Seit Sir Nicholas Harold Lloyd Ridley am 29.11.1949 die erste Kunstlinse in das menschliche Auge implantierte, ist diese aus der Augenheilkunde nicht mehr wegzudenken. Die Evolution der Linsenimplantate gleicht der Evolution der operativen Augenheilkunde: Je besser die Techniken und die Materialien werden, umso raffinierter das Design, umso kleiner der Schnitt, umso schneller die Rehabilitation. Damit kommen aber auch Linsen auf den Markt, die besonders dünn und/oder komprimierbar sind, weil nur dieses Design eine Implantation durch einen Kleinstschnitt ermöglicht. Diese Intraokularlinsen (IOLs) setzen jedoch eine absolute Integrität des Kapselsacks samt Zonulaapparat voraus. Vereinfacht gesagt, wenn alles gut gelingt und der Kapselsack trägt, dann ist das Ergebnis nahezu perfekt. Dass es nicht immer so ist, weiß jeder Ophthalmochirurg, der lange genug und viel operiert. Bleibt jedoch das Auge aphak oder kommt es aufgrund krankhafter Veränderungen zu einer IOL-Luxation, so ist es aus der heutigen Sicht in der überwiegenden Anzahl der Fälle nicht mehr akzeptabel, eine Starbrille oder eine Kontaktlinse zu verschreiben.

Doch was sind die heutigen Fälle, die eine andere als die endokapsuläre Implantation erfordern? In erster Linie sind das komplikative Phakoemulsifikationen. Dann kommen jedoch nach meiner Erfahrung Fälle zur sekundären Versorgung, die besonders gut voroperiert wurden. Das sind vor allem Augen mit Pseudoexfoliatio lentis (PEX), die bei schonender Technik und z. T. unter Verwendung von Hilfsmitteln wie Kapselspannring und/oder Stabilisierungshäkchen bzw. -segmenten eine erfolgreiche Phakoemulsifikation mit endokapsulärer IOL-Implantation erfuhren. Erst später, im Durchschnitt nach ca. 8 Jahren [2], dekompensieren die Zonulafasern, und der Patient stellt sich mit einer subluxierten oder gänzlich in den Glaskörperraum luxierten IOL, in der Regel samt Kapselsack und Soemmerring-Katarakt, vor. Ein ähnlicher Mechanismus findet sich bisweilen nach einer oder mehreren extensiven Pars-plana-Vitrektomien oder nach Trauma.

Alleine die Tatsache, dass dieses Leitthema sich über 2 Hefte erstreckt, deutet darauf hin, dass es keine perfekte einzelne Technik einer sekundären Implantation gibt. Vielmehr haben sie alle gewisse Vor- und Nachteile und potenzielle kurz-, mittel- oder langfristige Komplikationen. Auch die Komplexität verschiedener Verfahren variiert von Technik zu Technik. Idealerweise soll der Operateur alle Techniken beherrschen und je nach anatomischer Ausgangslage, Alter, Lebenserwartung, Komorbiditäten, Beschaffenheit der angrenzenden Strukturen wie Iris und Sklera sowie unter Berücksichtigung der verbliebenen Kapselstrukturen die Technik mit dem geringsten Komplikationspotenzial und dem besten Outcome wählen. Der umgekehrte Weg, die Augen der einzigen beherrschten Technik anzupassen, ist nicht zeitgemäß und möglicherweise sogar ethisch und juristisch fraglich.

Der Operateur sollte alle Techniken beherrschen und die für den Patienten geeignetste auswählen

Die folgende Übersichtsreihe soll dem Leser die gängigen gegenwärtigen operativen Methoden zur sekundären Linsenimplantation im Detail schildern. Jeder Artikel ist von einem Experten oder einer Expertengruppe geschrieben worden, wobei im Diskussionsteil die Vor- und die Nachteile und eine Gegenüberstellung zu den anderen Verfahren einen gebührenden Platz finden.

Im ersten vorliegenden Heft dieser Reihe geht es ausschließlich um eine sekundäre Implantation in die Hinterkammer.

Die Irisnahtfixation erfreut sich vor allem im angelsächsischen Sprachraum einer größeren Popularität als hierzulande, wobei die Gründe eher in der „Tradition“ und der Meinung der jeweiligen „opinion leaders“ zu finden sind, als dass es dazu harte Daten gäbe. Gerstmeyer geht in seinem Beitrag „Die irisnahtfixierte Hinterkammerlinse – neue Perspektiven für eine bekannte Technik“ dieser interessanten Möglichkeit der Linsenverankerung nach und beschreibt die einzelnen Schritte so klar und verständlich, dass man seinen Artikel buchstäblich als „Betriebsanleitung“ nutzen kann, wenn man diese Technik zum ersten Mal anwenden möchte. Nach meiner Erfahrung ist in erster Linie die Late-in-the-bag-Dislokation eine phantastische Indikation, um sich mit der Irisnahtfixation anzufreunden. In geübten Händen wird die gesamte Operation im geschlossenen System über 4 korneale Parazenthesen bei unversehrter Bindehaut abgeschlossen, und das Auge sieht am Folgetag nahezu „wie nicht operiert“ aus.

Eine weitere Option für die Nahtfixation ist die Verankerung an der Lederhaut. Dieses Verfahren gibt es in allen möglichen Variationen, wie Szurman und Gekeler in ihrem Beitrag „Sekundäre IOL-Implantation skleranahtfixierter Intraokularlinsen“ berichten. Ihre mit reichlich Bildmaterial ausgestattete Arbeit setzt sich ernsthaft mit jeder Nuance auseinander und weist völlig berechtigt auch auf die wichtigen eigenen Beiträge zur Risikominimierung und Weiterentwicklung wie die Z-Naht oder die Faltlinsennahtimplantation hin. Wer glaubt, die Skleranahtfixation zu beherrschen, wird sich nach der Lektüre dieses Beitrages wundern, was man noch so alles anders oder besser machen kann.

Für die neuste Entwicklung der IOL-Fixation an der Sklera, nämlich der Haptikfixation, ist es gelungen, den Erstbeschreiber und Erfinder dieser Methode als Autor zu gewinnen. Herr Kollege Scharioth beschreibt im Beitrag „Intrasklerale Haptikfixation von Intraokularlinsen“ ausführlich seine eigene Technik und geht auf weitere durch Agarwal [1] propagierte Modifikationen seiner Prozedur, die sog. „glued IOL“, ein. Im Gegensatz zu allen anderen Techniken der sekundären Implantation in die Hinterkammer zeichnet sich die Haptikfixation nach Scharioth durch eine höhere Stabilität aus. Die durch die Naht (oder Klauentechnik: s. nachfolgendes Heft) an 2 gegenüberliegenden Stellen bedingte axiale Verkippung oder Instabilität ist durch das neue Verankerungsprinzip nahezu ausgeschlossen. Außerdem ist im Gegensatz zu einem Faden nicht mit einer vergleichbaren Materialermüdung zu rechnen. Die Technik erscheint zwar etwas aufwendiger, sollte aber gerade bei Patienten mit einer guten Lebenserwartung und einem geringen Glaukomrisiko ganz oben auf der Liste der möglichen Verfahren stehen.

Alle Autoren und ich als Editor dieses Leitthemas wünschen sich, dass diese Beiträge Ihnen nicht nur eine spannende Lesezeit bescheren, sondern dazu anspornen, das eigene Repertoire zu erweitern. Ich hoffe auch, dass Sie „Appetit“ auf mehr bekommen und sich bereits jetzt auf die Fortsetzung im April-Heft freuen.

Herzlichst Ihr

W. Sekundo