrix aus der Schuppe des Tilapia-Fisches als Hornhautersatz (‚BioCornea‘)“, in diesem Heft] zeigt die Möglichkeiten zur Entwicklung einer künstlichen Hornhaut mittels degradierbarem Fischkollagen als Ergebnis eines europäischen Forschungskonsortiums auf. Hier fördert die EU für 4 Jahre im Rahmen des COST-Programms die europäische Zusammenarbeit zur Herstellung einer Biocornea (www.cost.eu/domains_actions/bmbs/Actions/BM1302, www.biocornea.eu).

Zusammenfassend gibt es derzeit zwar zuverlässige und anwendbare Therapiemöglichkeiten mit künstlichen Hornhäuten bei Patienten mit schwersten Erkrankungen der Augenoberfläche. In Anbetracht der Komplikationen und reduzierten Langzeitprognosen der Verfahren besteht jedoch große Hoffnung, mittels neuer Forschungsansätze hin zu „biologischeren“ künstlichen Hornhäuten die Langzeitprognose für diese schwer erkrankten Patienten längerfristig zu verbessern. Diese neuen Ansätze werden sich hoffentlich schon mittelfristig in der Klinik etablieren.

Ihnen eine anregende Lektüre!

Claus Cursiefen, Universitätsaugenklinik Köln