Zusammenfassung
Das Immunsystem höherer Wirbeltiere ist in der Lage „Selbst“ und „Fremd“ zuverlässig zu unterscheiden. Diese Funktion wurde primär dem HLA-Komplex zugeschrieben. In jüngster Zeit kristallisiert sich heraus, dass speziell in der Keratoplastik das System der Minor-H-Antigene von ähnlich großer Bedeutung sein könnte. Das Matching ausgewählter Minor-H-Antigene wird zukünftig die Prognose der Keratoplastik vermutlich weiter verbessern.
Abstract
Specific recognition of foreign tissue is a common feature in higher vertebrates. This capability has commonly been ascribed to the human leukocyte antigen (HLA) complex. Recent developments, however, point to an outstanding role of minor H antigens, especially in the context of corneal transplantation. It is likely that the matching of selected minor H antigens will further improve rejection free, clear graft survival following penetrating keratoplasty in the not so distant future.
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Hintergrund
Das Immunsystem höherer Wirbeltiere ist in der Lage „Selbst“ und „Fremd“ zuverlässig zu unterscheiden. Daher wird übertragenes Gewebe in der Regel unverzüglich abgestoßen sofern es nicht von einem genetisch identischen Spender stammt. Für den Erkennungsvorgang sind allerdings nicht alle genetischen Merkmale des Gewebespenders gleichermaßen bedeutsam: eine herausragende Bedeutung kommt dem Major Histokompatibilitätskomplex zu. Beim Menschen hat sich der Begriff humanes Leukozytenantigen (HLA) System für diesen Genkomplex eingebürgert (Artikel von Ignatius und Hoffmann in diesem Heft). Knochenmarkstransplantationen wurden beispielsweise durch ein optimales und umfassendes HLA-Matching erst ermöglicht. Dennoch werden Abstoßungsreaktionen auch nach optimalem HLA-Match beobachtet [4].
Minor-Transplantationsantigene
Da Abstoßungsreaktionen nach HLA-identischer Allotransplantation vergleichsweise mild verlaufen, wurden die verantwortlichen Antigene unter dem Begriff Minor-Histokompatibilitätsantigene (H-Antigene) subsummiert. Inzwischen ist deren Herkunft gut verstanden: Jede kernhaltige Zelle trägt auf ihrer Oberfläche, eingebettet in membranständige HLA-Moleküle, gleichsam einen proteomischen Fingerabdruck ihres genetischen Kodes. Die Antigene leiten sich von zytosolischen Proteinen ab. Proteasomen, tubuläre Organellen, führen überalterte Proteine regelmäßig einem „Aminosäurenrecycling“ zu, indem sie diese in kurze Fragmente zerlegen. Diese Polypeptide werden regelmäßig über TAP, einem Bindungs- und Transportprotein, in das endoplasmatische Retikulum überführt. Dort gelangen sie in den Bindungsspalt von frisch synthetisierten HLA-Molekülen der Klasse I. Schließlich verschmelzen die Membranen des endoplasmatischen Retikulums mit der Zellmembran und exponieren so die HLA/Minor-H-Antigenkomplexe.
Jedes HLA-Allel besitzt ein spezifisches Peptidrepertoire, das sich durch die physikochemischen Eigenschaften des Bindungsspalts definiert. Diese Selektivität wird als HLA-Restriktion bezeichnet [1]. Beim Menschen ist aus der Knochenmarkstransplantation inzwischen eine größere Zahl an polymorphen Minor-H-Antigenen bekannt (Tab. 1).
Evidenz bei Keratoplastik
Paradoxerweise wird gerade in einem Keratoplastikmodell schon länger beobachtet, dass die Immunogenität ausgewählter Minor-Antigene tierexperimentell die von Major-Antigenen übertreffen kann. Für die humanen Minor-H-Antigene HLA-A1/HA-3 und HLA-A1/H-Y ist zudem die Expression in Hornhautgeweben nachgewiesen [5]. Dennoch fristeten Minor-H-Antigene abseits der experimentellen Keratoplastik lange ein Schattendasein. Allein die Gruppe der H-Y-Antigene wurde im klinischen Setting untersucht. Von einem männlichen Spender übertragen, können Antigene der H-Y-Gruppe in einem weiblichen Organismus für Abstoßungsreaktionen verantwortlich sein. Dieser Effekt ist in der Knochemarkstransplantation klinisch schon länger bekannt. Bis vor kurzem zeigte sich aber weder in der Keratoplastik [6] noch in der Nierentransplantation [3] ein geschlechtsbezogener Effekt. Bei den früheren Auswertungen wurde allerdings die HLA Restriktion nicht berücksichtigt. Es ist davon auszugehen, dass sich beispielsweise der HLA-A1/H-Y Effekt, der nur in 13% aller Fälle von Bedeutung ist (Tab. 2), in der Gesamtgruppe unter die statistische Nachweisgrenze „verdünnt“ hat.
Die Autoren werteten jüngst retrospektiv eine Gruppe von 229 Keratoplastiken erstmals für die definierten HLA-A1/HA-3- und HLA-A1/H-Y-Antigene aus [2]. Es zeigte sich ein unerwartet deutlicher Effekt (Abb. 1, Tab. 2) für das HLA-A1/H-Y-Antigen auf das abstoßungsfreie, klare Transplantatüberleben. Das Abstoßungsrisiko wird im Falle eines Mismatches (Transplantat eines HLA-A1-postiven Mannes transplantiert auf eine Patientin) um die gleiche Größenordung wie bei dem Vergleich Hochrisikokeratoplastik/Standardrisikosituation erhöht. Für das HLA-A1/HA-3 konnte ebenfalls ein Effekt vermutet werden. Ein solcher war allerdings angesichts der niedrigen Prävalenz von Mismatches (3%; Tab. 2) statistisch nicht nachweisbar.
Diskussion
Tierexperimentell ist schon länger bekannt, dass Minor-H-Antigene für die Keratoplastik wichtiger als HLA-Mismatches sein können [7]. Diese Beobachtung konnte nun erstmals klinisch bestätigt werden. Die jüngst eröffentlichten Daten zum klinischen HLA-A1/H-Y-Matching legen nahe, HLA-A1-postive Spender nicht für weibliche Empfänger zu verwenden.
Diese Wertigkeit ausgewählter Minor-H-Antigene stellt dabei keinesfalls das HLA-Matching in Frage (Ignatius und Hoffman in diesem Heft): Minor-H-Antigen-Mismatches sind im Vergleich zu HLA-Mismatches eher selten und so in der Mehrzahl nicht für Abstoßungsreaktionen verantwortlich. Dies bedeutet gleichermaßen, dass ein gezieltes Matching ausgewählter Minor-H-Antigene die Wartezeit auf ein passendes Transplantat i. Allg. nicht verlängert: Die Wahrscheinlichkeit für ein Minor-H-Antigen-Mismatch unter der Voraussetzung eines HLA-Matches ist im Einzelfall sehr gering, sodass ein HLA-Match in der Regel nicht aufgrund eines Minor-H-Antigen-Mismatches abgelehnt werden muss. (Zur Vorhersagemöglichkeit der erwarteten Wartezeit auf ein HLA-Match s. Artikel von Böhringer et al. in diesem Heft). Dennoch wird durch ein kombiniertes Matching von HLA- und Minor-H-Antigenen die Prognose im Einzelfall signifikant verbessert.
In Tab. 1 wird gezeigt, dass der Erkenntnisstand bei Minor-H-Antigenen in der Keratoplastik noch äußerst begrenzt ist. Möglicherweise werden in Zukunft weitere, bedeutsame Antigene identifiziert werden, deren Matching eine Prognosebesserung zur Folge hat. Eine multizentrische, prospektive Studie ist hierzu in Vorbereitung.
Fazit für die Praxis
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Zellen tragen auf ihrer Oberfläche einen spezifischen Fingerabdruck ihres genetischen Codes.
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Unterschiede zwischen Spender und Empfänger in diesem Fingerabdruck (HLA- und Minor-H-Antigene) können für Abstoßungreaktionen nach Organübertragung verantwortlich sein.
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Unterschiede in Minor-H-Antigenen scheinen in der Keratoplastik von großer Bedeutung zu sein, sind aber verglichen mit HLA-Mismatches eher selten.
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HLA-A1-postive Spender sollten nicht für weibliche Empfänger verwendet werden.
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Das Matching weiterer Minor-H-Antigene wird zukünftig die Prognose der Keratoplastik möglicherweise weiter verbessern.
Literatur
Bevan MJ (2005) The major histocompatibility complex determines susceptibility to cytotoxic T cells directed against minor histocompatibility antigens. J Immunol 175: 7069–7084
Böhringer D, Spierings E, Enczmann J et al. (2006) Matching of the minor histocompatibility antigen HLA-A1/H-Y may improve prognosis in corneal transplantation. Transplantation 82: 1037–1041
Ellison MD, Norman DJ, Breen TJ et al. (1994) No effect of H-Y minor histocompatibility antigen in zero-mismatched living-donor renal transplants. Transplantation 58: 518–520
Goulmy E (1997) Human minor histocompatibility antigens: new concepts for marrow transplantation and adoptive immunotherapy. Immunol Rev 157: 125–140
Goulmy E, Pool J, Van Lochem E et al. (1995) The role of human minor histocompatibility antigens in graft failure: a mini-review. Eye 9 (Pt 2):180–184
Inoue K, Amano S, Oshika T et al. (2000) Histocompatibility Y antigen compatibility and allograft rejection in corneal transplantation. Eye 14 ( Pt 2): 201–205
Sano Y, Ksander BR, Streilein JW (1996) Minor H, rather than MHC, alloantigens offer the greater barrier to successful orthotopic corneal transplantation in mice. Transpl Immunol 4: 53–56
Spierings E, Wieles B, Goulmy E (2004) Minor histocompatibility antigens – big in tumour therapy. Trends Immunol 25: 56–60
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Cite this article
Spierings, E., Reinhard, T., Goulmy, E. et al. Matching von Minor-Transplantationsantigenen in der perforierenden Keratoplastik. Ophthalmologe 104, 210–212 (2007). https://doi.org/10.1007/s00347-006-1474-9
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00347-006-1474-9